Urteil des KG Berlin vom 02.12.2004

KG Berlin: einstweilige verfügung, absolute person der zeitgeschichte, straftat, begriff, konkretisierung, haftentlassung, zeitung, ausgabe, anstiftung, erlass

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Gericht:
KG Berlin 9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 17/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 313 Abs
1 Nr 4 ZPO, § 23 Abs 1 Nr 1
KunstUrhG
Unterlassung einer Presseberichterstattung: Hinreichende
Bestimmtheit des Unterlassungsantrages
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Abänderung des Urteils des
Landgerichts Berlin vom 02. Dezember 2004 (27.O.779/04) die einstweilige Verfügung
des Landgerichts Berlin vom 23. September 2004 aufgehoben und der Antrag auf deren
Erlass zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller war 1989/90 Regierungsbevollmächtigter für die Gründung des Landes
Brandenburg und von November 1990 bis August 1993 Minister im Land Brandenburg.
Er wurde im Jahre 2002 wegen Anstiftung zum Mord an seiner Ehefrau zu fünf Jahren
Freiheitsstrafe verurteilt.
In der Vergangenheit wurde über den Antragsteller wiederholt in öffentlichen Medien
berichtet, so über dessen Rücktritt als Minister wegen einer Immobilienaffäre im Jahre
1993, über die Arbeit des zur Aufklärung dieser Affäre bis Ende Juni 1994 tätigen
Untersuchungsausschusses, über die Geltendmachung seiner Wiederbeschäftigung im
Landesdienst gegenüber dem Land Brandenburg im Jahre 1995, über ein Strafverfahren
gegen den Antragsteller wegen des Verdachts einer Fahrerflucht im Jahre 1995, über
den Selbstmord seiner Geliebten Ende 1998, über ein Strafverfahren gegen den
Antragsteller wegen des Verdachts der Vorteilsnahme im Amt im Jahre 1999, über die
Festnahme des Antragstellers in Untersuchungshaft wegen des Verdachts der
Anstiftung zur Tötung seiner Ehefrau im Juli 2001, über die Verurteilung des
Antragstellers zu fünf Jahren Freiheitsstrafe wegen dieser Straftat im Februar 2002, über
die Verwerfung seiner Revision durch den BGH im November 2002.
Im August 2004 nahm die Antragsgegnerin, Verlegerin der B. -Zeitung, die
bevorstehende Aussetzung der Reststrafe des Antragstellers zur Bewährung zum
Anlass, den Werdegang des Antragstellers, dessen Straftat sowie dessen aktuelle
Haftsituation in einem ganzseitigen Artikel in der Brandenburg-Ausgabe vom 24. August
2004 unter Verwendung von Fotografien des Antragstellers zu schildern. In einem
weiteren ganzseitigen Artikel in der Brandenburg-Ausgabe vom 25. August 2004
berichtete die Antragsgegnerin unter Verwendung von Fotografien des Antragstellers in
Trainingsjacke und kurzer Sporthose über einen zum Joggen genutzten Freigang des
Antragstellers.
Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin, die hinsichtlich der in beiden Artikeln
getätigten und vom Antragsteller beanstandeten Äußerungen sowie hinsichtlich der
verwendeten Fotografien eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, auf
Unterlassung einer identifizierenden Bild- und Wortberichterstattung über dessen
Straftat in Anspruch.
Das Landgericht Berlin hat antragsgemäß gegen die Antragsgegnerin folgende
einstweilige Verfügung erlassen und diese mit dem angefochtenen Urteil
aufrechterhalten.
Der Antragsgegnerin wird es ... verboten, ohne aktuellen Anlass über die von
Herrn W. verübte Straftat unter Nennung seines Namens und/oder unter
Veröffentlichung eines Bildnisses von ihm identifizierend zu berichten,
insbesondere wenn dies geschieht wie auf Seite 7 der B. -Zeitung/Ausgabe
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insbesondere wenn dies geschieht wie auf Seite 7 der B. -Zeitung/Ausgabe
Brandenburg vom 24.08.04 unter dem Aufmacher „Der Minister, der seine Frau
umbringen lassen wollte. Im Gefängnis begann er ein Autoren Studium“ und der
Überschrift „Der böse W. schreibt jetzt sein Märchen“
oder
wenn dies geschieht wie auf Seite 7 der B. -Zeitung/Ausgabe Brandenburg vom
25.08.04 „Ex-Minister J... W. (63), der wegen versuchter Anstiftung zum Mord an seiner
Frau hinter Gittern sitzt. Nach drei Knastjahren hat er jetzt Freigang.“
Der Antragsgegnerin ist das Urteil des Landgerichts vom 02. Dezember 2004 am 28.
Dezember 2004 zugestellt worden. Mit ihrer am 17. Januar 2005 eingelegten und am 28.
Februar 2005 begründeten Berufung verfolgt die Antragsgegnerin die Aufhebung der
einstweiligen Verfügung weiter.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils
Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin meint, das ausgesprochene Verbot sei nicht hinreichend bestimmt.
In der Sache ist sie der Ansicht, eine identifizierende Berichterstattung über die Straftat
des Antragstellers sei zulässig, weil der Antragsteller eine absolute Person der
Zeitgeschichte sei. Auf den Schutz der Lebach-II-Entscheidung des BVerfG könne sich
der Antragsteller nicht berufen, weil er nicht einem Straftäter gleich stehe, der allein
durch eine Straftat in das Interesse der Öffentlichkeit gelangt ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 02. Dezember 2004
die einstweilige Verfügung vom 23. September 2004 aufzuheben und den Antrag auf
ihren Erlass zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist unzulässig; er entspricht durch die
Verwendung der Formulierung „ohne aktuellen Anlass“ nicht § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Nach dieser Vorschrift muss ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO
eine darauf beruhende Verurteilung - so deutlich gefasst sein, dass der
Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des
Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte umfassend verteidigen kann und die
Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht im Ergebnis dem
Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (BGH NJW 2005, 2550, 2551; NJW 2003, 3046,
3047; WRP 1992, 560, 561).
1.
Die vom Antragsteller gewählte Formulierung ist (obwohl dies auch materiell-rechtlich
geboten wäre - vgl. BGH NJW 1996, 723, 724; GRUR 1982, 681, bei IV.) nicht an der
konkreten Verletzungshandlung orientiert.
Vielmehr wird ein von der konkreten Verletzungshandlung abstrahierter Verbotsantrag
gestellt (vgl. BGH WRP 1998, 42, 46). Der Antragsteller verlangt nicht Unterlassung der
konkreten identifizierenden Berichterstattung über den Antragsteller und dessen Straftat
aus Anlass seiner bevorstehenden Haftentlassung, wie sie durch die Artikel der
Antragsgegnerin in den Ausgaben vom 24. August 2004 und 25. August 2004 erfolgt ist.
Insoweit hat die Antragsgegnerin unter dem 08. September 2004 bezüglich der in beiden
Artikeln getätigten und vom Antragsteller beanstandeten Äußerungen sowie der
verwendeten Fotografien jeweils auf die konkrete Wort- und Bildberichterstattung
bezogen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Der Antragsteller
verlangt vielmehr, dass es der Antragsgegnerin losgelöst von diesen konkreten
Verletzungshandlungen und über diese hinaus auch für die Zeit nach seiner
Haftentlassung schlechthin verboten wird, ohne aktuellen Anlass über die vom
Antragsteller verübte Straftat unter Nennung seines Namens und/oder unter
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Antragsteller verübte Straftat unter Nennung seines Namens und/oder unter
Verwendung eines Bildes identifizierend zu berichten.
Ein Antragsteller ist zwar nicht verpflichtet, sich auf eine konkrete Verletzungsform zu
beschränken. Bei der Formulierung eines Unterlassungsantrages sind im Interesse eines
hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, weil eine
Verletzungshandlung die Vermutung der Begehungsgefahr nicht nur für die identische
Verletzungsform begründet, sondern auch für alle im Kern gleichartigen
Verletzungshandlungen (BGH NJW 2000, 2195, 2196). Es muss aber stets auch in dieser
verallgemeinerten Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum
Ausdruck kommen (BGH WRP 2000, 1258, 1260).
Dem wird die vorliegend zur näheren Umschreibung der Verletzungshandlung
verwendete Formulierung „ohne aktuellen Anlass“ nicht gerecht. Sie ist nicht geeignet,
das zu unterlassende Handeln hinreichend konkret zu bezeichnen, weil diese
Formulierung aus sich heraus nicht fassbar ist. Mit der beantragten Formulierung ist der
Antrag durch die zu weitgehende Verallgemeinerung hinsichtlich seiner inhaltlichen
Reichweite derart auslegungsbedürftig, dass er als unbestimmt anzusehen ist.
2.
Bei der zur Umschreibung der Verletzungshandlung verwendeten Formulierung „ohne
aktuellen Anlass“ handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen Begriff.
Ein solcher Begriff, dessen Inhalt nicht feststeht, sondern erst durch Auslegung zu
ermitteln ist, ist grundsätzlich nicht geeignet, ein zu unterlassendes Handeln hinreichend
konkret zu bestimmen, weil Zweifel über Sinngehalt und Reichweite des Verbotes
entstehen würden. Ein Unterlassungstitel, der auslegungsbedürftige Begriffe verwendet,
würde die Auslegung des Begriffes und damit die Beantwortung der Frage, welches
Verhalten überhaupt unter das Verbot fällt, in das Zwangsvollstreckungsverfahren
verlagern. Mit dem Begriff „ohne aktuellen Anlass“ löst der Antragsteller den
Verbotsantrag vollständig von der konkret beanstandeten Berichterstattung und
überlässt dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung im Einzelfall darüber, was eine
Berichterstattung „ohne aktuellen Anlass“ ist, mithin also was tatsächlich verboten ist
(BGH NJW 2000, 1792, 1793).
Zwar sind auch auslegungsbedürftige Begriffe im Antrag und in der Urteilsformel nicht
generell unzulässig (BGH NJW 2000, 2195, 2196). Der Gebrauch solcher Begriffe kann
hinnehmbar oder im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig und sogar
geboten sein (BGH WRP 1998, 42, 46). Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe
in Klageantrag und Urteilsformel kann hingenommen werden, wenn über den Sinngehalt
der verwendeten Begriffe oder Bezeichnungen kein Zweifel besteht, so dass die
Reichweite von Antrag und Urteil feststeht. Etwas anderes gilt aber dann, wenn zwischen
den Parteien gerade Streit darüber besteht, ob das beanstandete Verhalten unter einen
auslegungsbedürftigen Begriff fällt. Unter diesen Umständen darf der fragliche Begriff in
der Urteilsformel nicht verwendet werden, weil sonst der im Erkenntnisverfahren
beizulegende Streit ins Vollstreckungsverfahren verlagert würde (BGH NJW 2000, 2195,
2196; WRP 1998, 42, 46).
Dies ist vorliegend der Fall. Die Parteien streiten gerade um die Auslegung des Begriffes
„aktueller Anlass“. Streitig ist die Frage, ob vorliegend sowie wann generell ein aktuelles
Ereignis in Bezug auf die Person des Antragstellers vorliegt bzw. vorliegen könnte,
welches Gegenstand einer zulässigen Berichterstattung sein würde. Im vorliegenden
Rechtsstreit geht die Auseinandersetzung der Parteien im Kern um die Frage, ob die
seinerzeit bevorstehende Haftentlassung des Antragstellers ein „aktueller Anlass“ für
eine zulässige, den Antragsteller identifizierende Berichterstattung ist, in deren Rahmen
auch die Straftat des Antragstellers erneut thematisiert werden darf. Dies verneint der
Antragsteller unabhängig vom Stil der Berichterstattung ausnahmslos, und zwar auch
für eher nüchtern gehaltene Veröffentlichungen, in denen allenfalls ein Porträtfoto zur
Bebilderung verwendet worden ist. Demgegenüber bejaht die Antragsgegnerin diese
Frage.
Ob ein „aktueller Anlass“ vorliegt, kann nur nach einer umfassenden Abwägung
zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowie der Pressefreiheit der
Antragsgegnerin einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers
andererseits unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalles
festgestellt werden. Damit kann eine Berichterstattung „aus aktuellem Anlass“ sowohl
erlaubt als auch unzulässig sein. Die Frage, wann eine Berichterstattung „aus aktuellem
Anlass“ erfolgt, kann daher nur von Fall zu Fall beurteilt werden. Bleiben Sinngehalt und
Bedeutung des verwendeten Begriffes offen, können Inhalt und Umfang des begehrten
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Bedeutung des verwendeten Begriffes offen, können Inhalt und Umfang des begehrten
Verbotes nicht eindeutig feststehen. Die Auslegung des verwendeten Begriffes würde
dem Vollstreckungsgericht überlassen, welches erst nach einer rechtlichen Beurteilung
in der Lage wäre, zu bestimmen, wie weit das titulierte Verbot reicht.
Zu Recht macht die Antragsgegnerin insoweit geltend, dass sie dem Verbotstenor nicht
eindeutig entnehmen kann, wann ihr in Bezug auf die Person des Antragstellers die
Erwähnung der Straftat des Antragstellers gestattet ist und wann nicht.
3.
Auch einer Auslegung des Sachvortrages des Antragstellers lässt sich eine nähere
Bestimmung des Inhaltes und der Reichweite des beantragten Verbotes nicht
entnehmen.
Zwar kann unter Umständen zur Konkretisierung des begehrten Verbotes eine
Auslegung des Antragsinhalts unter Heranziehung des Sachvortrages des Antragstellers
erfolgen. Dies setzt aber voraus, dass der Sachvortrag das mit dem selbst nicht
hinreichend klaren Antrag Begehrte im Tatsächlichen eindeutig umschreibt (BGH NJW
1995, 3187, 3188).
Weder Antragsinhalt noch der Sachvortrag des Antragstellers bieten hierzu jedoch eine
Grundlage, den begehrten Verbotsinhalt im Wege der Auslegung auch nur annähernd
eindeutig zu bestimmen. Dem Vortrag des Antragstellers ist nicht zu entnehmen, was
seiner Ansicht nach unter dem Begriff „aktueller Anlass“ zu verstehen ist. Er hat nicht
dargetan, worin ein „aktueller Anlass“ bestehen könnte, vielmehr hat er insoweit sogar
jegliche Konkretisierung vermieden. Der Vortrag des Antragstellers beschränkt sich
hierzu auf die Darlegung, die bevorstehende Haftentlassung des Antragstellers sei im
August 2004 kein aktueller Anlass für eine identifizierende Berichterstattung über den
Antragsteller und dessen Straftat gewesen. Dem lässt sich jedoch nicht entnehmen,
wann regelmäßig ein aktueller Anlass vorliegen würde, welcher eine Berichterstattung als
zulässig erscheinen ließe.
4.
Das Landgericht hat zwar in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils
versucht, eine Eingrenzung vorzunehmen - welche sich der Antragsteller im
Berufungsverfahren zu eigen gemacht hat -, indem es der zur Begründung des Antrages
für das Unterlassungsgebot zugrunde gelegten Verletzungshandlung und dem übrigen
Klagevorbringen entnommen hat, der Antragsteller wehre sich vorliegend gegen eine ihn
identifizierende Berichterstattung, die kein zeitgeschichtliches Geschehen dokumentiere.
Bei der Auslegung eines Urteilstenors sind für die Prüfung der Frage, ob der
Urteilsausspruch den Inhalt und Umfang eines Verbotes hinreichend bestimmt erkennen
lässt, nicht allein der Wortlaut der Urteilsformel, sondern ebenso Tatbestand und
Entscheidungsgründe maßgebend (BGH GRUR 1987, 172, 174). Auch diese Auslegung
zur Ermittlung des Verbotsumfanges durch das Landgericht ist jedoch nicht hinreichend
bestimmt. Das Landgericht setzt an die Stelle des Begriffes „ohne aktuellen Anlass“ -
offensichtlich in Anlehnung an die Regelung des § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG - den ebenso
auslegungsbedürftigen Begriff „zeitgeschichtliches Geschehen“. Es umschreibt den
Inhalt des Antrages damit zudem so abstrakt wie einen gesetzlichen Tatbestand.
Eine solche an einem konkreten Gesetzestext - hier an § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG -
angelehnte, abstrakte Antragsformulierung ist vergleichbar mit einem
Unterlassungsantrag, der sich auf die bloße Wiedergabe des gesetzlichen
Verbotstatbestandes beschränkt.
Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, genügen
grundsätzlich nicht dem Erfordernis der Bestimmtheit (BGH NJW 2000, 1792, 1793; NJW
1995, 3187, 3188). Zwar hat die Rechtsprechung ausnahmsweise derartige Anträge
(insbesondere bei Klagen gegen Rabattverstöße) als zulässig angesehen. So ist ein
solcher Verbotsantrag dann hinreichend bestimmt, wenn bereits der gesetzliche
Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst ist und auch
zwischen den Parteien kein Streit besteht, welche Verhaltensweisen ihm unterfällt.
Dasselbe gilt, wenn der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte
Auslegung geklärt ist, sowie dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er
nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit
seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (BGH
NJW 2003, 3046, 3047). Auf solche Fallgestaltungen ist die Ausnahme aber zu
beschränken, während es für Fälle, bei denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen,
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beschränken, während es für Fälle, bei denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen,
sondern dem Erfordernis einer Vollstreckbarkeit lediglich durch bestimmte zusätzliche
charakterisierende Elemente des angegriffenen Verhaltens genügt werden kann, bei
dem Gebot einer näheren Konkretisierung verbleiben muss (BGH NJW 1995, 3187,
3188).
Die vom Landgericht gefundene Konkretisierung des Verbotsantrages, wonach der
Antragsteller Unterlassung einer ihn identifizierenden Berichterstattung verlangt, welche
kein zeitgeschichtliches Geschehen dokumentiert, läuft letztlich darauf hinaus, dass jede
Berichterstattung verboten werden soll, die nicht nach den von der Rechtsprechung
entwickelten Kriterien für eine identifizierende Berichterstattung über Straftäter zulässig
ist. Dies ist jedoch vergleichbar mit der bloßen Wiedergabe eines abstrakten
gesetzlichen Verbotstatbestandes, ohne dass dadurch das tatsächliche Verhalten
überhaupt näher konkretisiert wird.
Dieser Auffassung des Senates steht die Entscheidung BGH NJW 2004, 1795 (1796) im
Urteilstenor und in Ziff. II.3. der Entscheidungsgründe nicht entgegen. Zwar wird in jener
Entscheidung im Urteilstenor der Begriff „zeitgeschichtliches Ereignis“ verwendet. Jedoch
wird durch den weiteren Wortlaut des Urteilstenors sowie durch die Ausführungen in Ziff.
II.3. der Entscheidungsgründe das Verbot dennoch deutlich umrissen.
5.
Schließlich erfährt der vom Antragsteller formulierte Unterlassungsantrag auch durch die
verwendete Formulierung „insbesondere wie ...“ keine hinreichende Konkretisierung, um
den Bestimmtheitsanforderungen zu genügen.
Unter Umständen kann ein solcher Zusatz genügen, wenn die charakteristischen
Handlungsmerkmale in einer Weise wiedergegeben werden, die das Begehren
verständlich und einen ihm folgenden Urteilstenor aus sich heraus vollstreckbar
erscheinen lässt. So kann ein Antrag, welcher wegen der Verwendung eines
auslegungsbedürftigen Begriffes zur näheren Umschreibung der Verletzungshandlung
isoliert betrachtet nicht den Bestimmtheitserfordernissen genügt, dann hinreichend
bestimmt sein, wenn er mit einem Zusatz auf eine konkrete Verletzungshandlung,
beispielsweise auf eine konkret beanstandete Anzeige oder Berichterstattung, Bezug
nimmt (BGH GRUR 2001, 529, zu II.2.). So kann der Zusatz „wie dies am ... auf Seite ...
der ...-Zeitung geschehen ist“ die Annahme rechtfertigen, dass sich der Antragsteller
lediglich gegen die konkrete Verletzungsform und gegen solche weiteren
Verletzungsformen wendet, die - ersterer unmittelbar vergleichbar - das für die konkrete
Verletzungsform Charakteristische enthalten (BGH WRP 1998, 42, 46; NJW 1991, 1114,
1115). In diesem Sinne ist ein Antrag, der neben einer verallgemeinernden Fassung des
zu verbietenden Handelns verbunden mit der Formulierung „wenn dies geschieht wie“
im Anschluss eine konkrete Verletzungshandlung bezeichnet, nicht unbestimmt, da er
sich auf die konkrete Verletzungsform beschränkt. Ein solcher Antrag würde den
Antragsteller auch nicht in seinem Rechtsschutzbegehren einschränken, denn das
Verbot beschränkt sich nicht auf identische Verletzungsfälle, sondern umfasst auch
Abweichungen, die den Kern der Verletzungshandlung unberührt lassen; es erstreckt
sich auch auf solche Handlungen, die dem verbotenen Verhalten in seinen
charakteristischen Merkmalen entsprechen (BGH NJW 2000, 2195, 2196). Im Streitfall
wären dies Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der bevorstehenden
Haftentlassung bzw. den Haftbedingungen des Antragstellers zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung gewesen.
Die vom Antragsteller vorliegend verwendete Formulierung „insbesondere wenn dies
geschieht wie in ...“ kann in dieser Weise jedoch nicht aufgefasst werden. Das Wort
„insbesondere“ grenzt den Umfang des Verbotes nicht auf eine konkrete
Verletzungshandlung ein, sondern hebt lediglich eine konkrete Verletzungshandlung aus
dem Kreis der vom begehrten Verbot insgesamt zu umfassenden
Verletzungshandlungen heraus (vgl. BGH NJW 2000, 1792, 1794). Dies folgt bereits aus
dem Sinngehalt des Wortes „insbesondere“. Im vorliegenden Fall wird dies zudem
dadurch unterstrichen, dass der Antragsteller gerade für die im Anschluss an das Wort
„insbesondere“ formulierten, konkreten Verletzungshandlungen, nämlich die
Berichterstattung durch die Artikel der Antragsgegnerin in den Ausgaben vom ... August
2004 und ... August 2004, von der Antragsgegnerin eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung erhalten hat. Dennoch will er darüber hinaus Unterlassung einer
identifizierenden Berichterstattung über sich und seine Straftat „ohne aktuellen Anlass“
verlangen. Ist bezüglich der konkreten Verletzungshandlung die Wiederholungsgefahr
bereits ausgeräumt - was der Antragsteller nicht in Abrede stellt - dann ist hier nicht
hinreichend bestimmt, welche Verletzungshandlungen von dem beantragten Verbot
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hinreichend bestimmt, welche Verletzungshandlungen von dem beantragten Verbot
noch erfasst sein sollen.
Es kann offen bleiben, ob eine Formulierung „insbesondere wie“ generell ungeeignet
wäre, Inhalt und Reichweite eines umfassenden, über die konkrete Verletzungshandlung
hinausgehenden Unterlassungsverbotes hinreichend bestimmt zu konkretisieren. Im
vorliegenden Fall, in welchem durch den Begriff „ohne konkreten Anlass“ ein konkretes
Verletzungshandeln nicht erfassbar wird, können durch das Herausheben einer
einzelnen konkreten Verletzungshandlung aus dem Kreis aller möglicher, unter den
Begriff „ohne konkreten Anlass“ fallender Verletzungshandlungen Inhalt und Reichweite
des begehrten Verbotes nicht hinreichend bestimmt erfasst werden.
6.
Soweit sich das Landgericht auf ein Urteil des Senates vom 25. Mai 1993 (9 U 7624/92)
stützt, in der zur Klarstellung in den Verbotstenor aufgenommen worden ist, dass die
Erwähnung der Verurteilung des Antragstellers immer dann zulässig ist, wenn sie durch
besondere Umstände sachlich gerechtfertigt ist, steht dies den obigen Ausführungen
nicht entgegen.
Diese vom Senat klarstellend vorgenommene Beschränkung der Reichweite ist einer
Unterlassungsverurteilung stets immanent. Sie bräuchte mithin im Entscheidungstenor
nicht klargestellt zu werden (Wenzel, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5.
Auflage, Kap. 12, Rdnr. 155).
Zur Konkretisierung eines nicht hinreichend bestimmten Unterlassungsantrages ist
diese Formulierung („...immer dann zulässig ..., wenn sie durch besondere Umstände
sachlich gerechtfertigt ist“) aus den oben erörterten Gründen ebenso ungeeignet, wie
die Fassung im Antrag des Antragstellers „ohne aktuellen Anlass“ oder die vom
Landgericht gefundene Auslegung „die kein zeitgeschichtliches Geschehen
dokumentiere“.
7.
Soweit sich allein dem mit „insbesondere ...“ eingeleiteten Teil des Antrages ein
hinreichender bestimmter Verbotsantrag entnehmen lässt, kann auch insoweit nicht von
einem lediglich teilweise zulässigen Verbotsantrag ausgegangen werden.
Zwar kann dieser Teil, der regelmäßig in erster Linie dazu dient, das abstrakt gefasste
Verbot näher zu erläutern, als Hilfsantrag aufgefasst werden, weil damit deutlich
gemacht wird, dass jedenfalls die Unterlassung der konkreten Berichterstattung verlangt
wird (BGH NJW 2003, 3046, 3047). In dieser konkretisierten Form ist der Antrag zwar
hinreichend bestimmt, insoweit fehlt es jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, weil die
Antragsgegnerin in Bezug auf die konkrete Berichterstattung bereits umfassende
Unterlassungserklärungen abgegeben hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO.
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