Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: eintritt des versicherungsfalls, diebstahl, fahrzeug, haus, avb, dienstanweisung, parkraum, versicherungsnehmer, verschulden, obliegenheit

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Gericht:
KG Berlin 6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 20/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 6 Abs 1 S 1 VVG
Speditions-Haftungsversicherung: Leistungsfreiheit wegen
Obliegenheitsverstoß des Transportunternehmers;
Anforderungen an die Sicherung der Ladung vor Diebstahl und
Raub
Tenor
In Sachen S... D... - u. L... GmbH ./. K... -L... V... s-AG weist der Senat darauf hin, dass er
beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuweisen, da er der Auffassung ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg
hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Berufungsgerichts nicht erfordert.
Gründe
Der Klägerin steht kein Deckungsschutz aus der bei der Beklagten abgeschlossenen
Verkehrshaftungsversicherung wegen des Verlustes ihrer Ladung aufgrund des
Diebstahls des am 19. 8. 2005 in einer Parktasche der R... -D... -S... in B... abgestellten
Aufliegers mit den darauf befindlichen, für den Transport nach Großbritannien
vorgesehenen Chassi-Teilen für Rover im Wert von 53.297,20 Euro und der sich daraus
ergebenden Frachtführerhaftung gegenüber ihrem Auftraggeber und Herstellerin, der
Firma F.. A... GmbH in E..., zu. Denn die Beklagte beruft sich zu Recht auf ihre
Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 VVG i.V.m. Ziffer 11.1.3 und 11.3.1 der
vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Speditions-
Haftungsversicherung (AVB SH).
Gemäß Ziffer 11.1.3. AVB SH obliegt es dem Versicherungsnehmer, vor Eintritt des
Versicherungsfalls für die Sicherung beladener Kraftfahrzeuge, Anhänger und
Wechselbrücken/Container gegen Diebstahl oder Raub zu sorgen, insbesondere auch zur
Nachtzeit, an Wochenenden und Feiertagen. Gegen diese Obliegenheit hat die Klägerin
verstoßen, indem sie es unterließ, den Fahrer S..., der den beladenen Auflieger am
Freitagnachmittag abgekoppelt hat, um die Zugmaschine zu waschen, und mit der
Zugmaschine nach Hause fuhr, um erst am Sonntagabend gegen 22.00 Uhr vor
Fahrtantritt den Auflieger wieder anzuhängen, darin zu unterweisen, dass ein beladener
Auflieger niemals ungesichert und unbewacht auf öffentlichem Straßenland abgestellt
werden darf, erst recht nicht - wie hier - für einen Zeitraum von über zwei Tagen.
Die Klägerin behauptet zwar unter Benennung des Zeugen W... C..., ihr Personal
angewiesen zu haben, Fahrzeugzüge im öffentlichen Straßenland grundsätzlich nur
verbunden, d.h. einen Auflieger niemals alleine, abzustellen. Ihr diesbezügliches
Vorbringen ist jedoch auch in der Berufungsbegründung ohne Substanz. Denn obwohl
die Beklagte bereits im Schriftsatz vom 7.12.2006 gerügt hat, dass es an einer
inhaltlichen Beschreibung der angeblichen Dienstanweisung fehlt und die Klägerin
schriftliche Anweisungen an ihre Fahrer nicht vorzuweisen vermag, und obwohl das
Landgericht im angefochtenen Urteil die Behauptung der Klägerin als nicht ausreichend
substantiiert bezeichnet hat, trägt die Klägerin nicht vor, wer innerhalb ihres Betriebes
wem in welcher Form Dienstanweisungen welchen Inhalts erteilte. Es ist demzufolge
gemäß § 138 Abs. 3 ZPO die Behauptung der Beklagten zugrunde zu legen, wonach es
entsprechende Dienstanweisungen im Betrieb der Klägerin nicht gab. Dieses Vorbringen
stimmt mit dem Inhalt der schriftlichen Stellungnahme des Fahrers S... vom 23.8.2005
(Teil des Anlagenkonvoluts K 4) überein, und ist gestützt auf die Behauptung der
Beklagten, sowohl die Mitarbeiterin K... als auch der Geschäftsführer selbst hätten
gegenüber Mitarbeitern der Beklagten bestätigt, dass es kein generelles
„Absattelverbot“ gegeben habe. Eine entsprechende Unterweisung war auch nicht etwa
deshalb entbehrlich, weil der Fahrer S... nach dem Vorbringen der Klägerin die
Anweisung gehabt habe, das beladene Fahrzeug zu waschen und bis zum Fahrtantritt
am Sonntagabend vor seinem Haus abzustellen. Diese Anweisung impliziert zwar, dass
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am Sonntagabend vor seinem Haus abzustellen. Diese Anweisung impliziert zwar, dass
der gesamte Sattelzug vor dem Haus abgestellt wird. Sie bezieht sich jedoch
vornehmlich auf den Abstellort über das Wochenende und macht Anweisungen und
Belehrungen über Sicherheitsvorkehrungen im Verlauf der Ausführung des
Transportauftrages durch den Fahrer gerade nicht entbehrlich, da das Abstellen des
gesamten Sattelzugs in einer Wohnstraße einer Einfamilienhausgegend ohne
Reservierung eines Parkplatzes nicht generell gewährleistet ist, vielmehr ausreichenden
und nicht durch andere Fahrzeuge belegten Parkraum auf der öffentlichen Straße
vorausgesetzt hätte, und mit einer Anweisung zur Überwachung nicht verbunden war.
Verhaltensanweisungen für den Fall, dass ein Waschen des gesamten Sattelzuges nicht
möglich und vor dem Haus des Fahrers kein ausreichender Parkraum vorhanden sein
sollte, hat sie ihm nicht an die Hand gegeben.
Da der Fahrer S... lediglich die Zugmaschine und nicht den Auflieger vor seinem Haus
abgestellt hat, und dort nicht gesondert die Ladung aus dem Auflieger entwendet wurde,
kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin mit der von ihr behaupteten Einzelanweisung
im Übrigen ihrer Obliegenheit, für die Sicherung der Ladung vor Diebstahl zu sorgen,
genügt hätte.
Die Klägerin hat sich von dem gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 vermuteten Verschulden nicht
entlastet. Denn das Unterlassen einer Dienstanweisung über ein generelles
Absattelverbot stellt ein grob fahrlässiges Organisationsverschulden dar. Das
Verschulden entfällt auch nicht deshalb, weil Ziffer 11.1.3. keine Beispiele für die zu
ergreifenden Sicherungsmaßnahmen enthält. Vielmehr wird ein durchschnittlicher
geschäftskundiger Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht der
Versicherungsbedingungen erkennen, dass ihm die vorgenannte Klausel aufgibt, für eine
ordnungsgemäße Sicherung beladener Fahrzeuge zu sorgen und insbesondere nachts
eine ausreichende, angemessene Bewachung sicherzustellen (BGH VersR 2005, 266;
VersR 2003, 445 unter II.3.). Aus der Formulierung „zu sorgen“ wird er schließen, dass er
den Fahrer mit der Ladung nicht einfach sich selbst überlassen darf, sondern
Anweisungen für das Verhalten bei Fahrtunterbrechungen erteilen muss (BGH aaO; OlG
Saarbrücken OLGR Saarbrücken 2003, 456). Welche Sicherheitsvorkehrungen der
Transportunternehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung, das ihm
anvertraute Transportgut während der Beförderung vor Diebstahl oder Raub zu
bewahren, ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt
entscheidend darauf an, ob die getroffenen Maßnahmen den aktuell erforderlichen
Sorgfaltsanforderungen genügen. Die angeordneten Sicherheitsvorkehrungen müssen
zuverlässig ineinander greifen, verlässlich funktionieren und eine geschlossene
Sicherheitsplanung darstellen. Je größer die mit der Güterbeförderung verbundenen
Risiken sind, desto höhere Anforderungen sind an die zu treffenden
Sicherheitsmaßnahmen zu stellen (BGH TransportR 1999, 19; 1998, 25; 1984, 182). So
hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Spediteur, der das am Montag vom
Transportunternehmer abzuholende Fahrzeug bereits am Freitag beladen will, für eine
sichere Unterstellgelegenheit oder sonst für eine verlässliche Bewachung des Fahrzeugs
sorgen muss (BGH Transportrecht 1996, 72).
Da vorliegend der Fahrtantritt des beladenen Fahrzeugs erst nach einem Zeitablauf von
über zwei Tagen vorgesehen und das Fahrzeug mit der Ladung bereits in die Obhut des
Fahrers gegeben wurde, hätte es angesichts der sich hieraus ergebenden, auf der Hand
liegenden Gefahren detaillierter Anweisungen und Vorkehrungen bedurft, wie das
beladene Fahrzeug in diesem Zeitraum vor Diebstahl geschützt werden soll. Dem steht
nicht entgegen, dass die Beladung „nur“ aus vorgeformten, für Dritte nicht ohne
weiteres verwendbaren Chassi-Teilen bestand. Denn immerhin handelte es sich um
Stahlblech, das wieder verwendet werden kann; auch Blech (vgl. BGH VersR 2003, 445) -
selbst Schrottteile (vgl. BGH VersR 2005 aaO) - sind vor Diebstahl nicht sicher.
Unabhängig davon war jedenfalls durch das Absattelverbot von vornherein zu
vermeiden, dass die Ladung durch das gesonderte Abstellen des selbst
diebstahlsgefährdeten Aufliegers den Dieben quasi zum Abtransport dargeboten wird.
Den Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 6 Abs. 2 VVG, Ziffer 11.3.1 AVB SH hat die
Klägerin nicht angetreten. Denn die Klägerin behauptet nicht und es ist auch nicht
ersichtlich, dass sich der Fahrer S... über eine eindeutige generelle Dienstanweisung,
den Auflieger nicht abzukoppeln und unter keinen Umständen unbewacht stehen zu
lassen, hinweggesetzt hätte.
Ob die Beklagte binnen Monatsfrist seit Kenntnis der Umstände des Diebstahls
gekündigt hat, ist unerheblich, da das Kündigungserfordernis gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 VVG
in Ziffer 11.3.1. AVB SH abbedungen wurde und gegen die Wirksamkeit der Klausel keine
Bedenken bestehen (vgl. BGH VersR 2005, 266).
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Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen binnen zweier Wochen
Stellung zu nehmen und ggfs. - in ihrem Kosteninteresse - die Berufung
zurückzunehmen.
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