Urteil des KG Berlin vom 23.03.2005

KG Berlin: wiedereinsetzung in den vorigen stand, fürstentum liechtenstein, berufungsfrist, verfügung, belastung, berufungsschrift, zustellung, fax, link, quelle

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Gericht:
KG Berlin 14.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 U 125/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 233 ZPO, § 517 ZPO, § 519
ZPO, § 522 Abs 1 ZPO, § 119
Abs 1 Nr 1b GVG
Berufung: Wiedereinsetzung bei Versäumung der Berufungsfrist
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung bei Versäumung der Berufungsfrist, wenn
die Berufung an ein unzuständiges Gericht adressiert ist, dort innerhalb der Berufungsfrist
eingeht.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. März 2005 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Schöneberg - 14 C 417/04 - wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin vom 27. Juli 2005 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des zweiten Rechtszuges.
Gründe
I.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein. Das
Amtsgericht Schöneberg wies ihre Klage mit einem am 23. März 2005 verkündeten und
der Klägerin am 24. April 2005 zugestellten Urteil ab. Mit einem, soweit erkennbar, am
18. Mai 2005, 14:04 Uhr, bei dem Landgericht Berlin eingegangenen Faxschreiben legte
die Klägerin dagegen Berufung ein. Per Brief ging die Berufungsschrift am 19. Mai 2005
bei dem Landgericht Berlin ein. Die Berufung war an das Landgericht Berlin,
Berufungskammer, adressiert. In den Akten befindet sich eine erste richterliche
Verfügung vom 24. Mai 2005, mit der die Zustellung der Berufung an den
Beklagtenvertreter und die Mitteilung des Aktenzeichens veranlasst wurden. Die Sache
sollte dem Richter danach nach Eingang der Akten vom Amtsgericht oder der
Berufungsbegründung, sonst am 11. Juli 2005 wiedervorgelegt werden. Die Sachakten
des Amtsgerichts gingen am 01. Juni 2005 beim Landgericht ein. Mit Schreiben vom 06.
Juli 2005 wies das Landgericht auf die Unzulässigkeit der Berufung hin und gab
Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Klägerin hat daraufhin mit einem am 25. Juli 2005 beim Kammergericht
eingegangenen Schriftsatz die Berufungseinlegung wiederholt und Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand beantragt.
II.
Die Berufung der Klägerin ist nach § 522 Abs. 1 S. 1,2 ZPO als unzulässig zu verwerfen,
weil sie nicht gemäß § 517 ZPO innerhalb eines Monats ab Zustellung des
angefochtenen Urteils bei dem zuständigen Berufungsgericht (§ 519 Abs. 1 ZPO)
eingelegt wurde. Das zuständige Gericht ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG hier das
Kammergericht. Die Berufung ist fristwahrend aber allein beim Landgericht Berlin
eingelegt worden.
Gegen die versäumte Berufungsfrist kann Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO nicht
gewährt werden. Die Fristversäumung beruht auf Parteiverschulden, § 85 Abs. 2 ZPO.
Die Klägerin bzw. ihre Prozessbevollmächtigten hatten zunächst die eigenständige
Pflicht, das für ein Rechtsmittel zuständige Gericht zutreffend zu ermitteln und die
Berufung dort einzulegen.
Dem können im vorliegenden Fall keine die Fristversäumung mitverursachenden Fehler
auf der Seite des zunächst angerufenen unzuständigen Landgerichts entgegengehalten
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auf der Seite des zunächst angerufenen unzuständigen Landgerichts entgegengehalten
werden.
Nach der Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass es keine generelle Fürsorgepflicht
des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen Gerichts gibt, durch Hinweise oder
geeignete Maßnahmen rechtzeitig eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu
verhindern; selbst dann, wenn der fristgebundene Schriftsatz bei einem unzuständigen,
mit der Sache befasst gewesenen Gericht einging, kommt es nur darauf an, ob die
fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang
ohne weiteres erwartet werden kann, weil insoweit eine ins Gewicht fallende Belastung
des Gerichts nicht eintritt (BGH NJW 2004, S. 1655f. m. w .Nachw.). Da ein
Rechtsmittelführer keinen Anspruch auf eine zusätzliche Belastung des Gerichts zum
Zweck der Vermeidung der Folgen seiner eigenen Fehler hat, kann er sich nicht generell
darauf berufen, dass die Prüfung der Formvorschriften zeitnah mit dem Eingang der
Berufung zu erfolgen hat. Im Hinblick auf den übrigen Geschäftsanfall ist es nicht zu
beanstanden, wenn der Richter erst bei der Bearbeitung des Falles und damit nach
Ablauf der Fristen die Zulässigkeit der Berufung überprüft (BGH NJW-RR 2004, S. 1364).
Im vorliegenden Fall ging die Berufung zunächst nicht beim Amtsgericht als dem
Ausgangsgericht, sondern beim bislang nicht mit der Sache befassten Landgericht Berlin
ein. Sie musste dort deshalb nicht schon umgehend wegen eines offensichtlichen
Adressierungsfehlers an das zuständige Gericht weitergeleitet werden. Nach den
vorgenannten Maßstäben begegnet es sodann keinen Bedenken, wenn nach Eingang
der Berufungsschrift der Richter des Landgerichts nicht sofort aus der Anschrift einer
Partei die Möglichkeit in Betracht zieht, das nach der Ausnahmevorschrift des § 119 Abs.
1 Nr. 1 b) GVG die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts besteht und einen
entsprechenden Hinweis an den Berufungsführer gibt oder die Sache gleich von sich aus
an das Oberlandesgericht weiterleitet. Vielmehr kann zumindest der Eingang der
Sachakten in üblicher Frist abgewartet werden. Aus dieser Sicht musste das Landgericht
hier mithin die Sache nicht vor dem Ablauf der Berufungsfrist, also bis zum 25. Mai 2005
an das Kammergericht weiterleiten.
Aber selbst wenn man besondere Handlungspflichten des Landgerichts für die Zeit vor
dem 25. Mai 2005 annehmen wollte, dann wäre im ordentlichen Geschäftsgang eine
Fristwahrung hier zeitlich nicht zu erreichen gewesen. Wenn die Berufung am 18. Mai
2005 zur Mittagszeit per Fax einging, dann hätten bis zum 25. Mai 2005 unter
Berücksichtigung des dazwischen liegenden Wochenendes fünfeinhalb faktische
Arbeitstage zur Erfassung, Verteilung, Aktenanlage, Richtervorlage und abschließender
Bearbeitung durch den Richter möglichst noch unter Erteilung eines Hinweises an die
Prozessbevollmächtigte der Kläger zur Verfügung gestanden und der Vorgang hätte
danach noch rein tatsächlich bei dem Kammergericht eingehen müssen. Das wäre
schon aus allgemeiner Sicht ohne zusätzliche Eilmaßnahmen, auf die kein Anspruch
besteht, nicht zu schaffen gewesen. Der konkrete Ablauf hier bestätigt dies. Wenn die
Angelegenheit nach dem Akteninhalt am 24. Mai 2005 vom Richter erstmals durch
Verfügung bearbeitet wurde, dann war das hinreichend zügig, also ordentlicher
Geschäftsgang. Soweit man bereits für diesen Zeitpunkt auf den Gesichtspunkt der
möglichen Unzuständigkeit hätte eingehen wollen, hätte dies dann zusätzlicher
telefonischer Rücksprache mit den Klägervertretern und ggfls. einer Aktenübersendung
vom Amtsgericht und zum Kammergericht durch besondere Boten bzw. eines
entsprechenden gerichtlichen Faxverkehrs bedurft. Das wäre weit über den Bereich des
normalen Geschäftsganges hinausgegangen und darauf hatte, wie ausgeführt, die
Klägerin wegen des eigenen Fehlers keinen Anspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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