Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

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Gericht:
KG Berlin 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 VAs 32/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 49 BZRG, § 79 Abs 1 BVerfGG
Bundeszentralregister: Überprüfung rechtskräftiger
Verurteilungen auf materielle Richtigkeit durch Registerbehörde
Leitsatz
1. Die Registerbehörde ist grundsätzlich nicht befugt, rechtskräftige Strafurteile auf ihre
materielle Richtigkeit zu überprüfen. Es ist ihr deshalb auch verwehrt, etwaige Bedenken
gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Verurteilung bei ihren Billigkeitserwägungen zu
berücksichtigen. Die Tilgung einer Eintragung kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht,
wenn das Urteil offensichtlich fehlerhaft ist, d.h. solche Fehler aufweist, die ohne weitere
Nachprüfung eindeutig ersichtlich sind.
2. Bei Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit muss der Betroffene ein
Wiederaufnahmeverfahren nach § 79 Abs. 1 BVerfGG betreiben.
Tenor
1. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des
Bundesministeriums der Justiz vom 6. April 2009 wird verworfen.
Die nach den §§ 28 Abs. 3 EGGVG, 49 Abs. 1 Satz 1 BZRG auf eine ordnungsgemäße
Ermessensausübung beschränkte Überprüfung der angefochtenen Entscheidung deckt
keine Rechtsfehler auf.
Die Begründung, mit der es die Registerbehörde abgelehnt hat, die Verurteilung des
Betroffenen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 EUR durch den Strafbefehl
des Amtsgerichts Wuppertal vom 23. Juli 2002 vorzeitig aus dem Register zu tilgen, ist
nicht zu beanstanden.
Die Registerbehörde hat mit zutreffenden Erwägungen dem öffentlichen Interesse am
Fortbestand der Eintragung bis zum Ablauf der zehnjährigen Tilgungsfrist (§ 46 Abs. 1 Nr.
2a BZRG) den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Betroffenen bei seinen
Bemühungen um eine Einbürgerung eingeräumt und dabei mit Recht auch
berücksichtigt, daß bei einer vorzeitigen Entfernung der Eintragung in Zukunft die im
Gesetz vorgesehene Unterrichtung insbesondere von Strafverfolgungsbehörden (§ 41
Abs. 1 Nr. 1 BZRG) ausgeschlossen wäre, was zu einer ungerechtfertigten
Besserstellung des Betroffenen gegenüber anderen Straftätern führen würde (vgl. KG,
Beschluß vom 14. Januar 2004 – 4 VAs 87/03 -).
Daß der Fortbestand der Eintragung im Register für den Betroffenen eine unbillige, mit
Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung unvereinbare Härte wäre, ist nicht erkennbar.
Er verfügt aufgrund seiner Ehe mit einer Deutschen und des gemeinsamen (deutschen)
Kindes über einen gesicherten Aufenthaltstitel. Seine nicht näher begründete
Auffassung, allein schon in einer nicht „familieneinheitlichen Staatsangehörigkeit“ liege
eine unbillige Härte, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Die Registerbehörde durfte
bei ihrer Ermessensentscheidung ebenfalls die Mitteilung der Stadt Wuppertal vom 20.
Oktober 2008 berücksichtigen, wonach – unabhängig von der Eintragung - der
Einbürgerung des Betroffenen zur Zeit Unklarheiten über seine Sprachkenntnisse und
finanziellen Mittel entgegenstünden. Dazu hat der Betroffene mit dem Antrag auf
gerichtliche Entscheidung nichts vorgetragen.
Die Registerbehörde hat zu Recht auch eine Prüfung abgelehnt, ob die der Eintragung
zugrunde liegende Verurteilung des Betroffenen wegen eines Vergehens gegen das
Ausländergesetz im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.
März 2003 (2 BvR 397/02) rechtmäßig war oder – wie der Antragsteller meint –
zumindest „verfassungsrechtlich bedenklich“ ist. Die Registerbehörde ist grundsätzlich
nicht befugt, rechtskräftige Strafurteile auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen (vgl.
Senat, Beschluß vom 9. Februar 2009 – 1 VAs 4/09 -). Es ist ihr deshalb auch verwehrt,
Senat, Beschluß vom 9. Februar 2009 – 1 VAs 4/09 -). Es ist ihr deshalb auch verwehrt,
etwaige Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Verurteilung bei ihren
Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen. Die Tilgung einer Eintragung kommt
ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Urteil offensichtlich fehlerhaft ist, d.h.
solche Fehler aufweist, die ohne weitere Nachprüfung eindeutig ersichtlich sind (vgl. KG,
Beschluß vom 6. März 2006 – 4 VAs 58/05 -). Davon kann hier keine Rede sein. Ein
Wiederaufnahmeverfahren nach § 79 Abs. 1 BVerfGG, das insoweit eine Klärung hätte
herbeiführen können, hat der Betroffene nicht betrieben.
Ebenso erfolglos macht der Antragsteller geltend, daß er seinen Einspruch gegen den
Strafbefehl am 23. Dezember 2002 im Hinblick auf § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG aF,
wonach Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen bei der Einbürgerung außer Betracht
blieben, zurückgenommen und auf den Fortbestand der Vorschrift vertraut habe, was
nach ihrer zwischenzeitlichen Verschärfung aus Billigkeitsgründen zur Tilgung der
Eintragung führen müsse. Unzutreffend ist bereits seine Beurteilung der früheren
Rechtslage. Abgesehen davon, daß der durch Gesetz vom 20. Juni 2002 eingefügte §
12a StAG bereits vor seinem für den 1. Januar 2003 beschlossenen Inkrafttreten durch
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2002 (2 BvF 1/02) für nichtig
erklärt worden war, sollte die Bestimmung nach ihrem eindeutigen Wortlaut (insoweit
gleichlautend die am 1. Januar 2005 in Kraft getreten Fassung) nur bei den auf § 10 StAG
gestützten Einbürgerungsanträgen für diejenigen Ausländer gelten, die schon seit acht
Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten, was auf den Betroffenen zum
damaligen Zeitpunkt nicht zutraf. Für einen, wie hier, wegen eines deutschen
Ehepartners nach § 9 StAG gestellten Antrag war die Ausnahmevorschrift des § 12a
StAG hingegen nicht vorgesehen, so daß gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG – abgesehen von
der Härtefallregelung des § 8 Abs. 2 StAG – die völlige Unbescholtenheit des Ausländers
für dessen aus familiären Gründen beantragte Einbürgerung erforderlich war. Erst die mit
dem Gesetz vom 19. August 2007 zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher
Richtlinien der Europäischen Union (BGBl. I S. 1970) geänderte Fassung des § 12a StAG
sieht dessen Anwendung auch auf die Fälle des § 9 StAG mit der Folge vor, daß
Geldstrafen – allerdings nur bis zu 90 Tagessätzen - bei der Entscheidung über die
Einbürgerung außer Betracht bleiben. Die Frage, ob das (enttäuschte) Vertrauen des
Antragstellers auf den unveränderten Fortbestand einer für ihn günstigen Rechtslage bei
der Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 1 BZRG aus Billigkeitsgründen zu
berücksichtigen ist, stellt sich danach hier nicht. Denn selbst bei einem Inkrafttreten des
§ 12a StAG in der ursprünglichen Fassung hätte diese Ausnahmeregelung dem Antrag
des Betroffenen auf Einbürgerung nicht zum Erfolg verhelfen können.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 30 Abs. 1 EGGVG, 130
KostO).
3. Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt (§§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 KostO).
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