Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: angemessene frist, treu und glauben, vermieter, wohnung, auszug, mietsache, auflage, zustand, verfügung, rückzahlung

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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 38/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 281 Abs 1 BGB, § 281 Abs 2
BGB
Wohnraummiete: Endgültige Erfüllungsverweigerung des
Mieters bei Auszug ohne Durchführung der
Schönheitsreparaturen; Pflicht des Vermieters zur Setzung einer
Vierzehntagesfrist für die Renovierung der geräumten und
nachvermieteten Wohnung
Leitsatz
1. Zieht ein Mieter aus, ohne Schönheitsreparaturen auszuführen, kann in diesem Verhalten
eine endgültige Erfüllungsverweigerung liegen. Voraussetzung dafür ist aber grundsätzlich,
dass der Vermieter dem Mieter zuvor konkret mitgeteilt hat, welche Schönheitsreparaturen
durchzuführen sind.
2. Stehen zwischen dem Zeitpunkt, wo der Vermieter die Mietsache zurückerhält und dem
mit dem Nachmieter vereinbarten Einzugstermin drei Wochen Zeit zur Verfügung, kann allein
wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht davon ausgegangen werden, dass
Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige
Geltendmachung des Schadensersatzanspruches wegen Nichtdurchführung von
Schönheitsreparaturen rechtfertigen. Der Vermieter ist vielmehr verpflichtet, dem Mieter eine
angemessene Frist zur Durchführung der geforderten Schönheitsreparaturen zu setzen.
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass eine 14-Tages-Frist zur Vornahme der
Renovierung einer kompletten Wohnung ausreichend ist.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. Februar 2006 verkündete Urteil der
Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin wie folgt abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.135,50 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 29. September 2005 zu
zahlen.
Die Kosten der ersten Instanz und zweiten Instanz haben die Beklagten als
Gesamtschuldner zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf
Rückzahlung der von ihr geleisteten Kaution in Höhe von 6.135,50 €.
Über die Rückzahlung von geleisteten Sicherheiten gibt es keine gesetzliche Regelung
im BGB. Mit der Hingabe der Sicherheit entsteht für den Mieter ein aufschiebend
bedingter Anspruch auf Rückzahlung der Sicherheit nach dem Ende des
Mietverhältnisses, sofern er seine Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hat
(Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, V.B., Rdnr. 288).
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist beendet. Die Beklagten sind nach ihrem
eigenen Vortrag jedenfalls am 11. April 2005 in den Besitz der Schlüssel und damit auch
der streitgegenständlichen Räume gelangt. Die Klägerin ist entgegen den Ausführungen
des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung nicht gemäß §§ 280, Abs. 1, 281
Abs. 1, Abs. 2 BGB verpflichtet, an die Beklagten Schadensersatz in Höhe von 5.368,48
€ wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen zu zahlen. Das heißt, der
Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist nicht in dieser Höhe durch Aufrechnung der
Beklagten erloschen, § 389 BGB.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aufgrund der im Mietvertrag enthaltenen
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aufgrund der im Mietvertrag enthaltenen
Regelungen grundsätzlich überhaupt zur Durchführung der verlangten
Schönheitsreparaturen verpflichtet ist. Ebenfalls dahingestellt bleiben kann, ob sich die
Räume bei Auszug der Klägerin in einem nicht bezugsfertigen Zustand befunden haben.
Jedenfalls aber ist der zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch unbegründet,
weil es an der hierfür erforderlichen Fristsetzung zur Leistung gemäß § 281 Abs. 1 BGB
fehlt.
§ 281 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Vermieter dem Mieter eine angemessene Frist
zur Leistung bestimmt (Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 4. Auflage, §
535, Rdnr. 142). Die Beklagten haben der Klägerin keine Frist zur Durchführung der für
erforderlich gehaltenen Schönheitsreparaturen gesetzt, sondern haben diese durch ein
von ihr beauftragtes Unternehmen ausführen lassen und die hierdurch entstandenen
Kosten von der Klägerin erstmals mit Schreiben vom 23. Mai 2005 ersetzt verlangt.
Entgegen den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung waren
die Beklagten vorliegend von der Pflicht, eine Nachfrist zu setzen, nicht befreit.
Die in dem Mietvertrag enthaltene Regelung, wonach der Vermieter berechtigt sein soll,
die Räume zu öffnen, zu reinigen und in einen bezugsfertigen Zustand zu bringen, ohne
dass es insoweit einer Nachfristsetzung zur Beseitigung der Mängel bedarf, ist gemäß §
307 BGB Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 1 n.F. unwirksam, da sie mit dem wesentlichen
Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, nämlich § 281 Abs. 1 BGB, von der
abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist und den Vertragspartner des Verwenders –
hier die Klägerin - daher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen (Palandt, BGB, 65. Auflage, § 307 Rdnr. 30).
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die Leistung der
Schönheitsreparaturen ernsthaft und endgültig verweigert hat und die Fristsetzung
deshalb gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich wäre. Eine ernsthafte und endgültige
Erfüllungsverweigerung kann grundsätzlich erst dann in Erwägung gezogen werden, wenn
dem Mieter klargemacht worden ist, was man von ihm im Einzelnen erwartet, der
Vermieter ihm also konkret mitgeteilt hat, welche genauen Arbeiten er durchführen
muss (Kinne/Schach/Bieber, a.a.O., § 535, Rdnr. 145). Eine derartige konkrete Mitteilung
hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht erhalten. Zwar kann in Fällen, wo der Mieter –
wie hier – ausgezogen ist, ohne Schönheitsreparaturen durchzuführen, eine endgültige
Erfüllungsverweigerung vorliegen (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und
Wohnraummiete, 3. Auflage, V.A., Rdnr. 172). Abzustellen ist dabei aber auf die
jeweiligen Umstände des Einzelfalles (Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 29.
Januar 2004 – 8 U 290/03). Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW 1991, 2416)
kann eine endgültige Erfüllungsverweigerung etwa dann angenommen werden, wenn der
dass er seinen vertraglich übernommenen Verpflichtungen nicht nachkommen wird und
demgemäß das Mietobjekt bei Vertragsende räumt, ohne Anstalten für die Vorbereitung
oder Ausführung der Schönheitsreparaturen getroffen zu haben (vgl. hierzu auch LG
Berlin, Grundeigentum 2002, 1199). In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden
ausführlich
Notwendigkeit von Schönheitsreparaturen und zur Wiederherstellung des Sollzustandes
der Mieträume hingewiesen worden. Vorliegend behaupten die Beklagten lediglich, die
Klägerin sei bei Ankündigung der Beendigung des Mietvertrages darauf hingewiesen
worden, dass die vertraglich vereinbarten Schönheitsreparaturen vollständig zu
unternehmen seien. Die Beklagten haben der Klägerin mit einer derartig pauschalen
Äußerung nicht klargemacht, was tatsächlich von ihr im Einzelnen erwartet wird. Eine
endgültige Erfüllungsverweigerung kann auch nicht etwa deshalb angenommen werden,
weil die Klägerin, wie von den Beklagten behauptet, ausgezogen sei, ohne ihre neue
Adresse zu hinterlassen. Spätestens mit Erhalt des Schreibens des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 4. April 2005 war die Klägerin für die
Beklagten erreichbar.
Eine Fristsetzung war aber auch nicht etwa gemäß § 281 Abs. 2 BGB deshalb
entbehrlich, weil – wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung meint –
besondere Umstände vorgelegen hätten, die unter Abwägung der beiderseitigen
Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruches rechtfertigten.
Insbesondere hatten die Beklagten nicht etwa deshalb ein höherrangiges Interesse an
der Geltendmachung von Schadensersatz, weil die Klägerin die Räume bereits geräumt
und an die Beklagten zurückgegeben hat. Diese Rechtsauffassung wird entgegen den
Ausführungen des Landgerichts auch nicht vom Bundesgerichtshof vertreten. Der
Bundesgerichtshof hatte in der vom Landgericht zitierten Entscheidung vom 30. Oktober
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Bundesgerichtshof hatte in der vom Landgericht zitierten Entscheidung vom 30. Oktober
1984 (BGH, NJW 1985, 480) zu entscheiden, ob dann, wenn die Schönheitsreparaturen
durch einen Umbau nach Vertragsende alsbald wieder zerstört würden, der Mieter nach
Auszug und Rückgabe der Mietsache den Anspruch des Vermieters noch durch
Naturalleistung erfüllen darf oder ob dem Vermieter in diesem Fall ein Geldanspruch
zusteht. Diese Fallkonstellation ist mit der hier zu entscheidenden nicht zu vergleichen,
da in dem hier zu entscheidenden Fall ein Umbau der Mietsache nach Vertragsende
weder geplant noch durchgeführt worden ist.
Vorliegend stand zwischen dem Zeitpunkt, wo die Beklagten als Vermieter die Mietsache
zurückerhalten haben, nämlich dem 11. April 2005 und dem mit dem Nachfolgemieter
vereinbarten Einzugstermin, nämlich dem 1. Mai 2005 genau drei Wochen Zeit zur
Verfügung. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass eine 14-Tages-Frist zur
Vornahme der Renovierung einer kompletten Wohnung ausreichend ist (Bub/Treier,
a.a.O., V.A, Rdnr. 169). Dies bedeutet, dass die Beklagten verpflichtet gewesen wären,
der Klägerin eine Frist von vierzehn Tagen zur Durchführung der Schönheitsreparaturen
zu setzen und die Klägerin zugleich darauf hinzuweisen, dass sie die Wohnung bereits
zum 1. Mai 2005 vermietet habe und für den Fall, dass die Schönheitsreparaturen
aufgrund des Verhaltens der Klägerin nicht rechtzeitig durchgeführt werden und die
Nachmieter nicht zum vertraglich vereinbarten Termin in die Wohnung einziehen
könnten, die Klägerin sich der Gefahr eines Schadensersatzanspruches aussetzt. Ein
vorrangiges Interesse der Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz besteht bei der
vorliegenden Fallkonstellation nicht, zumal die Beklagten auch durch ihr Verhalten zu der
letztlich bestehenden Situation nicht unmaßgeblich beigetragen haben. Wenn die
Beklagten die Klägerin bereits bei Abschluss des Mietvertrages mit dem
Nachfolgemieter am 14. März 2005 darauf hingewiesen hätten, dass der
Nachfolgemieter am 1. Mai 2005 in die Räume einziehen würde und im Hinblick hierauf
der Klägerin einen Besichtigungs- und Übergabetermin spätestens zum Ende des
Mietvertrages am 31. März 2005 angeboten hätten, wären sie in der Lage gewesen, den
Zustand der Räume ohne zeitliche Not festzustellen und die Klägerin frühzeitig zur
Durchführung der aus ihrer Sicht erforderlichen Schönheitsreparaturen aufzufordern.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, Abs. 1, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die weiteren
prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1
ZPO.
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