Urteil des KG Berlin vom 03.12.2009

KG Berlin: eigentümer, zwischenverfügung, zwangsversteigerung, urkunde, form, grundbuchamt, verfügungsfreiheit, ausnahme, unterliegen, begriff

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 97/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 12 WoEigG
Leitsatz
Ist als Inhalt des Sondereigentums im Wohnungsgrundbuch gemäß § 12 WEG eingetragen,
dass der Wohnungseigentümer sein Wohnungseigentum nur mit Zustimmung der anderen
Wohnungseigentümer verkaufen darf, so bedarf die Eintragung des Eigentumsübergangs
aufgrund eines Schenkungsvertrages nicht des Nachweises der Zustimmung der anderen
Wohnungseigentümer.
Tenor
Die Zwischenverfügung vom 3. Dezember 2009 wird zu Ziffer 1. aufgehoben.
Gründe
I.
Der eingetragene Eigentümer übertrug mit notarieller Urkunde vom 14. Oktober 2009
dem Beteiligten, seinem Sohn, unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge
das im Wohnungsgrundbuch von Lichterfelde Blatt 1... verzeichnete Eigentum bestehend
aus einem Miteigentumsanteil von 68,22/1.000 am Grundstück Flur 6, Flurstück ...
Gebäude und Freifläche S... 22,23, verbunden mit dem Sondereigentum an der
Wohnung Nr. 6, Haus 1, II. OG rechts und dem dazugehörigen Kellerraum Nr. 6 gemäß
Aufteilungsplan. Im Bestandsverzeichnis ist in wörtlicher Übereinstimmung mit § 1 Abs. 1
der Gemeinschaftsordnung (Anlage zur Urkunde vom 31. August 1967, UR ... des Notars
Dr. L... ) eingetragen:
„Der Wohnungseigentümer darf sein Wohnungseigentum nur mit Zustimmung
der Mehrheit derjenigen Eigentümer verkaufen, die mit ihm im gleichen Hausblock
wohnen.“
sowie
„Dies gilt nicht für den Fall der Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung
oder durch den Konkursverwalter oder wenn ein Grundpfandgläubiger ein von ihm
erworbenes Wohnungseigentum veräußern will.“
Der eingetragene Eigentümer und der Beteiligte begehren u.a. die
Eigentumsumschreibung auf den Beteiligten. Das Grundbuchamt hat mit
Zwischenverfügung vom 3. Dezember 2009 zu Ziff.1. darauf hingewiesen, dass für die
beantragte Eigentumsumschreibung die Zustimmung aller Wohnungseigentümer in der
Form des § 29 GBO vorzulegen sei. Die im Bestandsverzeichnis eingetragene
Veräußerungsbeschränkung sei in sich widersprüchlich. Da die geregelten Ausnahmen
von „Veräußerungen“ ausgingen, könne auch die Regel sich nur auf „Veräußerungen“
beziehen.
Der Notar hat gegen die Zwischenverfügung Erinnerung eingelegt. Er ist der Ansicht, die
Zustimmung der Wohnungseigentümer sei ausdrücklich nur für den Verkauf, nicht aber
für die schenkweise Übertragung erforderlich.
II.
Das durch den Notar eingelegte Rechtsmittel ist als Beschwerde gemäß § 71 Abs. 1 GBO
gegen Ziffer 1 der Zwischenverfügung auszulegen und als solche zulässig. Der Notar hat
das Rechtsmittel zwar nicht ausdrücklich auf Ziffer 1 der Zwischenverfügung beschränkt,
jedoch hat er zur Erledigung der Ziffer 2 mit Schriftsatz vom 6. Januar 2010
Eintragungsbewilligung von diesem Tage eingereicht. Es ist deshalb nicht davon
auszugehen, dass Ziffer 2 Gegenstand der Beschwerde sein soll.
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Die Beschwerde ist weiter dahin auszulegen, dass sie durch den eingetragenen
Eigentümer und den Beteiligten erhoben werden soll. Wenn der beurkundende Notar im
Rahmen der vermuteten Vollmacht nach § 15 GBO Beschwerde einlegt, sind
grundsätzlich alle Antragsberechtigten als Beschwerdeführer anzusehen, wenn sich nicht
aus einer ausdrücklichen Angabe oder aus den Umständen etwas anderes ergibt (vgl.
nur Demharter, GBO, 27. Aufl., § 15 Rdn. 20). Antragsberechtigt für die beantragte
Eigentumsumschreibung, an deren Eintragung sich das Grundbuchamt gehindert sah,
sind der eingetragene Eigentümer und der Beteiligte.
III.
In dem so ermittelten Umfang ist die Beschwerde begründet. Die begehrte
Eigentumsumschreibung bedarf nicht des Nachweises einer Zustimmung der anderen
Wohnungseigentümer. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der im
Bestandsverzeichnis eingetragenen Veräußerungsbeschränkung.
Gemäß § 12 WEG kann als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden, dass ein
Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung
anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedarf. Veräußerung ist dabei die
rechtsgeschäftliche Übertragung des Wohnungseigentums unter Lebenden im
Gegensatz zur Enteignung, zum Eigentumsübergang kraft Gesetzes (Erbfall, Zuschlag in
der Zwangsversteigerung) oder zur Erbteilsabtretung und zur Belastung des
Wohnungseigentums (Wenzel in: Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 12 Rdn. 16). Die von § 12
WEG gestatteten Veräußerungsbeschränkungen sind nicht gesetzlicher Inhalt des
Sondereigentums; sie werden es erst durch besondere Vereinbarung, sei es bei
Begründung des Wohneigentums, sei es durch später vereinbarte Änderung der
Gemeinschaftsordnung (Baumann in: Jennißen, WEG, § 12 Rdn. 4). Die Eigentümer
bestimmen durch die Ausgestaltung der Gemeinschaftsordnung selbst, in welchen
Veräußerungsfällen eine Zustimmung erforderlich ist (Baumann a.a.O. Rdn. 9).
Die als Inhalt des Sondereigentums eingetragene Beschränkung regelt für das
verfahrensgegenständliche Wohnungseigentum ein Zustimmungserfordernis positiv nur
für den Verkauf des Wohnungseigentums, also die rechtsgeschäftliche, entgeltliche
Veräußerung unter Lebenden. Diese Regelung ist isoliert gesehen weder unklar noch
mehrdeutig und deshalb einer Auslegung dahin, dass auch unentgeltliche Veräußerung
dem Zustimmungsvorbehalt unterliegen sollen, nicht zugänglich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass in den vereinbarten
Ausnahmen der Begriff der „Veräußerung“ verwendet wird. Mit den
Ausnahmetatbeständen ist lediglich klargestellt, dass jegliche Form der „Veräußerung“
im Wege der Zwangsversteigerung, durch den Konkursverwalter oder durch einen
Grundpfandgläubiger nicht unter die vereinbarte Veräußerungsbeschränkung fallen soll.
Einer solchen Klarstellung mag es insoweit nicht bedurft haben, als die
Zwangsversteigerung ohnehin keinen „Verkauf“ dargestellt hätte. Da die
Zwangsversteigerung ebenso wie die Veräußerung durch den Konkursverwalter (jetzt:
Insolvenzverwalter) durch § 12 Abs. 3 S. 2 WEG aber einer rechtsgeschäftlichen
Veräußerung gleichgestellt werden, ergibt sich eine Unklarheit oder Widersprüchlichkeit
aus einer Regelung, diese Veräußerungen sollten nicht als „Verkauf“ im Sinne einer
vereinbarten Veräußerungsbeschränkung gelten, nicht.
Doch selbst wenn die hier eingetragene Veräußerungsbeschränkung als auslegungsfähig
angesehen würde, ergäbe eine solche Auslegung nicht, dass über den Wortlaut der
Positivregelung hinaus auch eine unentgeltliche Veräußerung unter Lebenden der
Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedürfen sollte. Die als Inhalt des
Sondereigentums vereinbarte Zustimmungsbedürftigkeit von Veräußerungen ist als eine
Ausnahme von der in § 137 S. 1 BGB normierten Verfügungsfreiheit eng auszulegen und
einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich (Wenzel a.a.O. Rdn. 17). Bei der
Auslegung von Grundbucheintragungen ist wegen der Zweckbestimmung des
Grundbuchs, über bestehende dingliche Rechte jedem, der das Grundbuch einsieht,
eindeutig Aufschluss zu geben, auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus dem
Eintragungsvermerk und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung für den
unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt;
Umstände, die außerhalb dieser Urkunde liegen, dürfen nur insoweit herangezogen
werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne
weiteres erkennbar sind (Demharter a.a.O. § 53 Rdn. 4 m.w.N.). Die nächstliegende
Bedeutung für einen unbefangenen Betrachter ist hier nicht die von dem Wortlaut der
Eintragung abweichende. Der Zweck des § 12 WEG, den Wohnungseigentümern die
Möglichkeit zu geben, sich gegen das Eindringen störender oder zahlungsunfähiger
Möglichkeit zu geben, sich gegen das Eindringen störender oder zahlungsunfähiger
Personen in die Eigentümergemeinschaft zu schützen (KG, FGPrax 2004, 69; Wenzel
a.a.O. Rdn. 1), mag zwar ein Indiz dafür sein, dass es den Wohnungseigentümern bei der
Vereinbarung einer Veräußerungsbeschränkung mehr um den von ihnen womöglich
nicht erwünschten Eigentumserwerb als um die Art des schuldrechtlichem
Grundgeschäfts geht. Dem widerspricht hier allerdings bereits, dass die eingetragene
Veräußerungsbeschränkung bestimmte Arten von Grundgeschäften ausdrücklich
ausschließt. Auch der Umstand, dass durch die Verwendung des Begriffs „verkaufen“
Schenkungen aus dem Anwendungsbereich der Veräußerungsbeschränkung
ausgeschlossen werden, kann für einen unbefangenen Betrachter nicht als offensichtlich
nicht gewollt erscheinen. Möglich ist z.B., dass die Wohnungseigentümer damit
berücksichtigt haben, dass Schenkungen von Wohnungseigentum in der Praxis selten
und wenn, dann in der Regel als Form der vorweggenommenen Erbfolge vorkommen. Da
der Erwerb durch Erbfall durch eine Vereinbarung gemäß § 12 WEG ohnehin nicht
verhindert werden kann, ist es nicht fern liegend, dass eine
Wohnungseigentümergemeinschaft die Vorwegnahme dieses Erwerbs durch Schenkung
ebenfalls nicht dem Zustimmungserfordernis unterwerfen will.
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