Urteil des KG Berlin vom 23.03.2006

KG Berlin: diebstahl, strafzumessung, waffe, rechtskraft, link, quelle, sammlung, beweisantrag, straftat, bewährung

1
2
3
4
5
Gericht:
KG Berlin 4.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
(4) 1 Ss 297/06
(131/07)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 244 Abs 3 StPO, § 261 StPO
Beweiswürdigung im Strafverfahren: Verwertbarkeit von
Feststellungen eines früheren Strafurteils
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23.
März 2006 im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich
unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung –
auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts
Berlin zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten durch Urteil vom 8. September 2005
wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt
und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete Berufung
des Angeklagten hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil verworfen. Die
Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts
rügt, hat nur zum Strafausspruch (vorläufigen) Erfolg.
1. Die Revision ist offensichtlich unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch
des angefochtenen Urteils wendet. Der Senat verwirft sie nach § 349 Abs. 2 StPO. Der
Schriftsatz des Verteidigers vom 25. Juni 2007 hat vorgelegen.
2. Der Rechtsfolgenausspruch hat hingegen keinen Bestand. Der Angeklagte dringt
insoweit mit der von ihm nach § 344 Abs. 2 StPO in zulässiger Form erhobenen
Verfahrensrüge durch. Das Landgericht hat den Hilfsbeweisantrag des Angeklagten auf
Vernehmung des Zeugen ... rechtsfehlerhaft als rechtlich ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3
Satz 2 StPO) abgelehnt (UA S. 14 f.). Mit dem Antrag wurde in das Wissen des Zeugen
gestellt, dass weder er noch der Angeklagte am 9. Dezember 2001 einen "Diebstahl mit
Waffen oder auch überhaupt nur einen Diebstahl oder Diebstahlsversuch begangen"
hätten. Ausweislich der Feststellungen des Landgerichts sind der Angeklagte und der
Zeuge ... durch Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 29. September 2003 (411 Ds
61/03), rechtskräftig seit demselben Tag, eines am 9. Dezember 2001 "gemeinschaftlich
versuchten Diebstahls mit Waffen" schuldig gesprochen worden (UA S. 4, 15).
Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit zu der Revision wie folgt Stellung
genommen:
"Feststellungen rechtskräftiger Urteile zum früheren Tatgeschehen oder zur
Strafzumessung einschließlich der Beweistatsachen, die in einem späteren Verfahren
von Bedeutung sein können, binden den neu entscheidenden Tatrichter nicht (vgl.
BGHSt 43, 106 – 109 m. w. Nachw. (...)). Solche Feststellungen können zwar im Wege
des Urkundenbeweises gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die neue Hauptverhandlung
eingeführt und verwertet werden. Der nunmehr entscheidende Tatrichter darf sie aber
nicht ungeprüft übernehmen. Er kann sich allerdings von der Richtigkeit der Schlüsse des
früheren Tatrichters aufgrund der in dessen Urteil mitgeteilten Gründe überzeugen.
Beanstandet jedoch ein Verfahrensbeteiligte die Richtigkeit der dort getroffenen
Feststellungen, muss der neue Tatrichter prüfen, ob diese Beanstandungen nach seiner
Auffassung geeignet sind, die dort gezogenen Schlüsse zu erschüttern (vgl. BGHSt a. a.
O.). Will dieser im Einzelfall nicht lediglich die Zäsurwirkung einer früheren Verurteilung,
sondern die Tatsache der Begehung einer früheren Straftat oder die Art und Weise der
Begehung seiner Strafzumessungsentscheidung strafverschärfend zugrunde legen,
6
7
Begehung seiner Strafzumessungsentscheidung strafverschärfend zugrunde legen,
muss er vorgebrachte Bedenken gegen die früher getroffenen Feststellungen
ausräumen. Einen Beweisantrag, der auf die Widerlegung der früheren Feststellungen
abzielt, kann er dann nicht bereits – wie vorliegend geschehen – wegen der Rechtskraft
der Vorverurteilung als bedeutungslos ablehnen. Die Ablehnung des Antrags wegen
rechtlicher Bedeutungslosigkeit ging mangels Bindung an die Feststellungen des
früheren Urteils fehl.
Es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil auf dem Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2
StPO beruht. Zwar hat die Strafkammer sowohl bei der Prüfung eines minderschweren
Falles als auch bei der konkreten Strafzumessung sowohl die Verurteilung als solche als
auch die Begehung der Tat unter Mitführung einer Waffe als nur einen unter mehreren
sich zu Lasten des Angeklagten auswirkender Gesichtspunkte gewürdigt (UA S. 19). Es
kann jedoch nicht ohne weiteres angenommen werden, dass das Landgericht auch ohne
die Tatsache der früheren Verurteilung dieselbe Strafe verhängt hätte, zumal dies die
einzige Vorstrafe des Angeklagten war."
Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Ausführungen an und verweist die Sache im
Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere
Strafkammer des Landgerichts Berlin zurück.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum