Urteil des KG Berlin vom 15.03.2005

KG Berlin: aufschiebende wirkung, egmr, emrk, hauptsache, anfechtbarkeit, behandlung, beleidigung, folter, link, sammlung

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Gericht:
KG Berlin 5.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 Ws 218/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 458 Abs 3 StPO, § 462 Abs 3
StPO
Strafvollstreckungsverfahren: Rechtsmittel gegen Ablehnung
einer einstweiligen Anordnung
Leitsatz
Lehnt das Gericht eine vorläufige Maßnahme nach § 458 Abs. 3 StPO ab, ist dagegen die
Beschwerde unstatthaft (Bestätigung von OLG Nürnberg NStZ 2003, 390).
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin
- Strafvollstreckungskammer - vom 15. März 2005 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - 236a Cs 1286/03 - hat den Beschwerdeführer mit
Urteil vom 13. Januar 2004, rechtskräftig seit dem 16. September 2004, wegen
Beleidigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 7 Euro verurteilt. Mit Schreiben
vom 23. Dezember 2004 beantragte der Verurteilte durch den Erlass einer einstweiligen
Anordnung die Vollstreckung aus diesem Urteil bis zur endgültigen Entscheidung des
europäischen Gerichtshofes (zu ergänzen: für Menschenrechte [EGMR]) zu untersagen.
Dazu teilte er mit, dieser habe am 24. Oktober 2004 (nach dem Schreiben des
Verurteilten vom 28. November 2004: am 19. November 2004) unter dem Aktenzeichen
21594/04 - die Vollstreckung dieses Urteils (laut Schreiben vom 28. November 2004:
durch eine einstweilige Anordnung) untersagt. Eine solche Entscheidung ist weder bei
der Staatsanwaltschaft, noch beim Gericht eingegangen, und der Beschwerdeführer hat
sie bis heute nicht vorgelegt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. März 2005 hat die
Strafvollstreckungskammer den Antrag als einen solchen auf Aufschub der Vollstreckung
nach § 458 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz StPO ausgelegt (§ 300 StPO) und ihn als unzulässig
verworfen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten, die keinen Erfolg hat.
1. Die (sofortige) Beschwerde - oder ein anderes Rechtsmittel - ist gegen die von der
Strafvollstreckungskammer abgelehnte einstweilige Anordnung nicht statthaft.
Der Senat hat die Entscheidung der Frage, ob gegen die Ablehnung eine einstweilige
Anordnung nach § 458 Abs. 3 Satz 1 StPO zu erlassen, ein Rechtsmittel statthaft ist, in
der den Beschwerdeführer betreffenden Entscheidung vom 20. Oktober 2004 - 5 Ws
541/04 - dahinstehen lassen, weil das Rechtsmittel jedenfalls unbegründet war. Der
Verurteilte hatte in jenem Verfahren beantragt, im Wege einer einstweiligen Anordnung
die Vollstreckung eines Urteils bezüglich einbezogener Einzelstrafen zu unterbrechen.
Auch hier wäre das Rechtsmittel zwar in der Sache unbegründet. Der Senat hält es nun
aber für angezeigt, diese Frage zu entscheiden. Er schließt sich der überzeugend
begründeten Auffassung des OLG Nürnberg (NStZ 2003, 390) an, das, anders als das
OLG Düsseldorf (StV 1994, 260, jedoch ohne Begründung), ein Rechtsmittel, gleich ob
einfache oder sofortige Beschwerde, gegen eine vorläufige Anordnung nach § 458 Abs. 3
Satz 2 StPO jedenfalls für den Verurteilten nicht für statthaft hält (so auch Meyer-
Goßner, StPO 47. Aufl., § 458 Rdn. 16; Krehl in HK, StPO 3. Aufl., § 458 Rdn. 9). Das OLG
Nürnberg stellt zunächst zutreffend darauf ab, dass es sich bei Anordnungen nach § 458
Abs. 3 Satz 1 StPO bzw. deren Ablehnung nur um vorläufige Entschließungen handelt
(vgl. auch Fischer in KK, StPO 5. Aufl., Rdn. 20, Meyer-Goßner Rdn. 13; Paulus in KMR
StPO, Rdn. 29; Krehl in HK Rdn. 7; jeweils zu § 458 StPO). Nach § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO
sind mit der sofortigen Beschwerde bei sachgerechter, enger Auslegung nur (endgültige)
Entscheidungen
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Entscheidungen
in LR StPO 25. Aufl., § 462 Rdn. 9; Fischer in KK, § 462 StPO Rdn. 4), nicht hingegen
vorläufige Anordnungen
Auslegung des § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO ist sachgerecht, weil im
Vollstreckungsverfahren gerichtliche Entscheidungen nur anfechtbar sind, wenn das
Gesetz ein Rechtsmittel dafür ausdrücklich vorsieht (Enumerationsprinzip); deshalb ist
der Rückgriff auf die allgemeine Anfechtbarkeit nach § 304 StPO nicht zulässig (vgl. OLG
Nürnberg aaO., OLG Hamm NStZ 1989, 443; OLG Stuttgart NStZ 1989, 492; jeweils m.
weit. Nachw.). § 304 Abs. 1 StPO lässt - soweit nicht ausdrücklich ausgeschlossen - die
Beschwerde ohnehin nur gegen alle Entscheidungen im ersten Rechtszug oder im
Berufungsverfahren zu. Eine Auslegung, die jedenfalls für den Verurteilten die
Anfechtbarkeit vorläufiger Anordnungen ausschließt, ist auch deshalb geboten, weil
diese als „Zwischenverfahren“ nicht dazu führen sollen, die häufig eilige Entscheidung in
der Hauptsache durch Rechtsmittelverfahren hinauszuzögern. Das wäre insbesondere
dann nicht sachgerecht, wenn - wie auch hier - die Entscheidung in der Sache selbst
keinen Erfolg verspricht, ein Aspekt, dem wesentliche Bedeutung dafür zukommt, ob
eine vorläufige Anordnung zugunsten eines Antragstellers erlassen wird (vgl. Meyer-
Goßner, § 458 StPO Rdn. 13; § 307 StPO Rdn. 2 für die Einlegung eines Rechtsmittels in
der Hauptsache; § 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG, dessen Satz 4 vorläufige Anordnungen
für unanfechtbar erklärt).
Ein Indiz für die enge Auslegung ist auch die Regelung des § 462 Abs. 3 Satz 2 StPO, die
für den Fall, dass mit dem gerichtlichen Beschluss, sei es nach § 458 Abs. 1 und 2 StPO
oder nach Abs. 3 dieser Vorschrift, die Unterbrechung der Vollstreckung angeordnet
wird, dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft aufschiebende Wirkung beimisst. Damit
soll verhindert werden, dass ein rechtskräftig Verurteilter etwa bereits aufgrund einer
vorläufigen Anordnung oder ohne Überprüfung durch das Beschwerdegericht aus dem
Straf- oder Maßregelvollzug entlassen wird.
2. Abschließend sei noch erwähnt, dass ein etwaiger Antrag des Beschwerdeführers in
der Hauptsache jedenfalls mit der bisherigen Begründung dann keine Aussicht auf Erfolg
hätte, wenn er nicht die angebliche einstweilige Anordnung des EGMR (vom 19. oder 24.
Oktober 2004) vorlegt, mit der die Vollstreckung des Urteils untersagt worden sein soll.
Dass der Beschwerdeführer das bisher unterlassen hat, spricht ebenso gegen die
Existenz der behaupteten Anordnung, wie das Fehlen jedweden rechtlichen
Anhaltspunktes für den Erlass einer solchen und die Tatsache, dass der EGMR
einstweilige Anordnungen (nach Art. 39 EGMR/VerfO) bei Individualbeschwerden (Artikel
34 EMRK) bisher nur bei drohender Verletzung von Art. 3 EMRK (Verbot der
unmenschlichen Behandlung und Strafe und der Folter) erlassen hat (vgl. Peters
„Einführung in die EMRK“ 2003, S. 43, 247). Davon kann hier keine Rede sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
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