Urteil des KG Berlin vom 07.04.2010

KG Berlin: materielles recht, auflage, unterliegen, verschlechterungsverbot, bewährung, meinung, körperverletzung, anfechtung, unterlassen, link

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Gericht:
KG Berlin 4.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 Ws 64/10, 4 Ws
64/10 - 1 AR 754/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 268a StPO, § 331 Abs 1 StPO
Leitsatz
Beschlüsse nach § 268a StPO, die erstmalig neben dem Berufungsurteil erlassen werden,
unterliegen nicht dem Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO.
Tenor
Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7.
April 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten – Jugendschöffengericht - hat den Beschwerdeführer am 1.
Dezember 2009 wegen „Landfriedensbruchs mit versuchter gefährlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit Teilnahme an einer Versammlung in einer
Aufmachung, die dazu geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet war, die
Feststellung der Identität zu verhindern“ zu einer Jugendstrafe von acht Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und ihn für die Dauer von zwei
Jahren der Aufsicht und Leitung des für ihn zuständigen Bewährungshelfers unterstellt.
Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin durch
Urteil vom 7. April 2010 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des
Landfriedensbruchs in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung schuldig
ist.
Mit seinem mit dem Urteil verkündeten Beschluss nach § 268a Abs. 1 StPO hat das
Landgericht den Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts aufrechterhalten und ihn
insoweit ergänzt, als es dem Beschwerdeführer die Auflage erteilt hat, nach Rechtskraft
des Urteils binnen zehn Monaten einen Geldbetrag in Höhe von 500 Euro, zahlbar in
monatlichen Raten in Höhe von jeweils 50 Euro an den „Weißen Ring“, den
gemeinnützigen Verein von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten e.V. zu
zahlen und die Zahlungen dem Gericht unaufgefordert nach zu weisen. Die gegen die
letztgenannte Anordnung erhobene, nach den §§ 304 Abs. 1, 305a Abs. 1, 268a Abs. 1
StPO zulässige Beschwerde des Verurteilten hat keinen Erfolg.
1. Nach § 305a Abs. 1 Satz 2 StPO kann die Beschwerde gegen einen Beschluss nach §
268a Abs. 1 StPO nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung
gesetzwidrig ist. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem sachlichen Recht, also den §§
56a ff. StGB (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 4 Ws 4/09 –; Meyer-Goßner,
StPO 52. Aufl., § 305a Rdn. 1; jeweils m.w.N.). Die Frage ist zu bejahen, wenn die Auflage
gegen Verfahrensrecht oder sachliches Recht verstößt. Ein Verstoß gegen materielles
Recht liegt vor, wenn die Anordnung keine ausreichende Rechtsgrundlage hat, der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt ist oder das Gericht unzumutbare
Anforderungen an den Verurteilten stellt und damit ein Ermessensmissbrauch vorliegt
(vgl. BGH StV 1998, 658; KG, Beschluss vom 23. August 1999 – 5 Ws 572/99 -; Meyer-
Goßner aaO.). Nach diesen Rechtsmaßstäben ist die von der Jugendkammer
angeordnete Geldauflage angesichts der Einkommensverhältnisse des
Beschwerdeführers nicht zu beanstanden und wird insoweit auch nicht in Frage gestellt.
Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Verschlechterungsgebot geltend
macht, weil das Landgericht den Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts um die
genannte Geldauflage erweitert hat, kann er damit nicht gehört werden.
Nach überwiegender Meinung – auch der des Senats - unterliegen Beschlüsse nach §
268a StPO, die neben dem Berufungsurteil erlassen werden, nicht dem
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268a StPO, die neben dem Berufungsurteil erlassen werden, nicht dem
Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. §
268a Rdn. 3; Paul in KK, 6. Aufl. § 331 Rdn. 5, jeweils m.w.Nachw.). Nach seinem
eindeutigen Wortlaut unterfallen dem § 331 StPO nur solche Rechtsfolgen der Tat, die in
dem angefochtenen selbst angeordnet worden sind. Die näheren Bestimmungen
zur Strafaussetzung zur Bewährung ergehen indessen gemäß § 268a StPO durch
besonderen Beschluss, der zwar mit dem Urteil eng zusammenhängt, aber nicht Teil
desselben ist und insbesondere hinsichtlich Verkündung und Anfechtung völlig
selbständig neben dem Urteil steht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 4. März 1980, NJW
1981, 470 m.w.Nachw; OLG Oldenburg, Beschluss vom 14. März 1996, NStZ-RR 1997, 9
). Auch für eine entsprechende Anwendung ist kein Raum. Das Verbot, einen
Angeklagten auf sein eigenes Rechtsmittel hin schlechter zu stellen, ist nicht Ausdruck
eines allgemein gültigen Prozessgrundsatzes oder dem Wesen des Rechtsstaats
immanent, sondern eine „Rechtswohltat“ und gilt demzufolge nur, wenn der
Gesetzgeber dies ausdrücklich anordnet (vgl. OLG Oldenburg aaO m. w. Nachw.). Dafür,
dass der Gesetzgeber eine dem § 331 StPO entsprechende Regelung für
Bewährungsbeschlüsse versehentlich unterlassen hätte, geben die Gesetzesmaterialien
nichts her (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 4. März 1980 NJW 1981, 470; OLG
Oldenburg aaO.). Im übrigen scheidet eine entsprechende Anwendung schon begrifflich
deshalb aus, weil das Berufungsgericht, wenn es wie das erstinstanzliche Gericht
weiterhin auf eine Strafaussetzung zur Bewährung erkennt, den Beschluss nach § 268a
Abs. 1 StPO selbständig und neu zusammen mit dem Urteil erlassen muss; denn der
Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts entfällt mit Erlass des Berufungsurteils (vgl.
Meyer-Goßner aaO Rdn. 1-2). Folglich ist auch – entgegen der Ansicht des Verteidigers –
unerheblich, ob die Voraussetzungen des § 56e StGB vorliegen. Das Kammergericht hat
in dem von dem Verteidiger aufgeführten Beschluss vom 17. Juni 2005 - 5 Ws 453/04 -
keine gegenteilige Meinung vertreten, vielmehr hat es in dem ihm vorliegenden Fall
deutlich gemacht, dass wegen der zu Gunsten des Geschädigten verhängten Auflage
eine Befriedigung eingetreten ist und - selbst wenn die Auflage dem
Verschlechterungsverbot unterliegen würde – in dem speziellen Fall keine
Verschlechterung vorlag.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
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