Urteil des KG Berlin vom 07.02.2005

KG Berlin: unparteilichkeit, objektivität, befangenheit, unverzüglich, gutachter, eingriff, firma, zusammenwirken, sammlung, quelle

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Gericht:
KG Berlin 21.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 W 8/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 121 BGB, § 42 ZPO, §§ 42ff
ZPO, § 406 Abs 2 ZPO, § 567
ZPO
Sachverständigenablehnung: Frist für die Stellung des
Ablehnungsantrags und dessen notwendige Begründung
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 22. Februar 2005 wird der
Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7. Februar 2005 - 23 OH 42/02 - wie folgt
abgeändert:
Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin vom 30. November 2004 gegen den
Sachverständigen S. wird für begründet erklärt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 ff.
ZPO, sie ist insbesondere fristgerecht gemäß § 569 Abs. 1 ZPO.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des
Landgerichts ist der Ablehnungsantrag vom 30. November, eingegangen als Fax bei
Gericht am selben Tag, fristgerecht gemäß § 406 Abs. 2 ZPO. Die Zwei-Wochen-Frist des
Satzes 1 des § 406 Abs. 2 ZPO gilt nur hinsichtlich der Ablehnung eines
Sachverständigen, wenn diese auf der Bekanntgabe der Ernennung beruht (Zöller-
Greger, ZPO, 25. Aufl., § 406, Rdnr. 11). Wird der Ablehnungsgrund aus dem Inhalt des
Gutachtens hergeleitet, ist der Antrag unverzüglich im Sinne des § 121 BGB nach
Kenntnis von dem Ablehnungsgrund zu stellen (KG-Report, 2001, 183; Greger, a.a.O.).
Der Bundesgerichtshof hat in einer jüngeren Entscheidung für den Fall, dass sich die
Partei zur Begründung des Antrages mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen
muss, entschieden, dass die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen im Allgemeinen
gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4
ZPO abläuft (MDR 2005, 1007). Im vorliegenden Fall hat das Gericht eine 6-wöchige Frist
mit Verfügung vom 3. November 2004 gesetzt, der Antragstellerin ist das Gutachten am
10. November 2004 zugegangen, das Ablehnungsgesuch ging bereits vor Ablauf von
drei Wochen Gericht ein, die Frist zur Stellungnahme wurde somit erheblich
unterschritten, jedenfalls ist das Ablehnungsgesuch unverzüglich im Sinne des § 121
BGB eingereicht worden. Hierbei ist auch der Umfang des Gutachtens sowie der
Umstand zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin innerhalb der Behörde
verschiedene Stellen beteiligen muss.
Das Ablehnungsgesuch ist auch begründet gemäß § 406 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit
§§ 42 ff. ZPO. Nach diesen Vorschriften kann ein Sachverständiger wegen Befangenheit
abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die
Unparteilichkeit eines Sachverständigen zu rechtfertigen. Hierfür genügt jede Tatsache,
die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des
Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann (BGH NJW 1975, 1363; Greger,
a.a.O., Rdnr. 8). Für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht
darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich parteiisch ist oder sich selbst für
befangen hält oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat (Musielak-
Huber, ZPO, 4. Aufl., 2005, § 406, Rdnr. 4). Der Senat nimmt auch nicht an, dass der
Sachverständige S. tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist jedoch, ob vom
Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügende objektive Gründe vorliegen, die in
den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit
und Objektivität des Sachverständigen zu erregen (BGH a.a.O.; Stein/Jonas-Leipold,
ZPO, 21. Aufl., 1999, § 406, Rdnr. 7). Solche objektiven Gründe liegen hier vor.
Der Gutachter hat, ohne die anderen Verfahrensbeteiligten zu informieren, von sich aus
Kontakt mit der Streitverkündeten zu 11) aufgenommen. Dies hat der Sachverständige
in seiner Stellungnahme vom 27. September 2005 bestätigt. Der Umstand, dass er
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in seiner Stellungnahme vom 27. September 2005 bestätigt. Der Umstand, dass er
nicht direkt mit einem Mitarbeiter der Streitverkündeten zu 11) in Verbindung getreten
ist, sondern mit einem Prozessbevollmächtigten, ändert daran nichts. Der Umstand,
dass der Sachverständige einen Partner der Prozessbevollmächtigten aus dessen
Tätigkeit als Justitiar des F. kennt, ist sogar geeignet, erhöhtes Misstrauen zu wecken.
Schon jeder einseitige Kontakt mit einer Partei ist allerdings dazu geeignet, Misstrauen
beim Gegner zu wecken, der Kontakt hätte dazu führen können, dass der
Sachverständige - wenn auch nur unterschwellig - beeinflusst worden ist (Franzki,
Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 3. Aufl., 2002, § 20, Rdnr. 15; Musielak-Huber,
a.a.O., § 406, Rdnr. 6). Franzki (a.a.O.) nennt gerade den Fall, dass der Sachverständige
von sich aus mündlich oder telefonisch mit einer Partei Kontakt aufgenommen hat, ohne
dass der Inhalt des Gesprächs vom Gegner kontrolliert werden konnte. Genauso liegt der
vorliegende Fall.
Daneben sind auch zahlreiche Formulierungen im Gutachten in den Augen eines
vernünftigen Menschen geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit und Objektivität des
Sachverständigen zu begründen. Das Gutachten enthält eine ganze Reihe von
Bewertungen, die vom Gutachter überhaupt nicht erfragt sind und eine Reihe von
kritischen Anmerkungen zu den einzelnen Beweisfragen. So heißt es auf S. 13 f des
Gutachtens, der in der Beweisfrage 1 enthaltene Vorwurf .... sei haltlos. Auf S. 15 heißt
es, für ihn - den Sachverständigen - sei eine Vermutung der Antragstellerin „völlig
unverständlich“. Auf S. 22,23 wird ausgeführt, von der Antragstellerin werde „nicht nur
mit dieser Beweisfrage ohne jede Beweisführung einfach unterstellt“, dass statische
Anforderungen und anderes nicht berücksichtigt worden seien. Auf S. 26 wird die
Beweisfrage 11 wie folgt kommentiert: „Hier wurde eine geradezu abenteuerliche
Beweisfrage formuliert (!)“. Auf S. 27 wird eine Beweisfrage als „nicht logisch“
angesehen. Einzelne dieser Formulierungen sind, jedenfalls für sich betrachtet, durchaus
hinnehmbar, in der Summe jedoch sind sie geeignet, an der Objektivität des Gutachters
zu zweifeln.
Der Sachverständige nimmt auch rechtliche Bewertungen vor, was nicht in sein
Aufgabengebiet fällt. So wird auf S. 4 eine „Austauschaktion“ damit kommentiert, „dass
es sich hierbei um einen unzulässigen Eingriff in den Leistungsbereich und die
Gewährleistungsverpflichtung eines Dritten handelt“. Ähnlich wird auf S. 32 des
Gutachtens festgestellt, „dass die vorgehängte Natursteinfassade nicht zum
Leistungsbereich der Firma FKN“ gehöre. Auch das Abweichen vom Gutachtenauftrag
kann eine Befangenheit begründen (Musielak-Huber, a.a.O., § 406, Rdnr. 9; OLG
München OLGR 1997, S. 10, 11). Diese Äußerungen konnten parteiisch wirken und sind
jedenfalls im Zusammenwirken mit den oben genannten Gründen ebenfalls geeignet, an
der Objektivität des Sachverständigen zu zweifeln.
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