Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: teilweise abweisung der klage, persönliche anhörung, kreuzung, fahrzeugführer, verfahrensmangel, konkretisierung, beweisantrag, sammlung, bestätigung, vollstreckbarkeit

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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 57/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 296 Abs 2 ZPO, § 531 Abs 1
ZPO, § 538 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO
Haftung bei Kfz-Unfall: Zurückverweisung wegen
verfahrensfehlerhaften Übergehens eines Beweisantritts auf
Zeugenbeweis für den Hergang eines Verkehrsunfalls an einer
ampelgeregelten Kreuzung
Leitsatz
Weist das Erstgericht einen Beweisantrag mit der Begründung zurück, der Beweisführer habe
nicht vorgetragen, ob die für den behaupteten Unfallhergang (klägerischer Fahrzeugführer sei
„bei Grün“ gefahren) benannten fünf Zeugen, Fußgänger oder Fahrzeugführer und , wenn ja,
in welcher Position gewesen seien, so liegt darin ein Verfahrensfehler, der zur Aufhebung und
Zurückverweisung nach § 531 Abs.2 Satz 1 Nr. 1 ZPO führen kann.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 1. Februar 2007 verkündete Urteil der
Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin – 17 O 448/05 – nebst dem zugrunde liegenden
Verfahren aufgehoben soweit die Klage abgewiesen worden ist und die Sache insoweit
zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des
Berufungsverfahrens an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers, die sich gegen die teilweise Abweisung der Klage
richtet, ist begründet und führt insoweit zur Aufhebung des angegriffenen Urteils.
Das Berufungsgericht macht entsprechend dem Antrag des Klägers von der Möglichkeit
der Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO Gebrauch.
1. Das Landgericht ist in dem angegriffenen Urteil zu Unrecht davon ausgegangen, dass
bereits nach dem Ergebnis der bisher erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme,
auf Grund derer der Zeuge … vernommen und der Beklagte zu 1) persönlich angehört
wurden, von einer ungeklärten Ampelschaltung bei dem streitgegenständlichen
Verkehrsunfall auf der Kreuzung Messedamm-Königin-Elisabeth-Straße/Kaiserdamm am
25. Juni 2005 auszugehen war.
a. Der Kläger hat ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 11. Januar 2007, Bl. 46 ff der
Akten, im dortigen Termin die von ihm bereits in der Klageschrift benannten Zeugen …,
…, … und … für seine Behauptung benannt, dass der das klägerische Fahrzeug führende
Zeuge … „bei Grün“ in den Kreuzungsbereich eingefahren sei.
Soweit das Landgericht in dem angegriffenen Urteil ausgeführt hat, es sei keine weitere
Konkretisierung der Behauptung des Klägers erfolgt, ist nicht ersichtlich, welche
Konkretisierung das Landgericht hier für erforderlich gehalten hätte. Streit entscheidend
ist die Frage, ob der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges bei für ihn grün abstrahlendem
Ampellicht in die Kreuzung eingefahren ist bzw., ob der Beklagte zu 1), wie von ihm in
seiner persönlichen Anhörung erklärt, aber vom Kläger bestritten, erst nach Aufleuchten
des grünen Ampelpfeiles angefahren war.
Zutreffend hatte das Landgericht zwar zunächst durch Verfügung vom 18. Mai 2006
darauf hingewiesen, dass auf Grund des Vorbringens in der Klageschrift zweifelhaft sei,
welche konkreten Tatsachen in das Wissen der benannten Zeugen gestellt würden,
woraufhin der Kläger zunächst nichts Weiteres vorgetragen hatte.
Dies hat der Kläger jedoch im Termin vom 11. Januar 2007, wie oben ausgeführt,
nachgeholt. Wenn das Landgericht ausführt, es sei seitens des Klägers nicht vorgetragen
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nachgeholt. Wenn das Landgericht ausführt, es sei seitens des Klägers nicht vorgetragen
worden, ob die benannten Zeugen Passanten oder Fahrzeugführer und wenn ja in
welcher Position gewesen seien, so ist dies für einen ausreichenden Beweisantritt nicht
erforderlich sondern gegebenenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung zu
berücksichtigten.
Eine Partei genügt ihrer Substantiierungspflicht, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in
Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, den geltend gemachten Anspruch in
ihrer Person als entstanden beurteilen zu können, wobei unerheblich ist, wie
wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer
Schlussfolgerung beruht. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die
Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden, da
es Sache des Tatrichters ist, bei der Beweisaufnahme die Zeugen nach allen
Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ihrer Aussage
erforderlich erscheinen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2007 – IV ZR 112/05 –).
Wenn das Landgericht die konkrete Angabe verlangt, woher ein benannter Zeuge die in
sein Wissen gestellte Kenntnis erlangt hat, überzieht es die Anforderungen an die
Substantiierung eines Beweisantrittes, denn ein substantiierter Beweisantrag zur
Vernehmung eines Zeugen setzt nicht voraus, dass der Beweisführer sich auch darüber
äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen der Zeugen
gestellten Behauptung habe (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2007 – III ZR 35/07 –).
b. Soweit die Beklagten meinen, das entsprechende Vorbringen des Klägers sei
verspätet, so hätte das Landgericht dieses Vorbringen des Klägers erstinstanzlich
vermutlich begründet nach § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückweisen können. Eine
solche Zurückweisung ist jedoch nicht erfolgt und § 531 Abs. 1 ZPO deshalb nicht
anwendbar (vgl. Zöller-Gummer/Heßler, 26. Aufl., § 531 ZPO, Rn. 8; BGH, Urteil vom 12.
Juli 2007 – III ZR 83/06 – WM 2007, 1606). Weist das Gericht einen Beweisantritt zu einem
bestrittenen erheblichen Tatsachenvortrag nicht als verspätet zurück, so muss es ihm
nachgehen.
Dem Berufungsgericht ist es untersagt, die Zurückweisung hier des Beweisantrittes, den
das Landgericht mit nicht ausreichender Substantiierung begründet hat, nunmehr auf
andere Gründe und eine andere Vorschrift, nämlich Verspätung nach § 296 Abs. 2 ZPO,
zu stützen (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.1989 – VIII ZR 204/82 – NJW 1990, 1302; Urteil
vom 1.4.1992 – VIII ZR 86/91 – NJW 1992, 1965).
c. Im Übrigen hätte das Landgericht den Kläger gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen
müssen, wenn es die Angaben im Termin vom 11. Januar 2007 zu den in das Wissen der
Zeugen gestellten Tatsachen für nicht ausreichend erachtete und ihm damit
Gelegenheit geben müssen, sein Vorbringen gegebenenfalls zu ergänzen, wobei auch
ein Hinweis dahin erforderlich gewesen wäre, welchen weiteren Vortrag das Gericht
erwartete.
2. Das Berufungsgericht macht auf Antrag des Klägers von der Möglichkeit der
Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO Gebrauch, da insgesamt fünf
Zeugen zu vernehmen sind und im Hinblick auf die Frage der Beurteilung der
Glaubwürdigkeit auch die persönliche Anhörung des Beklagten zu 1) durch das
Berufungsgericht zu wiederholen wäre. Die Voraussetzung einer umfangreichen
Beweisaufnahme liegt mithin vor. Die Tatsache, dass der Kläger bei einer
Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht eine Tatsacheninstanz verlieren würde,
würde nicht dadurch aufgewogen, dass eine solche Entscheidung früher erginge.
Das Verfahren des Landgerichts litt, wie dargelegt, an einem wesentlichen
Verfahrensmangel, da die Beweiserhebung durch Übergehen der Beweisantritte des
Klägers Mangel behaftet war.
Das Urteil beruht auch auf diesem Verfahrensmangel, da eine Bestätigung der in das
Wissen der Zeugen gestellten Tatsache, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs bei
für ihn grün abstrahlendem Ampellicht in die Kreuzung eingefahren sei, zur vollen
Verurteilung der Beklagten führen könnte, wenn das Landgericht den Aussagen der
offenbar unbeteiligten Zeugen mehr Gewicht beimessen würde, als den Angaben des
Beklagten zu 1), was im Rahmen der im neuen Verfahren durchzuführenden
Beweisaufnahme zu entscheiden sein wird.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO; die
Kostenentscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens ist dem
erstinstanzlichen Urteil vorzubehalten.
17 4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung
hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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