Urteil des KG Berlin vom 06.07.2007

KG Berlin: elterliche sorge, anhörung des kindes, kur, befangenheit, empfehlung, haushalt, dringlichkeit, link, quelle, unparteilichkeit

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Gericht:
KG Berlin Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 WF 173/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 42 Abs 1 ZPO
Richterablehnung: Besorgnis der Befangenheit bei unüblicher
Verzögerung eines eilbedürftigen Sorgerechts- und
Umgangsverfahrens
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts
Tempelhof-Kreuzberg vom 6. Juli 2007 - 177 Abl 50/07 - geändert und der
Befangenheitsantrag der Antragstellerin gegen den Richter von J. für begründet erklärt.
Gründe
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 11.02.2007 zum Hauptverfahren beantragt,
ihr die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder der Parteien und hinsichtlich der
Tochter K. zum Sonderheft I - Verfahren ihr im Wege der einstweiligen Anordnung ohne
mündliche Verhandlung das Aufenthaltsbestimmungsrechts allein zu übertragen.
Hintergrund dieser Anträge ist, dass der Vater, der mit der Mutter gemeinsam die
elterliche Sorge für die im Haushalt der Mutter lebenden drei gemeinsamen Kinder
ausübt, die Tochter K. auf deren Wunsch hin nach einem Ferienaufenthalt nicht mehr zur
Mutter zurückgebracht hat. Das Kind lebt seitdem im Haushalt des Vaters und ist von
ihm gegen den Willen der Mutter auch bereits umgeschult worden.
Der Vertreter des zuständigen Richters veranlasste daraufhin, dass der Vater innerhalb
einer Woche zu dem Antrag im einstweiligen Anordnungsverfahren Stellung nimmt und
die zuständigen Jugendämter zur Sache berichten. Nachdem der Antragsgegner
Stellung genommen hatte, bat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26. Februar 2007
(Bl. 34 ff SH I) noch einmal dringend um eine Entscheidung im Hinblick auf die
Schulpflicht des Kindes und eine geplante Mutter-Kind- Kur, die am 14.03.2007 beginnen
und an der K. teilnehmen sollte. Eine Reaktion des Gerichts erfolgte darauf nicht. Die
Antragstellerin regte daraufhin mit Schriftsatz vom 14. März 2007 an, einen Termin zur
persönlichen Anhörung des Kindes in den anstehenden Osterferien anzuberaumen. Im
selben Schriftsatz wies sie daraufhin, dass sie die Mutter-Kind-Kur habe verlegen können
auf den 25.04.2007 und diese bis zum 16. Mai 2007 dauere. Zugleich bat sie erneut um
baldige Entscheidung in der Sache.
Zwischenzeitlich hatte das Bezirksamt Neukölln zum Hauptverfahren in seinem Bericht
vom 09.03.2007 empfohlen, noch keine Entscheidung über die gestellten Anträge zu
treffen, da nach dem Eindruck der zuständigen Sozialarbeiterin des Jugendamts Lüchow-
Dannenberg K. ernsthaft und nach reiflicher Überlegungen beim Vater bleiben möchte.
Mit Schriftsatz vom 22. März 2007 widersprach die Antragstellerin der Empfehlung des
Jugendamts und bat um eine kurzfristige Mitteilung oder Entscheidung in der Sache. Eine
Reaktion des Gerichts erfolgte darauf nicht.
Mit Schriftsatz vom 03.04.2007 beantragte die Mutter nunmehr im Hinblick auf die
bevorstehende Mutter-Kind-Kur ihr im Wege der einstweiligen Anordnung ohne
mündliche Verhandlung den Umgang mit dem Kind in der Zeit vom 25. April 2007 bis 16.
Mai 2007 zur Teilnahme an der Mutter-Kind-Kur zu gestatten und ferner ab Juni 2007 den
Umgang zu regeln, um einer Entfremdung bis zum Abschluss des Hauptverfahrens
vorzubeugen.
Mit Schriftsatz vom 6. April 2007 bat sie erneut, mit Hinweis auf das bestehende
Beschleunigungsgebot, eine baldige Entscheidung herbeizuführen. Die Vertreterin des
zuständigen Richters, Richterin am Amtsgericht L., informierte den
Verfahrensbevollmächtigten am 20. April 2007 telefonisch darüber, dass der Antrag auf
Umgangsregelung für die Mutter-Kind-Kur keine Aussicht auf Erfolg habe.
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2007 lehnte die Antragstellerin den zuständigen Richter von
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Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2007 lehnte die Antragstellerin den zuständigen Richter von
J. wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Mit Beschluss vom 6. Juli 2007 wies das Amtsgericht den Befangenheitsantrag der
Mutter zurück.
Wegen der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Mutter, die der Auffassung ist, dass es für sie
nicht nachvollziehbar sei, aus welchen Gründen bisher keine Entscheidung ergangen sei
und aus welchen Gründen nicht eine mündliche Anhörung wenigstens zu ihrem Antrag
auf Regelung des Umgangs anberaumt worden sei, um einer drohenden Entfremdung
entgegenzuwirken. Auch wenn das Jugendamt eine Aussetzung des Verfahrens von
sechs Monaten empfohlen habe, könne diese Auffassung des Jugendamts nicht für die
Entscheidung des Richters allein maßgebend sein. Auch dürfe ihr nicht zum Nachteil
gereichen, dass der Richter häufig vertreten worden sei.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 46 Abs. 2, 568 ZPO zulässig und in der Sache
begründet.
Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit dann
abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die
Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Nach einhelliger Auffassung braucht der
Richter objektiv nicht befangen zu sein; es genügt ein Grund, der vom Standpunkt einer
vernünftigen Partei die Befürchtung erwecken könnte, der Richter stehe der Sache nicht
mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl.
Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., ZPO, § 42 Rdn. 8 ff.; Baumbach/ Lauterbach/
Hartmann, ZPO, 56. Aufl. § 42 Rdn. 10 ff. m.w.N.). Ein solcher Grund kann sein, dass das
Verfahren in unüblicher Weise oder aus für die Partei nicht nachvollziehbaren Gründen
verzögert wird, obwohl eine Eilbedürftigkeit besteht.
Vorliegend bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob der Richter von J. objektiv
befangen ist, denn der Befangenheitsantrag ist begründet, weil aus Sicht der
Antragstellerin ausreichende Gründe vorliegen, die bei ihr die Befürchtung wecken
mussten, dass der für sie zuständige Richter ihre Sache nicht unvoreingenommen und
unparteiisch bearbeitet. Das von der Antragstellerin geäußerte Misstrauen gegen den
zuständigen Richter ist deshalb nachvollziehbar, weil er sich zu keinem Zeitpunkt zu den
Anträgen und Anregungen der Antragstellerin geäußert und die Gründe für die von ihm
beabsichtigte Verfahrensweise, nämlich keinen Termin anzuberaumen und keine
Entscheidung zu treffen, trotz der Dringlichkeit des Rechtsbegehrens angegeben hat. So
wurde die Antragstellerin zu ihren Anträgen im einstweiligen Anordnungsverfahren weder
darüber informiert, dass möglicherweise aus dienstlichen Gründen eine Terminierung
kurzfristig nicht möglich sei, noch dass eine Terminierung im Hinblick auf die Empfehlung
des Jugendamts nicht beabsichtigt sei aus sachlichen Gründen, um zunächst
abzuwarten, ob sich der Wunsch des Kindes, beim Vater zu leben, als ernsthaft erweist.
Es muss bei einer Partei, die ihre Rechte im summarischen Verfahren der einstweiligen
Anordnung wahrnehmen will, das ja ein Eilverfahren darstellt zur einstweiligen Regelung
eines Sachverhalts, Misstrauen erwecken, wenn von Seiten des Gerichts keinerlei
Reaktion auf ihre Anträge erfolgt und sich - wie dies bei dem Umgangsregelungsantrag
der Fall war - der zu regelnde Sachverhalt durch Zeitablauf erledigt. Zwar wurde von der
Vertreterin des zuständigen Richters am 20. April 2007 telefonisch der Hinweis gegeben,
dass der Antrag zum Umgang für die Mutter-Kind-Kur keine Aussicht auf Erfolg habe. Zu
dem weiteren Antrag zur Regelung des Umgangs ab Juni 2007 erhielt sie in der Folgezeit
bis zum 18. Mai 2007 von dem zuständigen Richter von J., der - soweit aus den Akten
ersichtlich ist - seit 23. April 2007 wieder amtierte (vgl. den Beschluss vom 23. April
2007), keinen Hinweis zu seiner beabsichtigten Verfahrensweise, bzw. welche Gründe
einer Entscheidung entgegenstehen.
Es bedarf hier keiner Entscheidung darüber, ob und innerhalb welcher Fristen im Rahmen
des summarischen Verfahrens zu entscheiden ist, denn ausschlaggebend für die
Begründetheit des Befangenheitsantrags ist vorliegend lediglich, dass der zuständige
Richter in den Zeiten seiner Anwesenheit keinerlei Hinweis gegeben hat, welche Gründe
einer Entscheidung bzw. Terminierung entgegenstehen, bzw. wie er zu verfahren
beabsichtige. Zwar hat er den Umgangsregelungsantrag mit Beschluss vom 23. April
2007 als Sonderheft II - Verfahren zum führenden Aktenzeichen des
Sorgerechtsverfahrens verbunden, aber in der Folgezeit bis zum Ablehnungsantrag am
18. Mai 2007 keinen Hinweis dazu gegeben, wann mit einer Umgangsregelung
beziehungsweise einem Anhörungstermin zu rechnen sei hinsichtlich des Antrags, den
Umgang ab Juni 2007 zu regeln, obwohl ihm aus dem Akteninhalt bekannt gewesen sein
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Umgang ab Juni 2007 zu regeln, obwohl ihm aus dem Akteninhalt bekannt gewesen sein
muss, dass die Antragstellerin immer wieder um einen Termin, eine Entscheidung oder
wenigstens einen Hinweis gebeten hatte, ohne dass dem Rechnung getragen worden
war in seiner Abwesenheit.
Eines Hinweises hätte es schon deshalb bedurft, weil die Antragstellerin bereits ihren
Kurtermin verschoben hatte, in der Hoffnung, noch eine Entscheidung des Gerichts zu
erreichen und ihr Antrag trotz der Verschiebung ebenfalls nicht beschieden worden war,
sondern der Prozessbevollmächtigte der Mutter lediglich telefonisch von der Vertreterin
des ordentlichen Dezernenten darauf hingewiesen worden war, dass dieser Antrag keine
Aussicht auf Erfolg habe.
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