Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: wohnung, belastung, zwangsvollstreckung, gläubigerbenachteiligung, sparkasse, auflage, beweislast, grundstück, duldung, gegenleistung

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Gericht:
KG Berlin 7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 281/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 AnfG, § 2 AnfG, § 4 Abs 1
AnfG, § 11 AnfG
Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens: Anfechtung
einer unentgeltlichen Übertragung von Wohnungseigentum;
Beurteilungszeitpunkt für die objektive
Gläubigerbenachteiligung bei wertausschöpfender Belastung
eines Grundstücks
Leitsatz
Bei der Frage, ob bei der Anfechtung einer Rechtshandlung nach dem Anfechtungsgesetz die
objektive Gläubigerbenachteiligung infolge wertausschöpfender Belastung des Grundstücks
ausscheidet, kommt es auf die Valutastände der Belastungen und den Wert des Grundstücks
im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an.
Der Kläger begehrt von den Beklagten nach §§ 1, 2, 4 Abs.1, 11 AnfG die Duldung der
Zwangsvollstreckung in ein Wohnungseigentum, welches den Beklagten vom Schuldner
unentgeltlich übertragen worden ist. Die Parteien streiten u..a. darum, ob die auf dem
Grundstück lastenden Grundpfandrechte den Wert des Grundstücks übersteigen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. Juli 2003 verkündete Urteil der
Zivilkammer 5 des Landgerichts Berlin - 5.O.527/02 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht
der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
A.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der
dort von den Parteien gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils wird auf das am 8. Juli 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 5
des Landgerichts Berlin - 5.O.527/02 - Bezug genommen.
Gegen das ihnen am 1. August 2003 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 22.
August 2003 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Die Begründung haben
sie am 30. September 2003 ergänzt.
Sie tragen vor, das Landgericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen und sei
zu Unrecht von einer unentgeltlichen Übertragung des Grundstückes ausgegangen. Sie
hätten sich im Innenverhältnis verpflichtet und dies auch getan, die Annuitäten zu
bedienen und damit ihren Sohn von den Belastungen freizustellen. Selbst wenn die
Unentgeltlichkeit richtig wäre, würde es an einer Gläubigerbenachteiligung, für die den
Kläger die Darlegungs- und Beweislast treffe, fehlen, denn die Belastungen des
Grundstücks hätten den Wert des Grundstücks überstiegen. Das Landgericht sei zu
Unrecht ihrem Beweisantritt für die wertausschöpfende Belastung nicht nachgegangen.
Ferner hätten ihre Zahlungen an die Bank abgezogen werden müssen. Die aktuelle
Valutierung der Grundschulden betrage hinsichtlich der Investitionsbank Berlin
105.431,81 Euro, hinsichtlich der Sparkasse 182.226,36 Euro und hinsichtlich der BHW
Bausparkasse 2.205,01 Euro. Demgegenüber habe der Wert der übertragenen 120 qm
großen Wohnung seit dem 1.11.2000 höchstens 240.000,- Euro betragen. Der Kläger
habe zudem die Verurteilung hinsichtlich des Grundstücks Grundbuchblatt 1293
beantragt.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, die Beklagten würden nach
wie vor nicht substantiiert vortragen. Ihnen obliege es entsprechend den zutreffenden
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wie vor nicht substantiiert vortragen. Ihnen obliege es entsprechend den zutreffenden
Ausführungen des Landgerichts, zum genauen Wert der Wohnung und der Valutierung
der Grundschulden vorzutragen. Ihre jetzigen Angaben hierzu seien ins Blaue hinein
erfolgt und werden vorsorglich mit Nichtwissen bestritten. Im Übrigen seien die
Beklagten teilweise selbst Schuldner der Darlehensverbindlichkeiten. Der Wert des
Schenkungsgegenstandes, der 534.640,84 Euro betrage, werde insoweit durch die
Grundschulden nicht gemindert. Die Übertragung der Wohnung sei nur zur Verhinderung
der Zwangsvollstreckung erfolgt.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen sowie wegen der von ihnen gestellten
Anträge wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie das Sitzungsprotokoll vom 4.6.2004 Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Duldung der
Zwangsvollstreckung in das den Beklagten von ihrem Sohn übertragene
Wohnungseigentum aus §§ 1, 2, 4 Abs. 1, 11 AnfG zu.
Die Anfechtungsklage ist gemäß § 2 AnfG zulässig, denn unstreitig haben die
Vollstreckungsversuche des Klägers gegenüber dem Schuldner zu keinem Erfolg geführt.
Der Einwand der Beklagten in der Berufung, der Kläger habe die Verurteilung hinsichtlich
des falschen Grundbuchblattes 1293 beantragt, ist unzutreffend. Die beiden Wohnungen
im Hause haben die Grundbuchblätter 1292 und 1293. Entscheidend ist, dass die
richtige Grundbuchbezeichnung im Antrag und Urteil bezeichnet wurde. Dies ist der Fall.
Richtig ist hier Blatt 1292. In der Klageschrift hatte der Kläger im Antrag zwar noch 1293
angegeben, was ersichtlich darauf beruhte, dass in der notariellen Vollmacht des
Schuldners vom 22. November 2000 diese Nummer genannt war und im notariellen
Schenkungsvertrag vom 24. November 2000 widersprüchlich beide Nummern
auftauchen (vgl. § 1 und § 4). Unstreitig gehörte jedoch nur eine Wohnung dem
Schuldner und dies ist, wie sich aus dem eingereichten Grundbuchauszug ergibt, die
Wohnung zum Grundbuchblatt Nr. 1292. Entsprechend hat der Kläger seinen Antrag
bereits im Termin vom 8. Juli 2003 entsprechend klargestellt. Insoweit haben die
Beklagten ihrerseits im Termin vom 4. Juni 2004 klargestellt, dass es sich bei dieser
Wohnung um die untere größere Wohnung handelt.
Bei der Grundstücksübertragung gemäß dem notariellen Schenkungsvertrag vom 24.
November 2000 handelt es sich aus den zutreffenden Gründen des Landgerichts um
eine unentgeltliche Leistung bzw. Rechtshandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 AnfG. Der
Einwand der Beklagten, dies sei wegen der von ihnen behaupteten Übernahme der
Belastungen nicht der Fall, greift nicht durch, denn selbst wenn sie diese übernommen
hätten, würde dies keine Gegenleistung, sondern nur eine Minderung des Geschenkten
bedeuten (BGH NJW 1989, 2122). Für eine Schenkung spricht zudem die unstreitig von
ihnen abgegebene Schenkungssteuererklärung sowie der Umstand, dass im Vertrag
eine Übernahme der den Grundschulden zugrunde liegenden Belastungen als
Gegenleistung nicht vereinbart wurde und die Beklagten zudem unstreitig teilweise
Alleinschuldner bzw. zumindest Mitschuldner der Darlehensbelastungen sind.
Zu Recht hat das Landgericht auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung als Folge der
Übertragung des Wohnungseigentums bejaht. Eine solche Gläubigerbenachteiligung
scheidet allerdings bei wertausschöpfender Belastung des veräußerten Grundstücks
regelmäßig aus, weil dann die vom Anfechtenden begehrte Zwangsvollstreckung keinen
Erfolg gehabt hätte (BGHZ 104, 355 = NJW 1988, 3265 und NJW 1996, 3341). Maßgeblich
sind hierbei die Valutastände der Belastungen und der Wert des Grundstücks im
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (BGH NJW 1996, 3341 und NJW 1999,
1395, 1396).
Zwischenzeitliche Wertsteigerungen, z.B. durch Wegfall von Belastungen, die durch den
Anfechtungsgegner veranlasst worden sind, spielen im Anfechtungsprozess keine Rolle.
Wer Inhaber des Darlehenskontos ist und die Rückzahlung der Darlehen schuldet, ist
unerheblich; maßgeblich ist allein, welche Gläubiger bei einer Zwangsvollstreckung
vorrangig zu befriedigen sind und ob anschließend noch ein an den Anfechtenden
auszukehrender Rest verbleibt. Entsprechend spielt auch keine Rolle, ob eine Belastung
im Wege der Gesamthaft zugleich auch auf einem anderen Grundstück lastet. Dem
Anfechtungsgegner steht hinsichtlich seiner möglichen Aufwendungen ein eventueller
Aufwendungsersatzanspruch zu, der jedoch nicht im Anfechtungsprozess, sondern erst
in der Zwangsvollstreckung zu berücksichtigen ist (BGH NJW 1984, 2890, 2893).
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Die Darlegungs- und Beweislast ist unterschiedlich ausgestaltet. Für den Valutastand
trifft sie den Anfechtungsgegner, für die danach nicht wertausschöpfende Belastung den
Anfechtenden (Huber, AnfG, 9. Aufl., § 1 Rn. 41).
Von einer wertausschöpfenden Belastung konnte vorliegend nicht ausgegangen werden,
wobei dahingestellt bleiben konnte, ob der vom Kläger behauptete Wert des
geschenkten Wohnungseigentums von über 500.000,- Euro zutreffen würde, denn die
Beklagten haben trotz gerichtlicher Auflage vom 4. Juni 2004 weder schlüssig dargetan
noch unter Beweis gestellt, dass die aktuelle Valutierung der Belastungen so hoch ist,
dass sie über dem von ihnen selbst angegebenen Wert der Wohnung von 240.000,- Euro
liegt.
Mangels Angaben der Beklagten zum aktuellen Valutastand der unter laufenden
Nummern 7 und 8 im Grundbuch eingetragenen Sicherungshypotheken der
Senatsverwaltung für Justiz geht der Senat entsprechend seinem Hinweis in der Auflage
vom 4. Juni 2004 davon aus, dass diese inzwischen nicht mehr valutieren.
Schlüssig nachgewiesen haben die Beklagten die Valutastände der unter den laufenden
Nr. 1 und 5 eingetragenen Grundschulden der Sparkasse und der BHW Bausparkasse.
Die eingereichten Bestätigungen der beiden Kreditinstitute vom 14. Juni 2004 bzw. 10.
Juni 2004 ergeben unter Angabe der jeweils sichernden Grundpfandrechte die
Valutastände per 30. bzw. 31. Mai 2004 mit 182.226,36 Euro (Sparkasse) bzw. 2.205,01
Euro (BHW).
Nicht schlüssig dagegen ist die Darlegung und der Nachweis der Beklagten hinsichtlich
der Valutastände der unter laufenden Nr. 2-4 eingetragenen Grundschulden der
Investitionsbank Berlin. Diese drei Grundpfandrechte belaufen sich auf nominal 7000,-
DM, 45.000,- DM und 110.800,- DM, insgesamt 162.800,- DM (83.238,32 Euro).
Hinsichtlich des aktuellen Valutastands dieser Belastungen haben die Beklagten ohne
nähere Darlegung lediglich 5 nicht unterzeichnete und nur gestempelte Belege der
Investitionsbank vorgelegt, aus denen sich zu fünf verschiedenen Förderungsnummern
Restschulden von 33.446,16 Euro, 2.772,14 Euro, 56.647,03 Euro, 2.970,63 Euro und
9.595,85 Euro ergeben, ohne dass sich aus den Belegen oder dem sonstigen Vortrag
der Beklagten ergibt, für welche dieser fünf Rückstände welche der drei eingetragenen
Grundpfandrechte als Sicherung dienen. Dies ist unsubstantiiert und unverständlich, da
die jetzt behaupteten Restschulden mit insgesamt 105.431,81 Euro deutlich über den
Nominalwerten der Grundpfandrechte liegen und die Beklagten zudem unstreitig auch
Eigentümer des zweiten Wohnungseigentums in dem Zweifamilienhaus sind, sodass
nicht erkennbar ist, dass überhaupt bzw. welche der angegebenen Valutastände sich
allein auf die auf dem hier streitgegenständlichen Wohnungseigentum lastenden
Grundpfandrechte beziehen.
Danach konnte der Senat lediglich von nachgewiesenen Belastungen in Höhe von
184.431,37 Euro ausgehen, die den von den Beklagten selbst genannten Wert des
Wohnungseigentums seit dem 1.11.2000 von 240.000,- Euro ersichtlich nicht
ausschöpfen, sodass eine objektive Gläubigerbenachteiligung durch die Schenkung zu
bejahen ist.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Revision zuzulassen, denn die
Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist sie zur Rechtsfortbildung oder
der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 ZPO).
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