Urteil des KG Berlin vom 13.12.2001

KG Berlin: arglistige täuschung, eintritt des versicherungsfalls, grad des verschuldens, treu und glauben, drucker, firma, original, einfluss, export, versicherungsnehmer

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Gericht:
KG Berlin 6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 26/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 138 Abs 4 ZPO, § 123 BGB
Sachversicherung: Bestreiten des Versicherungsfalles mit
Nichtwissen; Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung bei
der Schadensregulierung
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin
vom 13. Dezember 2001 teilweise geändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer wird auf 43.459,81 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten für ihre Geschäftsräume in der Z S in B seit
dem 1. Juni 2000 eine Dynamische Sach-Inhaltsversicherung (Versicherungsschein Nr. 1,
Anlage K 1 zur Klageschrift).
Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die
dynamische Sachversicherung von Einrichtungen, Waren und Vorräten in Betrieben,
Geschäften und Praxen (AVDSE) zugrunde. Zu den versicherten Gefahren gehören u.a.
Schäden durch Leitungswasser (§ 1 Nr. 2.1 AVDSE). Die Obliegenheiten des
Versicherungsnehmers im Versicherungsfall sind in § 35 AVDSE geregelt, § 29 AVDSE
enthält Regelungen über generelle Ausschlüsse.
In dem zugrunde liegenden Versicherungsantrag (Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 15.
Oktober 2001) ist als Betriebsart der Handel mit Haushaltsgroßgeräten, Öfen, Herden
und Weißware angegeben, die Frage nach Vorversicherungen ist verneint. Tatsächlich
bestand für das hier in Rede stehende sowie ein weiteres Geschäftslokal zwischen 1994
und 1997 eine Versicherung bei der Alten Leipziger Versicherung.
Am 20. September 2000 zeigte die Klägerin Leitungswasserschäden in den
Geschäftsräumen am 19. und 20. September 2000 an (Anlage K 3 zur Klage). Am 16.
Oktober 2000 fand eine gemeinsame Besichtigung mit dem von der Beklagten
beauftragten Schadenregulierer S statt, bei der letzterer die Beschädigung der
Einrichtung und der Warenvorräte mit 85.000,00 DM netto bezifferte (Anlage K 2).
Zur Bearbeitung des Versicherungsfalles reichte die Klägerin diverse Rechnungen ein,
über deren Authentizität die Parteien streiten. Dies betrifft die Rechnung der A H G in B
über den Verkauf von 600 Mini-Regenschirmen an die Klägerin, die Rechnung des G & E
A über den Erwerb von 300 Paar Damenstiefel (Anlage B 11), eine Rechnung der Firma N
betreffend den Erwerb von Batterien und Taschen sowie eine Rechnung des Ausstellers S
über den Verkauf eines Bücherschranks.
Die Beklagte beauftragte außerdem den Sachverständigen für Betriebsunterbrechungs-
und Warenschäden K mit der Erstellung eines Gutachtens (Anlage B 10), in dem dieser
die Warenvorräte anhand der Geschäftsbücher bewertete und außerdem anhand der
Analyse von Zahlungsvorgängen annahm, dass als beschädigt gemeldete, gemäß der
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Analyse von Zahlungsvorgängen annahm, dass als beschädigt gemeldete, gemäß der
Rechnung in Anlage B 12 vom 18. September 2000 für den Export in den Iran bestimmte
Waren zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits ausgeliefert gewesen seien (S. 9/10 des
Gutachtens).
Mit Schreiben vom 19. Februar 2001 lehnte die Beklagte Leistungen ab, weil sie von
einer versuchten arglistigen Täuschung ausging.
Die Klägerin hat vorgetragen, es sei am 19. und 20. September 2000 zu mehreren
Wassereinbrüchen gekommen, die hauptsächlich den in der Skizze K 13 mit 6
gekennzeichneten zweiten Lagerraum betroffen hätten. Es sei Wasser durch die Decke
eingedrungen, so dass die dort gelagerten Waren (Batterien, Staubsauger, Taschen,
Schirme und Stiefel) völlig durchnässt gewesen seien. Der Regulierer der Beklagten habe
die beschädigten Waren selbst gesehen und untersucht, so dass die Beklagte an das
Ergebnis der Ermittlungen gebunden sei. Die eingereichten Rechnungen seien inhaltlich
zutreffend; Ähnlichkeiten im Druckbild der Rechnungen der A G und der Firma A seien
auf das Computerprogramm zurückzuführen. Die in der Rechnung vom 18. September
2000 bezeichneten Waren hätten sich noch im Lager der Klägerin befunden und seien
nicht exportiert worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 98.600,00 DM nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den Versicherungsvertrag wegen Täuschung über den Betriebsgegenstand und
das Bestehen von Vorversicherungen im Versicherungsantrag angefochten und im
Wesentlichen vorgetragen, ihr Regulierungsbeauftragter habe sich keinen eigenen
Eindruck von dem behaupteten Schaden verschaffen können, sondern seine
Berechnung allein an den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin orientiert. Sie hat
sich auf Obliegenheitsverletzung sowie versuchte arglistige Täuschung wegen Vorlage
gefälschter Rechnungen berufen: die Rechnungen der A H G und des Großhandels A
seien auf demselben Computer erstellt worden, was sich an identischen Auffälligkeiten
im Druckbild zeige. Die Rechnung der Firma N sei kein Original, sondern auf einem –
mutmaßlich von der Klägerin ausgefüllten – Blanko-Telefax erstellt worden. Die Rechnung
S sei wegen des Schriftbildes sowie wegen des darin enthaltenen Firmenstempels der
Klägerin auffällig. Hilfsweise sei entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen
K von einem deutlich geringeren Schaden auszugehen.
Das Landgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von
85.000,00 DM (Nettobetrag des von der Klägerin geltend gemachten Schadens)
verurteilt und zur Begründung ausgeführt, das einfache Bestreiten des
Versicherungsfalls sei im Hinblick auf die Feststellungen ihres Schadenregulierers
unzulässig. Im Hinblick auf die Schadenshöhe müsse sie sich an dessen Berechnung
festhalten lassen. Die dargelegten Auffälligkeiten der eingereichten Rechnungen
rechtfertigten den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht, hierfür seien jeweils auch
unverdächtige Erklärungen denkbar.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung und
Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrag rügt, dass das Landgericht ihre Beweisantritte
übergangen habe.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, hinsichtlich der
zum Export in den Iran bestimmten Waren habe die Rechnung bereits vorliegen müssen.
Die Zahlung von 64.205,00 DM, auf die der Sachverständige K abgestellt habe, sei
ursprünglich für ein anderes Geschäft bestimmt gewesen und anschließend von den
Vertragspartnern unter Aufstockung um 20.000,00 DM für den hier in Rede stehenden
Export verwendet worden. Der Inhaber der Firma N habe, da er nicht mehr über
ausreichend Formulare verfügt habe, dieses mit Hilfe der Kopierfunktion seines
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ausreichend Formulare verfügt habe, dieses mit Hilfe der Kopierfunktion seines
Faxgeräts vervielfältigt und anschließend handschriftlich ausgefüllt. Die Auffälligkeiten im
Druckbild der Rechnungen der A H G und des Großhandels A könnten auch durch einen
Fehler des Druckertreibers oder der Patrone eines Tintenstrahldruckers, insbesondere
durch Nachfüllen der Tinte, oder andere technische Störungen etwa durch ein Handy
entstanden sein.
Der Senat hat aufgrund der Beschlüsse vom 1. April 2003 und vom 14. November 2003
Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen
Dipl.-Ökonom J E B sowie durch Anhörung des Gutachters. Für das Ergebnis wird auf das
schriftliche Gutachten vom 29. September 2003 und die Ausführungen des
Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 6. Januar
2004 Bezug genommen.
Für das weitergehende Parteivorbringen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Dem Kläger steht wegen des behaupteten Leitungswasserschadens vom 19. und 20.
September 2000 ein Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 1 Abs. 1 VVG, 1 Nr. 2.1, 8
AVDSE nicht zu.
1. Ein Anspruch der Klägerin scheidet aber nicht bereits deshalb aus, weil die Beklagte
den Versicherungsvertrag wegen fehlerhafter Angaben bei Antragstellung zum
Betriebsgegenstand bzw. zum Bestehen von Vorversicherungen gemäß §§ 22 VVG, 123
Abs. 1 BGB wirksam angefochten hätte. Eine zur Anfechtung berechtigende arglistige
Täuschung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst auf die Entscheidung des
Versicherers Einfluss nehmen will (z.B. BGH NJW-RR 1991, 411; OLG Hamm NJW-RR 1996,
406, 407; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., Rn. 2 zu § 22 VVG m.w.N.), d.h. er
gestellte Fragen falsch beantwortet in dem Bewusstsein, dass der Versicherer bei
wahrheitsgemäßer Beantwortung den Vertrag nicht oder nur zu erschwerten
Bedingungen abschließen würde. Dabei kann aus den objektiven Umständen,
insbesondere der Art und Weise der Falschbeantwortung, auf den subjektiven
Tatbestand rückgeschlossen werden, was auch bei Falschangaben zu Vorversicherungen
und zur Nutzungsart des versicherten Objekts in Betracht kommt (Langheid, a.a.O., Rn,
10, 11 zu § 22 VVG; OLG Hamm r + s 1990, 168, 169; OLG Celle r + s 1987, 232, 233).
Dieser Schluss kann vorliegend jedoch nicht gezogen werden:
Der Umstand, dass die Klägerin von 1994 bis 1997 – also drei Jahre vor Abschluss des
streitgegenständlichen Vertrages – eine Versicherung für dasselbe Geschäftslokal
unterhielt, rechtfertigt angesichts des Zeitablaufs und der Tatsache, dass
Versicherungsfälle in diesem Zeitraum unstreitig nicht eingetreten waren, nicht den
Schluss, dass ihr Geschäftsführer bei Vertragsschluss in dem Bewusstsein handelte, auf
die Entscheidung des Versicherers Einfluss zu nehmen.
Gleiches gilt im Ergebnis für die Angabe des Geschäftsgegenstands. Dabei kann offen
bleiben, ob die Klägerin (was sie unter Beweisantritt behauptet) auch mit
Haushaltsgroßgeräten und Weißware handelt und ob das versicherte Risiko im Hinblick
auf die Schadenswahrscheinlichkeit, das Diebstahlsrisiko oder die Höhe des zu
erwartenden Schadens bei einer großen Menge von Massenware einerseits oder
einzelnen, aber wertvolleren Haushaltsgeräten andererseits signifikant voneinander
abweicht. Denn die für den Tatbestand der arglistigen Täuschung darlegungs- und
beweispflichtige Beklagte hat nicht substantiiert vorgetragen, welche Prämie bei dem
Handel mit den jetzt streitgegenständlichen Waren vereinbart worden und ob ein
etwaiger Prämienunterschied für den Geschäftsführer der Klägerin erkennbar gewesen
wäre. Dies ist aber Voraussetzung dafür, den Schluss zu ziehen, durch eine (unterstellt)
falsche Angabe des Geschäftsgegenstands habe auf den Willensentschluss der
Beklagten Einfluss genommen werden sollen.
2. Bestand mithin zum fraglichen Zeitpunkt Versicherungsschutz, kann vom Eintritt des
Versicherungsfalls jedoch nicht bereits deshalb ausgegangen werden, weil die Beklagte
diesen nicht hinreichend bestritten hätte. Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit
der Versicherungsnehmer, der Versicherer kann sich zunächst auf ein einfaches
Bestreiten beschränken. Allerdings kann sich aus § 138 Abs. 2 ZPO eine Pflicht zu einem
substantiierten Bestreiten ergeben, da die Anforderungen an die Darlegung je nach dem
Grad der Detaillierung des gegnerischen Vorbringens steigen. Außerdem kommt eine
sog. sekundäre Behauptungslast in den Fällen in Betracht, in denen die beweisbelastete
Partei außerhalb des eigentlichen Geschehensablaufs steht und die Gegenseite über
Informationen verfügt, deren Vortrag möglich und zumutbar ist (Zöller/Greger, ZPO, 24.
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Informationen verfügt, deren Vortrag möglich und zumutbar ist (Zöller/Greger, ZPO, 24.
Aufl., Rn. 8 a, 8 b zu § 138 ZPO; Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., Rn. 30 zu § 138
ZPO m.w.N.).
Beides führt vorliegend nicht zu erhöhten Anforderungen an das Bestreiten der
Beklagten, solche können insbesondere nicht aus dem Umstand hergeleitet werden,
dass für die Beklagte ein Regulierungsbeauftragter tätig geworden ist. Regelmäßig soll
sich der Schadensregulierer einen schnellen Überblick über Art und Ausmaß der
Beschädigungen verschaffen, ggf. Reparaturen freigeben oder Hinweise zur
Verminderung des Schadens erteilen. Der Umstand, dass aufgrund einer solchen
Besichtigung eine Einschätzung der Schadenshöhe erfolgt, ist bei Auslegung nach dem
objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) für den durchschnittlichen
Versicherungsnehmer aber nicht schon mit der Erklärung verbunden, dass damit der
Versicherungsfall dem Grunde nach anerkannt oder außer Streit gestellt werden soll.
Dies gilt vorliegend um so mehr, als die Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen hat,
dass der Regulierer S sich keinen eigenen Eindruck von den Schäden verschaffen
konnte, sondern seine Stellungnahme allein aufgrund der Angaben der Klägerin
abgegeben hat.
3. Einer Beweisaufnahme über den Eintritt des Versicherungsfalls, zu dem die Klägerin
mehrere Zeugen benannt hat, bedarf es jedoch nicht, weil die Beklagte wegen des
Versuchs der arglistigen Täuschung gemäß § 29 Nr. 3 S. 1 AVDSE leistungsfrei ist.
Dabei genügt es auch insoweit, wenn der Versicherungsnehmer durch falsche oder
inhaltlich unzutreffende Urkunden auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss
nehmen will. Eine Bereicherungsabsicht ist dabei nicht erforderlich, so dass Arglist
bereits dann anzunehmen ist, wenn der Versicherte z.B. durch Vorlage einer nicht als
solche gekennzeichneten Ersatzquittung als Original, einer rückdatierten Rechnung o.ä.
Beweisschwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche vermeiden will (z.B.
BGH VersR 1987, 149; OLG Frankfurt/M. NVersZ 2001, 37, 38; OLG Naumburg NVersZ
2001, 39; OLG Saarbrücken VersR 1997, 826, 827; Martin, Sachversicherungsrecht, 3.
Aufl., X III, Rn. 16 m.w.N.).
a) Zur Annahme einer arglistigen Täuschung nicht genügend ist dabei der Vortrag der
Beklagten betreffend die Rechnung S und das Parteigutachten des von ihr beauftragten
privaten Gutachters K. Dieser kommt zwar zu einem erheblich geringeren Schaden an
den Warenvorräten, den er buchmäßig zunächst mit rechnerisch 38.112,00 DM (Anlage
B 10, dort S. 6) und unter Berücksichtigung des Rohgewinns mit nur noch 18.457,00 DM
(S. 7) beziffert. Die Differenz zu dem geltend gemachten Schaden mag zwar zunächst
für ein arglistiges Verhalten sprechen, weil ein Irrtum dieser Größenordnung beim
Geschäftsinhaber schwer vorstellbar ist. Der Sachverständige der Beklagten hat jedoch
mehrfach betont, dass eine genaue Ermittlung nicht möglich sei, da der Anfangsbestand
nicht erfasst und eine Inventur nicht vorgenommen worden sei, so dass die Zahlen
letztlich ohne Aussagekraft sind, zumal die Klägerin den Umfang des Schadens unter
Zeugenbeweis gestellt hat. Soweit die Beklagte weiter vorträgt, die laut Rechnung vom
18. September 2000 für den Export in den Iran bestimmten Waren seien bereits im Juli
2000 geliefert worden und sich dazu auf eine unstreitig am 7. Juli 2000 erfolgte Zahlung
des Geschäftspartners in Höhe von 64.205,00 DM bezieht, hat sie einen geeigneten
Beweis hierfür nicht angetreten. Die Behauptung der Klägerin, die Zahlung sei zunächst
für ein anderes, dann nicht durchgeführtes Geschäft bestimmt gewesen und dann durch
eine Zahlung von 20.000,00 DM für den hier in Rede stehenden Verkauf aufgestockt
worden, kann nicht ohne weiteres als unschlüssig und damit unbeachtlich angesehen
werden. Ein solches Vorgehen mag zwar im Inland nicht gängiger Geschäftspraxis
entsprechen, und es ist auch auffällig, dass die Klägerin das nicht durchgeführte
Geschäft nicht näher bezeichnet hat, andererseits mag es im Zahlungsverkehr mit dem
Iran aber auch sinnvoll sein, Zahlungen für fehlgeschlagene Geschäfte nicht aufwändig
rückabzuwickeln, sondern sie für künftige Geschäfte "stehen zu lassen." Zudem hat die
Klägerin bereits erstinstanzlich Beweis durch zollamtliche Auskunft angetreten, dass die
streitgegenständliche Ware nicht exportiert worden sei. Trotz Hinweises in dem
Beschluss vom 1. April 2003 hat die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte einen
entsprechenden Beweis nicht angetreten.
b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat jedoch gemäß § 286 Abs. 1 S.
1 ZPO davon überzeugt, dass die Klägerin die Beklagte durch Vorlage falscher
Rechnungen arglistig zu täuschen versucht hat. Für die Überzeugungsbildung
erforderlich, aber auch ausreichend ist dabei ein für das praktische Leben brauchbarer
Grad an Gewissheit, der restlichen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig
ausschließen zu müssen (vgl. nur Baumbach/Hartmann, a.a.O., Rn. 18 zu § 286 ZPO
m.w.N.).
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Der Sachverständige Dipl.-Ökonom B hat, wie in seinem schriftlichen Gutachten vom 29.
September 2003 beschrieben und durch Schaubilder veranschaulicht, die Rechnungen
der A H G, des Großhandels A und der Firma N im Verfahren einer
Pixeldifferenzbetrachtung untersucht. Nach dem Inhalt seines in sich widerspruchsfreien,
nachvollziehbaren Gutachtens nebst mündlichen Erläuterungen, dem der Senat folgt,
hat die Klägerin vorliegend durch Vorlage falscher Rechnungen nicht nur
Beweisschwierigkeiten vermeiden wollen, sondern durch gezielte Manipulationen einen
unrichtigen Sachverhalt unterbreitet.
aa) Hinsichtlich der Rechnung der Firma N ist der Sachverständige unter Anwendung des
genannten Verfahrens zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um einen Faxausdruck
handelt, weil die festgestellten Auffälligkeiten (schiefe und nach rechts gedrehte
Buchstaben) beim Drucken nicht auftreten können, sondern auf das beim Versenden
eines Telefaxes zur Beschleunigung der Datenübertragung verwendeten
Kompressionsverfahren zurückzuführen sind (S. 8 ff. des Gutachtens mit den
Abbildungen 6 und 7). Soweit die Klägerin vorgetragen hat, die festgestellten
Auffälligkeiten im Druckbild könnten auch dadurch erklärt werden, dass ein Original mit
der Kopierfunktion eines Multifunktionsgeräts vervielfältigt worden sei, hat der
Sachverständige dies auf Befragen ausdrücklich ausgeschlossen und erklärt, das
Kompressionsverfahren werde nicht beim Kopieren eingesetzt. Dies ist auch
nachvollziehbar, weil sich das Problem einer beschleunigten Datenübermittlung beim
Kopieren nicht stellt.
bb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist ein weiterer schwer wiegender
Täuschungsversuch darin zu sehen, dass Rechnungen, die nach dem Aufdruck von zwei
verschiedenen Firmen in unterschiedlichen Orten erstellt zu sein scheinen (Großhandel A
in K und A H G in B), nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen
wegen der Auffälligkeiten beim Druck der Worte "Summe" bzw. "Zwischensumme" sowie
wegen weiterer im Termin vom Sachverständigen herausgestellter Unregelmäßigkeiten
(vgl. S. 5 des Terminsprotokolls vom 6. Januar 2004) in den einzelnen Zeilen der beiden
Rechnungen auf demselben Drucker hergestellt sein müssen. Dies lässt nur den Schluss
zu, dass es sich um eine gezielte Manipulation zur Täuschung der Beklagten handelt.
Eine andere überzeugende Erklärung für die vom Sachverständigen festgestellten
Unregelmäßigkeiten hat die Klägerin nicht abgeben können. Gegen die zunächst von ihr
geäußerte Vermutung, dass es sich lediglich um dasselbe Programm handelt (vgl. die
Stellungnahmen der Klägerin vom 10. November 2003, dort S. 2, und vom 20.
November 2003 (t G)), spricht nicht nur, dass der Sachverständige ausdrücklich
zwischen solchen Auffälligkeiten unterschieden hat, die aus dem Programm resultieren
(z.B. unterschiedliche Anordnung der Leerzeichen), und solchen, die auf die Verwendung
desselben Druckers schließen lassen. Erst recht spricht es gegen einen Programmfehler,
wenn die Klägerin im Schriftsatz vom 19. Dezember 2003 vorträgt, es handele sich um
ein Standardprogramm der Firma Microsoft, weil der Fehler dann bei jeder Anwendung
durch jeden beliebigen Kunden auftreten müsste, wofür nichts ersichtlich ist. Der
Sachverständige hat denn auch auf Befragen in der mündlichen Verhandlung
ausdrücklich ausgeschlossen, dass ein Pixelfehler im Programm vorliegt, der derartige
Auffälligkeiten erklären könnte. Gleichfalls hat er einen Fehler des Druckertreibers mit
der Begründung verneint, dass dann der Druckvorgang abgebrochen würde. Im Übrigen
spräche ein Fehler im Druckertreiber in gleicher Weise für eine Täuschung durch die
Klägerin. Denn in diesem Fall müsste die auf unterschiedlichen Geräten unabhängig
voneinander installierte (nach dem Vortrag der Klägerin Standard-)Software denselben
Fehler aufweisen, der zu denselben Auffälligkeiten im Schriftbild führt. Diese Möglichkeit
kann als bloß theoretisch außer Betracht gelassen werden.
Störungen durch andere äußere Einflüsse, etwa ein Handy, hat der Sachverständige als
technisch nicht vorstellbar angesehen.
Wenn die Klägerin schließlich die identischen Auffälligkeiten auch darauf zurückführen
will, dass es sich um einen Fehler der Druckerpatrone handelt, spricht auch dies gerade
für den Vortrag der Beklagten, dass es sich dann auch um den gleichen Drucker handeln
muss. Dass zwei Druckerpatronen, die in unterschiedlichen Geräten eingesetzt werden,
denselben Fehler produzieren, hat der Sachverständige ebenfalls überzeugend
ausgeschlossen und ausgeführt, ein identisches Druckbild sei nur möglich, wenn
dieselbe Patrone in zwei baugleiche funktionierende Drucker eingesetzt werde. Ein
solcher Sachverhalt wird von der Klägerin nicht behauptet und ist bei der hier gegebenen
Konstellation zweier dem äußeren Anschein nach unabhängiger Geschäftsbetriebe in
unterschiedlichen Städten auch nicht denkbar. Dies muss um so mehr gelten, wenn der
Fehler auf das mehrfache Nachfüllen von Patronen zurückzuführen sein soll. Dabei
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Fehler auf das mehrfache Nachfüllen von Patronen zurückzuführen sein soll. Dabei
kommt es zwangsläufig zu individuellen Abweichungen hinsichtlich Menge,
Einfüllgeschwindigkeit, Druckverhältnissen etc., so dass identische Auffälligkeiten im
Druckbild noch weniger erklärbar sind. Einer Vernehmung des Zeugen H
(Geschäftsführer der A H G) bedarf es in diesem Zusammenhang nicht, denn es ist zur
Feststellung einer arglistigen Täuschung nicht erforderlich, dass die mehreren
Rechnungen gerade auf dem Drucker dieser Gesellschaft oder überhaupt mit seinem
Wissen gefertigt worden sind.
Die von der Klägerin unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der t G geäußerten
Bedenken gegen das angewendete Verfahren sind nicht nachvollziehbar. Wenn es sich
um ein Verfahren zur Identifizierung geringer Differenzen handelt (vgl. 4.3.1 der
Stellungnahme), spricht dies gerade dafür, dass es erst recht bei den hier in Rede
stehenden augenfälligen Abweichungen zu brauchbaren Ergebnissen führt. Der
Sachverständige hat auf Nachfrage auch nachvollziehbar erläutert, warum es weder
gegen das verwendete Verfahren noch gegen das von ihm gefundene Ergebnis spricht,
dass die Pixelüberdeckungen nicht 100%-ig sind, sondern etwa bei den Seitenrändern
leichte Abweichungen auftreten. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass eines der
Formulare zwischenzeitlich einmal gefaxt oder kopiert worden ist und dabei die vom
Sachverständigen beschriebene geringfügige Verkleinerung vorgenommen wurde. Auch
unter Berücksichtigung dieses Umstands hat der Sachverständige das Druckbild aber
ausdrücklich als so typisch beschrieben, dass der gleiche Druckkopf – und damit auch
der gleiche Drucker – zum Einsatz gekommen sein muss. Auf Frage des Klägervertreters
hat er den Grad der Wahrscheinlichkeit mit 99 % beziffert. Dies ist bei den ins Auge
fallenden Pixelverschiebungen bei den Worten "Summe" und "Zwischensumme" und
angesichts des Umstands, dass der Sachverständige auf Befragen im Termin sogar
noch weitere Auffälligkeiten in den einzelnen Zeilen festgestellt hat, für den Senat
überzeugend. Der Sachverständige hat auch überzeugend erklärt, dass es je nach der
Art der Beschädigung einzelner Düsen des Druckkopfes möglich ist, dass die
Versetzungen nur bei der Bewegung in eine Richtung auftreten. Es kann auch mit einem
für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit ausgeschlossen werden, dass
zwei verschiedene Drucker verschiedener Firmen in genau derselben Art und Weise
beschädigt gewesen sein können, die für die nahezu identischen Pixelverschiebungen
ursächlich ist. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, wie der Sachverständige im
Zusammenhang mit der Verwendung der Druckerpatrone überzeugend ausgeführt hat,
dass ein identisches Druckbild nur erzeugt wird, wenn zwei funktionierende baugleiche
Drucker benutzt werden. Dass diese beiden Drucker noch dazu in einer nahezu
identischen Art und Weise geschädigt sind, kann – auch wenn der Sachverständige dazu
keinen Grad an Wahrscheinlichkeit angeben konnte – als lebensfremd ausgeschlossen
werden. Es hat damit bei der Feststellung des Sachverständigen zu verbleiben, dass
wegen des typischen Schriftbildes vom Einsatz desselben Druckers auszugehen ist.
Damit ist der Beweis der arglistigen Täuschung geführt. Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang, ob die Rechnung des Großhandels A nach dem Ausstellen von einer
natürlichen Person unterschrieben und damit zu einem Original gemacht wurde. Denn
dies ändert nichts daran, dass der Beklagten zwei dem äußeren Anschein nach von
unterschiedlichen Ausstellern stammende Rechnungen vorgelegt worden sind, die in
Wahrheit aus derselben Quelle herrühren. Zudem ist weder der angebliche
Unterzeichner der Rechnung namhaft gemacht und als Zeuge benannt noch hat die
Klägerin Zeugenbeweis dafür angetreten – was ihr bei ordnungsgemäßen Geschäften
ohne weiteres möglich und bei den Vorwürfen der Beklagten auch naheliegend gewesen
wäre –, dass den Rechnungen ein Rechtsgeschäft des bezeichneten Inhalts zugrunde
gelegen hat. Soweit die Klägerin für die inhaltliche Richtigkeit der Rechnungen schriftliche
Bestätigungen (Anlagen K 9, 10) eingereicht hat, handelt es sich nicht um ein taugliches
Beweismittel.
c) Die Berufung auf die arglistige Täuschung ist auch nicht gemäß § 242 BGB
ausgeschlossen oder eingeschränkt. In besonderen Härtefällen kann dies Treu und
Glauben widersprechen und damit eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Das ist
regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Täuschung lediglich einen geringen Teil des
versicherten Schadens betrifft und bei der Billigkeitsprüfung weitere Gesichtspunkte
zugunsten des Versicherungsnehmers ins Gewicht fallen, ihn etwa der Verlust des
Versicherungsschutzes in seiner Existenz bedroht. Bei der Prüfung sind auch der Grad
des Verschuldens und die Beweggründe für das Handeln des Versicherungsnehmers zu
berücksichtigen. Betrifft die Täuschung mehr als 10 % des Gesamtschadens, ist sie nicht
mehr geringfügig, andernfalls kommt eine anteilige Entschädigung in Betracht (BGH
VersR 1994, 45, 47; VersR 1987, 149; VersR 1986, 77, 79; OLG Frankfurt/M. NVersZ
2001, 37, 38; Langheid, a.a.O., Rn. 30, 31 zu § 34 VVG m.w.N.).
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Unabhängig von der Frage, welchen Anteil des behaupteten Schadens die Täuschung
betrifft, kann der vollständige Anspruchsverlust hier danach nicht als unzulässige
Rechtsausübung angesehen werden. Bei der Billigkeitsprüfung zugunsten der Klägerin
ins Gewicht fallende Umstände sind nicht ersichtlich, für eine eventuelle
Existenzgefährdung ist nichts vorgetragen. Zu berücksichtigen ist hingegen, dass die
Manipulation von Rechnungen in der durch das Gutachten nachgewiesenen Art und
Weise, nämlich das Erstellen fiktiver Rechnungen unter Vorspiegelung verschiedener
Aussteller, ein hohes Maß an Täuschungsintensität aufweist, die über die Vorlage einer
rückdatierten, aber inhaltlich zutreffenden Rechnung oder einer Ersatzrechnung als
Original weit hinausreicht. Insbesondere geht es nicht mehr um die Überwindung von
Beweisschwierigkeiten für "an sich" bestehende Ansprüche, sondern um eine gezielte
Täuschung des Versicherers durch das Vorspiegeln fiktiver Geschäftsvorgänge. Es
verbleibt daher bei der regelmäßigen Rechtsfolge des vollständigen Anspruchsverlusts.
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst, weil die Sache
keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Zulassung auch nicht zur Rechtsfortbildung
oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
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