Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: zwangsvollstreckung, grundstück, nachlass, schenkung, duldung, ausgleichung, bereicherung, verfügung, notlage, grundbuch

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Gericht:
KG Berlin 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 U 8/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2057a BGB, § 2325 BGB, §
2329 BGB
Leitsatz
Zur Berücksichtigung einer zur Sicherheit für eine fremde Schuld bestellten Grundschuld im
Rahmen einer ergänzungspflichtigen Schenkung (§§ 2325, 2329 BGB).
Die Ausgleichungspflicht des § 2057a BGB kann nur bei einem Pflichtteilergänzungsanspruch
nach § 2325 BGB von Bedeutung sein, nicht jedoch im Rahmen des
Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2329 BGB, bei dem es an einem vorhandenen bzw.
zur Befriedigung des Ergänzungsberechtigten ausreichenden Nachlass fehlt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels das Urteil der Zivilkammer 8 des Landgerichts Berlin vom 8. Januar 2010
geändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, wegen eines Betrages von 23.750,- Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 1.8.2008 die Zwangsvollstreckung in das
Grundstück T.Ring … in … K., eingetragen im Grundbuch beim Amtsgericht K., Blatt …,
zu dulden mit der Maßgabe, dass der Beklagten aus der Zwangsvollstreckung
mindestens ein Betrag in gleicher Höhe wie der dem Kläger auszukehrende Betrag
verbleibt. Bei der Ersteigerung erlöste Beträge, die zur Tilgung der in Abteilung III Nr. 2 zu
Gunsten der L.bank Berlin eingetragenen Grundschuld verwendet werden, sind auf den
Betrag, der der Beklagten verbleibt, anzurechnen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 1.085,42 Euro zu zahlen. Im Übrigen
wird die Klage abgewiesen
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird unter Darstellung der
nachfolgenden Ergänzungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit der Berufung hat die Beklagte unter Vorlage eines notariellen Inventarverzeichnisses
vom 4.3.2010 geltend gemacht, der Nachlass sei überschuldet. Sie erhebt insofern die
Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB. Vorsorglich erhebt sie auch die Einrede aus § 2328
BGB, da sie selbst pflichtteilsberechtigt sei.
Im Berufungstermin vor dem Senat am 17.5.2010 haben die Parteien übereinstimmend
erklärt, dass sie den Nachlass der Erblasserin mit 0,00 Euro bewerten. Sie sind sich
ferner darüber einig, dass der Wert des Grundstücks in K. zum Todestag der Erblasserin
95.000,- Euro betragen hat.
Die Beklagte rügt mit der Berufung, dass entgegen der Ansicht des Landgerichts die
Belastung durch die Grundschuld bei der Übertragung des Grundstücks in K. an sie
wertmindernd berücksichtigt werden müsse. Es handele sich insofern nicht, wie vom
Landgericht angenommen, um eine zweifelhafte Verbindlichkeit im Sinne von § 2313
Abs. 2 S. 2 BGB, sondern um eine auflösend bedingte, welche mit ihrem ganzen Betrag
einzustellen sei. Zudem stütze das Landgericht die Annahme einer zweifelhaften
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einzustellen sei. Zudem stütze das Landgericht die Annahme einer zweifelhaften
Verbindlichkeit zu Unrecht auch darauf, dass eine Inanspruchnahme der Grundschuld
nicht bevorstehe. Das Unternehmen des Ehemanns der Beklagten befinde sich aber in
erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Bereits viermal sei ein Bedienen des Darlehens
aus den laufenden Gewinnen des Unternehmens nicht möglich gewesen. Seitens der
Sparkasse sei jeweils die Fälligkeit des gesamten Betrages und die Zwangsvollstreckung
angekündigt worden.
Aufgrund der Dürftigkeitseinrede verbliebe dem Kläger letztlich nur der Anspruch aus §
2329 BGB, wobei dann auf den Wert des Grundstückes zum Zeitpunkt des
Herausgabeverlangens abzustellen sei. Hierbei müsse berücksichtigt werden, dass
derzeit die Bedienung des Darlehens nicht gesichert sei und aktuell das Risiko der
Verwertung des Grundstücks aufgrund der Grundschuldbelastung bestehe. Zudem habe
das vom Sachverständigen zu hoch bewertete Grundstück aufgrund erheblichen
Schimmelbefalls weiter an Wert verloren.
Die Beklagte meint ferner, dass ihr gegen den Kläger ein Anspruch auf Ausgleichung
wegen der von ihr geleisteten langjährigen Pflege der Erblasserin nach § 2057a BGB
zustehe. Für die Ausgleichung sei ein Wert von 50.000,00 € zugrunde zulegen.
Schließlich habe sie Aufwendungen für das Grundstück in K. in Höhe von 11.264,46 Euro
gehabt, deren Berücksichtigung sie bei der Anordnung der Duldung der
Zwangsvollstreckung erbittet.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 8.1.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin
– Az.: 8 O 426/08 – die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte wegen eines
Betrages von 23.750,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab
dem 1.8.2008 die Zwangsvollstreckung in das Grundstück T.Ring … in … K. eingetragen
im Grundbuch beim Amtsgericht K., Grundbuch von K. Bl. … zu dulden hat.
Ferner beantragt er,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.196,43 Euro zu zahlen.
Im Übrigen hat der Kläger die Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft sein erstinstanzliches
Vorbringen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist ganz überwiegend unbegründet.
Sie führt allerdings zur Abänderung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang, weil dem Kläger gegen die Beklagte kein Zahlungsanspruch,
sondern ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung, und zwar wegen eines
Betrages in Höhe von 23.750,- Euro nebst anteiligen Zinsen zusteht.
Nach der übereinstimmenden Erklärung der Parteien im Berufungstermin am 17.5.2010
ist der Wert des Nachlasses der Erblasserin mit 0,00 Euro zu bewerten.
Damit scheidet der ursprünglich vom Kläger geltend gemachte
Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB aus, weil es sich bei diesem
Anspruch um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, die nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. BGH ZEV 2000, 274) einen vorhandenen
Nachlass als Haftungsgegenstand voraussetzt, an dem es vorliegend fehlt.
Der Kläger hat dementsprechend im Berufungstermin am 17.5.2010 seine Klage
umgestellt. In dem Übergang vom Zahlungsanspruch des § 2325 BGB zum
Herausgabeanspruch des § 2329 BGB gegen dieselbe Beklagte liegt keine unzulässige
Klageänderung, da es sich in beiden Fällen um Pflichtteilsergänzungsansprüche handelt,
die dem gleichen Endziel dienen und sich nur durch Art und Umfang der Haftung
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die dem gleichen Endziel dienen und sich nur durch Art und Umfang der Haftung
unterscheiden (BGH NJW 1974, 1327). Der Anspruch geht bei anderen als
Geldgeschenken auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den geschenkten Gegenstand
wegen eines bestimmten Geldbetrages (BGH NJW 1983, 1485, 1486).
1. Dem Kläger steht ein solcher Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das
im Eigentum der Beklagten stehende Hausgrundstück in K. wegen eines Fehlbetrages in
Höhe von 23.750,- Euro nebst anteiligen Zinsen zu (§ 2329 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Erblasserin der Beklagten eine
ergänzungspflichtige Schenkung in Form der unentgeltlichen Zuwendung des
Hausgrundstücks in Kiel gemacht hat.
a) In der Grundschuldbestellung im Jahre 1995 ist dagegen keine Schenkung zu sehen,
deren Wert von der Schenkung des Grundstücks im Jahre 2003 abgezogen werden
müsste. Denn die Erblasserin hat der Beklagten das Grundstück im Jahre 1995 nur als
Kreditunterlage zur Verfügung gestellt. Im Falle der dinglichen Zwangsvollstreckung bzw.
einer Abwendung der Zwangsvollstreckung durch die Erblasserin wäre die Forderung der
Darlehensgeberin (Landesbank Berlin) gegen die Beklagte und ihren Ehemann auf die
Erblasserin übergegangen, §§ 1192, 1143 BGB. Abweichendes hat die Beklagte weder
substanziiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt.
Die auf dem Grundstück lastende Grundschuld wirkt sich auch nicht wertmindernd auf
die Schenkung des Hausgrundstücks im Jahre 2003 aus. Zutreffend ist das Landgericht
insoweit von einer zweifelhaften Verbindlichkeit i. S. v. § 2313 Abs. 2 S. 1 BGB
ausgegangen.
Zweifelhafte Verbindlichkeiten bleiben außer Ansatz, wenn sie zur Zeit des Erbfalls
zweifelhaft waren und zur Zeit der Geltendmachung des Pflichtteils noch in voller Höhe
sind (BGHZ 3, 394; Palandt-Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2313 Rn. 2 m.w.N.). Zweifelhaft
im Sinne des § 2313 Abs. 2 BGB sind nicht nur Verbindlichkeiten, die in ihrem
Rechtsbestand zweifelhaft sind, sondern auch solche, deren Realisierung unsicher ist.
Anders ist die Rechtslage nur dann, wenn eine Inanspruchnahme aktuell droht oder
wahrscheinlich erscheint (vgl. Staudinger-Haas, BGB, Neub. 2006, § 2311 Rn. 36).
Vorliegend war sowohl zum Zeitpunkt des Erbfalls 2007 als auch zum Zeitpunkt der
Geltendmachung der Pflichtteilsergänzung durch den Kläger im Jahre 2008 ungewiß, ob
eine Inanspruchnahme aus der Grundschuld tatsächlich erfolgt. Hierfür sprach nichts,
weil die Beklagte und ihr Ehemann seit Abschluss des Darlehensvertrages
vertragsgemäß die Zins- und Tilgungsleistungen fortlaufend erbracht haben. Dies gilt
ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Kontoauszuges der B. Sparkasse / LBB
AG vom 31.12.2009 weiterhin zumindest bis Ende 2009. Soweit die Beklagte nun auf die
verschlechterte wirtschaftliche Lage des Unternehmens ihres Ehemannes verweist, ist
hierfür die Vorlage einer betriebswirtschaftlichen Auswertung des Jahres 2009 allein nicht
ausreichend. Dabei kann dahingestellt bleiben und bedarf keiner weiteren Aufklärung, ob
die betriebswirtschaftliche Auswertung in Anbetracht einiger auffällig hoher
Abzugspositionen, z.B. Telefonkosten in Höhe von 34.500,- Euro und
Unternehmensberatungskosten in Höhe von 40.410,- Euro, inhaltlich korrekt ist. Denn –
wie die Beklagte selbst vorträgt – schwanken die wirtschaftlichen Ergebnisse des
Unternehmens von Jahr zu Jahr ganz beträchtlich. Aus diesem Grunde kann bei
Selbständigen aus der Vorlage einer Gewinnermittlung für ein einziges Jahr nicht auf eine
anhaltend negative Entwicklung des Unternehmens geschlossen werden; hierfür wäre
mindestens die Auswertung eines Dreijahreszeitraums erforderlich. Nur am Rande sei
angemerkt, dass ausweislich der vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung an die
Geschäftsführer des Unternehmens im Jahre 2009 noch Gehälter in Höhe von 59.200,-
Euro gezahlt.wurden.
Vorliegend ist zudem zu beachten, dass die Erblasserin die Sicherheit für eine fremde
Schuld, nämlich die Kreditverbindlichkeit der Beklagten und ihres Ehemannes gegenüber
der L. B., bestellt hatte. Die Beklagte hat mit der Übernahme der Verpflichtungen aus
der Grundschuld nicht weniger erhalten, als sie ohne die Grundschuld erhalten hätte.
Nach Eigentumsumschreibung stand der Kreditgläubigerin (L. B.) die
Zwangsvollstreckung in das Grundstück der Beklagten auch ohne die Grundschuld offen,
und zur Tilgung der Darlehen war sie bereits aus dem Darlehensvertrag mit der L. B.
verpflichtet. Erst durch die Grundstücksübertragung hat die Erblasserin auf ihre
Ansprüche auf einen Ausgleich für den Fall der dinglichen Zwangsvollstreckung
verzichtet. Die Belastung des Grundstücks durch die Grundschuld wird kompensiert
durch den Verzicht auf den Rückgriffsanspruch der Erblasserin für den Fall, dass das
Grundstück aus der Grundschuld in Anspruch genommen wird (zur grundsätzlichen
Berücksichtigung des Freistellungsanspruchs als Aktivposten in Fällen der
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Berücksichtigung des Freistellungsanspruchs als Aktivposten in Fällen der
Sicherheitenbestellung für fremde Schuld: vgl. Staudinger, a.a.O.).
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 02.06.1995 (FamRZ 1995, 1525) steht der
hier vorgenommenen Würdigung nicht entgegen. Denn der dieser Entscheidung
zugrunde liegende Sachverhalt ist mit der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht
vergleichbar. Im vom OLG Düsseldorf zu entscheidenden Fall war es der Gläubiger des
Pflichtteilsergänzungsanspruchs, der eine wertmindernde Anrechnung einer für seine
Darlehensverbindlichkeit vom Erblasser bestellten Grundschuld nicht berücksichtigt
wissen wollte. Wäre dort die Belastung nicht abgesetzt worden für die Berechnung des
Pflichtteilsergänzungsauspruchs, hätte der dortige Gläubiger wegen der Grundschuld
besser gestanden als ohne sie, denn das Grundstück des dortigen Schuldners stand ihm
auch im Abschluss an die Erbauseinandersetzung weiter als Kreditunterlage zur
Verfügung. Vorliegend geht es hingegen um eine Grundschuld, die von der Erblasserin
zur Sicherung einer Darlehensverbindlichkeit der Schuldnerin des
Pflichtteilsergänzungsanspruchs bestellt wurde.
Zudem ist zu bedenken, dass das OLG Düsseldorf bei der Beurteilung der Frage, ob die
Grundschuld zweifelhaft ist, auf die Gläubigersicht und nicht - worauf es bei Belastungen
ankommt - auf die Schuldnersicht abstellt. Insoweit stellt sich nicht die Frage, ob das
Recht verwertbar ist, sondern ob und inwieweit das Risiko der Inanspruchnahme besteht.
b) Die von der Beklagten behaupteten Pflegeleistungen sind vom Landgericht zu Recht
nicht als dem Pflichtteilsergänzungsanspruch entgegenstehend berücksichtigt worden.
Soweit die Beklagte meint, es müsse eine Ausgleichung gemäß § 2057a BGB
stattfinden, kann dem nicht gefolgt werden. Ausgleichung gemäß den §§ 2050 – 2057a
BGB kann nur in Betracht kommen, wenn ein Nachlass vorhanden ist (Arg. Aus § 2057 a
Abs. 3 BGB; vgl. auch Staudinger-Lorenz, BGB, Neub. 2002, § 2057 a Rn. 29) auf die von
der Beklagten im Schriftsatz vom 2. Juni 2010 angesprochene Frage, ob die Erbfolge auf
Grund einer letztwilligen Verfügung geregelt sei - hierüber wurde auch im Termin vom
17. Mai 2010 nicht gesprochen - kommt es nicht an. Diese Vorschriften geben keinen
selbständigen Anspruch auf Herausgabe der Vorempfänge, sie regeln vielmehr nur die
Frage, wie ein vorhandener Nachlass unter die Miterben zu verteilen ist (vgl. OLG
Naumburg, Urt. v. 6.06.2007, - Az.: 10 U 27/07 -, bei juris Rz. 47 m.w.N.). Auch aus der
Entscheidung des BGH vom 08.03.2006 (FamRZ 2006, 777) ergibt sich, dass § 2057 a
BGB nur im Rahmen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB von
Bedeutung sein kann, nicht jedoch im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruches
nach § 2329 BGB, bei dem es an einem vorhandenen bzw. zur Befriedigung des
Ergänzungsberechtigten ausreichenden Nachlass fehlt und daher ausschließlich § 2330
BGB maßgeblich ist.
Gemäß § 2330 BGB findet § 2329 BGB keine Anwendung auf Schenkungen, durch die
einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen
wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine sittliche Verpflichtung
zur Belohnung von Pflegeleistungen im allgemeinen nur angenommen, werden wenn
besondere Umstände vorliegen, die das Ausbleiben einer solchen Belohnung als sittlich
anstößig erscheinen lassen. Ein solcher Fall könnte etwa gegeben sein, wenn der die
Pflegeleistung Erbringende schwerwiegende persönliche Opfer bringt und deswegen in
eine Notlage gerät (BGH NJW 1986, 1926 m.w.N.).
Derartige Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
Der Vortrag der Beklagten zum Umfang der von ihr – im Übrigen gemeinsam mit
weiteren Familienangehörigen - erbrachten Pflegeleistungen ist bereits nicht stimmig,
wenn man berücksichtigt, dass die Erblasserin erst im Juni 2007 eine Pflegestufe (II)
beantragt hat, obwohl nach der Auflistung der Beklagten bereits 1995 Hilfe bei
alltäglichen Dingen des Lebens in erheblichem Umfang notwendig gewesen sein soll. In
einem Brief vom 11.6.2008 an den Kläger schreibt die Beklagte zudem, dass man die
Erblasserin nicht länger als eine Woche habe allein lassen können, was aber mit dem
Umfang der aufgelisteten Pflegeleistungen nicht in Einklang zu bringen ist; danach
benötigte die Erblasserin in ihren letzten Lebensjahren tägliche Pflege.
Aber selbst wenn man die von der Beklagten behaupteten Pflegeleistungen nach Art und
Umfang als zutreffend unterstellt, liegt keine sog. Pflichtschenkung vor. Dabei kann auch
dahingestellt bleiben, ob und ggf. inwieweit die Beklagte ihre berufliche
Wochenarbeitszeit als Lehrerin reduziert hat, um die Erblasserin pflegen zu können.
Denn sie ist durch etwaige persönliche Opfer jedenfalls nicht in eine Notlage geraten. Sie
lebte zur Zeit der Schenkung in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, so dass die
Schenkung nicht etwa zur Behebung einer Notlage erfolgte.
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c) Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers gemäß § 2329 BGB besteht darin,
dass die Beklagte die Zwangsvollstreckung in das geschenkte Haugrundstück in Kiel
wegen eines Fehlbetrages in Höhe von 23.750,- Euro zu dulden hat.
Die ziffernmäßige Höchstgrenze des Anspruchs ( = fehlender Betrag im Sinne des §
2329 Abs. 1 Satz 1 BGB) wird bestimmt durch die §§ 2325, 2326, 2327 BGB. Das
Äußerste, was beansprucht werden kann, ist der aus der Anwendung dieser
Bestimmungen sich ergebende Betrag (Staudinger-Olshausen, a.a.O., § 2329 Rn. 23).
Maßgeblich ist die Differenz zwischen der Pflichtteilsergänzung, die der
Pflichtteilsberechtigte gemäß § 2325 BGB zu beanspruchen hat, und demjenigen, zu
dessen Leistung der Erbe im Sinne von § 2329 BGB verpflichtet ist (BGHZ 107, 200 ff.).
Vorliegend kann der Kläger gemäß § 2325 BGB keine Pflichtteilsergänzung
beanspruchen, weil kein Nachlass vorhanden ist. Gemäß § 2329 BGB i.V.m. § 2325 Abs.
2 Satz 1 BGB kann er angesichts des Wertes des Gründstücks zum Zeitpunkt des
Erbfalls in Höhe von 95.000,- Euro, auf den sich die Parteien geeinigt haben, und einer
unstreitigen Pflichtteilsquote von ¼ die Duldung der Zwangsvollstreckung in Höhe des
geltend gemachten Betrages von 23.750,- Euro, der gleichzeitig die Differenz im oben
genannten Sinne darstellt, beanspruchen. Der Wert des Grundstücks zum jetzigen
Zeitpunkt ist für die Berechnung der Ergänzung nicht maßgeblich. Die
Bereicherungsvorschriften der §§ 812 ff. BGB sind nur für das Maß der Haftung (=
Rechtsfolgeverweisung), nicht aber für die Berechnung der Ergänzung anzuwenden
(Staudinger-Olshausen, a.a.O., § 2329 Rn. 31).
d) Soweit sich die Beklagte gemäß § 818 Abs. 2 BGB auf einen teilweisen Wegfall der
Bereicherung beruft, verfängt dies nicht. Dabei kann unterstellt werden, dass die
Beklagte Aufwendungen in Höhe von insgesamt 11.264,46 Euro hatte, wie sie mit dem
nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 2.6.2010 vorträgt. Es ist zwar richtig, dass
Aufwendungen, die der Beschenkte nur im Hinblick auf das Geschenk gemacht hat,
seine Bereicherung mindern (Staudinger-Olshausen, a.a.O., Rn. 26; MüKo-Lange, BGB,
5. Aufl. 2009, § 2329 Rn. 17). Eine Bereicherung ist durch die von der Beklagten
vorgenommenen Aufwendungen aber nur insoweit weggefallen, als die gezogenen
Nutzungen des Grundstücks, welche sie an den Kläger herauszugeben hat (§ 2329 Abs.
1 Satz 1 BGB i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB), nicht ausgereicht haben, die Aufwendungen zu
kompensieren (vgl. auch Staudinger, a.a.O., § 818 Rn. 37 m.w.N.). Dass aber vorliegend
die Aufwendungen durch die gezogenen Nutzungen in Form der Miete aus der
Vermietung des Hauses in Kiel (§ 100 BGB i.V.m. § 99 Abs. 3 BGB) nicht gedeckt waren,
ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte
seit Abschluss des Überlassungsvertrages vom 8.7.2003, mit welchem gleichzeitig die
Übergabe des Grundbesitzes erfolgte (§ 3 des Überlassungsvertrages), die Mieten
eingenommen hat. Der Kaltmietzins betrug durchgehend mindestens 650,- Euro
monatlich. Die von der Beklagten geltend gemachten Aufwendungen sind nach der
Aufstellung der Beklagten in den Jahren 2004 bis 2009 entstanden. Geht man vom
Zeitraum August 2003 bis Ende 2009 (= 77 Monate) aus, so hätte die Beklagte nur
einen durchschnittlichen Nettoertrag von (11.264,46 Euro : 77 Monate) monatlich 146,30
EUR erwirtschaften müssen, um ihre vorgetragenen Aufwendungen zu decken.
Der im Berufungstermin am 17.5.2010 von der Beklagten erbetene Schriftsatznachlass
in Bezug auf weiteren Vortrag zu den entstandenen Aufwendungen war im Übrigen nicht
dahin auszulegen, dass die Beklagte auch zu den gezogenen kompensierenden
Nettomieteinnahmen vortragen wollte. Auch im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom
2.6.2010 hat sie sich hierzu nicht geäußert.
e) Hinsichtlich der gemäß § 2328 BGB erhobenen Einrede der Beklagten ist auf den
Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung abzustellen (BGHZ 85, 274 ff.). Deshalb hat der
Senat in Anlehnung an die vorzitierte Entscheidung des BGH vom 1o.11.1982 in der
Urteilsformel ausgesprochen, dass der Beklagten bei der Zwangsvollstreckung
mindestens ein Betrag in gleicher Höhe wie der dem Kläger auszukehrende Betrag
verbleibt. Bei der Ersteigerung erlöste Beträge, die zur Tilgung der in Abteilung III Nr. 2 zu
Gunsten der L. B. eingetragenen Grundschuld verwendet werden, sind dabei auf den
Betrag, der der Beklagten verbleibt, anzurechnen.
2. Dem Kläger steht weiter der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.085,42 Euro zu (§ 280 Abs. 1 und 2
BGB i.V.m. § 286 BGB). Unter Berücksichtigung eines berechtigten
Pflichtteilsergänzungsanspruchs in Höhe von 23.750,- Euro errechnet sich eine 1,3
Geschäftsgebühr in Höhe von 891,80 Euro. Zuzüglich 20,- Euro Auslagenpauschale und
19 % Umsatzsteuer ergibt sich ein Betrag in Höhe von 1.085,42 Euro.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht
vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts. Insbesondere liegt keine Abweichung von der
Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 2.6.1995 (FamRZ 1995, 1525) vor, weil die dort
zugrunde liegende Fallkonstellation mit der hiesigen nicht vergleichbar ist.
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