Urteil des KG Berlin vom 21.08.2003

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Gericht:
KG Berlin Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 WF 335/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 12 Abs 2 S 1 GKG, § 114 ZPO,
§§ 114ff ZPO
Ehescheidungsverfahren: Wertbestimmung für die Ehesache bei
ratenfreier Prozesskostenhilfebewilligung für beide Parteien
Tenor
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird der
Streitwertbeschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 21. August 2003
geändert:
Der Streitwert für die Scheidung wird auf 7.500 DM festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Die nach §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde des
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, mit der er eine Heraufsetzung des
Gegenstandswertes der Scheidung auf 11.700 DM anstrebt, ist teilweise begründet, weil
der Streitwert für die Scheidung mit 4.000 DM zu niedrig angesetzt ist.
In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Wert des Streitgegenstandes unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der
Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien,
nach Ermessen zu bestimmen (§ 12 Abs. 2 Satz l GKG). In Ehesachen ist mach § 12
Abs. 2 Satz 2 GKG für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte
Nettoeinkommen der Eheleute anzusetzen. Die Antragstellerin hat in der Antragsschrift
vom 19. September 2001 ihr monatliches Einkommen mit netto 2.100 DM und das des
Antragsgegners mit 1.800 DM angegeben. Das entspricht den Angaben des
Antragsgegners in seiner Antragsschrift vom 28. März 2002 und den eingereichten
Gehaltsbescheinigungen. Hiervon sind zunächst die notwendigerweise mit der Erzielung
der Einkünfte verbundenen Aufwendungen abzusetzen, die jedenfalls in Höhe von
monatlich jeweils 100 DM zu pauschalieren sind, weil mindestens in dieser Höhe
Fahrtkosten entstehen. Damit ergibt sich ein Ausgangswert von (2.000 + 1.700) 3.700
DM. Von diesem Ausgangswert ist jedoch ein Abzug zu machen, wenn gemeinschaftliche
Kinder zu unterhalten sind. Die Nichtberücksichtigung dieser Unterhaltsbelastung würde
die tatsächlichen Lebensverhältnisse nicht hinreichend beachten und somit dem Gebot
alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, nicht genügen. Hierbei ist ein Betrag
in Höhe des Existenzminimums anzusetzen, der ausweislich der Begründung des
Änderung des § 1612 b Abs. 5 BGB mit 135 % des Regelbedarfs anzusetzen ist, hier
also jeweils 600 DM beträgt. Damit verringert sich das monatliche Einkommen auf 2.500
DM, so dass für die Einkommensverhältnisse von dem dreifachen Betrag, also 7.500 DM
auszugehen ist.
Eine Herabsetzung dieses Wertes im Hinblick auf die Tatsache, dass beiden Parteien
ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen war, kommt nicht in Betracht. Der Senat teilt
nicht die teilweise in der Rechtsprechung mit unterschiedlichsten Begründungen
vertretene Auffassung (z.B. OLG Hamm, OLGR Hamm 1999, 72; OLG Stuttgart, FamRZ
2000, 1518 und AGS 2001,12; OLG Hamburg (2. Familiensenat), OLGR Hamburg 1999,
253; (1. Familiensenat), EzFamR aktuell 2000,205; OLG Koblenz, FuR 1999, 347; OLG
Schleswig, OLGReport Schleswig 2003,272), bei der Bewilligung ratenfreier
Prozesskostenhilfe könne nur der Mindeststreitwert von 4.000 DM bzw. 2.000 €
festgesetzt werden. Vielmehr schließt er sich der überwiegend in der Rechtsprechung
vertretenen Meinung an, dass auch in diesen Fällen nicht automatisch eine vom
Grundsatz des § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG abweichende Wertfestsetzung gerechtfertigt ist
(vgl. z.B. OLG Celle, OLGR Celle 2002, 153; FamRZ 1999, 604; Thüringer OLG, FamRZ
1999, 1678; OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 606; OLG Hamburg (ebenfalls 1.
Familiensenat), OLGR Hamburg 2000, 437). Eine Verknüpfung der Streitwertfestsetzung
Familiensenat), OLGR Hamburg 2000, 437). Eine Verknüpfung der Streitwertfestsetzung
mit der Prozesskostenhilfebewilligung widerspricht der eindeutigen gesetzlichen
Regelung, die als Bemessungskriterium das dreimonatige Nettogehalt festschreibt und
nicht das nach § 115 ZPO bereinigte, bei dem neben den (etwa dem Mindestwert von
4.000 DM entsprechenden) Freibeträgen insbesondere die Wohnkosten zu
berücksichtigen sind. Das Institut der Prozesskostenhilfe ist eine Leistung der staatlichen
Daseinsfürsorge zur grundgesetzlich geschützten Rechtsweggewährung, sie übt
Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege aus (BVerfGE 9.258; 35,355). und macht allein
deshalb eine Sozialhilfeleistung als Hilfe in besonderen Lebenslagen für die
Rechtsverfolgung unnötig. Sie orientiert sich daher an sozialhilferechtlichen Kriterien. Ein
Zusammenhang mit der hiervon unabhängigen Streitwertbemessung existiert nicht.
Den (berechtigten) Belangen der öffentlichen Hand, die hierzu erforderlichen
Aufwendungen auf das Notwendigste zu beschränken, ist durch § 123 BRAGO Rechnung
getragen.
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