Urteil des KG Berlin vom 23.02.2005

KG Berlin: rechtliches gehör, umkehr der beweislast, unverzüglich, beratung, aufwand, vollmachten, anteil, techniker, sammlung, quelle

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Gericht:
KG Berlin 7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 80/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 313 ZPO , § 522 Abs 2 ZPO, §
540 ZPO, Art 19 Abs 4 GG, Art
103 GG
(Rechtliches Gehör: Verletzung durch einen Hinweis nach § 522
Abs. 2 ZPO)
Leitsatz
Durch einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO kann grundsätzlich das rechtliche Gehör einer
Partei nicht verletzt werden
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. Februar 2005 verkündete Urteil der
Zivilkammer 18 des Landgerichts Berlin - 18 O 456/03 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 10.476.990,05 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Berufung war durch einstimmigen Beschluss nach § 522 ZPO zurückzuweisen, weil
sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat
und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Hinsichtlich der weiteren Begründung wird zunächst auf den Hinweis nach § 522 Abs. 2
Satz 2 ZPO verwiesen.
Der Senat sieht auch nach erneuter Beratung unter Berücksichtigung des Schriftsatzes
der Beklagten vom 2. Dezember 2005 keinen Anlass davon abzuweichen.
Die Angriffe der Beklagten dagegen, dass der Senat ihr in diesem Rechtsstreit einen
Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hat, beruhen auf einer Verkennung der Rechtslage
und deuten darauf hin, dass die Beklagte offenbar völlig unzutreffende Vorstellungen von
der Arbeitsweise eines Berufungsgerichts hat. Dies gilt insbesondere für die
Unterstellung, „dass sich der Senat offensichtlich nicht mit den streitigen und
zugegebener Maßen höchst komplexen Bauzeitfragen zum L... beschäftigen möchte“,
die mit aller Deutlichkeit und Schärfe zurückzuweisen ist. Die Meinung der Beklagten,
dass die Durchführung des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO mit weniger Arbeit
verbunden ist als dies bei einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung der Fall ist, ist
unzutreffend. Die Erarbeitung eines Hinweises nach § 522 Abs. 2 ZPO erfordert im
Allgemeinen ebensoviel Aufwand wie die Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung.
Die Beratung im Senat erfordert häufig - insbesondere in umfangreichen Fällen wie dem
vorliegenden - sogar mehr Aufwand, da dieses in Anbetracht der Notwendigkeit, dass
alle Mitglieder des Senats von dem Ergebnis überzeugt sein müssen, erforderlich ist.
Nach § 522 Abs. 2 ZPO weist das Berufungsgericht die Berufung durch einstimmigen
Beschluss unverzüglich zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass 1. die Berufung keine
Aussicht auf Erfolg hat, 2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Wie sich aus dieser Vorschrift klar
und deutlich ergibt, hat der Senat die Berufung durch einstimmigen Beschluss
unverzüglich zurückzuweisen, wenn er davon überzeugt ist, dass die genannten
Voraussetzungen vorliegen. § 522 Abs. 2 ZPO eröffnet keinen Ermessensspielraum. Es
besteht lediglich ein Beurteilungsspielraum für die Frage, ob die Voraussetzungen für
das Beschlussverfahren vorliegen. Das Berufungsgericht muss von dem Verfahren nach
§ 522 Abs. 2 ZPO Gebrauch machen, wenn es nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und
Rechtslage einstimmig der Ansicht ist, dass die Tatbestandsmerkmale dieser Norm im
konkreten Fall erfüllt sind (ständige Rechtsprechung des Senats; vergl. KGR 2005, 109).
Dabei genügt es im Rahmen des § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, das die Berufung keine
Erfolgsaussicht hat. Auf die Qualität der Berufungsbegründung kommt es nicht an. Das
Rechtsmittel muss daher auch nicht offensichtlich unbegründet sein; es reicht aus, wenn
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Rechtsmittel muss daher auch nicht offensichtlich unbegründet sein; es reicht aus, wenn
das erkennende Gericht einstimmig der Ansicht ist, dass die Berufung als unbegründet
zurückzuweisen ist und die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO
vorliegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 522 Abs. 2 ZPO keineswegs eine
Ausnahmevorschrift, die nur bei Extremfällen zum Tragen kommt. Für die Durchführung
des Beschlussverfahrens ist auch der Streitwert nicht maßgebend; anderenfalls hätte
der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung treffen müssen. Davon hat er keinen
Gebrauch gemacht und damit in Kauf genommen, dass die wirtschaftliche Bedeutung,
die der Rechtsstreit für die Parteien im Einzelfall haben könnte, keine
entscheidungserhebliche Rolle für die Verfahrensart spielt.
Das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO gewährleistet grundsätzlich, dass das rechtliche
Gehör zu den die Berufungszurückweisung tragenden Gründen von vornherein
umfassend gewahrt ist (OLGR Koblenz 2005, 680). Die demnach nicht zuletzt auf die
Entbehrlichkeit einer mündlichen Verhandlung abstellenden Erwägungen des
Gesetzgebers sind sowohl mit Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG als auch mit Art. 6
EMRK vereinbar, weil keine dieser Bestimmungen einen zwingenden Anspruch auf
mündliche Verhandlung begründet (BVerfG NJW 2003, 281; OLG Düsseldorf NJW 2005,
833; OLG Celle NJW 2002, 2800; OLG Koblenz NJW 2003, 2100, 2101; OLG Frankfurt NJW
2004, 165, 167; vergl. auch BVerfG NJW 1993, 2093, 2095; BVerfG NJW 1990; 3102).
Die berufungsführende Partei erhält mit dem Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO
grundsätzlich einen Hinweis auf die - vorläufige - Würdigung der Sach- und Rechtslage
durch den Senat, der in aller Regel weitaus umfassender ist als rechtliche Hinweise sonst
in der Regel sein können. Dadurch wird ihr umfassend rechtliches Gehör gewährt. Wenn
die gesetzte Frist im Einzelfall nicht ausreicht und der Berufungsführer dies dem Senat
mitteilt und begründet, wird die gesetzte Frist auch regelmäßig angemessen verlängert.
Wenn die Erwiderung auf den Hinweis dazu führt, dass auch nur ein Mitglied des Senats
nicht mehr davon überzeugt ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, wird
vom Senat sofort ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Dass in einem
derartigen Fall die mündliche Verhandlung für alle Beteiligten sehr gut vorbereitet ist und
die Parteien aus den erteilten Hinweisen Nutzen ziehen können, versteht sich von selbst.
Die Beklagte wird im Übrigen daran erinnert, dass der Senat sich mit den komplexen
Rechtsfragen des Bauvorhabens L... wiederholt auch im Rahmen mündlicher
Verhandlungen intensiv befasst hat. Die polemischen Unterstellungen der Beklagten
sind deshalb vollkommen unangemessen.
Der Senat hat das rechtliche Gehör der Beklagten auch nicht dadurch verletzt, dass er in
seinem Hinweis vom 8. November 2005 die Begründung der Feststellungen, dass die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Berufungsgerichts nicht erfordert, nicht weiter vertieft hat. In dem Hinweis wird
festgestellt, dass alle drei Zurückweisungsvoraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO -
kumulativ - vorliegen. Eine weitergehende Begründung ist nur insoweit erforderlich, als
der konkrete Einzelfall dazu Anlass bietet. Dass der Rechtsstreit keine Rechtsfragen von
allgemeiner, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung enthält und auch nicht von
Rechtsfragen abhängt, die höchstrichterlich noch nicht entschieden worden sind, ergibt
sich aus dieser Feststellung. Wenn eine Partei der Ansicht ist, dass bestimmte
entscheidungserhebliche Rechtsfragen einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen, dann
mag sie dazu vortragen (in dem Schriftsatz vom 2. Dezember 2005 hat sie es getan); es
kann nicht notwendiger Bestandteil eines gerichtlichen Hinweises sein, aufzuzählen,
welche Rechtsfragen im Einzelnen keine grundsätzliche Bedeutung haben. Sollte dies für
eine oder mehrere Fragen, die in dem Rechtsstreit entscheidungserheblich sind,
zweifelhaft sein, hat der Senat Veranlassung dazu Ausführungen zu machen, andernfalls
aber nicht.
Soweit die Beklagte dem Landgericht vorwirft, ihr rechtliches Gehör verletzt zu haben,
kann sich - unterstellt dieser Vorwurf würde zutreffen - allein daraus nur dann die
Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ergeben, wenn die
angefochtene Entscheidung auf dem (behaupteten) Verfahrensfehler beruht. Jedenfalls
das ist vorliegend nicht der Fall, denn der Senat ist unter Berücksichtigung des
Vorbringens der Beklagten in der Berufungsbegründung zu der Überzeugung gelangt,
dass das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis zutreffend ist. Nur darauf kommt es
letztendlich an, sodass auch der Vorwurf, der Senat wolle „das Urteil schönreden“,
neben der Sache liegt. Der Senat hat die Gehörsrüge der Beklagten nicht übergangen,
auch wenn er in dem Hinweis vom 8. November 2005 dazu keine weiteren Ausführungen
gemacht hat. Im Übrigen liegt ein Überraschungsurteil, welches das rechtliche Gehör
einer Partei verletzt, nur dann vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen
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einer Partei verletzt, nur dann vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen
rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger
Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer
Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vergl. BVerfGE 86, 133 m.w.N.). Davon
kann nach dem erstinstanzlichen Parteivertrag nicht ausgegangen werden.
Zu Unrecht wirft die Beklagte dem Senat das Übergehen wesentlichen Parteivorbringens
vor. Der Senat hat in dem Hinweis vom 8. November 2005 festgestellt, dass es
angesichts der vom Landgericht zu Recht angenommenen Umkehr der Beweislast auf
den Vortrag der Beklagten zu der ihrer Ansicht nach unschlüssigen Begründung von
bauzeitbedingten Ansprüchen, zur angeblichen Nicht- oder Falschberücksichtigung
geschuldeter Planungsleistungen, zum ihrer Ansicht nach unschlüssigen oder fehlenden
Vortrag zu den Behinderungsanzeigen, zum angeblichen Nichtvorliegen der
behaupteten Störungssachverhalte, zur Kausalität der Behinderungsfolgen und zu den
vereinbarten Beschleunigungsmaßnahmen nicht ankommt. Die Feststellung, dass es auf
Teile des Parteivortrags nicht ankommt, stellt kein Übergehen dieses Parteivortrags dar.
Keineswegs ist das Gericht verpflichtet, im Einzelnen auf Parteivortrag einzugehen, auf
den es aus Rechtsgründen nicht mehr ankommt, etwa Ausführungen zur Höhe eines
Anspruchs zu machen, der bereits dem Grunde nach nicht besteht. Darin kann auch
keine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegen. Da es der Beklagten nicht gelungen ist,
die Voraussetzungen zu widerlegen, die sowohl das Landgericht als auch den
erkennenden Senat bewogen haben, von einer Umkehr der Beweislast auszugehen,
besteht auch weiterhin keine Veranlassung, auf diese danach nicht mehr
entscheidungserheblichen Fragen im Einzelnen einzugehen.
Soweit der Senat in seinem Hinweis festgestellt hat, dass die Klägerin die
Bauzeitverzögerungen, die den von ihr geltend gemachten Ansprüchen zugrunde liegen,
substanziiert dargetan habe, hat er dies nicht weiter vertieft, da es auch darauf
letztendlich nicht ankommt. Auch dies wird in dem Hinweis festgestellt, sodass die
dagegen gerichteten Angriffe der Beklagten neben der Sache liegen. Der Senat hat in
dem Hinweis darüber hinaus sogar angedeutet, dass möglicherweise von einer
rechtswirksamen Vereinbarung des Nachtrags N 330 auszugehen sein könnte.
Angesichts der weiteren Entwicklung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien
wäre es zumindest bedenkenswert, ob ein Vertrag nicht durch konkludentes Handeln
zustande gekommen sein könnte. Auch dies hat der Senat aber dahinstehen lassen,
weil es aus den im Hinweis genannten Gründen nicht darauf ankommt. Auch hier lässt
sich der Senat deshalb keine Verletzung rechtlichen Gehörs vorwerfen. Gemäß § 313
Abs. 3 ZPO enthalten die Entscheidungsgründe eines Urteils eine kurze
Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht beruht. Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO enthält das Berufungsurteil
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der
angefochtenen Entscheidung. Mehr ist auch im Rahmen des § 522 Abs. 2 ZPO nicht zu
verlangen. Das Gericht kann sich im Rahmen der ihm auferlegten Aufgabe, die für die
richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesenen Gründe anzugeben, auf die
wesentlichen Gründe beschränken. Daraus, dass das Gericht sich nicht mit allen
Gesichtspunkten des Vorbringens der Beteiligten und des festgestellten Sachverhalts in
den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich auseinander gesetzt hat, kann daher
noch nicht geschlossen werden, es habe die fraglichen Gesichtspunkte bei seiner
Entscheidung unberücksichtigt gelassen, vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen,
dass es seiner Entscheidung das Vorbringen der Beteiligten vollständig und richtig zu
Grunde gelegt hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist darum nur
anzunehmen, wenn sich aus den besonderen Umständen deutlich ergibt, dass das
Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vergl. BVErfG, Beschluss vom 11. April
2003 - 5 B 24/03). Die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe sind daher in jeder
Hinsicht unbegründet.
Die gilt aber auch insoweit, als die Beklagte dem Senat einen grundsätzlichen
Widerspruch in seiner Argumentation vorwerfen will. Insoweit drängt sich der Eindruck
auf, dass die Beklagte den Hinweis vom 8. November 2005 bewusst hat missverstehen
wollen. Der Senat hat in seinem Hinweis ausgeführt, dass die Beklagte bei den
Verhandlungen über den Nachtrag N 330 und im weiterem Verlauf eine Situation
geschaffen hat, in der die Klägerin darauf vertrauen durfte, dass die in dem Entwurf des
N 330 festgehalten Verhandlungsergebnisse jedenfalls dem Grunde nach anerkannt
wurden (streitig war letztlich nur noch die Frage, zu welchem Anteil die Vorhabensträger
verpflichtet sein sollten). Daran ändert auch nichts, wenn die Beklagte vortragen lässt,
dass sie ja gar nicht beteiligt gewesen sei. Die handelnden Personen haben im Rahmen
der ihnen erteilten Vollmachten gehandelt, lediglich eine Vollmacht zur
rechtsgeschäftlichen Bindung bestand nicht. Keineswegs ist dem Hinweis des Senats zu
entnehmen, dass eine nichtbevollmächtigte Person bindende Verpflichtungen für die
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entnehmen, dass eine nichtbevollmächtigte Person bindende Verpflichtungen für die
Beklagten hätte eingehen können. Es bleibt aber bei der Feststellung, dass die PVB und
der von ihr eingesetzte Fachprüfer bevollmächtigt waren, die tatsächlichen
Feststellungen zu treffen, die Grundlage für den Nachtrag N 330 waren. Dass hat nichts
damit zu tun, dass die Beklagte insoweit rechtsgeschäftlich verpflichtet worden wäre. Sie
war aber tatsächlich verpflichtet, klarzustellen, welche Vorbehalte noch bestanden, die
einer rechtsgeschäftlichen Bindung entgegenstanden. Keinesfalls durfte sie die Klägerin
in dem Glauben lassen, dass es lediglich noch der Einigung über die Anteile der
Vorhabenträger bedurfte.
Der Umstand, dass die Klägerin später daran erinnert hat, dass der N 330 mit
geänderten Bauablaufterminen noch nicht vereinbart worden sei, ändert daran nichts.
Entscheidend ist, dass ihr gegenüber nicht zum Ausdruck gebracht wurde, dass die
getroffenen Feststellungen doch wieder in Frage gestellt werden sollten. Dass sich aus
den danach auftretenden Streitpunkten Rückschlüsse ergeben hätten, die die Klägerin
hätte ziehen müssen, ergibt sich auch dann nicht, wenn man den Vortrag der Beklagten
vollumfänglich als wahr unterstellt. Soweit die Ursachen für diese Streitpunkte vor der
Paraphierung des N 330 liegen, sind sie offensichtlich berücksichtigt worden. Soweit sie
erst danach entstanden sind, kann sich allenfalls die Frage stellen, ob insoweit
Gegenansprüche der Beklagten bestehen, die in dem vorliegenden Rechtsstreit aber
nicht geltend gemacht werden. Dass und inwieweit sich daraus ergibt, dass die
Beklagten sich an dem zu dem Nachtrag N 330 getroffenen Feststellungen nicht mehr
festhalten lassen musste, ist auch weiterhin weder dargetan noch ersichtlich.
Entgegen dem Vortrag der Beklagten kann es auch nicht „evident“ gewesen sein, dass
die vereinbarten Beschleunigungsmaßnahmen nicht oder nicht ordnungsgemäß
erbracht sein konnten, da der durch sie zugesagte Fertigstellungstermin nicht
eingehalten wurde. Wäre dies der Fall gewesen, hätten die Verhandlungen über den N
330 und die jedenfalls über das diesbezügliche Vorgehen erzielte Einigung von Anfang
an keinen Sinn gemacht. Entsprechendes gilt auch insoweit, als die Beklagte erneut die
Inhalte des N 220 in Frage stellen will, von denen nach der in dem Parallelprozess 7 U
169/04 geäußerten Überzeugung des Senats aber feststeht, dass die Parteien sich
hierüber rechtsverbindlich geeinigt haben.
Im Übrigen enthält der Schriftsatz vom 2. Dezember 2005 keinen neuen
entscheidungserheblichen Sachvortrag, den der Senat bei seinem Hinweis vom 8.
November 2005 nicht bereits berücksichtigt hätte.
Die vorliegende Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs oder sonstiger obergerichtlicher Rechtsprechung ab, insbesondere
auch von keiner der durch die Beklagte zitierten Entscheidungen. So hat der BGH in der
Entscheidung vom 6. Dezember 2001 - VII ZR 452/00 - (BauR 2002, 465) festgestellt,
dass die Prüfung der Schlussrechnung eines Auftragnehmers durch den Auftraggeber
auch dann kein Anerkenntnis der in die Schlussrechnung eingestellten
Nachtragsleistungen darstellt, wenn der Auftraggeber die Rechnung nicht durch seinen
Architekten, sondern durch einen mit dem Bauvorhaben bisher nicht befassten
Sachverständigen prüfen lässt, weil dieser damit keine Erklärung zu den in die Rechnung
eingestellten Leistungen abgibt. Vorliegend ging es aber gerade darum, dass durch den
beauftragten Sachverständigen die „Leistungen“ verantwortlich geprüft werden sollten.
Die Entscheidung des BGH vom 6. Dezember 2001 - VII ZR 241/00 - (BauR 2002, 613)
verhält sich zum Prüfvermerk des Architekten auf der Rechnung, der „in der Regel“ keine
rechtsgeschäftliche Erklärung des Architekten namens seines Auftraggebers Dritten
gegenüber darstellt. Auch diese Entscheidung ist deshalb nicht einschlägig. Das gilt
gleichermaßen für die von der Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Hamm, in der es
ebenfalls nur um die Prüfung einer Schlussrechnung durch einen Architekten geht. Auch
die Entscheidung des BGH vom 9. Oktober 1997 (MDR 1998, 25) in der festgestellt wird,
dass Äußerungen zu Bestand und Höhe eines Anspruchs, die im Rahmen von
Vergleichsverhandlungen abgegeben werden, den Erklärenden „in der Regel“ nicht
binden, ist nicht einschlägig. Den von der Beklagten zitierten Entscheidungen ist
gemeinsam, das der BGH Grundsätze aufstellt, die „in der Regel“ zu einem bestimmten
Ergebnis führen oder vielmehr gerade nicht führen. Dass es sich bei den Feststellungen
des Senats zu dem vorliegenden Sachverhalt nicht um Regeln handelt, die auf eine
Vielzahl gleichgelagerter Fälle anzuwenden sind, ergibt sich aus dem Hinweis vom 8.
November 2005 und aus den obigen Ausführungen. Auch die übrigen Entscheidungen,
welche die Beklagten zitiert, sind nicht einschlägig und beziehen sich im Übrigen nicht
auf Rechtsfragen, die für den vorliegenden Fall tatsächlich entscheidungserheblich
wären.
Da die vorliegende Entscheidung nicht auf einer Abweichung von der Rechtsprechung
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Da die vorliegende Entscheidung nicht auf einer Abweichung von der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs oder sonstiger obergerichtlicher Rechtsprechung beruht,
besteht auch aus diesem Grund keine Veranlassung, von dem Verfahren gemäß § 522
Abs. 2 ZPO abzusehen. Daran ändern auch die polemischen Schlussfolgerungen nichts,
die die Beklagte aus dem Hinweis des Senats ziehen will. Selbstverständlich ergibt sich
daraus weder, dass keine Zwischenverhandlungsergebnisse mehr niedergeschrieben
werden können oder dass Nachtragsforderungen nicht durch eigens dazu abgestellte
Techniker aufgearbeitet und vorverhandelt werden können noch dass jede
nichtbevollmächtigte Person bindende Verpflichtungen für einen Dritten eingehen
könnte. Da diese von der Beklagten gezogenen Schlussfolgerungen nicht zutreffen, kann
sich daraus nicht eine grundsätzliche Bedeutung dieses Rechtsstreits ergeben. Das gilt
auch für die weiteren Rechtsfragen, die nach Ansicht der Beklagten angeblich
klärungsbedürftig sein sollen, die aber tatsächlich aus den oben genannten Gründen
entweder nicht entscheidungserheblich sind oder die sich nur aus dem offenbar
gewollten Missverständnis des Hinweises des Senats durch die Beklagte ergeben.
Auch der Umstand, dass der Rechtsstreit „kompliziert und umstritten“ ist, ändert daran
nichts. Umstritten sind nur die aus den ganz speziellen tatsächlichen Umständen dieses
konkreten Einzelfalls zu ziehenden rechtlichen Folgerungen. Rechtsfragen, die über
diesen Einzelfall hinaus von grundlegender Bedeutung sind, liegen der getroffenen
Entscheidung nicht zugrunde.
Soweit die Beklagte meint, von grundsätzlicher Bedeutung und klärungsbedürftig sei die
Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO in einem solchen Fall, ist diese Frage jedenfalls nicht
durch eine mündliche Verhandlung zu klären. Im Übrigen wird insoweit auf die obigen
Ausführungen zu dieser Frage verwiesen.
Der im Schriftsatz vom 2. Dezember 2005 hilfsweise gestellte Antrag auf Gewährung
einer „ausreichenden Stellungnahmefrist“ von mindestens 6 Wochen ist nicht
nachvollziehbar. Der Senat wartet üblicherweise die Berufungserwiderung ab, bevor er
über das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheidet, um sicherzugehen, dass er den
in zweiter Instand unstreitigen Prozessstoff vollständig erfasst. Er legt seiner
Entscheidung aber kein neues entscheidungserhebliches Vorbringen zugrunde, das mit
der Berufungserwiderung vorgetragen worden ist. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz
vom 2. Dezember 2005 umfassend zu den entscheidungserheblichen Problemen
Stellung genommen. Es ist nicht ersichtlich - und wird auch von der Beklagten nicht
begründet - welchem Zweck eine weitere Stellungnahmefrist dienen sollte.
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