Urteil des KG Berlin vom 13.02.2007

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Gericht:
KG Berlin 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
(3) 1 Ss 170/07
(72/07)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 6 PflVG, § 10 Abs 1 S 1 VVG
Fahren ohne Versicherungsschutz: Erforderliche Feststellungen
des Tatrichters im Falle der Auflösung des
Versicherungsvertrags
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin
vom 13. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die
Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gestattung des Gebrauchs
eines nicht haftpflichtversicherten Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen oder Plätzen (§ 6
Abs. 1 und 2 PflVG) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.
Seine dagegen eingelegte Berufung hat das Landgericht verworfen. Die Revision des
Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts Erfolg.
Nach den Feststellungen befuhr eine unbekannt gebliebene Person am 24. Dezember
2005 mit einem Pkw, dessen Halter der Angeklagte war, die Fritz-Reuter-Allee in Berlin-
Britz. Das Landgericht sieht es als erwiesen an, dass der am 7. April 2005 von ihm
abgeschlossene Haftpflichtversicherungsvertrag zu diesem Zeitpunkt nicht mehr
bestand (UA S. 4). Dies ist indes durch ausreichende Tatsachenfeststellungen nicht
belegt.
Eine Strafbarkeit nach § 6 PflVG setzt voraus, dass ein Versicherungsvertrag entweder
nicht abgeschlossen oder durch Kündigung, Rücktritt, Anfechtung oder in anderer Weise
aufgelöst worden ist. In einem solchen Fall muss das Urteil die Tatsachen feststellen, aus
denen sich die Wirksamkeit der Vertragsauflösung ergibt (vgl. KG, Beschlüsse vom 26.
November 2001 - (3) 1 Ss 185/01 (106/01) - und 5. Juni 2000 - (3) 1 Ss 5/00 (31/00) -
m.N.). Im Urteil heißt es dazu, bis zum 1. Juli 2005 sei die Versicherungsprämie
entrichtet worden, danach sei keine Zahlung mehr erfolgt. Mahnschreiben unter der der
Versicherung bekannten Anschrift des Angeklagten "... B, Wallee .." , seien an sie als
unzustellbar zurückgekommen. Eine Anfrage beim Landeseinwohneramt habe als
Anschrift des Angeklagten ... B, Hstraße .. ergeben. Unter dieser Anschrift sei der
Angeklagte am 18. Oktober 2005 nach § 39 Abs. 1 VVG gemahnt und ihm zum 30.
November 2005 gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 VVG gekündigt worden. Die Mahnung und
das Kündigungsschreiben seien der Versicherung von der Post als unzustellbar
zurückgesandt worden. Aufgrund der Zugangsfiktion des § 10 VVG sei die Versicherung
von einer ordnungsgemäßen Kündigung ausgegangen und habe der Zulassungsstelle
am 9. Dezember 2005 mitgeteilt, dass das Fahrzeug des Angeklagten nicht mehr
haftpflichtversichert sei (UA S. 4).
Der Angeklagte hat sich unwiderlegt dahin eingelassen, keine Kündigung erhalten und
nicht gewusst zu haben, dass der Versicherungsvertrag gekündigt worden sei. Das
Landgericht hat zudem als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte der Versicherung
eine Änderung seiner Wohnung nicht mitgeteilt habe (UA S. 5).
Diese Tatsachen tragen die Verurteilung nicht. § 10 Abs. 1 Satz 1 VVG setzt zunächst
voraus, dass der Versicherungsnehmer seine Wohnung geändert hat. Hierzu trifft das
Landgericht keine ausreichenden Feststellungen. Es wird mitgeteilt, dass der Angeklagte
bei Vertragsabschluss die Anschrift ... B, Wallee .., angegeben habe (UA S. 4).
Ausweislich des Rubrums des angefochtenen Urteils wohnte er im Zeitpunkt der
Hauptverhandlung vor dem Landgericht ebenfalls dort. Dass zwischenzeitlich ein
Wohnungswechsel stattgefunden habe, ist den Urteilsgründen nicht mit ausreichender
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Wohnungswechsel stattgefunden habe, ist den Urteilsgründen nicht mit ausreichender
Sicherheit zu entnehmen, da Schreiben der Versicherung sowohl mit der Anschrift
Wallee als auch mit der vom Landeseinwohneramt mitgeteilten Anschrift als unzustellbar
an die Versicherung zurückkamen.
§ 10 Abs. 1 Satz 1 VVG verlangt zusätzlich die Absendung eines eingeschriebenen
Briefes (vgl. Prölss/Martin, VVG 27. Aufl., § 10 Rdn. 3 m.N.). Dazu verhalten sich die
Urteilsgründe nicht. Der Hinweis, die Versicherung sei von der Zugangsfiktion
ausgegangen (UA S. 4), kann die eigene Prüfung des Tatrichters insoweit nicht ersetzen.
Es versteht sich auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht von
selbst, dass die "gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 VVG" erfolgte Kündigung (UA S. 4) mittels
eingeschriebenen Briefs erfolgte, zumal die Versicherung nach den Feststellungen von
einer ordnungsgemäßen Kündigung trotz nicht eindeutiger Wohnverhältnisse des
Angeklagten ausging (UA S. 4).
Der Senat hebt nach alledem das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache nach §
354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten
der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.
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