Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 65/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 1 StVG, § 286 ZPO
Haftung bei Kfz-Unfall: Feststellung einer erheblichen
Wahrscheinlichkeit für einen manipulierten Unfall
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für einen
manipulierten Unfall (hier: Miet-Lkw fährt - mit Hilfe eines "Einweisers" rückwärts aus
Parktasche und in die rechte Seite des vorbeifahrendem Golf Cabrio; kein Nachweis der sach-
und fachgerechten Reparatur eines Vorschadens des Golf; Abrechnung auf Gutachtenbasis;
vorsätzliche Verhinderung der Besichtigung des Golf durch beklagten Versicherer vor
Veräußerung kurz nach dem Vorfall).
Aus dem Umstand, dass der Fahrer des Opferfahrzeugs bei einem seinem ganzen
Erscheinungsbild nach manipulierten Verkehrsunfall möglicherweise eine HWS-Distorsion
erlitten hat, ergibt sich nicht zwingend, dass der "Unfall" unfreiwillig war.
Auch der Unstand, dass der gerichtliche Sachverständige die vom Kläger behauptete
Unfallkonstellation als untypisch für gestellte Unfälle bezeichnet, spricht nicht zwingend gegen
einen manipulierten Unfall; denn es ist gerade das Wesen der Unfallmanipulation, dass die
Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Schadenseintritts offen bleiben soll.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 12. März 2004 verkündete Urteil der
Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24 O 82/01 - wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, das auf Grund einer
ungewöhnlichen Häufung von Beweisanzeichen eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für
eine Manipulation des Schadensereignisses vom 10. Oktober 2000 spricht.
a) Allerdings kann dem Landgericht nicht gefolgt werden, wenn es auf Seite 7 des
angefochtenen Urteils ausführt, auf der Grundlage des Gutachtens des
Sachverständigen für Unfallrekonstruktion sei ausgeschlossen, dass der Kläger die
geltend gemachte HWS-Distorsion erlitten habe, weil die beim dem Unfall erlittenen
Verletzungen unterhalb der in der Wissenschaft anerkannten Harmlosigkeitsgrenze
gelegen hätten. Die Frage einer so genannten Harmlosigkeitsgrenze ist in der
Rechtsprechung lediglich für den Fall eines so genannten typischen Auffahrunfalls
diskutiert worden. Auch für diese Fallkonstellation ist sie vom BGH verneint worden (BGH
NJW 2003, 1116).
Im vorliegenden Fall wird demgegenüber vom Kläger ein seitlicher Zusammenstoß
behauptet. Das Landgericht hätte daher nicht als erwiesen ansehen dürfen, dass der
Kläger Schmerzensgeld für tatsächlich nicht erlittene Verletzungen geltend macht und
hieraus auf ein unredliches Verhalten schließen dürfen, ohne zuvor das Gutachten des
medizinischen Sachverständigen eingeholt zu haben.
b) Die übrigen festgestellten Umstände reichen jedoch aus Sicht des Gerichts aus, um
den Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten zu
führen. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich bei dem
streitgegenständlichen VW Golf Cabrio um ein geeignetes „Objekt“ für einen gestellten
Unfall handelt, zumal das Fahrzeug unstreitig während der Zeit des Besitzes durch den
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Unfall handelt, zumal das Fahrzeug unstreitig während der Zeit des Besitzes durch den
Kläger einen Vorschaden erlitten hat (Sturmschaden 1999) ohne dass der Kläger dazu in
der Lage gewesen wäre, nachzuweisen, dass das Fahrzeug in einer Fachwerkstatt
ordnungsgemäß repariert worden wäre.
Ferner sprechen für einen gestellten Unfall, dass es sich bei dem Verursacherfahrzeug
um einen Miet-LKW handelt und der Kläger die behaupteten Schäden auf
Gutachtenbasis abrechnet ohne eine Reparatur durchgeführt zu haben. Soweit das
Landgericht in dem angefochtenen Urteil allerdings ausführt, für einen gestellten Unfall
sprächen auch, dass der Kläger mit der Geltendmachung der behaupteten Schäden
einen Rechtsanwalt beauftragt hat, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Für einen
manipulierten Unfall sprechen demgegenüber einzelne Umstände im Zusammenhang
mit dem vom Kläger behaupteten Hergang des Schadensereignisses. Da der Fahrer der
Miet-LKW's sich beim Ausparken der Hilfe eines Einweisers bedient hatte, wäre zu
erwarten gewesen, dass der Einweiser den Fahrer der LKWs durch entsprechende
Zeichen oder Rufe davon abgehalten hätte, rückwärts aus der Parklücke
herauszufahren, bis der Kläger mit dem VW Golf aus dem Gefahrenbereich heraus war.
Es kommt hinzu, dass der LKW-Fahrer nach seiner eigenen Darstellung in dem
Unfallbericht gegenüber dem Vermieter R. & W. den VW Golf vor der Kollision gesehen
hatte. Als widersprüchlich erscheint auch die Darstellung des LKW-Fahrers in dem
Unfallbericht, er habe den PKW gesehen, aber geglaubt, dieser wäre schon vorbei. Da
sich der VW Golf aus Sicht des LKW-Fahrers von hinten rechts näherte hätte der LKW-
Fahrer im linken Außenspiegel erkennen können, wenn der VW-Golf am Heck des LKWs
vorbei gefahren war. Warum er gleichwohl geglaubt hat, der PKW sei schon vorbei
gefahren, obwohl er diesen im linken Rückspiegel unzweifelhaft nicht hat vorbeifahren
sehen können, ist nicht erklärlich.
Schließlich muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Zusammenhang mit
der von der Beklagten verlangten Nachbesichtigung bewusst unwahre Angaben zum
Standort des Fahrzeugs gemacht hat um so eine Nachbesichtigung durch die Beklagte
zu verhindern. Ein solches unredliches Verhalten stellt ein erhebliches Indiz für ein
manipuliertes Schadenereignis dar. Nachdem die Beklagte bereits mit Schreiben vom
25. Oktober 2000 eine Nachbesichtigung verlangt hatte, hat der Kläger durch seinen
Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 10. November 2000 erklären lassen, das
Fahrzeug sei zwischenzeitlich bereits verkauft worden. Tatsächlich muss jedoch davon
ausgegangen werden, dass das Fahrzeug frühestens am 18. November 2000 verkauft
worden ist. Der Kläger selbst hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31.
Oktober 2001 einen auf den 18. November 2000 datierten Kaufvertrag vorgelegt.
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger hierzu behauptet, er habe den VW Golf
etwa 10 Tage nach dem Schadenereignis durch mündlichen Vertrag für 4.500,00 DM
verkauft und das Fahrzeug übergeben. Erst nachdem seine Versicherung einen
Kaufvertrag verlangt habe, habe er den Käufer gesucht, dessen Aufenthalt ihm damals
nicht bekannt gewesen sei. Er habe ihn dann im einen Lokal getroffen und sich mit ihm
für den nächsten Tag, den 18. November 2000 verabredet. An diesem Tag sei der zu
den Akten gereichte Kaufvertrag angefertigt worden. Mit diesem neuen Vortrag ist der
Kläger gemäß § 531 ZPO ausgeschlossen. Die Voraussetzungen, unter denen sein
neuer Vortrag ausnahmsweise zugelassen werden könnte, sind weder vorgetragen
worden, noch sonst ersichtlich. Nachdem die Beklagte bereits in erster Instanz mit
Schriftsatz vom 22. November 2001 auf diese Problematik hingewiesen hatte, hätte der
Kläger Anlass gehabt, seinen Vortrag entsprechend zu ergänzen. Im Übrigen erscheint
die Darstellung, die der Kläger im Termin vom 23. Mai 2005 zum Verkauf des VW Golf
abgegeben hat auch nicht als plausibel. Der Kläger konnte schon keine nachvollziehbare
Erklärung dafür abgeben, warum der schriftliche Kaufvertrag auf den 18. November 2000
datiert worden ist und nicht auf denjenigen Tag, an dem nach der Darstellung des
Klägers der mündliche Kaufvertrag geschlossen und das Fahrzeug übergeben wurde.
Dies hätte schon deshalb nahe gelegen, weil der Kläger anderenfalls damit rechnen
musste, für etwaige in der Zwischenzeit durch den VW Golf verursachte Schäden
weiterhin als Fahrzeughalter verantwortlich gemacht zu werden. Das Gericht geht davon
aus, dass der Kläger als Student der Zahnmedizin auf Grund seiner Bildung dazu in der
Lage war, diese Zusammenhänge zu erfassen. Es kommt hinzu, dass in dem vom
Kläger im Termin vom 31. Oktober 2001 überreichten Kaufvertrag auch das Datum der
Übergabe des Fahrzeugs - handschriftlich - mit dem 18. November 2000 (15.00 Uhr)
angegeben worden ist. Im Übrigen fällt auf, dass der Kläger den Käufer bei dem
behaupteten Treffen am 17. und 18. November 2000 nicht darauf hingewiesen hat, dass
die Beklagte eine Nachbesichtigung des Fahrzeugs wünschte. Auch hat er offenbar
keinen Anlass gesehen, den Käufer nach seiner damaligen Anschrift zu befragen, um
diese gegebenenfalls der Beklagten mitteilen zu können. Das Verhalten des Klägers
gegenüber der Beklagten im Zusammenhang mit deren Vorlage einer Nachbesichtigung
ergibt nur dann einen Sinn, wenn der Kläger Gründe hatte, eine Nachbesichtigung zu
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ergibt nur dann einen Sinn, wenn der Kläger Gründe hatte, eine Nachbesichtigung zu
verhindern.
Der Umstand, dass nach den Ausführungen der vom Landgericht beauftragten
Sachverständigen W. und S. die vom Kläger behauptete Unfallkonstellation als untypisch
für bewusst herbeigeführte Unfälle bezeichnet haben, spricht nicht notwendiger Weise
gegen die Annahme eines manipulierten Unfalles. Es ist gerade das Wesen der
Unfallmanipulation, dass die Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten
Schadeneintrittes offen bleiben soll (BGHZ 71, 339, 346).
2. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung
hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10,
713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.
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