Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: ärztliche behandlung, psychische krankheit, report, psychose, heilbehandlung, vollmacht, gefahr, anhörung, freiheit, zusammenarbeit

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 448/04, 1 W
449/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1896 Abs 2 S 2 BGB, § 1896
Abs 3 BGB
Betreuung: Erforderlichkeit der Bestellung eines Betreuers bei
Vorliegen einer Vorsorgevollmacht
Tenor
Die weitere Beschwerde sowie der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. W... werden zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die weitere Beschwerde, mit der sich die Betroffene gegen die Verlängerung der
Betreuung unter Erweiterung der Aufgabenkreise (dazu unten 1.a) sowie gegen die
Bestellung des Beteiligten zu 1 als neuem Betreuer (dazu unten 1 b) wendet, ist
zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung des
Landgerichts nicht auf der Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Betroffene leide an einer psychischen
Erkrankung, nämlich einer schizoaffektiven Psychose, differenzialdiagnostisch an einer
Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, welche mittlerweile aufgrund des
bisherigen jahrelangen Verlaufs zunehmend chronifiziert sei. Die Betroffene habe
Verbindlichkeiten in vierstelliger Höhe, mit deren Regulierung sie krankheitsbedingt
offensichtlich überfordert sei. Ohne ausreichende Kontrolle durch einen Betreuer sei sie
nicht in der Lage, mit ihren geringen finanziellen Mitteln so zu haushalten, dass die
Begleichung der laufenden Kosten wie Miete, Strom und Krankenversicherung
gewährleistet wären. Die Betroffene sei offensichtlich überfordert, ihr zustehende
ergänzende Beihilfen selbst zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Da sie
Sozialhilfe beziehe und gegen sie Zwangsvollstreckungs- und andere Zivilverfahren
betrieben worden seien, benötige sie auch die Hilfe eines Betreuers im Bereich der
Vertretung vor Behörden und Gerichten. Dies gelte auch im Hinblick auf die
Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung zur
Heilbehandlung aufgrund des nunmehr jahrelangen Verlaufs der Krankheit unter
Ablehnung jeglicher geeigneter medikamentöser Behandlung und des krankheitsbedingt
erheblichen Leidensdruckes bei der Betroffenen durch das Hören von Stimmen und
wiederkehrende Angstzustände. Vor allem benötige die Betroffene in diesen Bereichen
einen Betreuer angesichts des Verhaltens ihrer Bevollmächtigten. Diese schotteten die
Betroffene völlig nach außen hin ab, negierten vollständig die Existenz und
Behandlungsbedürftigkeit von psychischen Erkrankungen und propagierten auch das
Recht auf Selbsttötung und -verstümmelung.
Die von der Betroffenen erteilten Vorsorgevollmachten stünden der Betreuerbestellung
nicht entgegen, weil die Bevollmächtigten allein schon wegen ihrer Anschauung
hinsichtlich der Existenz bzw. Nichtexistenz von psychischen Krankheiten und der
Notwendigkeit zu deren Behandlung nicht die Gewähr dafür böten, zum Wohle und im
Interesse der Betroffenen tätig zu werden. Deshalb käme auch ihre Bestellung als
Betreuer nicht in Betracht.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Rechtsfehler, auf die
die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546
ZPO, enthält die angefochtene Entscheidung nicht.
a) Gemäß § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB bestellt das Vormundschaftsgericht für einen
Volljährigen einen Betreuer, wenn dieser auf Grund einer psychischen Krankheit oder
einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz
oder teilweise nicht besorgen kann. Ein Betreuer darf nur für die Angelegenheiten
bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, d.h. in denen der Betroffene auf
entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in
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entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in
Betracht kommen (BayObLG, FamRZ 2001, 1244 f.). Die Bestellung eines Betreuers von
Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen und ohne oder gegen seinen Willen,
setzt weiter voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung
seinen Willen nicht frei bestimmen kann (Senat, Beschluss vom 26. April 2005 - 1 W
414/04, KG-Report Berlin 2005, 709; BayObLG, FamRZ 2001, 1244f; 2001, 1245f.; jetzt: §
1896 Abs. 1a BGB).
Das Landgericht ist in tatsächlicher Hinsicht ohne Rechtsfehler und damit für den Senat
bindend, vgl. §§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG in Verbindung mit § 559 ZPO, vom weiteren
Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen mit der Folge, dass die bestehende
Betreuung über den Ablauf der ursprünglich mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts
vom 26. Mai 2000 festgesetzten Überprüfungsfrist, § 69 Abs. 1 Nr. 5 FGG, hinaus zu
verlängern und auf die weiteren Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der
Aufenthaltsbestimmung zur Heilbehandlung zu erweitern war.
aa) Verfahrensrechtlich ist die angegriffene Entscheidung fehlerfrei ergangen. Zutreffend
hat das Landgericht auch die für die Verlängerung der Betreuung geltenden Vorschriften
angewendet, obwohl die im Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 26. Mai 2000
festgesetzte Überprüfungsfrist im Zeitpunkt des Beschlusses des
Vormundschaftsgerichts vom 20. Januar 2003 über die Verlängerung der Betreuung
bereits abgelaufen war. Der Ablauf der Überprüfungsfrist führt nicht zur automatischen
Beendigung der Betreuung (BT-Drs. 11/6949, S. 80 re. Sp.), so dass die Betreuung auch
im Zeitpunkt des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts vom 20. Januar 2003 noch
bestand.
Für die Verlängerung wie auch die Erweiterung der Betreuung gelten die Vorschriften für
die erstmalige Entscheidung entsprechend, § 69i Abs. 1 und 6 FGG. Danach ist das
Gutachten eines Sachverständigen über die Notwendigkeit der Betreuung einzuholen, §
68b Abs. 1 S. 1 FGG, und der Betroffene persönlich anzuhören, § 68 FGG. Hier hat das
Vormundschaftsgericht Gutachten der Sachverständigen Dr. B... und Dr. D... eingeholt
und die Betroffene am 28. Juni 2002 und am 31. Januar 2003 persönlich angehört. Das
Landgericht hat die Betroffene am 25. April 2004 persönlich angehört.
Von der erneuten Einholung eines Gutachtens hat das Landgericht abgesehen. Das ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 69g Abs. 5 S. 4 FGG kann das
Beschwerdegericht seine Entscheidung auf im ersten Rechtszug eingeholte Gutachten,
hier insbesondere auf das Gutachten des Dr. D... stützen. Das Landgericht musste
keinen weiteren Sachverständigen bestellen auch wenn das Gutachten des Dr. D... im
Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts bereits 20 Monate alt war. Zwar darf das
Beschwerdegericht seiner Entscheidung nur ein zeitnah erstelltes Gutachten zu Grunde
legen (OLG Köln, OLG-Report 2000, 154; Mertens, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl.,
§ 69g FGG, Rdn. 16; Sonnenfeld, in: Jansen, FGG, 3. Aufl., § 69g, Rdn. 59). Ob eine
Begutachtung noch als zeitnah anzusehen ist, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls und
hängt maßgeblich von der Art der Erkrankung des Betroffenen ab. Hat sich sein
Krankheitsbild seit längerem nicht entscheidend verbessert, kann das Landgericht auch
auf ältere, nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der
Beschwerdeentscheidung stehende Gutachten zurückgreifen (BayObLG, FamRZ 2001,
1558). Insofern gilt der in § 69g Abs. 5 S. 3 FGG enthaltene Grundsatz, dass das
Beschwerdegericht von solchen Verfahrenshandlungen absehen kann, wenn diese
bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden und von einer erneuten Vornahme
keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. So ist es hier. Die Ärztin W.. vom
Sozialpsychiatrischen Dienst hatte bereits im Rahmen ihrer Anregung auf Bestellung
eines Betreuers vom 13. Januar 2000 darauf hingewiesen, dass die Betroffene schon seit
Juni 1998 bekannt sei und an einer schizo-affektiven Psychose leide. Die beiden im Jahr
2002 vom Vormundschaftsgericht bestellten Sachverständigen haben dies bestätigt und
übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass eine Verlängerung auf die damals
maximal mögliche Dauer von fünf Jahren wegen des lang andauernden und inzwischen
chronifizierten Krankheitsverlaufs erforderlich sei.
bb) Auch materiell-rechtlich bestehen gegen die angegriffene Entscheidung keine
Bedenken.
(1) Die fortdauernde Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen hat das Landgericht
fehlerfrei aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D... hergeleitet. Die
Tatsachenfeststellung, wozu auch die Würdigung der Gutachten eines Sachverständigen
zählt (BayObLG, FamRZ 1999, 817), ist Sache des Tatrichters und vom Senat als
Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler zu überprüfen, das heißt dahin, ob
der Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung aufgeklärt worden ist und
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der Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung aufgeklärt worden ist und
der Tatrichter bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Gesichtspunkte
berücksichtigt und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder
feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (Senat, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 W
91/05 -, OLG-Report 2005, 621, 623). Bei der Würdigung des Gutachtens eines
Sachverständigen hat das Rechtsbeschwerdegericht zusätzlich zu prüfen, ob der
Tatrichter das Ergebnis des Gutachtens kritiklos hingenommen hat oder ob er unter
Nachvollziehung der Gedankengänge des Sachverständigen dessen tatsächliche
Feststellungen wie auch die von ihm gezogenen Schlüsse auf ihre Tragfähigkeit geprüft
und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat (BayObLG, FamRZ 1999, 817). Diesen
Anforderungen genügen die Feststellungen des Landgerichts.
Das Gutachten entspricht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. hierzu Senat, Beschluss
vom 20. Dezember 1994 - 1 W 6687/94, FamRZ 1995, 1382). Der Sachverständige hat
den Betroffenen vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu
befragen, § 68b Abs. 1 S. 4 FGG. Dies ist vorliegend geschehen. Der Sachverständige
hat angegeben, die Betroffene am 18. Oktober 2002 in deren Wohnung untersucht zu
haben.
Kommt nach Auffassung des Sachverständigen die Bestellung eines Betreuers in
Betracht, so hat sich das Gutachten auch auf den Umfang des Aufgabenkreises und die
voraussichtliche Dauer der Betreuungsbedürftigkeit zu erstrecken, § 68b Abs. 1 S. 5
FGG. Der Sachverständige hat die Aufrechterhaltung der bestehenden Aufgabenkreise,
sowie die Erweiterung auf die Gesundheitssorge und die Aufenthaltsbestimmung zur
nervenärztlichen Heilbehandlung sowie eine Verlängerung um weitere fünf Jahre
vorgeschlagen.
Die Feststellung des Landgerichts, die Betroffene leide weiterhin an einer psychischen
Erkrankung, nämlich einer schizo-affektiven Psychose, differenzialdiagnostisch an einer
Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, welche mittlerweile zunehmend
chronifiziert sei, lässt sich ohne weiteres mit den Ausführungen des Sachverständigen
Dr. D... in Übereinstimmung bringen. Entsprechende Diagnosen sind auch dem
Gutachten des Sachverständigen Dr. B... sowie der ärztlichen Stellungnahme der Ärztin
W.. des Sozialpsychologischen Dienstes des Bezirksamts W... von B... zu entnehmen. Es
ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht daraus sowie aus dem Bild, das sich die
Kammer im Rahmen der Anhörung vom 25. April 2004 von der Betroffenen gemacht
hat, eine weiterhin bestehende Betreuungsbedürftigkeit und die Erforderlichkeit einer
Betreuung für die in den angefochtenen Beschlüssen bezeichneten Aufgabenkreise
gefolgert hat.
(2) Die von der Betroffenen den Beteiligten zu 3 und 4 erteilte Vorsorgevollmacht
machte die Bestellung eines Betreuers auch nicht entbehrlich.
Das ergibt sich, soweit es um die Verlängerung der bestehenden Betreuung mit dem
ursprünglichen Aufgabenkreis der Vermögenssorge geht, ohne weiteres bereits aus dem
Umfang der Vollmacht. Die Vermögenssorge wird hiervon nicht erfasst, weil die
Betroffene den entsprechenden Passus des von ihr ansonsten ausgefüllten Vordrucks
durchgestrichen hat.
Aber auch im Übrigen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das
Landgericht davon ausgegangen ist, die Angelegenheiten der Betroffenen könnten durch
die Beteiligten zu 3 und 4 nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden,
vgl. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB. Das wäre nur dann anzunehmen, wenn die Beteiligten zu 3
und 4 zur Wahrung der Interessen der Betroffenen tauglich erschienen (OLG
Zweibrücken, OLG-Report 2006, 729). Die Bestellung eines Betreuers trotz bestehender
Vollmacht ist möglich, wenn die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch
den Bevollmächtigten dem Wohl des Betroffenen klar zuwiderläuft, so dass eine konkrete
Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet wird (OLG Brandenburg, NJW 2005,
1587). So ist es hier.
Da die Betroffene Sozialhilfe bezieht, für ihre Verhältnisse nicht unerhebliche Schulden
hat und gegen sie gerichtliche Verfahren anhängig waren, setzt die nachhaltige
Vertretung im Bereich der Vermögenssorge auch die Befugnis des Betreuers voraus, die
Betroffene gegenüber Behörden und Gerichten zu vertreten. Von der Übertragung
dieser Aufgabenkreise hätte allenfalls dann Abstand genommen werden können, wenn
zu erwarten gewesen wäre, dass die Beteiligten zu 3 und 4 bereitwillig mit dem
Beteiligten zu 1 zusammengearbeitet hätten. Hierfür bieten die Beteiligten zu 3 und 4
nach den Feststellungen des Landgerichts aber keine genügende Gewähr. Sie lehnen
vielmehr jegliche Form der Betreuung ab und haben wiederholt versucht, Betreuern die
Tätigkeit möglichst schwer wenn nicht gar unmöglich zu machen. Das Landgericht hat
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Tätigkeit möglichst schwer wenn nicht gar unmöglich zu machen. Das Landgericht hat
insoweit ausgeführt, die Beteiligten zu 3 und 4 drohten massiv mit Strafanzeigen,
verhängten Kontakt- und Hausverbote und unterstellten pflichtwidriges Verhalten. Soweit
die Betroffene dies relativiert und die Auffassung vertritt, das Landgericht habe insoweit
den zugrunde liegenden Sachverhalt unter Verstoß gegen § 12 FGG nicht genügend
aufgeklärt, kann dem der Senat nicht folgen. Ein entsprechendes Verhalten haben die
Beteiligten zu 3 und 4 im hiesigen Verfahren an den Tag gelegt, wie sich den Akten
entnehmen lässt. Sie haben dem Beteiligten zu 1 zunächst grundlos vorgeworfen, Geld
der Betroffenen unterschlagen zu haben, um dessen Stellungnahme gegenüber dem
Vormundschaftsgericht dann zum Anlass zu nehmen, ihn u.a. wegen „Verleumdung“ bei
der Amtsanwaltschaft anzuzeigen. Dies entspricht dem von dem Landgericht in Bezug
genommenen und bei den Akten befindlichen „Leitfaden“ der Beteiligten zu 3 und 4, in
dem es heißt man sammele „Methoden, wie man einem Betreuer das Leben so
unerträglich machen kann, dass er froh ist, endlich das Handtuch schmeißen zu
können.“ Das Landgericht hat weiterhin mehrere andere Betreuungsverfahren
beigezogen und festgestellt, dass sich die Beteiligten zu 3 und 4 auch dort in gleicher
Weise verhalten hatten. Das steht in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen des
Senats im Verfahren 1 W 298/04, in dem es ebenfalls um die Tauglichkeit der hiesigen
Beteiligten zu 3 und 4 ging. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass
das Landgericht keine weiteren Ermittlungen veranstaltet hat, zumal die Beteiligten zu 3
und 4 im Rahmen der Anhörung vor der Kammer Gelegenheit hatten, ihre Standpunkte
deutlich zu machen.
Danach stand die Vorsorgevollmacht der Bestellung eines Betreuers auch nicht
entgegen, soweit dem Betreuer die Aufgabenkreise „Gesundheitssorge“ und
„Aufenthaltsbestimmung zur Heilbehandlung“ übertragen worden sind. Hinzu kommt,
dass der Senat in Bezug auf die Beteiligten zu 3 und 4 in dem bereits erwähnten
weiteren Betreuungsverfahren entschieden hat, dass eine Vollmacht der Bestellung
eines Betreuers nicht entgegen steht, wenn ein Bevollmächtigter den mit der Anordnung
der Betreuung eventuell verbundenen Zwang gegen den - kranken - Betroffenen
prinzipiell ablehnt, daher den Willen des Betroffenen unabhängig von seiner konkreten
Hilfsbedürftigkeit in jedem Fall über die am Wohl des Betroffenen ausgerichteten
Maßnahmen stellt und deswegen dann jegliche Zusammenarbeit mit Ärzten,
Pflegepersonal, Behörden und Sachverständigen sabotiert (Senat, Beschluss vom 14.
März 2006 - 1 W 298, 340/04, 134/05; OLG-Report 2006, 611 = FGPrax 2006, 182). Der
Senat hält nach nochmaliger Überprüfung an dieser Auffassung fest.
Dabei geht es nicht darum, das Wohl des Betroffenen in jedem Fall über seinen Willen zu
stellen. Dass dies unzulässig ist, hat der Gesetzgeber des Zweiten
Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 21. April 2005 (BGBl. I S. 1073) durch
Einfügung des § 1896 Abs. 1a BGB ausdrücklich klargestellt; gegen den freien Willen des
Volljährigen darf danach ein Betreuer nicht bestellt werden. Das entspricht der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, worauf die Betroffene Bezug nimmt
(BVerfGE 58, 208, 225). Das Bundesverfassungsgericht hat aber sehr wohl
unterschieden zwischen Fällen, in denen ein Gesunder staatlich angebotene Hilfe
zurückweist, und solchen, in denen der Grund für die Zurückweisung in dem
krankheitsbedingten Mangel der Fähigkeit zur Selbstbestimmung liegt. In letzterem Fall
ist dem Staat fürsorgerisches Eingreifen auch dort erlaubt, wo beim Gesunden Halt
geboten ist (BVerfG, a.a.O.). Dem entspricht die Regelung des § 1901 Abs. 3 S. 1 BGB,
wonach der Betreuer den Wünschen des Betroffenen zu entsprechen hat, soweit dies
dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist. Insoweit kommt es
nicht auf die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen an (Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., §
1901, Rdn. 11), so dass der Betreuer unter Umständen aus seiner Sicht unvernünftigen
Wünschen des Betroffenen zu entsprechen hat, wenn das Wohl des Betroffenen dadurch
nicht beeinträchtigt wird.
Im Gegensatz hierzu negieren die Beteiligten zu 3 und 4 gänzlich, dass psychische
Erkrankungen eine Behandlung auch gegen den geäußerten Willen des Kranken
erforderlich machen können. Sie beabsichtigen, jedem Wunsch der Betroffenen zu
entsprechen und übergehen den Umstand, dass die Betroffene krankheitsbedingt nicht
einsichtsfähig ist und deshalb eine ärztliche Behandlung ablehnt, beides auch auf die
Gefahr hin, dass sich ihre psychische Krankheit weiter verstärkt. Der Gesetzgeber hat
aber die Betreuung vorgesehen, um notfalls auch gegen den Willen des nicht
einsichtsfähigen Kranken Maßnahmen zu seinem Schutz vornehmen zu können, vgl. §
1906 Abs. 1 BGB. Für ihre Auffassung können sich die Beteiligten zu 3 und 4 nicht auf
eine „Freiheit zur Krankheit“ der Betroffenen berufen. Eine solche „Freiheit zur
Krankheit“ steht zwar als Teil ihrer Menschenwürde auch psychisch Kranken zu (BVerfGE
58, 208, 226), so dass sie grundsätzlich auch von einem Betreuer zu respektieren ist.
Sie besteht jedoch nicht schrankenlos. Ob dem Wunsch eines nicht einsichtsfähigen
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Sie besteht jedoch nicht schrankenlos. Ob dem Wunsch eines nicht einsichtsfähigen
Betroffenen, der das Durchleben seiner Krankheit einer aus seiner Sicht unzumutbaren
Behandlung vorzieht, zu folgen ist, muss im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung
beantwortet werden (BGH, NJW 2006, 1277 zur zivilrechtlichen Unterbringung nach §
1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Im Gegensatz zur Auffassung der Beteiligten zu 3 und 4 ist es
also nicht so, dass dem geäußerten Willen der Betroffenen ohne jede weitere Prüfung
immer zu folgen sein wird. Eben dies beabsichtigen die Beteiligten zu 3 und 4 aber und
verkennen dabei, dass eine ärztliche Behandlung der psychischen Krankheit der
Betroffenen angezeigt ist. Letzteres steht nach den rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen des Landgerichts, die insbesondere durch das Gutachten des
Sachverständigen Dr. D... bestätigt werden, fest. Die Wahrnehmung der vermeintlichen
Interessen der Betroffenen durch die Beteiligten zu 3 und 4 läuft danach dem Wohl der
Betroffenen klar zuwider. Ohne die Bestellung eines Betreuers bestünde eine konkrete
Gefahr für ihr Wohl.
Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Betroffene einen
Überwachungsbevollmächtigten bestellt hat. Der Überwachungsbevollmächtigte hat
sowohl gegenüber dem Vormundschaftsrichter wie auch dem Berichterstatter der
Kammer des Landgerichts mitgeteilt, von einer Bevollmächtigung durch die Betroffene
nichts zu wissen. Daraus folgt, dass eine Überwachung der Beteiligten zu 3 und 4
überhaupt nicht erfolgt und ersichtlich auch gar nicht erfolgen soll, nachdem der zur
Überwachung der Beteiligten zu 3 und 4 bestellte Rechtsanwalt nach Süddeutschland
verzogen ist.
Die Bestellung des Betreuers war auch nicht etwa auf die Geltendmachung von Rechten
der Betroffenen gegenüber den Beteiligten zu 3 und 4 zu beschränken, vgl. § 1896 Abs.
3 BGB. Die Beteiligten zu 3 und 4 haben durch ihr Verhalten deutlich gemacht, dass eine
Zusammenarbeit mit einem Betreuer, gleich welcher Aufgabenkreis diesem übertragen
wird, in keinem Fall erfolgt, oder zumindest zu erwarten ist, dass eine Überwachung der
Beteiligten zu 3 und 4 durch einen Betreuer mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden
wäre. Die Bestellung eines Vollmachtsüberwachungsbetreuers war deshalb nicht
ausreichend, um die Betroffene ausreichend zu schützen (vgl. OLG Zweibrücken, OLG-
Report 2006, 729; BayObLG, FamRZ 2003, 1219; BtPrax 2001, 163; Schwab, in:
Münchener-Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 1896, Rdn. 237).
b) Zutreffend hat das Landgericht auch die Auswahl des Beteiligten zu 1 als Betreuer der
Betroffenen durch das Vormundschaftsgericht bestätigt.
Wird der Betreuer entlassen, so ist ein neuer Betreuer zu bestellen, § 1908c BGB. Hier
hat das Vormundschaftsgericht die vormalige Betreuerin entlassen. Vor der Bestellung
des neuen Betreuers ist der Betroffene persönlich anzuhören, § 69i Abs. 8 FGG. Die
Betroffene wurde sowohl von dem Vormundschaftsgericht als auch dem Landgericht,
vgl. § 69g Abs. 5 S. 1 FGG, persönlich auch zum Betreuerwechsel angehört.
Bei der Auswahl des neuen Betreuers gelten die gleichen Regelungen wie bei der
Erstbestellung eines Betreuers (Mertens, in: Jürgens, a.a.O., § 1908c, Rdn. 1). Es ist aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem von der Betroffenen
geäußerten Wunsch, die Beteiligten zu 3 und 4 zu Betreuern zu bestellen, nicht gefolgt
ist. Dies würde nach den obigen Ausführungen ihrem Wohl zuwiderlaufen, vgl. § 1897
Abs. 4 S. 1 BGB. Daran ändert auch nichts, dass die Beteiligten zu 3 und 4 im Fall ihrer
Bestellung als Betreuer unter der unmittelbaren Aufsicht des Vormundschaftsgerichts
stünden, §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1837 Abs. 1 bis 3 BGB. Sie bieten von ihrer
grundsätzlichen Einstellung gegenüber Betreuungen nicht die Gewähr, in dem gerichtlich
bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten der Betroffenen zu deren Wohl rechtlich
zu besorgen und sie in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen, so
dass sie als Betreuer insgesamt ungeeignet sind, § 1897 Abs. 1 BGB.
Da nicht ersichtlich ist, dass andere zur ehrenamtlichen Betreuung bereite Personen zur
Verfügung standen, konnte der Beteiligte zu 1 als Berufsbetreuer für die Betroffene
bestellt werden, § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 131 Abs. 3 KostO.
B.
Der Antrag der Betroffenen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
ihres Verfahrensbevollmächtigten war zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen von §
14 FGG in Verbindung mit § 114 S. 1 ZPO nicht vorlagen. Danach erhält ein Beteiligter,
der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der
Verfahrensführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen
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Verfahrensführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen
Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, § 114 S. 1 ZPO.
Prozesskostenhilfe war zu versagen, weil die Rechtsverfolgung durch die Betroffene aus
den Gründen, die zur Zurückweisung ihrer weiteren Beschwerde führten, keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte. Damit ist keine unzulässige Betrachtung der
Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung im Nachhinein verbunden. Zwar soll die Prüfung
der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das
Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des
Hauptsacheverfahrens treten zu lassen, so dass bei der Beurteilung des Anspruchs auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht auf die in der Hauptsache gewonnenen
Erkenntnisse zurückgegriffen werden darf (BVerfG, NJW 2005, 3489, 3490). Die
Entscheidung in der Hauptsache beruht hier jedoch nicht auf neuen Erkenntnissen des
Senats, sondern auf dem bei Erlass der angefochtenen Entscheidung gegebenen
Sachverhalt, §§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 559 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Besonderheiten des betreuungsrechtlichen
Verfahrens. Ob in Betreuungsverfahren die Voraussetzungen des § 114 S. 1 ZPO immer
schon dann bejaht werden können, wenn schwerwiegende Eingriffe in die Rechte und die
Lebensstellung des Betroffenen im Raume stehen (vgl. LG Karlsruhe, FamRZ 1999,
1091f.; Zimmermann, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 14, Rdn. 9a), kann
dahinstehen. Die Verlängerung der Betreuung mit den von dem Vormundschaftsgericht
bestimmten Aufgabenkreisen und die Auswahl des neuen Betreuers sind vorliegend
keine so schwerwiegenden Eingriffe, dass Prozesskostenhilfe zur Gewährung des
Rechtsschutzes schon ohne abschließende Würdigung der Erfolgsaussichten zu
gewähren gewesen wäre.
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