Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: treu und glauben, persönliches interesse, eigentümer, vertretung, verwalter, versammlung, entlastung, verwaltung, vertreter, vollmachten

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Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 W 360/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 25 Abs 2 WoEigG
Wohnungseigentum: Bevollmächtigung eines Dritten zur
Stimmabgabe bei Vertretungsbeschränkung
Leitsatz
Eigentümerbeschlüsse unterliegen nicht deshalb der Aufhebung wegen formeller Mängel der
Beschlussfassung, weil der Verwalter mit der Einladung Stimmrechtsvollmachten verschickt
hat, ohne darauf hinzuweisen, dass nach der Teilungserklärung nur ein bestimmter
Personenkreis bevollmächtigt werden darf, und ein Wohnungseigentümer in Unkenntnis der
Teilungserklärung einen Dritten bevollmächtigt, der dann vom Verwalter von der
Stimmabgabe ausgeschlossen wird.
Tenor
Unter teilweiser Änderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Berlin wird
die Erstbeschwerde der Beteiligten zu I. gegen den Beschluss des Amtsgerichts
Spandau vom 5. April 2002 - 70 II 154/01 WEG - hinsichtlich des Beschlusses der
Eigentümerversammlung vom 22. November 2001 zum Tagesordnungspunkt 1.3.
(Entlastung der Beteiligten zu I.) zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten aller Instanzen haben die Antragsteller als Gesamtschuldner 5/6
und die Beteiligte zu I. 1/6 zu tragen. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird für
die dritte Instanz nicht angeordnet.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu II. und III. bilden die Eigentümergemeinschaft der
Wohnungseigentumsanlage F. S. . in 1. B. -S. .
Die Antragsteller erstreben die Ungültigerklärung der auf der Eigentümerversammlung
vom 22.11.2001 zu den Tagesordnungspunkten 1.1., 1.2., 1.3., 2, 3 und 5 gefassten
Beschlüsse hinsichtlich der Jahresabrechnung 2000, der Entlastung der Beteiligten zu I.
für das Jahr 2000, der Neubestellung der Beteiligten zu I. als Verwalterin für fünf Jahre,
einer Sonderumlage und des Wirtschaftsplans 2002.
Als Anlage zu ihrem Einladungsschreiben vom 7.11.2001 zu der Zweitversammlung
hatte die Beteiligte zu I. ein Formular versandt, mit der jeder Wohnungseigentümer eine
Vollmacht zum Zwecke der Vertretung in der Eigentümerversammlung ausstellen
konnte. Das Formular enthielt keinen Hinweis darauf, dass nach Teil II § 9 II. Nr. 4. S. 1
der Gemeinschaftsordnung sich ein Eigentümer nur durch den Verwalter, seinen
Ehegatten oder einen anderen Eigentümer vertreten lassen kann. Zu der
Eigentümerversammlung vom 22.11.2001 erschien u.a. Herr W. H. mit Vollmachten der
Beteiligten zu II. Die Beteiligte zu I. ließ Herrn H. nicht als Vertreter zu. Vertreten waren
lediglich die Beteiligten zu III., die der Beschwerdeführerin Vollmachten erteilt hatten.
Durch Beschluss vom 5.4.2002 - 70 II 154/01 - hat das Amtsgericht die angefochtenen
Beschlüsse für ungültig erklärt. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 9.7.2002 - 85
T 176/02 WEG - auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu I. den Beschluss des
Amtsgerichts abgeändert und den Antrag auf Ungültigerklärung der Beschlüsse der
Versammlung vom 22.11.2001 zu TOP 1.1., 1.2., 1.3., 2, 3 und 5 zurückgewiesen.
Die Antragsteller rügen mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde:
Der Ausschluss von Herrn H. habe gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen.
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Der Ausschluss von Herrn H. habe gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen.
Die Beteiligte zu I. sei nicht schutzwürdig, weil sie gewusst habe, dass u.a. ihre erneute
Bestellung dem Willen der Mehrheit widersprochen habe. Der Zweck der Klausel,
fremden Einfluss aus der Eigentümerversammlung fernzuhalten, sei nicht einschlägig.
Zudem sei die Klausel antiquiert. Weder in der Einladung noch in den
Vollmachtsformularen habe die Beteiligte zu I. auf den beschränkten Vertreterkreis
hingewiesen. Unter diesen Umständen sei es ihnen nach Treu und Glauben unzumutbar,
an der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Vertretungsregelung festgehalten zu
werden.
Die Antragsteller beantragen,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses gemäß Ziffer 1 des erstinstanzlichen
Tenors, mithin auf Ungültigkeit der angefochtenen Beschlüsse der
Eigentümerversammlung vom 22.11.2001 zu erkennen.
Die Beteiligte zu I. beantragt,
die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu I. erwidert:
Die Antragsteller hätten sie wie in den vorangegangenen Eigentümerversammlungen
oder einen anderen Eigentümer mit einer weisungsgebundenen Vollmacht ausstatten
können. Insbesondere der Antragstellerin zu II. 1. und dem erfahrenen Herrn H. sei es
zuzumuten gewesen zu überprüfen, ob dieser nach der Teilungserklärung
vertretungsberechtigt war.
II. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist weitgehend unbegründet. Einen
Rechtsfehler gemäß § 27 Abs. 1 FGG weist der angefochtene Beschluss nur hinsichtlich
der Verwalterentlastung zu TOP 1.3. auf.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, dass die Beschlüsse in der
Eigentümerversammlung vom 22.11.2001 zu TOP 1.1., 1.2., 2, 3 und 5 in formeller und
materieller Hinsicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.
Insbesondere waren, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, die von dem
erschienenen Herrn H. vertretenen Stimmrechte der Antragsteller nicht zu
berücksichtigen, weil sich nach Teil II § 9 II. Nr. 4 S. 1 der Gemeinschaftsordnung
Eigentümer in einer Eigentümerversammlung nur durch den Verwalter, einen Ehegatten
oder andere Eigentümer vertreten lassen dürfen und Herr H. zu diesem Personenkreis
nicht gehört.
Rechtlich einwandfrei geht das Landgericht davon aus, dass eine solche Beschränkung
der Vertretung über eine Gemeinschaftsordnung zulässig ist; sie wird von der Erwägung
getragen, die auch auf den vorliegenden Fall der Vertretung durch einen
außenstehenden Dritten zutrifft, gemeinschaftsfremde Einflüsse von der Versammlung
fernzuhalten (vgl. Bärmann/Pick/Merle, 9. Aufl., WEG, § 25 Rdnr. 59).
Das Landgericht verneint mit Recht eine Treuwidrigkeit des Ausschlusses der
Antragsteller von der Abstimmung. Die Beteiligte zu I. war nicht nach Treu und Glauben
gehalten, auf der geregelten Vertretungsbeschränkung nicht zu bestehen (BGH NJW
1993, 1329, 1330). Es lagen keine besonderen Umstände für die Annahme eines
solchen Ausnahmefalls vor.
Auch wenn das Vollmachtsformular, das die Beteiligte zu I. mit der Einladung zu der
Versammlung am 22.11.2001 verschickt hat, keinen Hinweis enthielt, wer
vertretungsberechtigt war, durften die Antragsteller nicht darauf vertrauen, auch Herrn
H. als Dritten bevollmächtigten zu dürfen. Anders als in dem Fall, der dem
Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung vorlag (NJW-RR 1997, 846, zitiert nach juris),
hatte die Beteiligte zu I. nicht bereits zuvor die Vertretung durch Herrn H.
hingenommen, vielmehr hatten die Antragsteller bisher ihr die Vollmacht erteilt. Wie das
Landgericht zu Recht angeführt hat, war es den Antragstellern zuzumuten, selbst
anhand der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung zu überprüfen, welche
Voraussetzungen ein von ihnen entsandter Vertreter erfüllen musste.
Hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit hat das Landgericht ohne Rechtsfehler
angenommen, dass die Antragsteller keine Umstände vorgetragen haben, aus denen
sich ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung ergeben könnte.
Insoweit greifen die Antragsteller mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde den
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Insoweit greifen die Antragsteller mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde den
angefochtenen Beschluss auch nicht an.
2. Nur hinsichtlich der unter TOP 1.3. beschlossenen Verwalterentlastung hat das
Landgericht zu Unrecht eine formelle Rechtmäßigkeit bejaht. Es hat dabei nicht
beachtet, dass die Beteiligte zu I. als Verwalterin nicht wirksam in Vertretung für die
stimmberechtigten Antragsgegner über ihre eigene Entlastung abstimmen konnte, weil
ihr persönliches Interesse das mitgliedschaftliche der Beteiligten zu III. überwog (vgl. OLG
Karlsruhe ZMR 2003, 289; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 28 Rdnr. 124).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Die Antragsteller und die Beteiligte zu I.
haben entsprechend ihrem Obsiegen und Unterliegen die Gerichtskosten aller Instanzen
zu tragen. Es bestand keine Veranlassung, ausnahmsweise die Erstattung
außergerichtlicher Kosten dritter Instanz anzuordnen.
Der Geschäftswert war gemäß § 48 Abs. 3 WEG auf 3.000,00 Euro festzusetzen.
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