Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: treu und glauben, ausschluss, einheitspreis, vergütung, gefahr, niederlassung, ausführung, vergleich, unternehmen, vergabeverfahren

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Gericht:
KG Berlin
Vergabesenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Verg 16/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 21 Nr 1 Abs 1 S 3 VOB A, § 25
Nr 1 Abs 1 Buchst b VOB A, §
124 Abs 2 S 1 GWB
Divergenzvorlage eines Vergabenachprüfungsverfahrens zum
Bundesgerichtshof: Ausschluss eines Bieterangebots für den
Autobahnbau wegen des Ansatzes von Einheitspreisen von 0,01
EURO für einzelne Leistungspositionen; Berücksichtigungspflicht
für das wirtschaftliche Angebot; Berücksichtigungspflicht für ein
Bieterangebot mit alternativen Zuliefererprodukten und
Statthaftigkeit von Nachverhandlungen zur Festlegung
"gleichwertiger" Alternativprodukte
Tenor
Das Nachprüfungsverfahren wird gemäß § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB dem
Bundesgerichtshof vorgelegt.
Gründe
A.
Der Antragsgegner betreibt im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung den Bau des
Autobahnzubringers Dresden BAB A 113 (neu). Zum 23. Bauabschnitt gehören u. a. die
Lose 4 – Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung des Tunnels "Rudower Höhe" (BW TRH50 )
und 4 A und B – Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung der Stützbauwerke im Einschnitt
"Rudower Höhe" (BW TRH60 ) sowie Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung der
Fußgängerbrücke Gerosteig ( TRH20 ).
In der Ausschreibung betreffend das Los 4 hat die "Bietergemeinschaft Rudower Tunnel",
der die hiesige Antragstellerin und ein weiteres Unternehmen angehören, das günstigste
Angebot abgegeben. Jene Ausschreibung ist Gegenstand des parallel beim Senat
anhängigen Nachprüfungsverfahrens 2 VERG 17/03. Das vorliegende
Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf Los 4 A und B. Die Antragstellerin hat unter
Berücksichtigung eines wertungsfähigen Preisnachlasses das günstigste Hauptangebot
mit einem Nettopreis von 3.330.863,54 € abgegeben. Der Antragsgegner hat das
Angebot ausgeschlossen und will den Zuschlag auf ein Angebot mit einem Preis von
3.999.452,52 € erteilen.
In der Sache geht es bei dem Ausschluss des Angebots der Antragstellerin – wie beim
Ausschuss des Angebots der Bietergemeinschaft "Rudower Tunnel" im Parallelverfahren
– in erster Linie darum, dass die Antragstellerin bei mehreren Positionen des
Leistungsverzeichnisses Einheitspreise eingesetzt hat, die von den durchschnittlichen
Einzelpreisen aller Bieter akzentuiert entweder nach oben oder nach unten abweichen.
Die Position 1.10.10, Baustelleneinrichtung, etwa bietet die Antragstellerin zu einem
preis von rund 60.000 € an. Dieser Preis ist der zweitgünstigste aller Bieter. Von den 7 in
den Preisspiegel (Vergabeakten grüner Stehordner Bl. 40) aufgenommenen Bewerbern
bietet die Antragstellerin diese Position mit dem niedrigsten preis an; die Preise der
übrigen sechs Bieter aus diesem Kreis liegen zwischen dem knapp 4fachen bis zum
10fachen dieses Preises. Wie sich aus dem Aufklärungsgespräch ergeben hat, sind in
dem in der Position 1.10.10 angeführten Preis der Antragstellerin nur Leistungen für die
Tief- und Straßenbautitel kalkuliert; die Baustelleneinrichtung für die Rohbauleistungen
hat sie im Baustellengemeinkosten-Leistungsverzeichnis kalkuliert und über das
Gesamtangebot umgelegt (Vergabeakten, grüner Stehordner Bl. 152).
Für die Position 1.10.20 – Baustelle räumen – verlangt die Antragstellerin 0,01 €. Die
tatsächlichen Aufwendungen für das Räumen der Baustelleneinrichtung hat sie innerhalb
der Position 1.10.10 berücksichtigt. Die übrigen Positionen der Antragstellerin mit relativ
deutlichen Abpreisungen sind:
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Mit Ausnahme der Positionen 1.15.10 und 1.15.20 handelt es sich dabei um Einzelpreise
von 0,01 €. Die Antragstellerin erläuterte ihre Preisfindung im Schreiben vom 24. Februar
2003 (Vergabeakten grüner Stehordner Bl. 124 ff. = Anlage BG 8 zur
Beschwerdeerwiderung) und, ergänzend, im Schreiben vom 20. März 2003
Vergabeakten aaO Bl. 150 ff.). Unter anderem ergibt sich daraus, dass die Position
1.11.240 – Verbau für die Grabenbaugrube – auf den gesamten Titel 11 umgelegt wurde.
Den für die Positionen 1.11.310 und 1.11.320 – gelagerten Boden des Auftraggebers
aufnehmen – eingesetzten Preis von jeweils 0,01 € erklärt die Antragstellerin damit, dass
der in die Schadstoffbelastungsklassen Z1.1 und Z1.2 einzustufende Boden bei diesen
beiden Positionen bestimmungsgemäß in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen
soll und dass sie kalkulatorisch hat berücksichtigen können, dass dieser Boden bei
anderen Bauvorhaben ihrer Niederlassung als Einbaumaterial verwendet werden kann,
so dass die Aufwendungen für den Abtransport durch entsprechende Erlöse kompensiert
werden könnten.
Die Aufwendungen für die Positionen 1.18.50 und 1.18.70 hat die Antragstellerin in der
Position 1.18.40 berücksichtigt. Der Punkt 1.18.150 ist in der Hauptposition 1.18.130.
berücksichtigt worden; die Positionen 1.18.180 bis 1.18.200 hat sie über das
Gesamtangebot umgelegt. Die Straßenbauarbeiten in 2.12.10 und 2.12.20 sowie
2.22.70 und 2.22.80 sind auf die Leistungspositionen des Titels 11 umgelegt worden.
Mehr oder minder deutlich aufgepreist hat die Antragstellerin die Positionen 1.18.10,
1.18.30, 1.18210 sowie 1.18.240. Wegen ihrer Erläuterungen im Einzelnen wird auf die
beiden genannten Schreiben Bezug genommen.
Im Informationsschreiben gemäß § 13 VgV hat der Antragsgegner angegeben, die
Angemessenheit des Angebots der Antragstellerin könne anhand der eingereichten
Unterlagen nicht überprüft und das Angebot nach § 24 Abs. 2 VOB/A nicht berücksichtigt
werden. Die Antragstellerin hat dagegen Vergabenachprüfung beantragt und vor der
Vergabekammer in der Hauptsache die Anträge gestellt,
1. dem Antragsgegner zu untersagen, ihr Angebot gemäß § 24 Nr. 2 VOB/A von
der Wertung auszuschließen,
2. den Antragsgegner zu verpflichten, den Zuschlag auf kein anderes Angebot
als das Ihre zu erteilen,
hilfsweise:
den Antragsgegner zu verpflichten, die Angebote unter Einbeziehung ihres
Angebotes und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu
zu werten.
Im Nachprüfungsverfahren hat der Antragsgegner sich zusätzlich darauf berufen, das
Angebot der Antragstellerin sei schon wegen Fehlens geforderter Erklärungen
auszuschließen. Dieser Einwand bezieht sich auf folgende Angaben der Antragstellerin
bei folgenden Positionen:
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Soweit es in den vorstehend wiedergegebenen Positionen heißt, dass die jeweiligen
Angaben im Bieterangaben- Verzeichnis zu machen sind, hat sich in der mündlichen
Verhandlung ergeben, dass ein solches Verzeichnis den Verdingungsunterlagen dieses
Vergabeverfahren nicht beigefügt war. Die Bieter haben sich im Allgemeinen damit
beholfen, die Angaben im Blankett des Leistungsverzeichnisses zu machen.
Wegen der Einzelheiten der Begründung des Angebotsausschlusses – auch wegen
zusätzlicher Angriffspunkte – wird auf die im Verfahren vor der Vergabekammer
eingereichten Schriftsätze des Antragsgegners Bezug genommen.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag nach mündlicher Verhandlung als
unzulässig zurückgewiesen. Sie hat gemeint, das Angebot der Antragstellerin sei wegen
fehlender bzw. unvollständiger Preisangaben auszuschließen. Preise von 0,01 € seien
keine vollständigen Preisangaben i. S. v. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A, wenn die
tatsächlichen Kosten der Leistungserbringung in der jeweiligen Position des
Leistungsverzeichnisses nicht abgedeckt seien und sich die jeweilige geforderte
Vergütung auch nicht mit den zusätzlichen Angaben des Bieters ermitteln lasse. So
verhalte es sich hier bei den Positionen 1.11.310 und 1.11.320. Auch bei weiteren
Positionen, etwa 1.11.240, sei die leistungsgerechte Vergütung anhand der Angaben der
Antragstellerin nicht zu ermitteln.
Die Kammer hat außerdem gemeint, der Nachprüfungsantrag wäre auch als
unbegründet zurückzuweisen. Die Antragstellerin sei wegen der spekulativen Auf- und
Abpreisung einzelner Positionen in ihrem Angebot als ungeeignet auszuschließen. Auch
habe der Antragsgegner die Auskömmlichkeit des Angebots infrage stellen können.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss der Vergabekammer
vom 3. November 2003 (Bd. I, 41a ff. d. A.) Bezug genommen.
Mit ihrer fristgerecht eingereichten sofortigen Beschwerde begehrt die Antragstellerin die
Verpflichtung des Antragsgegners, den Zuschlag auf kein anderes Angebot als das Ihre
zu erteilen, hilfsweise, ihn zu verpflichten, die Angebote unter Einbeziehung ihres
Angebots unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts neu zu
werten.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde. Er
verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer und wiederholt vertiefend seine im
erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Gründe für die Rechtmäßigkeit des
Ausschlusses der Antragstellerin. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Beschwerdeerwiderung nebst Anlagenkonvolut und den Schriftsatz vom 10. Februar
2004 Bezug genommen. Die Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren keine
Schriftsätze eingereicht, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine
Erklärungen abgegeben und auch keine Anträge gestellt.
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B.
Der Senat hat, wie er bereits in seinem Beschluss gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zum
Ausdruck gebracht hat, keine durchgreifenden Bedenken gegen die Zulässigkeit der
sofortigen Beschwerde. Er hält das Rechtsmittel auch in der Sache – nach dem
Hilfsantrag – für begründet, sieht sich aber durch die dem Beschluss des OLG Düsseldorf
vom 26. November 2003 – Verg 53/03 zu Grunde liegende Rechtsauffassung, die er
nicht teilt, daran gehindert, der Beschwerde stattzugeben.
I.
dem die dortige Beigeladene bei der eine Wirtschaftswegbrücke betreffenden Position
des Leistungsverzeichnisses einen Preis von 1 € eingesetzt und die für die Bereitstellung
der Brücke tatsächlich veranschlagten Kosten von rund 140.000 € bei anderen
Kostenpositionen eingestellt hatte. Im Angebot selbst hatte die Beigeladene
diesbezüglich keine konkreten Zuordnungen vorgenommen; in der mündlichen
Verhandlung vor dem Beschwerdegericht aber erläutert, die kalkulierten Kosten seien u.
a. bei der Position "Baustelleneinrichtung" berücksichtigt worden. Das OLG Düsseldorf
hat die Ansicht vertreten, damit sei bei der Position für die Wirtschaftswegbrücke nicht
der in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig mit
dem Betrag angegeben, der für die betreffende Leistung beansprucht werde. Das
Angebot sei deshalb zwingend auszuschließen.
Der vom OLG Düsseldorf entschiedene Fall unterscheidet sich vom vorliegenden nur
dadurch, dass der Bieter dort lediglich eine einzige Position abgepreist und dies bei
mehreren anderen Positionen berücksichtigt hatte, während hier eine Vielzahl von
Positionen stark verbilligt angeboten waren und einige wenige dazu korrespondierend
mehr oder minder markante Aufpreisungen enthielten und außerdem kalkulatorische
Umlagen auf ganze Titel vorgenommen wurden. Darin liegt aber nach Ansicht des
Senats kein erheblicher Unterschied im Sachverhalt, der ihm erlauben würde, der
sofortigen Beschwerde im Streitfall stattzugeben ohne sich in Divergenz zu der
Entscheidung des OLG Düsseldorf zu begeben.
II.
von der Vergabekammer im Streitfall eingenommenen Standpunkt übereinstimmt, nicht
zu eigen zu machen.
Die Kalkulationsweise der Antragstellerin, einzelne Positionen im Vergleich zu den
durchschnittlichen Positionspreisen aller Bieter markant auf- oder abzupreisen, ist im
öffentlichen Auftragswesen seit langem geläufig, wird in der vergaberechtlichen Literatur
unter dem Begriff des "Spekulationsangebots" erörtert und ist auch schon Gegenstand
von vergaberechtlichen Entscheidungen gewesen (vgl. etwa BayOLG VergabeR 2004, 87
ff. mwN). Soweit die Antragstellerin ihre Kalkulationsweise vorprozessual auch als Auf-
und Abgebotsverfahren bezeichnet hat, ist dies allerdings missverständlich, weil die VOB
diesem Begriffspaar ein ganz bestimmtes Preisermittlungsverfahren zuordnet, um das
es hier ersichtlich nicht geht (§ 6 Nr. 2 VOB/A).
Das BayObLG hat in seinem Beschluss vom 18. September 2003 – Verg 12/03,
VergabeR 2004, 87 mit Anm. Waldner) unter Bezugnahme auf Entscheidungen der
Oberlandesgerichte Celle und Naumburg die Auffassung vertreten, dem Auftraggeber
sei es verwehrt, ein Angebot allein deshalb auszuschließen, weil es in einzelnen
Positionen Preise von 0,01 € enthält. Maßgeblich sei, ob sich aus der Prüfung einzelner
Positionen die Besorgnis nicht einwandfreier Ausführung der ausgeschriebenen Leistung
ergebe. Deshalb sei es dem Auftraggeber auch nicht verwehrt, so genannte
Unterkostenpreise bei der Auftragsvergabe zu akzeptieren, wenn er nach Prüfung zu
dem Ergebnis gelangt, dass der Anbieter auch zu diesem Preis zuverlässig und
vertragsgerecht wird leisten können (VergabeR aaO S. 89). Das Thüringer OLG hat die
Ansicht vertreten, es könne vom Grundsatz her nicht beanstandet werden, wenn ein
Bieter – ggfs. unter Ausnutzung einer mangelhaften Leistungsbeschreibung oder
besonderer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse einzelne Einheitspreise abweichend von
einem ordnungsgemäß ermittelten Preis anbiete. Zur Begründung hat das Thüringer
OLG darauf verwiesen, die Preisermittlung sei ausschließlich Sache des Bieters
(Thüringer OLG, Urt. v. 27.02.2002 – 6 U 360/01, zitiert nach IBR 2002, 273).
In der Fachliteratur wird zunächst zwischen Mengen- und Textspekulation sowie dem
Sonderfall der Spekulation bei Bedarfspositionen unterschieden (vgl.
Kapellmann/Messerschmidt-Dähne § 25 VOB/A Rn. 77 ff; Heiermann/Riedl/Rusam,
Handkommentar zur VOB, A § 25 Rn. 154, 156; Thormann BauR 2000, 953 ff. mwN). Im
Streitfall geht es nach dem Vorbringen des Antragsgegners vor allem um eine
Mengenspekulation (Beschwerdeerwiderung S. 19 ff., Bd. I, 90 ff. d. A.).
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Einhellig wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass spekulative Angebote nicht
ohne weiteres von der Wertung ausgeschlossen werden können (vgl. neben den
vorstehenden Fundstellen Beck'scher VOB/A-Komm./Brinker/Ohle § 25 Rn. 60 ff.;
Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, 15.Aufl., § 25 VOB/A Rn. 44; Kuß, VOB-Komm., 4. Aufl.,
§ 25 VOB/A Rn. 19 f.), insbesondere wenn der Auftraggeber durch ein nachlässig
erstelltes Leistungsverzeichnis Raum für derlei Spekulation gegeben hat (Kratzenberg
aaO; Thormann aaO S. 955, 957), über das den Auftraggeber aufzuklären der Bieter
nicht verpflichtet sei (Thormann aaO S. 955; anders wohl BayObLG VergabeR 2004, 87,
90).
Schließlich werden signifikante Auf- und Abpreisungen einzelner Einheitspreise unter
dem Gesichtspunkt der unangemessenen Preise i. S. v. § 25 Nr. 3 Abs. 1 und 2 VOB/A
und dabei mit der zusätzlichen Fragestellung erörtert, inwieweit hinsichtlich der
Unangemessenheit auf die einzelnen Einheitspreise abzustellen ist oder auf den
Angebotsendpreis (vgl. dazu OLG Köln NJW-RR 1999, 316; ablehnend zu dieser
Entscheidung Thormann aaO S. 958 f.; vgl. ferner Brinker/Ohle aaO Rn. 61 f.).
III.
Ansicht, dass ein Bieter, der bei einzelnen Positionen einen Einheitspreis von 0,01 €
einsetzt, seine Preise i. S. der §§ 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1, 25 Nr. 1 lit. b) VOB/A
angibt. Bei diesem Preis handelt es sich dann um den für die jeweilige Einheit verlangten
Preis, auf den sich der Auftraggeber bei der Angebotswertung einstellen kann. Daran
ändert sich auch nichts, wenn der Bieter gleichzeitig, gleichsam zum
"betriebswirtschaftlichen Ausgleich" andere Positionen (deutlich) höher kalkuliert und
dafür entsprechend deutlich mehr verlangt, als dies bei den
Ausschreibungskonkurrenten zu beobachten ist. Ein Bieter, der auf diese Weise
kalkuliert, nimmt lediglich im Wege von betriebswirtschaftlich motivierten
kalkulatorischen Rechenoperationen eine angebotsbezogene Umgruppierung
verschiedener jeweils unselbstständiger Kalkulationsposten innerhalb des
Gesamtangebots vor. Das kann ihm wettbewerbs- und vergaberechtlich auch unter
Berücksichtigung der wohl verstandenen und berechtigten Interessen der
Auftraggeberseite nicht verwehrt werden. Die Angebotskalkulation berührt den
Kernbereich unternehmerischen Handelns im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und
damit die Freiheit des Wettbewerbs in diesem Marktgeschehen schlechthin. Vorschriften,
auf welche Weise der Unternehmen zu kalkulieren hat, kann es in einer freien
Wirtschaftsordnung nicht geben. Das hat im Übrigen auch plausible tatsächliche Gründe.
Auf Grund der vielfältigsten Variablen, die nach den jeweiligen betrieblichen und
sonstigen vom Unternehmen zu berücksichtigenden Verhältnisse zulässigerweise in die
Kalkulation eines Angebots einfließen können, lässt sich ein wie auch immer
aufzufassender "leistungsgerechter" Einheitspreis des einzelnen anbietenden
Unternehmens kaum je objektiv feststellen.
Auch die Vorschrift des § 24 Nr. 1 letzter Hs. VOB/A bietet keine tragfähige
Grundlage dafür, ein Angebot, das so kalkuliert worden ist, wie das der Antragstellerin,
ohne weiteres mit dem Ausschluss zu sanktionieren. Diese Vorschrift verpflichtet die
Bieter, ggfs. das Ergebnis ihrer Kalkulation darzulegen, nicht aber, diese in ihrem
gesamten Ablauf in der Weise vorzunehmen und transparent zu machen, dass genau
aufgeschlüsselt werden kann, welche Positionen mit welchen Beträgen abgepreist und
auf welche anderen Positionen diese Abpreisungen mit welchen Beträgen umgelegt
wurden. Jedenfalls kann ein Angebot, welches bei bestimmten Einheiten auffällige
Abpreisungen aufweist, nicht schon – wie die Vergabekammer aber zu meinen scheint –
dann ausgeschlossen werden, wenn sich die Differenz zum gleichsam
Einheitspreis nicht anderen aufgepreisten Positionen eindeutig
zuordnen und aus ihnen herausrechnen lässt. Dabei kann es in einer wettbewerblich
orientierten Wirtschaftsordnung und in Anbetracht des gesetzlichen Leitbilds der
Vergabe öffentlicher Aufträge (§ 97 Abs. 1 GWB) des Weiteren nicht
beanstandet werden, sondern muss als typisches Wettbewerbsverhalten der Bieterseite
hingenommen werden, wenn diese bemüht ist, durch genaue Analyse der
Leistungsbeschreibungen und des Projekts die Positionen herauszufinden, bei denen
sich ggfs. Mengenmehrungen bzw. -minderungen ergeben könnten und wenn die Bieter
generell darauf bedacht sein werden, bei den ersteren nicht zu niedrige und bei den
letzteren nicht zu hohe Einheitspreise anzubieten.
Bei Durchsicht der im vorliegenden oder im Parallelfall von der Vergabestelle
gefertigten Preisspiegel fällt im Übrigen auf, dass die Einheitspreise der einzelnen Bieter
nicht selten Schwankungsbreiten aufweisen, die so beträchtlich sind, dass sie nicht allein
durch interne betriebswirtschaftliche Gegebenheiten erklärlich erscheinen, sondern die
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durch interne betriebswirtschaftliche Gegebenheiten erklärlich erscheinen, sondern die
die Annahme stützen, dass die Praxis, mit "nicht leistungs- oder kostengerechten"
Einzelpreisen zu operieren, weit verbreitet ist. Dabei fällt außerdem auf, dass Auf- und
Abpreisungen keineswegs synchron bei allen oder mehreren Bietern immer gleiche
Leistungsteile betreffen. In diesem Zusammenhang kann es der Bieterseite auch nicht
generell, sondern allenfalls in außergewöhnlichen Sachverhaltsgestaltungen nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben auferlegt werden, die Auftraggeber auf fehlerhaft
oder zweifelhaft angesehene Positionen hinzuweisen (für eine weit gehende
Hinweispflicht aber wohl BayObLG VergabeR 2004, 87, 90), ähnlich wie die Auftraggeber
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in engen Grenzen verpflichtet
sind, die Bieter auf Kalkulationsirrtümer hinzuweisen (BGHZ 139, 177 ff.). Den Bietern
kann generell nicht angesonnen werden, den Interessen der Marktgegenseite nur
deshalb erhöhte Rücksichtnahme zukommen zu lassen, weil es sich dabei um
Auftraggeber handelt. Diese können im Vergabewettbewerb keine wie auch immer
geartete Sonderbehandlung im Vergleich zu privaten Parteien beanspruchen. Die Gefahr
ihrer prinzipiellen unangemessenen Übervorteilung resultiert aus dieser Sicht nicht, weil
der Wettbewerb selbst und die damit verbundene Notwendigkeit, das preiswerteste
Angebot abzugeben, um einen Auftrag zu erlangen, das immanente Korrektiv gegen
eventuelle übermäßige Preisspekulationen bietet.
Den Senat überzeugt deshalb die Sichtweise des OLG Düsseldorf nicht, das die zum
Ausschluss vom Wettbewerb nötigende Unvollständigkeit der Preisangaben in dem von
ihm zu beurteilenden Fall darin gesehen hat, dass der angesetzte Betrag von 1 € nicht
die für die Zurverfügungstellung der Wirtschaftswegbrücke kalkulierten Kosten
wiedergab. Auch insoweit sollte gelten, dass der Bieter rechtlich nicht verpflichtet werden
kann, auf eine solche Weise zu kalkulieren und anzubieten. Dass die Beigeladene im
Düsseldorfer Fall bei der unternehmensinternen Kalkulation des gesamten Angebots für
die Wirtschaftswegbrücke rechnerisch einen Kostenbeitrag von 140.000 DM ermittelt hat,
ändert nichts daran, dass es sich dabei nur um eine unselbstständige gedankliche
Rechenoperation handelt und dass der für die Brücke im Angebot ausgewiesene Preis
von 1 € der für diese Position verlangte Preis ist. Entsprechendes gilt bezüglich des für
die Baustelleneinrichtung verlangten Preises, den die Beigeladene des Düsseldorfer Falls
u. a. korrespondierend erhöht hatte, um die verbilligte Position "Wirtschaftswegbrücke"
zu kompensieren.
IV.
Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 2003 – X ZR 50/01 (VergabeR 2003, 558
ff.) gezwungen war, so zu entscheiden, wie es entschieden hat. Der Bundesgerichtshof
hat in dieser Entscheidung ausgesprochen, ein transparentes, auf Gleichbehandlung
aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A gewährleisten solle, sei nur
zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebender Hinsicht
vergleichbare Angebote abgegeben werden. Jeder in der Leistungsbeschreibung
vorgesehene Preis sei deshalb so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag
anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird.
Wie bereits vorstehend (III., erster Absatz) ausgeführt, hat die Antragstellerin dieser
Anforderung entsprochen. Im Übrigen ging es in dem vom Bundesgerichtshof
entschiedenen Fall nicht um das hier interessierende Problem der so genannten
spekulativen korrespondierenden Auf- bzw. Abpreisung von Einzelpreisen – um das es
der Sache nach auch im Düsseldorfer Fall ging, auch wenn diese Problematik in den
dortigen Beschlussgründen nicht ausdrücklich behandelt ist.
Im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall sollte der klagende Auftragnehmer
gering belastete mineralische Baurestmassen, die üblicherweise nur gegen Entgelt
abgenommen werden, als Verfüllmassen einsetzen dürfen. Die Bieter waren deshalb
aufgefordert, der beklagten Vergabestelle neben dem eigentlichen Leistungsangebot ein
Entgelt für die "Abnahme" dieser gering belasteten Massen anzubieten. Der dortige
Kläger hatte in seinem Angebot für einzelne Positionen negative Preise angegeben,
obwohl er dem Auftraggeber dafür nicht etwa eine Vergütung zahlen, sondern auch für
diese Positionen eine solche beanspruchen wollte; es war in der Folge aber nicht
gelungen, den wirklich geforderten Preis zu ermitteln. In diesem Zusammenhang hat der
Bundesgerichtshof den vorstehend zitierten Rechtssatz gebildet. Dieser Rechtssatz
scheint dem vorlegenden Senat aber keine zwingende rechtliche Bewertung des
Problems der Spekulationspreise vorzugeben, zu dem der Bundesgerichtshof, soweit
ersichtlich, auch sonst noch nicht dezidiert Stellung zu beziehen hatte.
V.
Senats nicht, Angebote mit so genannten spekulativen Auf- und Abpreisungen gemäß §
21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A ohne sachliche Prüfung von
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21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A ohne sachliche Prüfung von
der Wertung auszuschließen.
Soweit es Angebote mit signifikanten bei einzelnen Einheiten betrifft,
sind die schützenswerten Interessen der öffentlichen Auftraggeber erst dann erheblich
berührt, wenn die Gefahr besteht, dass sich das bei der Wertung vermeintlich
wirtschaftlichste Angebot infolge der Aufpreisungen im Nachhinein auf Grund von
abrechnungsfähigen Mehrmengen als nachteilig und letztlich teurer erweisen könnte, als
ein Angebot mit einem höheren Submissionspreis. Ob diese Gefahr spekulativer
Übervorteilung der Vergabestelle besteht, ist regelmäßig im Rahmen einer
Prognoseentscheidung zu beurteilen. Dabei dürfen sich der Auftraggeber oder die
Nachprüfungsinstanzen nicht mit bloßen Mutmaßungen zufrieden geben. Vielmehr
müssen Umstände festgestellt werden können, die mit einiger Wahrscheinlichkeit die
Annahme rechtfertigen, dass es bei diesen Positionen zu erheblichen Nachforderungen
kommen kann. Dabei ist das mutmaßliche finanzielle Ausmaß der potentiellen
überproportionalen Nachforderungen schon deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die
befürchteten nachträglichen Verteuerungen auf Grund des Gebots zur möglichst
wirtschaftlichen Beschaffung in Beziehung zu setzen sind zu den Vorteilen, die das
auszuschließende Angebot auf Grund des preislichen Abstands zu demjenigen Angebot
aufweist, das an seiner Stelle angenommen werden soll. Außerdem ist zu prüfen, ob sich
eventuell Vorteile auf Grund der vorgenommenen Abpreisungen bei anderen Positionen
ergeben könnten.
Die mit der Erstellung einer solchen Prognoseentscheidung verbundenen
Aufwendungen belasten die öffentlichen Auftraggeber nicht über Gebühr. Die notwendige
Transparenz der einzelnen Angebote lässt sich durch die Preisspiegel herstellen, die
ohnehin angefertigt werden und auch im Streitfall vorliegen. Die tatsächlichen
Verhältnisse auf der Baustelle muss die Vergabestelle schließlich auch kennen, weil sie
ansonsten ein einigermaßen wirklichkeitsgerechtes Leistungsverzeichnis gar nicht
erstellen kann.
Spekulativen einzelner Positionen können unterschiedliche Strategien
zu Grunde liegen.
Spekuliert ein Bieter einseitig auf Mengen bei bestimmten Positionen,
nicht dagegen auf Minderungen bei anderen und preist er die Ersteren auf, dienen die
abgepreisten Positionen lediglich als rechnerische Gegenpole dem Zweck, insgesamt
noch mit einem wettbewerbsfähigen Angebotsendpreis aufwarten zu können. Rechnet
der Bieter dagegen mit konkreten Mengenminderungen bei der Bauausführung und
preist der die entsprechenden Teile des Angebots gezielt ab, erlangen sie
eigenständigen spekulativen Charakter.
Im letzteren Fall hat der Auftraggeber konkret darzulegen, dass ihm ungeachtet des
günstigen Wettbewerbspreises dieses Bieters signifikante Übervorteilungen im
Zusammenhang mit den im Vergleich zu den Mitbewerbern abgepreisten Positionen auf
Grund der zu erwartenden Mengenminderungen drohen und plausibel zu erläutern,
worauf die Fehleinschätzungen in der Leistungsbeschreibung beruhten.
Ansonsten werden solche Abpreisungen vergaberechtlich erst unter dem
Gesichtspunkt der fehlenden Auskömmlichkeit i. S. v. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A relevant.
Dieser Ausschlussgrund ist von dem Vorwurf, spekulativ geboten zu haben, zu trennen.
Bezüglich des Ausschlussgrundes der fehlenden Auskömmlichkeit hat der Senat bereits
anderer Stelle (Beschluss v. 22. August 2001, VergabeR 2001, 392, 399) die Ansicht
vertreten, dass die vom Bundesgerichtshof zum Betrugsschaden (§ 263 StGB) durch
Submissionsabsprachen entwickelten Grundsätze (BGH wistra 2001, 103 ff.) bei der
Prüfung der Unauskömmlichkeit von Angeboten zu berücksichtigen sind. Bei
Übertragung dieser Grundsätze besteht der Ausschlussgrund nicht schon dann, wenn
sich ein offensichtliches Missverhältnis zwischen preis und Leistung feststellen lässt.
Vielmehr muss zusätzlich die Erwartung gerechtfertigt sein, dass der Auftragnehmer
wegen dieses Missverhältnisses in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag
deshalb nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführen wird (BGH aaO S. 104 unter 2.a)
bb). Dabei kann es entgegen der Ansicht der Vergabekammer aus wirtschaftlich-
kaufmännischen Gründen grundsätzlich nur darauf ankommen, ob das Angebot im
Ganzen nicht auskömmlich ist. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn schon auf
Grund der durch die Abpreisungen verringerten Abschlagzahlungen die Gefahr
heraufbeschworen wird, dass der Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt
werden kann, was besonderer Feststellungen bedarf.
VI.
spekulativer bislang weder im Vergabe- noch im Nachprüfungsverfahren
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spekulativer bislang weder im Vergabe- noch im Nachprüfungsverfahren
mit hinreichend tragfähiger Begründung unterlegt.
Er macht geltend, die Antragstellerin habe die Positionen 1.11.10, 1.11.20, 1.11.90
sowie 1.11.70, 1.11.80 und 1.11.150 exorbitant überhöht (Bd. I, 92 d. A.). Bei der
Position 1.11.10 belegt der Preisspiegel (grüner Stehordner Bl. 45), dass die Preise der 7
besten Bieter in einer Spannweite im unteren einstelligen bis unteren zweistelligen Euro-
Bereich differieren. Auch wenn die Antragstellerin hier den höchsten Preis verlangt, so
steht das hieraus resultierende Preisrisiko ersichtlich in keinem Verhältnis zum
Preisvorteil ihres Angebots von netto über 668.000 €. Bei der Position 1.11.20, bei der im
Übrigen auffällt, dass andere Bieter, darunter die Beigeladene, einen auffällig geringen
Einheitspreis angesetzt haben, steht der – gerade zweistellige – Einheitspreis der
Antragstellerin ebenfalls außer Verhältnis zum Vorteil ihres Gesamtpreises. Die Position
1.11.90 wird nach dem Preisspiegel im Bereich zwischen knapp unter 11 und unter 23 €
angeboten. Eine signifikante Aufpreisung lässt sich bei der Antragstellerin bereits nicht
feststellen. Der Antragsgegner legt nicht dar, dass sich hier so immense Mehrmengen
ergeben könnten, dass der günstige Angebotsendpreis der Antragstellerin auch nur
ansatzweise kompensiert werden könnte. Soweit der Antragsgegner schon
erstinstanzlich den Vorwurf erhoben hat, die Antragstellerin würde durch eine schlechte
Vertragsausführung Boden der Bodenklasse 2 gleichsam selbst produzieren und sich auf
diese Weise, da die entsprechenden Einheitspreise überhöht angesetzt seien,
Mehreinnahmen verschaffen (Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12, S. 32),
lässt sich schon der Ausgangspunkt einer zu besorgenden mangelhaften
Vertragsausführung nicht halten (unten VIII.)
Bei den Positionen 1.11.70, 1.11.80 und 1.11.150 liegen die Einheitspreise zwar mehr
oder weniger deutlich über denen der Konkurrenten; die absolute Höhe dieser Preise
bewegt sich aber in allen Fällen bei unter 30 €. Bezüglich dieser Positionen macht der
Antragsgegner zwar abstrakt ein Risiko der Mengenvergrößerung geltend, vermag
dieses Risiko aber nicht zu beziffern (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12
Seite 29 f.).
Weitere Aufpreisungen betreffen die Positionen 1.18.10, 1.18.30, 1.18.210 und
1.18.240.
Für die Position 1.18.10 verlangt die Antragstellerin zwar einen rund vier bis fünfmal
so hohen Preis wie die unmittelbaren Mitbewerber. Von der absoluten Größe her ist diese
Position aber ebenfalls nicht erheblich, weil die Einheitspreise im ein- bis zweistelligen
Euro-Bereich liegen. Nicht wesentlich anders verhält es sich bei der Position 1.18.30,
wobei hinzukommt, dass der Abstand zu den übrigen Bietern, insbesondere zu der
Beigeladenen, die den Zuschlag erhalten soll, nicht sonderlich hoch ist. Bei einer
Auftragsvergabe an einen anderen Bieter müssen bei diesen Positionen nach den
Ausführungen des Antragsgegners (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12
Seite 30 f.) ebenfalls Mengenmehrungen in Erwägung gezogen werden. Ohnehin
errechnet der Antragsgegner in diesem Zusammenhang konkrete Preisrisiken von
lediglich 91.300 €, was einem Anteil von rund 14 % des Preisvorsprungs der
Antragstellerin entspricht und ein weiteres Preisrisiko bei der Position 1.18.210 von
12.500 € (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2003, Anlage BG 12 Seite 32). Insoweit ist des
Weiteren zu bemerken, dass es nicht im Belieben eines Auftragnehmers steht, von den
Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abzuweichen, um auf diese Weise Mehrmengen
zu produzieren, die immer auch abrechnungsfähig sind.
Soweit der Antragsgegner im Zusammenhang mit den aufgepreisten Positionen
darauf verweist, dass diese zumindest teilweise recht früh im Verlauf des gesamten
Bauvorhabens anfallen und die Antragstellerin sich deshalb eine unzulässige
Kreditierung verschaffe, ist – anders als im Parallelfall – nicht ansatzweise konkretisiert,
welche wann fälligen Abschlagzahlungen in welcher Höhe dieses Risiko begründen und
welche Zinsverluste dem Antragsgegner auf Grund verfrühter Zahlung drohen. Für ein
einigermaßen konkretes Insolvenzrisiko der Antragstellerin, mit dem das
Kreditierungsrisiko ebenfalls begründet werden kann (Heiermann/Riedl/Rusam aaO A §
25 Rn. 155), vermag der Antragsgegner, der die generelle Eignung der Antragstellerin im
Übrigen mit positivem Ergebnis bejaht hat, nichts anzuführen.
Wesentliche Preisrisiken legt der Antragsgegner auch nicht hinsichtlich der Position
1.22.90 dar, die die Antragstellerin zwar vergleichsweise teuer anbietet, dies aber nur in
einem Bereich im mittleren zweistelligen Euro-Bereich (vgl. Preisspiegel grüner
Stehordner Bl. 68).
Nach alledem bieten die Aufpreisungen im Angebot der Antragstellerin keinen
hinreichenden Grund, den Zuschlag nicht auf diese Offerte zu erteilen. Im Hinblick
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hinreichenden Grund, den Zuschlag nicht auf diese Offerte zu erteilen. Im Hinblick
darauf, dass der Vergabewettbewerb kein Selbstzweck ist, sondern mittelbar, über die
Herstellung von Auftragschancen für in- und ausländische Bieter, auch das Gebot zum
ökonomischen Einsatz der Haushaltsmittel schützt, erscheint es dem Senat
vergaberechtlich nicht statthaft, ein Angebot wegen spekulativer Ausschläge
auszuschließen, wenn die Preiswürdigkeit dieses Angebots selbst im gedachten Fall des
Aufgehens der Spekulation nicht infrage gestellt ist.
VII.
Antragstellerin nicht entscheidend infrage.
Soweit es die Baustelleneinrichtung betrifft, liegt gerade kein typischer
Spekulationspreis vor. Baustelleneinrichtungen werden bei spekulativen Angeboten
typischerweise in der Hoffnung angeboten, eine hohe erste Abschlagzahlung
in Rechnung stellen zu können (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam aaO A § 25 Rn. 155;
Kratzenberg aaO § 25 VOB/A Rn. 44). Vorliegend ist die Baustelleneinrichtung jedoch
verbilligt angeboten, so dass Kreditierungsrisiko und Zinsnachteil gerade nicht
entstehen.
Bei den Positionen 1.11.50, 1.11.100, 1.11.170, 1.11.200 und 1.11.220 rechnet der
Antragsgegner selbst nicht mit nennenswerten Mindermengen (vgl. Schriftsatz vom 29.
August 2003, Anlage BG 12 Seite 29 f.). Deshalb besteht auch nicht die Aussicht, dass
sich andere Angebote, in welchen diese Positionen teurer angeboten wurden, in einem
Maße verbilligen könnten, das die Günstigkeit des Angebots der Antragstellerin ernstlich
relativieren würde.
Bei der Kalkulation des Einheitspreises von 0,01 € pro m3 bei den Positionen
1.11.310 und 1.11.320 – Aufnahme von je 1.000 m3 gelagerten Boden des
Auftraggebers – hat die Antragstellerin kalkulatorisch berücksichtigt, dass der Boden,
der in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen soll, bei anderen Bauvorhaben ihrer
Niederlassung als Einbaumaterial verwendet werden kann, so dass die Aufwendungen für
den Abtransport durch zu erwartende Erlöse gegengerechnet werden können. Die
Vergabekammer hat gemeint, dass Angebot sei insoweit wegen fehlender bzw.
unvollständiger Preisangaben nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A auszuschließen und
sich dafür auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 2003 berufen.
Dem vermag der Senat nicht beizupflichten, weil der dortige Sachverhalt sich, wie schon
ausgeführt (vgl. oben B.IV.), vom hiesigen erheblich unterscheidet. Dort sollte der Bieter
berechtigt sein, belastetes Material zur Verfüllung anzuliefern und dem Auftraggeber, da
solches Material üblicherweise nur gegen Vergütung abgenommen wird, dafür ein
Entgelt zahlen. Im Streitfall geht es dagegen um den Erwerb von
(abzutransportierendem) Boden des Auftraggebers durch den Auftragnehmer. Die
Antragstellerin kann nach ihren unbestrittenen Angaben diesen geringen Preis
verlangen, weil sie sich Chancen ausrechnet, den abzunehmenden Boden durch ihre –
nahe beim Bauvorhaben residierende – Niederlassung weiterverwerten zu können. Den
Wiederverkaufspreis kann sie im Zeitpunkt der Angebotsabgabe schwerlich beziffern.
Eine vergaberechtlich bedenkliche Abpreisung dieser Position ist unter diesem
Gesichtspunkt nicht zu besorgen. Das gilt umso mehr, als es sich bei den Positionen
1.11.310 und 1.11.320 ausweislich des Preisspiegels der Vergabestelle um gänzlich
untergeordnete Positionen handelt. Die Wettbewerber haben dafür nämlich
preise gefordert, die höchstens im untersten fünfstelligen €-Bereich liegen.
Wenig realistisch und deshalb nicht überzeugend sind auch die im Zusammenhang
mit Mengenminderungen angestellten Überlegungen des Antragsgegners zu
Teilkündigungen und daraus denkbaren Verlusten (vgl. Schriftsatz vom 29. August 2003,
Anlage BG 12 Seite 32).
Bei den abgepreisten Positionen zur Wasserhaltung (1.15.10-20) und zum Verbau
(1.11.240) stellt der Antragsgegner keine Preisrisiken in den Vordergrund seiner
Überlegungen, sondern den Vorwurf fehlender Vertragstreue (Bd. I, Bl. 102 d. A.). Dieser
Ausschlussgrund erscheint dem Senat auf wenig überzeugende Weise konstruiert. Die
Antragstellerin hat die geforderten Positionen gemäß dem Leistungsverzeichnis
angeboten. Sie hat dann zwar im Aufklärungsgespräch Erläuterungen zur Ausführung
abgegeben, die mit der Leistungsbeschreibung (1.15.10) bzw. den örtlichen
Gegebenheiten nicht in Einklang zu bringen sind. Daraus kann aber nicht überzeugend
der Vorwurf späterer Vertragsuntreue hergeleitet und der Ausschluss des Bieters
gerechtfertigt werden. Es ist dem Auftraggeber unbenommen, einen Bieter an seinem
Angebot festzuhalten und auf Vertragserfüllung zu bestehen (vgl. etwa den bereits
zitierten Fall BGHZ 139, 177 ff.), anstatt über dessen zukünftige Vertragsuntreue
Mutmaßungen anzustellen, die einen tragfähigen Grund dafür abgeben sollen, einem um
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Mutmaßungen anzustellen, die einen tragfähigen Grund dafür abgeben sollen, einem um
fast 670.000 € teureren Angebot den Vorzug geben zu können. Der Antragsgegner hat
keinerlei Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass die Antragstellerin in der Lage wäre,
im Rahmen ihres Angebots eine vertragsgerechte Ausführung dieser Positionen zu
gewährleisten. Das gilt umso mehr, als die Preise der 6 weiteren in den Preisspiegel
aufgenommen Bieter einen Durchschnittspreis von gut 30.000 € ergeben. Bei der
Position 1.15.20 beträgt dieser Durchschnittswert nur rund 2.600 €. Es handelt sich
dementsprechend um Positionen von ganz untergeordneter Bedeutung, die die
Vertragserfüllung seitens der Antragstellerin nicht ernstlich infrage stellen können, selbst
wenn sie sich mit ihren diesbezüglichen Abpreisungen insoweit "verspekuliert" haben
sollte. Die Abpreisung der Position 1.11.240 hat die Antragstellerin auf den gesamten
Titel 11 umgelegt und außerdem bei den Positionen 1.18.10, 1.18.30 1.18.210 sowie
1.18.240 berücksichtigt.
Soweit der Antragsgegner die Abpreisungen mit dem Vorwurf verbindet, die
Antragstellerin habe ein unauskömmlichen Gesamtangebot unterbreitet, geht es nicht
mehr um ein Problem der Preisspekulation (oben V.). Darauf, das Angebot sei i. S. v. §
25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A nicht auskömmlich, ist die Vergabeentscheidung, wie die
Antragstellerin zutreffend bemerkt, nicht gestützt; vielmehr wird dort lediglich auf den
beträchtlichen Preisabstand der Antragstellerin zum nächsten Bieter hingewiesen,
allerdings rechnerisch unzutreffend (nicht rund 20 %, sondern rund 17 % billiger als
dieser). Der Preisabstand allein rechtfertigt aber die Annahme eines nicht
auskömmlichen Preises nicht. Im Nachprüfungsverfahren behauptet der Antragsgegner
zwar, das Gesamtangebot der Antragstellerin sei nicht auskömmlich, sondern weise eine
Unterdeckung von 460.000 € auf, er hat diese Behauptung aber nie durch
Tatsachenvortrag, insbesondere nicht durch aussagekräftige Zahlen unterlegt, obwohl er
selbst die Kalkulation der Antragstellerin eingesehen haben will (Bd. I., 113 d. A.). Hinzu
kommt, dass selbst bei einem nicht auskömmlichen Angebot gesondert zu prüfen ist, ob
der Auftragnehmer wegen des Missverhältnisses zwischen Leistung und Preis in
wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag deshalb nicht oder nicht
ordnungsgemäß ausführen wird (in Anlehnung an BGH wistra 2001, 103 ff.; vgl. oben V.;
ähnlich auch BayObLG VergabeR 2004, 87, 89). Auch für diese Voraussetzung ist nichts
Konkretes vorgetragen oder sonst ersichtlich.
Weitere im Zusammenhang mit den Auf- und Abpreisungen erhobene, die Eignung
der Antragstellerin leugnende Rügen sind ebenfalls unbegründet.
Die mangelnde Zuverlässigkeit der Antragstellerin leitet der Antragsgegner im
Wesentlichen aus Gründen her, die mit der Unterbreitung eines spekulativen Angebots
zusammenhängen und keine eigenständige Bedeutung haben. Der daneben erhobene
Vorwurf, die Antragstellerin habe schon bei dem Bauvorhaben "Bundesautobahn 100"
erfolgreich mit spekulativ erhobenen Preisen operiert (Beschwerdeerwiderung S. 28, Bd.
I, 99 d. A.), ist nicht schlüssig dargetan. Der Antragsgegner legt lediglich dar, dass es
dort bei zwei Positionen von Baustahl zu erheblichen Mehrmengen gekommen ist, trägt
aber keine konkreten Tatsachen, insbesondere keine Vergleichspreise der Mitbieter vor,
aus denen sich ergibt, dass die Antragstellerin dort mit spekulativ überhöhten
Einheitspreisen gearbeitet und dadurch auf seine Kosten einen den Preisabstand zum
nächstbesten Bieter übersteigenden Spekulationsgewinn erzielt hätte. Im Übrigen wurde
dieser Vergabewettbewerb Mitte der 90er Jahre durchgeführt. Ein so lange
zurückliegendes, zumal vereinzeltes Verhalten kann nur unter besonderen Umständen,
für die hier nichts ersichtlich ist, den Vorwurf andauernder Unzuverlässigkeit eines
Bieters begründen.
Den Vorwurf, die Aufklärung des Angebotsinhalts in einer den Ausschluss nach § 24
Nr. 2 VOB/A rechtfertigenden Weise untergraben zu haben, erhebt der Antragsgegner
ebenfalls zu Unrecht. Er beruht auf unzutreffenden Vorstellungen darüber, wie die Bieter
zu kalkulieren haben und stellt deshalb überspannte Anforderungen an deren
Dokumentationspflichten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen oben unter
III. und IV. Bezug genommen.
Unbegründet ist auch die weiterhin aufrecht erhaltene Rüge, der
Nachunternehmeranteil der Antragstellerin sei höher als nach dem Vertrag zulässig. Auf
die diesbezüglichen Ausführungen der Vergabekammer nimmt der Senat Bezug (Bd. I.,
51a d.A.).
VIII.
geforderter Erklärungen ausgeschlossen wissen, weil diese bei den aus den Tatbestand
ersichtlichen Positionen die geforderten Angaben mit dem Zusatz "o. glw." angeboten
hat. Der Senat hält einen Ausschluss des Angebots von der Wertung auf Grund dieses
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hat. Der Senat hält einen Ausschluss des Angebots von der Wertung auf Grund dieses
Umstands nicht für gerechtfertigt. Soweit seinem Beschluss vom 8. Januar 2004
Gegenteiliges entnommen werden könnte, hält er daran nicht mehr in der Strenge fest.
Die fraglichen Bieterangaben sind als Teile rechtsgeschäftlicher Erklärungen nach
allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Nach den gesamten Umständen sind sie dahin
zu verstehen, dass die Antragstellerin – genauso wie die Beigeladene – das jeweils
angegebene Lieferwerk bzw. Produkt anbieten, dem Auftraggeber aber die Möglichkeit
einräumen will, bei der Bauausführung den Einsatz eines gleichwertigen
Alternativherstellers bzw. – -produkts zu bestimmen. Es ist nämlich keinerlei besonderes
Interesse oder an der Verwendung gerade des
einen oder anderen Zulieferers bzw. Produkts zu oder daran erkennbar, sich aus was für
Gründen auch immer vertragliche Optionen auf die Auswechslung des angebotenen
Herstellers bzw. Erzeugnisses oder irgend welche sonstigen Manipulationsmöglichkeiten
oder unzulässige Handlungsspielräume offen zu halten. An der notwendigen
Bestimmtheit der Angebote fehlt es deshalb nicht. Dabei ist auch, worauf noch näher
einzugehen sein wird, zu berücksichtigen, dass allen in diesem Zusammenhang
interessierenden Positionen im Rahmen des Gesamtangebots nur ganz untergeordnete
Bedeutung zukommt. Der Antragsgegner macht ferner auch nicht etwa geltend, dass
die monierte Zweideutigkeit des Angebots von sachlicher Bedeutung für ihn wäre oder
dass ihm daraus irgendwelche greifbaren Nachteile erwachsen könnten. Vielmehr geht
es ihm mit den aufgezeigten Passagen im Angebot der Antragstellerin nach den
gesamten Umständen ersichtlich allein darum, ein zusätzliches Argument für seine
Entscheidung nachzuschieben, den Zuschlag auf ein rund 670.000 € teureres Angebot
zu erteilen, obwohl er diesem Gesichtspunkt in Wahrheit auch jetzt noch keine
Bedeutung beimisst. Diese prozessuale Strategie kontrastiert – abgesehen von dem
Gebot zum sparsamen Einsatz von Haushaltsmitteln – vorliegend in besonders
auffälligem Maße zu der Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber zur
Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) und und zu ihren Teilnehmern an
einer Ausschreibung geschuldeten vorvertraglichen Pflichten, weil das Angebot, welches
den Zuschlag erhalten soll, die identischen, teils noch zusätzliche Mängel aufweist. Der
Senat hat dem Antragsgegner im Rahmen des eingeschränkten
Amtsermittlungsgrundsatzes aufgegeben, die entsprechenden Passagen aus allen
gewerteten Angeboten vorzulegen. Die Prüfung der daraufhin eingereichten Unterlagen
hat offenbart, dass die Beigeladene, die den Zuschlag erhalten soll, unter den Positionen
2.19.20, 2.19.30 und 1.19.40 angegeben hat (Anlage BG 29 zum Schriftsatz des
Antragsgegners vom 18. Februar 2004):
Bei der Position 2.19.50 ist als Lieferwerk angegeben:
Zur zusätzlich abgefragten Typenbezeichnung hat die Beigeladene im Gegensatz zur
Antragstellerin überhaupt keine Angabe gemacht.
Unabhängig von diesem widersprüchlichen Verhalten des Auftraggebers meint der
Senat jedenfalls, dass die Angebotspassagen so auszulegen sind, wie vorstehend
ausgeführt.
IX.
ein Angebotsausschluss auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zwangsläufig wäre. Der Bundesgerichtshof hat ausgesprochen, ein
transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren sei nur
zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden
Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden (...). Dies erfordere, dass hinsichtlich
jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit
angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter
nicht unzumutbar belaste, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert
war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung
relevant sein sollen (BGH X ZB 43/02).
Sämtliche hier streitigen mehrdeutigen Positionen sind nach den gesamten
Umständen nicht im Sinne dieser Rechtsprechung als Umstände ausgewiesen, die für
die Vergabeentscheidung wirklich relevant sein sollen. Das zeigt sich schon darin, dass
der Antragsgegner die fraglichen Unzulänglichkeiten gerade bei dem Angebot toleriert,
dem er den Zuschlag erteilen möchte und auch bei anderen Angeboten über
gleichartige oder ähnliche Mängel hinweggeht (vgl. die als Anlage zum Schriftsatz vom
18. Februar 2004 eingereichten Auszüge aus den gewerteten Angeboten).
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Dafür, dass die hier interessierenden Positionen von gänzlich untergeordneter
Bedeutung sind, spricht des Weiteren, dass der Auftraggeber den Bietern bei der
Position 1.15.40 die Auswahl des Messsystems und in allen anderen Fällen vollständig
die Wahl des Lieferwerks bzw. Produkts überlässt, sogar ohne ein bestimmtes
Orientierungsfabrikat mit dem üblichen Zusatz "o. glw." vorzugeben. Dazu
korrespondiert, dass sämtliche Positionen im Rahmen des ausgeschriebenen Projekts
auch preislich unbedeutend sind:
Für die Messeinrichtung des Wasserdurchflusses in der Position 1.15.40 verlangen
die 7 besten Bieter Beträge zwischen 150,53 und 4.717,39 €.
Die angebotenen Einheitspreise für das Anti-Graffiti-System, Position 1.22.100,
liegen zwischen 4,24 und 5,33 €; trotz der hohen Gesamtmenge machen die
Gesamtbeträge nur Summen zwischen 20.140 und 25.317,50 € aus (Vergabeakten,
grüner Stehordner Bl. 69).
Bei den Verformungslagern der Position 2.19.20 differieren die Einheitspreise
(geforderte Stückzahl: 2) zwischen 672,63 € und 1.169,21 €; bei den Lagern der
Positionen 2.19.30 und 40 (gefordert jeweils 1 Stück) geht es um Einheitspreise zwischen
840,51 € und 1.595,09 € bzw. 889,61 € und 1.709,72 €; bei der Übergangskonstruktion
2.19.60 um Einheitspreise zwischen 831,71 € und 1.884,85 € (ausgeschrieben: 11 m;
alle Angaben bezogen auf die sieben im Preisspiegel aufgeführten Bieter, vgl. grüner
Stehordner Bl. 80 f.).
X.
Umstände i. S. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufzufassen
wären, erschiene der Ausschluss des Angebots nicht zwingend.
Den diesbezüglichen Angaben im Leistungsverzeichnis könnte, wenn der vorstehend
unter VIII. dargelegten Auslegung nicht gefolgt würde, dann zwar in diesen Punkten kein
genau bestimmbarer Inhalt beigelegt werden. Wie bereits ausgeführt, sprechen die
gesamten Umstände aber nicht dafür, dass Bieter wie die Antragstellerin oder die
Beigeladene es geradezu darauf angelegt hätten, ihre Angebote in den fraglichen
Positionen mehrdeutig zu halten, um Spielraum dafür zu gewinnen, den Auftraggeber
während der Bauausführung mit nachteiligen Alternativen konfrontieren zu können. Die
Zusätze sind vielmehr allenfalls als bloße Eindeutigkeitsmängel ohne
besonderen konkreten rechtsgeschäftlichen Inhalt zu verstehen, zu denen es
möglicherweise u. a. deshalb gekommen ist, weil die Auftrag selbst in den von
ihnen erstellten Verdingungsunterlagen ganz häufig bestimmte geforderte
Leistungsinhalte auf die gleiche Weise beschreiben, indem sie ein bestimmtes
Leitprodukt "oder ein gleichwertiges" vorgeben. Es liegt auch nicht fern, dass solche
unpräzisen Bieterangaben teilweise dem Umstand geschuldet sind, dass die Bieter bei
der Erstellung ihrer Angebote bei Ausschreibungen mit so umfangreichen
Leistungsverzeichnissen wie hier unter hohem Zeitdruck stehen und es gerade bei so
untergeordneten Positionen, wie sie hier in Rede stehen, leicht zu flüchtigen
Versäumnissen kommt, die mit dem sofortigen Ausschluss des Angebots zu
sanktionieren in keinem vernünftigen Verhältnis zur Bedeutung solcher Nachlässigkeiten
stünde. Das gilt umso mehr, als die Bieter vielfach gezwungen sein werden, bei
verschiedenen Herstellern Nachfrage zu halten, ob die vorgesehenen Produkte (noch)
verfügbar sind. Im Übrigen kann sich gerade bei längeren Bauvorhaben an dieser
Verfügbarkeit, etwa infolge von Modellwechseln oder auf Grund ähnlicher Umstände
etwas ändern.
Handelt es sich lediglich um mehrdeutige Angaben, so ist zu bedenken, dass die
vom Bundesgerichtshof gebildeten Rechtssätze (oben IX.) keine Anhaltspunkte für die
Annahme bieten, dass damit ausgesprochen werden sollte, die geforderte Eindeutigkeit
müsse sich – unter Ausschluss jeglicher nachträglichen Erörterungsmöglichkeit der
Beteiligten – abschließend aus dem eingereichten Angebot selbst ergeben. Für ein
solches Verständnis dieser Rechtssätze besteht umso weniger Anlass, als § 24 VOB/A
Verhandlungen nach Angebotseröffnung u. a. zu dem Zweck vorsieht, inhaltliche Zweifel
über die Angebote auszuräumen. Der vorlegende Senat sieht in dieser Bestimmung ein
Korrektiv, das geeignet aber auch notwendig ist, um vermeidbare Unzulänglichkeiten der
starren Förmlichkeit, auf die die "Vertragsverhandlungen" im Ausschreibungsverfahren
naturgemäß reduziert sind, abzumildern und abstellbare Angebotsmängel im Interesse
konstruktiver, wettbewerblich erwünschter Ergebnisse zu beheben und dem Wettbewerb
abträgliche Konsequenzen nach Möglichkeit abzuwenden. Deshalb wäre es nach Ansicht
des Senats zwanglos zulässig, Zweideutigkeiten, wie sie hier in Rede stehen, im Wege
eines Aufklärungsgesprächs auszuräumen.
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XI.
Aufklärungsgespräche könnten sogar dann für statthaft gehalten werden, wenn die hier
interessierenden Angebotspassagen dahin aufzufassen wären, dass die Antragstellerin
sich damit spätere Lieferanten- bzw. Fabrikatswechsel habe vorbehalten wollen. Unter
dieser Prämisse erscheint die bisherige Rechtsprechung mehrerer Vergabesenate, die
auch in der Literatur befürwortet wird und die durchaus nicht in Widerspruch zur
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (oben X.) stehen muss, für sachgerecht,
wonach fehlende Angaben oder Erklärungen dann nachgeholt werden können, wenn dies
für den Wettbewerb unschädlich ist (vgl. BayObLG VergabeR 2003, 675, 677 mwN in Fn.
5; 680; OLG Dresden VergabeR 2004, 92, 95). Sachgerecht erscheint insoweit die
Herangehensweise des Thüringer OLG in seinen Beschlüssen vom 24. Februar 2003
(VergabeR 2003, 339 ff.) und vom 8. April 2003, beide zum Aktenzeichen 6 Verg 1/03.
Auch im vorliegenden Fall wäre ein Aufklärungsgespräch, in welchem dem Bieter
nachträglich Gelegenheit gegeben würde, sich ggfs. auf ein bestimmtes
Lieferwerk/Produkt festzulegen, ohne Verfälschung des Wettbewerbs möglich. Wie oben
dargelegt, wäre das Angebot der Antragstellerin selbst unter Berücksichtigung aller
"spekulativen" Mehrmengen immer noch das mit Abstand preiswerteste, so dass das
Wettbewerbsergebnis durch ein Aufklärungsgespräch mit einem solchen Inhalt nicht
verfälscht, den Zielen des Vergabewettbewerbs aber gedient wäre, indem der Weg
gebahnt werden könnte, das wirtschaftlichste Angebot anzunehmen.
XII.
der Antragstellerin stattzugeben. Zwar erscheint die Angebotswertung abgeschlossen;
der Senat befürwortet aber auch in solchen Fällen nicht, die Verpflichtung der
Vergabestelle zur Zuschlagserteilung an einen bestimmten Bieter auszusprechen oder
sie entsprechend zu verurteilen (so aber BayObLG VergabeR 2003, 186, 192 f.). Die
Nachprüfungsinstanzen treffen in ihren Entscheidungen die geeigneten Maßnahmen, um
Rechtsverletzungen zu beseitigen und Schädigungen der betroffenen Interessen zu
verhindern (§ 114 Abs. 1 Satz 1 GWB). Dafür reicht es aus, der Vergabestelle die erneute
Wertung aufzugeben (vgl. Beck'scher VOB/A-Komm., § 123 GWB Rn. 8).
So zu entscheiden ist der Senat auf Grund der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf
gehindert. Ob zusätzlich eine Divergenz i. S. v. § 124 Abs. 2 GWB zur Entscheidung des
OLG Dresden vom 10. Juli 2003 – Verg 16/02 (VergabeR 2003, 92 besteht) oder ob
unterschiedliche Auslegungen der in den jeweiligen Angeboten liegenden
Willenserklärungen ohne Verletzung der Pflicht zur Divergenzvorlage rechtmäßig sind,
kann danach offen bleiben.
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