Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: rechtskraft, verfahrensgegenstand, unverzüglich, leiter, anfang, form, rüge, sicherungsverwahrung, zwischenverfügung, rechtsgrundlage

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Gericht:
KG Berlin 5.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 Ws 282/05 Vollz
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 109 Abs 1 StVollzG, § 113 Abs
1 StVollzG
Strafvollzug: Unzulässigkeit des unmittelbar nach Rechtskraft
einer denselben Verfahrensgegenstand betreffenden
Neubescheidungsverpflichtung gestellten Vornahmeantrags
Leitsatz
Hat die Strafvollstreckungskammer auf einen Verpflichtungsantrag des Gefangenen
dieEntscheidung der Vollzugsbehörde aufgehoben und diese zur Neubescheidung verurteilt,
ist ein denselben Verfahrensgegenstand betreffender Vornahmeantrag des Gefangenen, den
dieser bereits neun Tage nach Rechtskraft des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer
gestellt hat, unzulässig. Er bleibt wegen seiner von Anfang an bestehenden Unzulässigkeit
auch nach Ablauf von drei Monaten unzulässig.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt Tegel wird der Beschluß
des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 22. April 2005 (nicht: 2004) -
mit Ausnahme der Bestimmung des Streitwerts - aufgehoben.
Der Antrag des Gefangenen vom 9. Dezember 2004, „den Antragsgegner im Wege
eines Vornahmeantrages zu verpflichten, den Antragsteller in Sachen
Selbstbeschäftigung unverzüglich neu zu bescheiden“, wird als unzulässig
zurückgewiesen.
Der Gefangene hat die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen.
Gründe
Der Antragsteller verbüßte bis zum 20. Februar 2005 eine Freiheitsstrafe in der
Justizvollzugsanstalt Tegel. Seitdem wird dort die Sicherungsverwahrung vollzogen. In
dem durch seinen Antrag vom 21. November 2003 eingeleiteten Verfahren 541 StVK
(Vollz) 990/03 hatte die Strafvollstreckungskammer mit Beschluß vom 16. August 2004
den Leiter der Justizvollzugsanstalt Tegel verpflichtet, das von ihm zuvor abgelehnte
Begehren des Gefangenen auf Genehmigung der Selbstbeschäftigung zur Fertigstellung
mehrerer Bücher neu zu bescheiden. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt focht diesen
Beschluß zunächst mit der Rechtsbeschwerde an, nahm diese aber am 30. November
2004 zurück, so dass die Entscheidung des Landgerichts am 1. Dezember 2004
Rechtskraft erlangte.
Mit dem Antrag vom 9. Dezember 2004 begehrte der Gefangene daraufhin, ihn „in
Sachen Selbstbeschäftigung“ unverzüglich zu bescheiden. Der Teilanstaltsleiter
beschied den Beschwerdeführer am 14. Dezember 2004, er entspreche dem Antrag auf
Selbstbeschäftigung „grundsätzlich“, müsse aber noch prüfen, ob der Gefangene
hieraus ein Entgelt erzielen könne.
Am 27. Januar 2005 fand ein Orts- und Anhörungstermin in der Justizvollzugsanstalt
Tegel statt, an dem der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer, der Gefangene,
dessen Verteidiger und der Teilanstaltsleiter III teilnahmen. Gegenstände der Erörterung
waren die Habe des Gefangenen in der Hauskammer, sein Haftraum, die
Selbstbeschäftigung und die bislang versagte Erlaubnis, einen Computer zu benutzen.
Zur Selbstbeschäftigung erklärte der Teilanstaltsleiter, der Gefangene müsse noch
Unterlagen zur Tätigkeit, zum Arbeitgeber und zum erwarteten Honorar einreichen.
Danach werde sein Antrag wohlwollend geprüft werden.
Am 1. Februar 2005 übersandte die Strafvollstreckungskammer der Anstaltsleitung,
dem Verteidiger und dem Gefangenen jeweils eine Abschrift des Vermerks über den
Orts- und Anhörungstermin. Das an die Anstalt gerichtete Anschreiben enthielt den
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Orts- und Anhörungstermin. Das an die Anstalt gerichtete Anschreiben enthielt den
Zusatz: „Ich bitte um Mitteilung des Sachstandes insbesondere hinsichtlich des
Haftraums und der Hauskammer.“ Das an den Gefangenen gerichtete Anschreiben
hingegen enthielt folgenden Zusatz: „Ich bitte um Mitteilung des Sachstandes
insbesondere hinsichtlich des Haftraums und der Hauskammer und der
Selbstbeschäftigung“ (Unterstreichung durch den Senat).
Daraufhin schrieb der inzwischen in die Sicherungsverwahrung überführte Antragsteller
am 23. Februar 2005, die Selbstbeschäftigung sei trotz unverzüglicher Vorlage der
Honorar- bzw. Gewinnbescheinigung nicht umgesetzt worden.
Die Justizvollzugsanstalt nahm in dieser Sache zu dem Terminsvermerk keine Stellung;
das Schreiben des Gefangenen erhielt sie nicht.
Am 22. April 2004 beschloß die Strafvollstreckungskammer, die Justizvollzugsanstalt zu
verpflichten, den Antragsteller neu zu bescheiden. Dabei blieb ihr verborgen, dass die
Vollzugsbehörde den Antrag bereits am 9. März 2005 abgelehnt hatte, was inzwischen
Gegenstand des mit Beschluß vom 18. Juli 2005 im ersten Rechtszug abgeschlossenen
Verfahrens 541 StVK (Vollz) 201/05 geworden ist.
Mit der Rechtsbeschwerde beanstandet der Leiter der Justizvollzugsanstalt Tegel die
Verletzung von Verfahrensvorschriften und des sachlichen Rechts. Mit der
Verfahrensrüge behauptet er eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens.
Dem Schreiben der Kammer vom 1. Februar 2005 einschließlich des beigefügten
Terminsvermerks sei nicht zu entnehmen gewesen, dass eine Stellungnahme der
Anstalt zu diesem Thema erwartet werde. Mit den als Sachrüge zu wertenden
Ausführungen (§ 120 Abs. 1 StVollzG, § 300 StPO) rügt er im Wesentlichen, die Kammer
habe den Rechtsstreit zu unrecht nicht für erledigt erklärt. Das Verfahren habe sich
zunächst durch den Bescheid vom 14. Dezember 2004 und spätestens durch den von
der Kammer übersehenen Bescheid vom 9. März 2005 erledigt. Erwüchse der Beschluß
in Rechtskraft, müßte die Vollzugsbehörde in derselben Sache zwei selbständig
anfechtbare Maßnahmen erlassen.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Der Senat läßt es zur Wahrung der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu (§ 116 Abs. 1 StVollzG); denn die Handhabung der
Strafvollstreckungskammer führt zu der Unzuträglichkeit, dass die Justizvollzugsanstalt
verpflichtet würde, über denselben Streitgegenstand zweimal zu entscheiden.
I. Verfahrensrüge
Die Verfahrensrüge könnte unerörtert bleiben, weil die Sachrüge durchgreift. Der Senat
bemerkt gleichwohl folgendes:
1. Die Rüge ist in unzulässiger Form erhoben; denn sie entspricht nicht dem der
Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nachgebildeten § 118 Abs. 2 StVollzG. Danach
sind „die den Mangel enthaltenden Tatsachen“ anzugeben. Das hat so vollständig zu
geschehen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründung des
Rechtsmittels ohne Rückgriff auf die Akten entscheiden kann, ob der gerügte
Verfahrensmangel - wenn er bewiesen wird - tatsächlich vorliegt (vgl. Meyer-Goßner,
StPO 48. Aufl., § 344 Rdn. 24 mit Nachw.). Der Anstaltsleiter rügt hier die Verletzung des
fairen Verfahrens und bezieht sich dabei auf ein Terminsprotokoll vom 27. Januar 2005
und ein gerichtliches Schreiben vom 1. Februar 2005, teilt aber deren Inhalte nicht mit.
Verfahrensrügen müssen indes ohne Bezugnahmen und Verweisungen begründet
werden (vgl. Meyer-Goßner, § 344 StPO Rdn. 21 mit Nachw.). Das gilt für Rügen der
Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. Senat, Beschluß vom 8. Dezember 1999 - 5 Ws
700/99 Vollz - mit Nachw.) ebenso wie für solche, die das Fehlen der gebotenen Fairneß
beanstanden.
2. Wäre die Rüge in zulässiger Form erhoben worden, hätte sie Erfolg gehabt. Die
Strafvollstreckungskammer hat der Vollzugsbehörde das rechtliche Gehör versagt.
Anders als den Gefangenen hat sie in dem Schreiben vom 1. Februar 2005 die Behörde
gerade nicht aufgefordert, zur Selbstbeschäftigung Stellung zu nehmen, sondern
ausdrücklich andere Themen genannt. Alsdann hat sie die Stellungnahme des
Gefangenen der Anstalt nicht mitgeteilt, so dass diese darauf nicht reagieren konnte. Im
Ergebnis hat das dazu geführt, dass der Kammer der Bescheid vom 9. März 2005
verborgen blieb.
II. Sachrüge
Die Sachrüge hat Erfolg. Allerdings war die Sache nicht für erledigt zu erklären. Denn das
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Die Sachrüge hat Erfolg. Allerdings war die Sache nicht für erledigt zu erklären. Denn das
hätte einen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorausgesetzt. Der Antrag
des Gefangenen war aber von Anfang an unzulässig.
1. Über sein Begehren war bereits in dem Verfahren 541 StVK (Vollz) 990/03
entschieden worden. Nachdem der Beschluß am 1. Dezember 2004 rechtskräftig
geworden war, bildete die dort getroffene Anordnung der Strafvollstreckungskammer,
der Anstaltsleiter habe über den Verfahrensgegenstand erneut zu entscheiden, die
alleinige Rechtsgrundlage für den Anspruch des Gefangenen. Gleichzeitig bestimmte sie
den Inhalt und begrenzte die Reichweite dieses Anspruchs. Ein rechtliches Interesse, die
Anstalt in zwei Parallelverfahren hinsichtlich desselben Verfahrensgegenstandes zu
verpflichten, besteht nicht.
2. a) In Frage kam nur, die Anstalt mittels eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung
(§ 109 Abs. 1 StVollzG) zu veranlassen, die ihr in jenem Verfahren auferlegten Pflichten
zu befolgen. Zu einem solchen - von dem Beschwerdegegner auch so bezeichneten -
Vornahmeantrag (Untätigkeitsantrag) ist der Gefangene gemäß § 113 Abs. 1 StVollzG
nach Ablauf von drei Monaten auch dann berechtigt, wenn er dasselbe Begehren zuvor
zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens vor der Strafvollstreckungskammer
gemacht hatte (vgl. OLG Celle NStZ 1990, 207). Ob sich diese Frist im Streitfall nach §
113 Abs. 1 Halbsatz 2 StVollzG verkürzt, weil das Verfahren, das zu der Verpflichtung
des Anstaltsleiters geführt hatte, bereits etwas mehr als ein Jahr gedauert hatte, kann
dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist es von vornherein gänzlich ausgeschlossen,
einem Gefangenen zu erlauben, sich lediglich neun Tage, nachdem die Verpflichtung
rechtskräftig geworden war, erneut an das Gericht zu wenden. Die
Strafvollstreckungskammer hätte dessen Verlangen unverzüglich als unzulässig
zurückweisen müssen.
b) Der Antrag wurde schon wegen seiner von Anfang an bestehenden Unzulässigkeit
auch in der Folgezeit nicht zulässig. Er hätte aber auch zu einem späteren,
angemessener erscheinenden Zeitpunkt nicht zulässig gestellt werden können. Denn
der Anstaltsleiter hatte bereits am 14. Dezember 2004 eine Zwischenverfügung
getroffen, die das Verfahren zwar nicht erledigte, dessen Ablauf aber förderte. Danach
vergingen keine drei Monate mehr, bis der Anstaltsleiter der Verpflichtung zur
Neubescheidung am 9. März 2005 nachkam, nachdem ihm die erforderten Unterlagen
und Informationen zugegangen waren. Ob dieser Bescheid inhaltlich der Überprüfung
standhält, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1, 4 StVollzG, § 465 Abs. 1 Satz 1
StPO.
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