Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: eigentümer, versammlung, einheit, abrechnung, verwaltungsvermögen, verrechnung, offenkundig, ermessen, quelle, link

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Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 W 195/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 16 Abs 2 WoEigG, § 28 Abs 3
WoEigG, § 28 Abs 5 WoEigG, § 27
Abs 1 S 2 FGG, § 559 ZPO
Wohnungseigentumsrecht: Spätere Korrektur der
Jahresabrechnung durch Mehrheitsbeschluss
Leitsatz
Beschließen die Wohnungseigentümer, einen Gesamtbetrag wegen "doppelt abgerechneter
Kosten" allgemein in den Jahresabrechnungen 1997 und 1998 den Eigentümern
"gutzubuchen", diesen Betrag zunächst nach dem Ursprung auf die betroffenen Häuser und
danach nach Miteigentumsanteilen auf die Eigentümer aufzuteilen, sind allenfalls die
Gesamtabrechnungen 1997 und 1998 bereits geändert, während die modifizierten
Einzelabrechnungen erst noch beschlossen werden müssen und zunächst noch nicht
geändert sind.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen und dem
Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft die außergerichtlichen Kosten dritter Instanz zu
erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 161.703,59 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsgegner ist Eigentümer der Teileigentumseinheit Nr. 350 der Wohnanlage.
Sein Miteigentumsanteil beträgt 17.071,55/100.000. Seine Eintragung als Eigentümer in
das Grundbuch erfolgte am 25. November 1998. Die weiteren Beteiligten sind die
übrigen Wohnungseigentümer in der genannten Anlage, die aus insgesamt 438
Einheiten besteht.
Die Antragstellerin ist die Verwalterin der Wohnanlage, die nach der Teilungserklärung
das Recht hat, die von den Eigentümern an die Gemeinschaft zu entrichtenden Beiträge
einzuziehen und diese gegenüber einem säumigen Eigentümer auch im eigenen Namen
gerichtlich geltend zu machen. In der Gemeinschaftsordnung ist auch eine
Erwerberhaftung (ausgenommen der Erwerb durch Zuschlag in der
Zwangsversteigerung) vorgesehen.
In der Eigentümerversammlung vom 21. Februar 1999 beschlossen die Eigentümer zu
TOP 6 die Jahresabrechnung für 1997, die für die Teileigentumseinheit Nr. 350 einen
Nachzahlungsbetrag von 213.894,97 DM ergab und nicht angefochten wurde.
In der Eigentümerversammlung vom 11. März 2000 beschlossen die Eigentümer zu TOP
3 die Gesamt- und Einzelabrechnungen für 1998, wonach auf die Einheit Nr. 350 gemäß
der Einzelabrechnung vom 22. Februar 2000 ein Nachzahlungsbetrag von 91.793,26 DM
entfällt. In derselben Versammlung beschlossen die Eigentümer zu TOP 5 die Gesamt-
und Einzelwirtschaftspläne für das Wirtschaftsjahr 2000. Auf die Teileigentumseinheit Nr.
350 des Antragsgegners entfiel ein monatliches Wohngeld in Höhe von 19.114,00 DM.
Außerdem beschlossen die Eigentümer in der Versammlung vom 11. März 2000 zu TOP
6 eine Sonderumlage in Höhe von 236.000,00 DM, fällig bis zum 7. April 2000, zur
Tilgung nicht gezahlter Rechnungen aus dem Jahre 1998. Auf die Einheit Nr. 350
entfallen davon 40.288,80 DM.
Ferner beschlossen die Eigentümer in dieser Versammlung zu TOP 7 eine weitere
Sonderumlage in Höhe von 462.000,00 DM, fällig ebenfalls am 7. April 2000, zur Tilgung
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Sonderumlage in Höhe von 462.000,00 DM, fällig ebenfalls am 7. April 2000, zur Tilgung
von Schulden aus dem Jahre 1999. Auf die Teileigentumseinheit Nr. 350 entfallen
78.870,53 DM.
Schließlich beschlossen die Eigentümer in dieser Versammlung zu TOP 8 eine weitere
Sonderumlage in Höhe von 485.000,00 DM, ebenfalls fällig bis zum 7. April 2000, zur
Beseitigung baulicher Mängel am Gemeinschaftseigentum. Auf die Einheit Nr. 350
entfallen 82.797,02 DM.
Die vorgenannten Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 11. März 2000 sind
seitens des Antragsgegners gerichtlich angefochten worden (70 II (WEG) 24/00
Amtsgericht Köpenick = 85 T 18/01 WEG Landgericht Berlin). Dieses
Beschlussanfechtungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. In der Verhandlung vom
24. Juli 2001 wurde im Hinblick auf die Einigungsbemühungen der Beteiligten festgelegt,
dass neuer Verhandlungstermin nur auf Antrag anberaumt werden sollte. Ein derartiger
Antrag ist bisher nicht gestellt worden.
Die Antragstellerin macht gegen den Antragsgegner in dem vorliegenden Verfahren
Ansprüche in Verfahrensstandschaft geltend. Sie hat zunächst 213.894,97 DM aus der
Jahresabrechnung 1997 geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2000 hat sie ihr
Begehren insoweit um 71.638,80 DM beschränkt, und zwar im Hinblick auf Zahlungen
des Antragsgegners in dieser Höhe aus dem Jahre 1999. Mit demselben Schriftsatz hat
sie zugleich die Anträge um 358.205,63 DM erweitert. Insoweit verlangt sie Zahlung in
Höhe von 91.793,26 DM aus der Jahresabrechnung 1998, weiter die drei am 11. März
2000 beschlossenen Sonderumlagen in Höhe von insgesamt 201.956,37 DM und
schließlich Wohngeld für die Monate Januar bis April 2000 in Höhe von 64.456,00 DM. Sie
verlangt für Januar, Februar und April 2000 jeweils 19.114,00 DM und für März 2000 im
Hinblick auf eine bereits geleistete Zahlung des Antragsgegners in Höhe von 12.000,00
DM restliche 7.114,00 DM.
Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 14. Juli 2000 verpflichtet, an
die Antragstellerin zugunsten der Eigentümergemeinschaft 500.461,80 DM nebst 4 %
Zinsen auf 142.256,17 DM seit dem 9. März 2000 und auf 358.205,63 DM seit dem 29.
Mai 2000 zu zahlen.
Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichtes hat sich die Erstbeschwerde des
Antragsgegners insoweit gerichtet, als er verpflichtet worden ist, Zahlung auf die
Jahresabrechnungen 1997 und 1998 sowie auf die zu TOP 8 der
Eigentümerversammlung vom 11. Februar 2000 beschlossene Instandhaltungsumlage
zu leisten. Die Jahresabrechnungen 1997 und 1998 würden so gravierende Fehler
enthalten, dass sie nichtig seien. Der zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 11.
Februar 2000 gefasste Beschluss verstoße gegen § 8 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Erstbeschwerde des
Antragsgegners zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners
bleibt erfolglos.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG
zulässig, jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Der angefochtene Beschluss enthält
keine Rechtsverletzung (§ 27 Abs. 1 FGG).
Ohne Rechtsirrtum hat das Landgericht den Antragsgegner zur Zahlung von 142.256,17
DM aus der Jahresabrechnung für 1997 verpflichtet. Der Eigentümerbeschluss vom 21.
Februar 1999 zu TOP 6 ist nicht angefochten worden und somit bestandskräftig. Auch
unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Antragsgegners ist er nicht
nichtig. Nach der Gemeinschaftsordnung besteht eine Erwerberhaftung. Die vom
Antragsgegner behaupteten formellen und inhaltlichen Mängel machen den Beschluss
nicht nichtig. Insoweit waren Beweise nicht zu erheben. Nach dem Sachvortrag des
Antragsgegners bis einschließlich zur zweiten Instanz war es auch nicht geboten, weitere
Ermittlungen anzustellen.
Rechtlich einwandfrei hat das Landgericht der Eigentümergemeinschaft gegen den
Antragsgegner auch den Anspruch auf Zahlung aus der Jahresabrechnung 1998 in Höhe
von 91.793,21 DM zugesprochen. Auch hier ist der Eigentümerbeschluss vom 11. März
2000 nicht für ungültig erklärt worden und auch nicht nichtig.
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch den Anspruch der Gemeinschaft gegen den
Antragsgegner in Höhe der zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 11. März 2000
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Antragsgegner in Höhe der zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 11. März 2000
beschlossenen Sonderumlage in Höhe von 82.797,02 DM für begründet angesehen.
Auch wenn dieser Beschluss angefochten worden ist (vgl. das noch nicht
abgeschlossene Parallelverfahren 70 II 24/00 Amtsgericht Köpenick = 85 T 18/01
Landgericht Berlin) ist dieser Beschluss bis zu einer evtl. Ungültigerklärung wirksam, so
dass er eine Anspruchsgrundlage gegen den Antragsgegner darstellt.
Das Vorbringen des Antragsgegners in der Rechtsbeschwerdebegründung ist nicht
geeignet, Rechtsfehler des Landgerichts erkennen zu lassen. Den vom Antragsgegner
vorgebrachten Sachverhalt bis einschließlich zur zweiten Instanz hat das Landgericht
ausreichend gewürdigt und weitere Ermittlungen nicht für erforderlich angesehen. An die
verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ist der Senat als
Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG in Verbindung mit § 559 ZPO
gebunden. Der teilweise neue Sachvortrag des Antragsgegners gebietet demgemäß
auch keine weiteren Ermittlungen, die ohnehin nur im Zuge einer Zurückverweisung an
das Landgericht möglich wären.
Aus dem Parallelverfahren 70 II 24/00 Amtsgericht Köpenick = 85 T 18/01 Landgericht
Berlin ergibt sich, wie gesagt, dass das Beschlussanfechtungsverfahren noch nicht
beendet ist. Soweit in der beigezogenen Parallelakte das Protokoll der
Eigentümerversammlung vom 17. November 2001 vorgelegt worden ist, ergibt sich
nicht, dass die aus den Jahresabrechnungen 1997 und 1998 gegen den Antragsgegner
aufgestellten Einzelabrechnungen inzwischen durch einen an sich zulässigen
Zweitbeschluss aufgehoben worden sind. Soweit der Versammlungsniederschrift vom
17. November 2001 zu folgen ist, wurde zu TOP 11 folgender Beschluss gefasst und
verkündet:
„Die Eigentümergemeinschaft beschließt, den Betrag von 315.174,69 DM der in
der Abrechnung 1997 und danach nochmals in der Abrechnung 1998 auf die Eigentümer
verteilt wurde bzw. Kosten beinhaltet, die von Drittkonten bezahlt aber gegenüber den
Eigentümern 1997 abgerechnet wurden, den Eigentümern Gutzubuchen. Die Verteilung
des Betrages erfolgt zunächst nach dem Ursprung auf die betroffenen Häuser und
danach nach Miteigentumsanteilen auf die Eigentümer. Eine Auszahlung des
gutgebuchten Betrages an die Eigentümer soll nur bei ausgeglichenem Hausgeldkonto
erfolgen. Sind Eigentümer mit ihren Hausgeldzahlungen im Verzug, erfolgt eine
Verrechnung in Höhe des Rückstandes.“
Der zitierte Eigentümerbeschluss enthält allenfalls in Bezug auf die
Gesamtabrechnungen für die Wirtschaftsjahre 1997 und 1998 einen
Grundsatzbeschluss, dass in den Gesamtabrechnungen der genannte Betrag von
315.174,69 DM herausgenommen werden soll. Mit dieser Beschlussfassung (ihre
Nichtanfechtung unterstellt) sind die Einzelabrechnungen der Wohnungseigentümer,
insbesondere auch im Hinblick auf die Teileigentumseinheit Nr. 350 noch nicht
abgeändert worden. Dazu sind die Vorgaben nicht hinreichend präzise. Denn die
Verteilung des Gesamtbetrages sollte zunächst nach dem Ursprung auf die betroffenen
Häuser und danach nach Miteigentumsanteilen auf die Eigentümer verteilt werden.
Offenkundig erforderte dieser Grundsatzbeschluss noch einen weiteren
Ausführungsbeschluss mit der Festlegung der Einzelbeträge.
Trotz der seit dem 17. November 2001 verstrichenen fast vier Jahre hat nicht einmal der
Antragsgegner selbst probeweise vorgerechnet, welche Anteile des Gesamtbetrages auf
ihn entfallen würden und von der Gemeinschaft pflichtgemäß fallengelassen werden
müssten. Im Gegenteil hat der anwaltlich vertretene Antragsgegner mit Schriftsatz vom
30. September 2005 auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass zwischenzeitlich keine
anderweitigen Eigentümerbeschlüsse über die Jahresabrechnungen 1997 und 1998
sowie über die Sonderumlage vom 11. Februar 2000 gefasst worden sind. Damit muss
es vorerst bei den von den Vorinstanzen ausgesprochenen Zahlungsverpflichtungen des
Antragsgegners verbleiben. Im Falle eines konkretisierenden Eigentümerbeschlusses
mag eine Vollstreckungsgegenklage des Antragsgegners analog § 767 ZPO möglich
sein.
Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsgegner die Gerichtskosten dritter
Instanz trägt und dem Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft die außergerichtlichen
Kosten dritter Instanz erstattet.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der des
Landgerichts.
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