Urteil des KG Berlin vom 21.06.2005

KG Berlin: ablauf der frist, ergänzung, anfechtung, belastung, ausbildung, daten, verfahrenskosten, ausnahme, hinweispflicht, sammlung

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Gericht:
KG Berlin 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 AR 1296/05 - 3 Ws
552/05, 1 AR
1296/05, 3 Ws 552/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 51 Abs 1 StPO
Ausbleiben des Zeugen: Pflicht des nicht erschienenen Zeugen
zur Tragung der durch sein Ausbleiben verursachten Kosten
Leitsatz
Einem nicht zur Hauptverhandlung erschienenen Zeugen können auch dann noch die durch
sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden, wenn das Strafverfahren
zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen wurde.
Tenor
Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 21.
Juni 2005 wird verworfen.
Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den damaligen Angeklagten wegen
vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und auf bestimmte Zeit eine Sperre für die
Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Das Landgericht hat seine Berufung –
inzwischen rechtskräftig – mit der Maßgabe verworfen, dass es die Freiheitsstrafe durch
eine Geldstrafe ersetzt hat. Im Kostenpunkt hat es ihm die Verpflichtung auferlegt, die
Kosten des Berufungsverfahrens und die ihm insoweit entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Das Berufungsurteil stützt sich erkennbar auf die Bekundungen der an der zugrunde
liegenden Verkehrskontrolle beteiligt gewesenen Zeugin F. Der Angeklagte hat von
seinem Recht, nicht zur Sache auszusagen, Gebrauch gemacht. Im ersten Termin zur
Verhandlung über die Berufung, am 5. Oktober 2004, hat sich das Landgericht auf das
Ausbleiben der Zeugin F. hin veranlasst gesehen, die Hauptverhandlung auszusetzen.
Die Berufungsverhandlung konnte erst in einem neuen Termin am 18. November 2004
durchgeführt werden, in dem die Zeugin zur Verfügung stand. Das Ausbleiben der
Zeugin F. im Termin am 5. Oktober 2004, die ihn nach ihrer Mitteilung per Telefax vom
selben Tage „verpasst“ hat, ist von Seiten des Gerichts für sie folgenlos geblieben.
Der Verurteilte will erreichen, dass 617,70 Euro an Anwaltskosten, die ihm nach seiner
Berechnung – einschließlich Mehrwertsteuer – durch das vergebliche Erscheinen vor
Gericht in Begleitung seines Verteidigers am 5. Oktober 2004 erwachsen sind, nicht zu
seinen Lasten gehen, sondern der ausgebliebenen Zeugin F. als der Verursacherin
auferlegt werden. Er hat durch Schreiben seines Verteidigers vom 11. Dezember 2004
beantragt, seine notwendigen Auslagen aufgrund der Hauptverhandlung am 5. Oktober
2004 in Höhe von 617,70 Euro der Zeugin F. aufzuerlegen. Nach der Klärung, dass das -
zunächst als sofortige Beschwerde gegen die Auslagenentscheidung des
Berufungsurteils behandelte – Begehren der Sache nach einen in die
Entscheidungszuständigkeit des Landgerichts fallenden Antrag darstellt, der Zeugin
nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StPO die durch ihr Ausbleiben verursachten – im Einzelnen dann
im Festsetzungsverfahren nach § 464b StPO zu bestimmenden - Kosten aufzuerlegen,
hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss darüber entschieden. Es hat den
Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete zulässige Beschwerde des Verurteilten
bleibt ohne Erfolg.
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden.
Der Senat vermag dem Landgericht allerdings nicht in seiner Rechtsansicht zu folgen,
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Der Senat vermag dem Landgericht allerdings nicht in seiner Rechtsansicht zu folgen,
dass der Antrag unzulässig ist, weil der Verurteilte sein Begehren mit der – wegen
Fristablaufs nicht mehr möglichen - Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung
des Urteils hätte geltend machen müssen. Dem Rechtsanspruch (vgl. BayVerfGH JR
1966, 195, 197) des Angeklagten darauf, durch einen Beschluss nach § 51 Abs. 1 Satz 1
StPO von den Kosten freigestellt zu werden, die durch nicht genügend entschuldigtes
Ausbleiben eines ordnungsgemäß geladenen Zeugen entstehen, kann auch noch nach
Ergehen des Urteils - und nach Ablauf der Frist für die Anfechtung der
Kostenentscheidung - durch einen entsprechenden Gerichtsbeschluss Genüge getan
werden. Er reicht allein für sich als Grundlage für die Kostenentlastung aus. Denn nach
gewandelter Rechtsauffassung bedarf es, um im Umfang der Belastung des Zeugen als
Angeklagter entlastet zu werden, nicht eigens einer Einschränkung der
Kostentragungspflicht in der Urteilsformel, weshalb auch keine dahingehende Ergänzung
der Kostenentscheidung des Urteils verlangt werden kann und die auf solche Ergänzung
zielende sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung selbst bei rechtzeitiger
Einlegung sogar unzulässig wäre (vgl. BGHSt 43, 146, 148, unter Aufgabe von BGHSt 10,
126; OLG Dresden NStZ-RR 2000, 30, 31; KG, Beschluss vom 30. Mai 2002 – 4 Ws
143/01 -; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 465 Rdn. 4). Die in einem Gerichtsbeschluss
nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StPO geregelte Kostenfolge tritt neben die Kostenentscheidung
des Urteils und ergänzt sie. Der Kostenausspruch des Urteils gegen den Angeklagten
trägt schon die Beschränkung auf die Verfahrenskosten, die nicht durch einen
Gerichtsbeschluss einem Dritten auferlegt worden sind, in sich.
Dem Antrag, der Zeugin F. durch gerichtlichen Ausspruch die durch ihr Ausbleiben am 5.
Oktober 2004 verursachten Kosten aufzuerlegen, kann aber aus einem anderen Grunde
als von dem Landgericht angenommen nicht entsprochen werden.
Eine derartige Belastung des ausgebliebenen Zeugen setzt seine ordnungsgemäße
Ladung voraus. Dazu gehört nach § 48 StPO, dass diese unter Hinweis auf die
gesetzlichen Folgen des Ausbleibens – darunter eben auch die hier in Rede stehende
Kostenfolge – geschieht. Dass die Zeugin F. unter Vornahme eben dieses Hinweises
geladen worden ist, lässt sich nicht feststellen. Ausweislich der Akten (Beschwerdeband
Bl. 132-134) ist sie zu dem Termin am 5. Oktober 2004 per Telefax vom 10. August 2004
geladen worden, das an ihre Polizeidienststelle in Hamburg gesendet worden ist. Es
umfasste ohne das – nur Adressen- und Datenangaben enthaltende – Vorblatt zwei
Seiten. Die eine bestand aus einem - nicht eigentlich zur Ladung zugehörigen –
Schreiben des Strafkammervorsitzenden vom 5. August 2004 mit der Bitte an die
Zeugin um bestimmte nähere Angaben. Die andere enthielt die eigentliche Ladung in
Gestalt der mit allen wesentlichen Daten zu Zeit und Ort des Vernehmungstermins
versehenen Vorderseite des gebräuchlichen Ladungsvordrucks StP 211. Sie enthielt
unten als letzten Satz eben noch die Aufforderung: “Bitte lesen Sie unbedingt die
Hinweise auf der Rückseite, damit Ihnen vermeidbare Nachteile erspart bleiben.“ Die
Rückseite mit den Hinweisen selbst, darunter demjenigen auf die gesetzlichen Folgen
des unentschuldigten Ausbleibens, ist aber nicht mit übermittelt worden. Andernfalls
hätte die im Vorblatt ausgewiesene Seitenzahl ohne Vorblatt auch nicht nur „2“,
sondern „3“ gelautet.
Daran, dass aufgrund des Fehlens des Hinweises nach § 48 StPO, die Ladung nicht als
ordnungsgemäß behandelt und demzufolge die Zeugin nicht mit den Kosten ihres
Ausbleibens belastet werden kann, ändert es nichts, dass es sich bei ihr um eine
Polizeibeamtin handelt. Obwohl bei ihr als solcher aufgrund der Ausbildung und der -
wenn auch angesichts des Lebensalters von 28 Jahren am Terminstag 18. November
2004 noch nicht besonders langen – Berufspraxis vorausgesetzt werden kann, dass sie
die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens ohnehin kannte, sieht das Gesetz für einen
solchen Fall doch keine Ausnahme von der Hinweispflicht vor (vgl. KG, Beschluss vom 13.
November 2000 – 4 Ws 200/00 – Juris, betreffend pensionierten Polizeibeamten).
Die Kosten seiner nach alledem erfolglosen Beschwerde hat der Verurteilte nach § 473
Abs. 1 Satz 1 StPO zu tragen.
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