Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: treu und glauben, architektenvertrag, beendigung, auskunftspflicht, verzicht, abrechnung, erstellung, vergleich, nachforderung, bindungswirkung

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Gericht:
KG Berlin 7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 45/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 260 BGB, § 649
BGB, § 666 BGB, § 675 BGB
Umfang der Auskunftspflicht des Architekten nach vorzeitiger
Beendigung des Vertragsverhältnisses
Leitsatz
Der Auftraggeber hat gegenüber dem Architekten einen Anspruch auf Vorlage eines
Bestandverzeichnisses über den Schriftwechsel mit den am Bau beteiligten Firmen gemäß §§
675, 666 BGB. Der Inhalt der Auskunft ist nach den Grundsätzen des § 242 BGB zu
bestimmen. Danach trifft den Architekten eine umfassende Auskunftspflicht, die den
Bauherrn nach vorzeitiger Beendigung des Architektenvertrages in die Lage versetzt soll,
seine Ansprüche gegenüber den Baufirmen durchzusetzen. Dazu benötigt er den vom
Architekten mit den Baufirmen geführten Schriftwechsel, den der Architekt auch herausgeben
muss.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. Februar 2005 verkündete Teilurteil der
Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin - 29 O 596/04 – wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V.
m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen
Erfolg, denn das Landgericht hat sowohl dem mit der Klage verfolgten Zahlungsanspruch
als auch dem Auskunftsanspruch jedenfalls im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
Die materielle Rechtslage richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuches in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des
Schuldrechtes geltenden Fassung, denn das den Rechtsbeziehungen der Parteien
zugrundeliegende Schuldverhältnis war vor dem 1. Januar 2002 entstanden (Art. 229 § 5
EGBGB).
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der mit der Klage verfolgte Zahlungsanspruch
(3.067,75 €)bereits aus der im Rahmen des Architektenvertrages vom 8. September
1999 zwischen den Parteien geschlossenen Honorarvereinbarung in Verbindung mit der
Honorarherabsetzung vom 11. Juli 2000 auf 279.531,37 DM, der Vereinbarung über die
Aufzugsinstallation vom 12./ 22. Dezember 2002 über 20.000,00 DM, dem
Ingenieurvertrag „Elektrotechnik“ vom 10. Juli 2000 über 8.000,00 DM und dem
Ingenieurvertrag „Heizung, Lüftung, Sanitär“ vom 10. Juli 2000 über 17.000,00 DM zu.
Dabei folgt dieser Anspruch nicht aus § 812 Abs. 1 BGB, sondern unmittelbar aus den
vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, denn aus einer Vereinbarung über
Abschlagszahlungen folgt die vertragliche Verpflichtung des Auftragnehmers, seine
Leistungen abzurechnen. Der Auftraggeber hat einen vertraglichen Anspruch auf
Auszahlung eines Überschusses. Macht der Auftraggeber einen solchen Anspruch
geltend, so genügt er grundsätzlich seiner Darlegungspflicht mit dem Bezug auf die
Schlussrechnung des Auftragnehmers und dem Vortrag, dass sich daraus ein
Überschuß ergebe. Es ist dann Sache des Auftragnehmers dieser Berechnung
entgegenzutreten und nachzuweisen, dass er berechtigt ist, die Abschlagszahlungen
endgültig zu behalten (BGH BauR 2004, 1940 m. w. N.). Im vorliegenden Fall besteht
zwar die Besonderheit, dass die Beklagte zunächst keine eigene Schlussrechnung
gestellt hat, die Parteien sich aber darüber geeinigt haben, dass die Beklagte aufgrund
der Vorauszahlungen bereits überzahlt war. Darin sieht der Senat eine
Schlussrechnungsvereinbarung, an die die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben ausnahmsweise gebunden ist.
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Für die Entscheidung war es unerheblich, dass der ursprüngliche Architektenvertrag vom
8. September 1999 nicht die Klägerin, sondern die von ihrer Mutter betriebene
Hausverwaltung als Bauherrin und Vertragspartnerin ausweist. Zunächst sprechen die
Gesamtumstände dafür, dass der Vertrag unmittelbar zwischen den Parteien des
Rechtsstreits zustande gekommen ist, da das gesamte Vertragsverhältnis allein
zwischen diesen Parteien abgewickelt worden ist (unschädliche Falschbezeichnung).
Jedenfalls ist die Klägerin aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 1. Juli 2002 (Bl. 65
d. A.) berechtigt, die Ansprüche aus diesem Vertrag selbst dann im eigenen Namen
geltend zu machen, wenn der Architektenvertrag zunächst nicht mit ihr, sondern mit
ihrer Mutter zustande gekommen sein sollte.
Die Beklagte kann sich auch nicht (mehr) mit Erfolg darauf berufen, dass die
Honorarvereinbarungen gegen den Mindestpreischarakter der HOAI (§ 4 Abs. 1 HOAI)
verstoßen. Die jeweiligen Vertragsparteien hatten Pauschalhonorare vereinbart, wobei
streitig ist, ob insbesondere die Honorarherabsetzung vom 11. Juli 2000 und die darin
vereinbarte Tragwerksplanung die Schriftform im Sinne des § 4 Abs. 1 HOAI eingehalten
haben. Insoweit hat die Beklagte den Zugang eines von der Klägerin unterschriebenen
Exemplars der Vereinbarung bestritten. Der Zugang ist aber grundsätzlich erforderlich
(Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 40 Rdnr. 30).
Formfreie und den Mindestpreischarakter der HOAI außer Betracht lassende
Vereinbarungen (Vergleich, Verzicht) können in der Regel formlos erst dann getroffen
werden, wenn der Vertrag vom Architekten erfüllt ist und keine Leistungen von ihm mehr
erbracht werden müssen, weil kein Streit darüber besteht, dass das Werk mangelfrei
erbracht ist (BGH, Urteil vom 27. Februar 2003 – VII ZR 169/02 m.w.N.). Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Parteien haben sich jedoch im Wege einer Schlussrechnungsvereinbarung darüber
geeinigt, dass die Beklagte bereits überzahlt ist und der Klägerin noch ein
Rückforderungsanspruch in bestimmter Höhe zusteht.
Nach dem die Beklagte mit ihrer (Zwischen-) Rechnung vom 20. Dezember 2001
letztmals einen Teilbetrag von 2.900,00 DM angefordert hatte, stellte die Klägerin fest,
dass die Beklagte inzwischen mehr erhalten hatte, als ihr nach der Summe der
vereinbarten Pauschalhonorare insgesamt zustand. Dies teilte sie der Beklagten unter
Darlegung des Zahlenwerkes im Einzelnen mit Schreiben vom 21. Februar 2002 mit und
forderte die Beklagte auf, den Differenzbetrag von 14.605,48 DM (= 7.467,66 Euro)
zurückzuzahlen. Die Beklagte erkannte in ihrem Schreiben vom 26. Februar 2002
ausdrücklich an, dass eine Überzahlung erfolgt sei, bat aber aus finanziellen Gründen
um Zahlungsaufschub. Später zahlte sie unstreitig einen Teilbetrag von 4.399,91 Euro
zurück.
Dieser Schriftwechsel über die Honorarüberzahlung vom 21. / 26. Februar 2002 ist
ausnahmsweise als Schlussrechnungsvereinbarung zu werten.
Zwar bestand zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch die Leistungspflicht der Beklagten
aus der Leistungsphase 9 und die Klägerin hat den Vertrag erst am 16. Juli 2003
gekündigt. Die Klägerin hat aber im Schreiben vom 21. Februar 2002 im einzelnen
aufgelistet, welche Honorarforderungen der Beklagten insgesamt zustehen und eine
Überzahlung errechnet. Die Beklagte hat im Schreiben vom 26. Februar 2002 daraufhin
ausdrücklich eine Überzahlung eingeräumt, sich dafür entschuldigt und keine eigne
Schlussrechnung entgegengesetzt. Zudem hat sie einen Teilbetrag von 4.339,91 €
zurückgezahlt. Dieses Verhalten der Beklagten konnte die Klägerin nur so verstehen,
dass die Honoraransprüche der Beklagten, die auf den zuvor geschlossenen
Honorarvereinbarungen in den Verträgen beruhten und damit weder einen Vergleich
noch einen Verzicht beinhalten, endgültig abgerechnet sind. Damit ist die Beklagte nach
den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Bindung
an die Honorarschlussrechnung nicht (mehr) berechtigt, weitere Honorarforderungen zu
stellen (vgl. BGH BauR 1985, 582).
Der Bundesgerichtshof hat die Bindungswirkung des Architekten an seine
Schlussrechnung nur dann verneint, wenn der Architekt gute Gründe dafür hat,
nachträglich eine neue Schlussrechnung zu stellen und der Auftraggeber keinen
Vertrauensschutz gegen eine Nachforderung hat (BGH NJW 1993, 659 und 661). Hier
kann sich die Klägerin ausnahmsweise auf Treu und Glauben berufen, weil sie die
Abrechnung selbst vorgenommen, die Beklagte dies ausdrücklich akzeptiert und sogar
einen Teilbetrag zurückgezahlt hat.
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Folge der Abrechnung ist nicht nur, dass die Nachforderung aufgrund der erstmals mit
der Klageerwiderung vom 30. Dezember 2004 vorgelegten Schlussrechnung (Anlage B
1) unzulässig ist, sondern auch, dass die Schlussrechnungssumme aufgrund der
Bindungswirkung festgeschrieben ist. Unterschreitet die verbindlich vereinbarte
Schlussrechnungssumme den gezahlten Betrag, besteht ein vertraglicher
Rückzahlungsanspruch in Höhe des Differenzbetrages.
2. Das Landgericht hat den Auskunftsanspruch zu Recht zuerkannt. Insoweit folgt der
Senat auch der Begründung des angefochtenen Urteils.
Der Anspruch auf Vorlage eines Bestandverzeichnisses über den Schriftwechsel mit den
am Bau beteiligten Firmen folgt aus §§ 675, 666 BGB (BGHZ 41, 318, 321). Nach § 260
BGB kann die Erstellung eines Bestandsverzeichnisses verlangt werden, wenn der
Auskunftsverpflichtete zur Herausgabe eines Inbegriffs von Gegenständen verpflichtet ist
(BGH, a. a. O.). Dies trifft auch auf die Beklagte zu. Der Inhalt der Auskunft ist nach den
Grundsätzen des § 242 BGB zu bestimmen. Danach trifft den Architekten eine
umfassende Auskunftspflicht, die den Bauherrn nach vorzeitiger Beendigung des
Architektenvertrages in die Lage versetzt soll, seine Ansprüche gegenüber den
Baufirmen durchzusetzen. Dazu benötigt er den vom Architekten mit den Baufirmen
geführten Schriftwechsel, den der Architekt auch herausgeben muss (vgl. OLG Köln BauR
1991, 116 zur Überprüfung des Schlussrechnung des Architekten durch den Bauherrn).
Ohne eine Auflistung des Schriftwechsels kann die Klägerin ihren Herausgabeanspruch
gegenüber der Beklagten nicht mit der für die Zwangsvollstreckung gebotenen
Bestimmtheit beschreiben. Soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin sei im Besitz
sämtlicher Bauunterlagen, steht das dem Auskunftsanspruch nicht entgegen.
Die Klägerin hat den Erhalt der Bauunterlagen, insbesondere der Abnahmeprotokolle
bestritten. Die Beklagte hat im Rechtsstreit nicht im einzelnen vorgetragen, welche
Unterlagen sie wann an die Klägerin übergeben haben will. Gerade für die Kontrolle, ob
die Unterlagen vollständig übermittelt worden sind, benötigt die Klägerin die von ihr
verlangte Auskunft.
Das Auskunftsverlangen ist auch nicht zu unbestimmt oder rechtsmissbräuchlich. Die
Erstellung des Bestandsverzeichnisses bezieht sich auf einen konkreten
Architektenvertrag. Dabei hat es keine Bedeutung, ob der Klägerin alle Baufirmen
bekannt sind, denn sie muss über den Stand der Tätigkeit der Beklagten informiert
werden, um ihre Ansprüche gegenüber den Baufirmen durchsetzen zu können. Dabei
war insbesondere zu beachten, dass die Beklagte, wie ihr Schreiben vom 14. Januar
2003 ausweist, zunächst im Rahmen der Leistungsphase 9 tätig geworden ist, sodann
aber jegliche weitere Auskunft unterlassen hat, was schließlich am 16. Juli 2003 zur
Kündigung des Vertrages führte. Dies macht deutlich, dass es zumindest in der
Zwischenzeit zu weiterem Schriftwechsel zwischen der Beklagten und den auf
Mängelbeseitigung in Anspruch genommenen Unternehmen gekommen sein wird,
dessen Inhalt der Klägerin bekannt sein muss, um ihrerseits die begonnene
Nachbesserung erfolgreich zum Abschluss bringen zu können.
Demnach war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713,
543 ZPO.
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