Urteil des KG Berlin vom 30.08.2002

KG Berlin: einstweilige verfügung, vergleichende werbung, irreführende werbung, eugh, preisvergleich, abonnement, verbraucher, markt, link, sammlung

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Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 272/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 3 UWG
Wettbewerbsverstoß durch irreführende Werbung: Bewerbung
einer Tageszeitung als "günstigste" Abonnementzeitung
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 30. August 2002 verkündete Urteil der
Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Gründe
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Vor dem Hintergrund, dass ein Abonnement der von der Antragsgegnerin vertriebenen
Zeitung, die sechsmal wöchentlich erscheint, 16 Euro kostet, während ein von der
Antragstellerin herausgegebenes Blatt, das siebenmal wöchentlich erscheint, im
Monatsabonnement 17,10 Euro kostet, hat die Antragstellerin die einstweilige Verfügung
vom 2. Juli 2002 erwirkt, derzufolge der Antragsgegnerin unter Androhung der
gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist,
im geschäftlichen Verkehr mit der Behauptung zu werben oder werben zu lassen, dass
die "B" die "günstigste Abonnementzeitung Berlins" ist.
Gemäß dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die einstweilige Verfügung
bestätigt.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung aufzuheben und
den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen
Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung kann keinen Erfolg haben.
Der Antragstellerin steht ein im Wege der einstweiligen Verfügung sicherbarer Anspruch
aus § 3 UWG auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbeaussage zu. Gemäß § 3
Satz 2 UWG sind Angaben über geschäftliche Verhältnisse im Sinne des Satzes 1 auch
Angaben im Rahmen vergleichender Werbung. Um eine derartige vergleichende
Werbung geht es vorliegend, da die Antragsgegnerin den Abonnementpreis für die von
ihr herausgegebene Zeitung als den günstigsten Berlins bezeichnet und somit einen
Vergleich zu den konkurrierenden Abonnementszeitungen, insbesondere der von der
Beklagten herausgegebenen vornimmt. Die Regelung des § 3 Satz 2 UWG setzt die
Vorgabe aus Art. 3 a I Lit. a der Richtlinie 97/55/EG zur vergleichenden Werbung um. Als
darunter fallende Angaben stellt sich ohne weiteres das Ergebnis des von der
Antragsgegnerin vorgenommenen Preisvergleichs dar. Zutreffend weist die
Antragsgegnerin darauf hin, dass bei der Beurteilung von Irreführungsverboten, die - wie
vorliegend - auf harmonisiertem Recht beruhen, entsprechend der Kompetenz des EuGH
insoweit - die Verkehrsauffassung anhand der mutmaßlichen Erwartung eines
verständigen Verbrauchers festzustellen ist (vgl. EuGH GRUR Int 1998; 795/797 - "Gut
Springenheide"; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 3 Rdnr. 53).
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist es jedoch überwiegend wahrscheinlich,
dass die Preisgestaltung der Antragsgegnerin hinsichtlich des Abonnementspreises der
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dass die Preisgestaltung der Antragsgegnerin hinsichtlich des Abonnementspreises der
mutmaßlichen Erwartung eines durchschnittlich informierten und verständigen
Durchschnittsverbrauchers, der mit der beanstandeten Angabe konfrontiert wird, nicht
entspricht.
Der von der Antragsgegnerin vorgenommene Preisvergleich ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2
UWG unzulässig, da er nicht objektiv auf den Preis bezogen ist. Nicht objektiv bzw.
irreführend kann ein Preisvergleich dann sein, wenn sich die preisrelevanten Konditionen
der Wettbewerber unterscheiden und auf diese Unterschiede nicht deutlich und
unmissverständlich hingewiesen wird (vgl. Köhler/Piper, a. a. O. § 2 Rdnr. 37 und 39). Hier
bewirbt die Antragsgegnerin einen Abonnementspreis von 16 Euro monatlich einer
Zeitung, die sechsmal wöchentlich erscheint, also monatlich etwa 26 mal. Für die
Einzelausgabe, die im Rahmen des Abonnements geliefert wird, errechnet sich so ein
Durchschnittspreis von 61,5 Cent. Demgegenüber erhält der Abonnent der von der
Antragstellerin herausgegebenen Zeitung für den Abonnementspreis von 17,10 Euro 30
Ausgaben, so dass sich für die einzelne Ausgabe ein Durchschnittspreis von 57 Cent
errechnet. Dass die im Rahmen des Abonnements gelieferten Einzelausgaben der von
der Antragstellerin herausgegebenen Zeitung teurer sind als die im Rahmen des
Abonnements von der Antragstellerin herausgegebenen Zeitung, kommt in dem
Vergleich nicht zum Ausdruck. Auf diesen besonderen Umstand weist die
Antragsgegnerin nicht hin. Entscheidend ist damit die Frage, ob davon auszugehen ist,
dass der zugrunde zu legende verständige Verbraucher von sich aus diesen Umstand
berücksichtigt und sich damit zufrieden gibt, dass der Abonnementpreis der von der
Antragsgegnerin gefordert wird, zwar unter den Abonnementspreisen der
Konkurrenzzeitungen liegt, jedoch eine Ausgabe pro Woche weniger beinhaltet. Diese
Frage ist anhand eines vom Wettbewerbsrichter im Rahmen einer wertenden Beurteilung
selbst anzulegenden normativen Maßstabes zu klären (vgl. EuGH GRUR Int 2000,
756/757 - "D'arbo naturrein"; Köhler/Piper, a. a. O. § 3 Rdnr. 51). Diese Beurteilung führt
vorliegend zu dem Ergebnis, dass es überwiegend wahrscheinlich ist, dass auch der dem
europäischen Verbraucherleitbild entsprechende Durchschnittsverbraucher durch die
beanstandete Angabe in die Irre geführt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die
Angabe nicht auf einen bloßen Preisvergleich beschränkt, denn dann wäre die von der
Antragsgegnerin herausgegebene Abonnementszeitung als die mit dem "billigsten"
Abonnementpreis beworben worden. Dies ist jedoch gerade nicht geschehen, vielmehr
soll es sich um die "günstigste" Abonnementzeitung handeln. Eine solche Angabe
bezieht sich nicht allein auf den Preis in absoluten Zahlen, sondern umfasst das Element
der Preiswürdigkeit. Dieses Element kann jedoch umfassend nur beurteilt werden, wenn
ersichtlich ist, ob das Abonnement auch eine Sonntagszeitung erfasst oder aber nicht.
Diesen Punkt legt die Antragsgegnerin in ihrer Werbung nicht offen, obwohl er für die
Kaufentscheidung des "verständigen" Verbrauchers von beträchtlicher Bedeutung ist. Es
kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher Verbraucher die
Verhältnisse auf dem Markt der Abonnementszeitungen in Berlin so gut kennt, dass er
von sich aus weiß, dass die "Berliner Zeitung" sechsmal in der Woche - mit erweiterter
Samstagsausgabe - erscheint, während die beiden konkurrierenden Blätter siebenmal
wöchentlich erscheinen. Insoweit hat also die Antragsgegnerin ihrer Aufklärungspflicht
nicht genügt, so dass die beanstandete Werbung zu untersagen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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