Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: aufrechnung, quittung, einwilligung, verwalter, abberufung, berechtigung, behandlung, ermessen, sammlung, quelle

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Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 W 130/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 27 FGG, § 29 FGG, § 45
WoEigG, § 263 ZPO, § 264 ZPO
Wohnungseigentumsverfahren: Zulässigkeit einer
Aufrechnungserklärung und einer Antragserweiterung im
Beschwerdeverfahren
Leitsatz
Die erst in zweiter Instanz erklärte Aufrechnung gegen Wohngeldforderungen ist zuzulassen,
wenn das WEG-Gericht die Aufrechnung für sachdienlich hält. Die weitere Voraussetzung des
§ 533 Nr. 2 ZPO n.F. ist im FGG-Verfahren nicht anwendbar. Nach wie vor ist aber die
Sachdienlichkeit zu verneinen, wenn das Bescherdeverfahren durch Zulassung der
Aufrechnung verzögert würde. Dasselbe gilt für eine zweitinstanzliche Antragserweiterung in
WEG-Sachen, die nicht unter § 264 ZPO fällt.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen und dem
Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten dritter Instanz zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 5.062,63 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Verwalter der Wohnanlage, in welcher der Antragsgegner seit dem
1. August 1998 als Eigentümer der Einheit Nr. 21 eingetragen ist. Der Antragsteller ist
gemäß § 2 Nr. 3 des Verwaltervertrages vom 4. Oktober 2001 ermächtigt,
Wohngeldforderungen im eigenen Namen unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts
geltend zu machen. In der Eigentümerversammlung vom 4. Oktober 2001 wurde der
Wirtschaftsplan für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2001
beschlossen. Zu TOP 3 wurde der Wirtschaftsplan für 2002 beschlossen. Der
Antragsteller hat zunächst das Wohngeld für das Rumpfgeschäftsjahr 2001 und für das
Jahr 2002 vom Antragsgegner gefordert. Nachdem in der Eigentümerversammlung vom
29. März 2002 die Jahresabrechnung für 2001 beschlossen worden war, hat der
Antragsteller für 2001 nur noch den sich daraus ergebenden Nachzahlungsbetrag vom
Antragsgegner verlangt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 14. März 2002 den
Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller 2.118,45 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Im Hinblick auf eine am 24. September 2002 erbrachte Zahlung des Antragsgegners hat
der Antragsteller den Anspruch auf 2.062,62 Euro reduziert. In der mündlichen
Verhandlung vor dem Landgericht am 25. April 2003 hat der Antragsgegner die
Aufrechnung mit dem erststelligen Teilbetrag aus einem Gesamtbetrag von 2.500,00
DM erklärt, die er gemäß einer Quittung vom 4. November 2002 an einen Rechtsanwalt
mit der Zweckbestimmung „BEWAG für S. u. a. von M. S./Hauptforderung“ gezahlt habe,
und im Wege des Gegenantrages beantragt, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung
aus wichtigem Grunde als Verwalter abzuberufen. Das Landgericht hat mit dem
angefochtenen Beschluss vom 25. April 2003 die Erstbeschwerde, soweit sich der
Zahlungsantrag nicht in der Hauptsache erledigt hat, zurückgewiesen und die
zweitinstanzliche Aufrechnung und Gegenantragstellung als unzulässig angesehen. Die
sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos.
II. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45
WEG zulässig, jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Eine Rechtsverletzung, auf
welche die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27
Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.
1. Ohne Rechtsirrtum hat das Landgericht den Antragsgegner zur Zahlung von
Wohngeld in der noch geltend gemachten Höhe verpflichtet. Diese
Zahlungsverpflichtung hat der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerdebegründung
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Zahlungsverpflichtung hat der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerdebegründung
vom 16. Juli 2003 nicht angegriffen. Er hat vielmehr geltend gemacht, die in der
mündlichen Verhandlung vom 25. April 2003 erklärte Aufrechnung wegen einer Zahlung
am 4. November 2002 müsse entsprechend § 533 ZPO zugelassen werden, weil diese
Zahlung auf einer Notgeschäftsführung des Antragsgegners für die
Eigentümergemeinschaft beruhe.
2. Verfahrensfehlerfrei hat das Landgericht die Zulassung der am Schluss der zweiten
Instanz erklärten Aufrechnung mit Ansprüchen aus Notgeschäftsführung abgelehnt.
Unter Geltung der ZPO in der Fassung bis zum 1. Januar 2002 war auch für das WEG-
Verfahren anerkannt, dass sich die Zulassung eines Gegenantrages oder einer
Aufrechnung in zweiter Instanz nach dem damaligen § 530 ZPO (Vorgänger des jetzigen
§ 533 ZPO) richtet (KG KGRep. 2002, 36/37). Entgegen der vom Landgericht im
vorliegenden Verfahren geäußerten Rechtsansicht ist auf die Zulassung von
Gegenantrag und Aufrechnung in zweiter Instanz nach Inkrafttreten der ZPO-Reform
nunmehr nicht uneingeschränkt § 533 Nr. 2 ZPO n. F. anwendbar, wo neben der
Einwilligung des Gegners oder alternativ der Sachdienlichkeit dieser
Verteidigungsangriffe zusätzlich vorausgesetzt wird, dass nur das Sachvorbringen
berücksichtigt werden darf, dass nach dem Berufungsverfahren in der neuen Gestalt
verwendet werden darf. Denn diese zusätzliche Einschränkung beruht auf der
Neugestaltung des Berufungsverfahrens in Annährung an eine lediglich rechtliche
Überprüfung nach dem Vorbild der Revision und ist auf das Erstbeschwerdeverfahren
nach dem FGG nicht zu übertragen. Das zweitinstanzliche Verfahren nach der FGG ist als
zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet, was eine verfahrensrechtliche Einschränkung des
Tatsachenstoffes verbietet, zumal im Ansatz ohnehin das Amtsermittlungsprinzip
gemäß § 12 FGG gilt. Abgesehen von der tatsächlichen Einschränkung in § 533 Nr. 2
ZPO ist aber nach wie vor daran festzuhalten, dass auch im WEG-Verfahren Aufrechnung
und Gegenantrag in zweiter Instanz der Zulassung durch das Gericht nach den
Grundsätzen der Sachdienlichkeit bedürfen, wobei darüber gestritten werden mag, ob
die Einwilligung des Gegners zwingend die Zulassung gebietet oder nur ein starkes Indiz
für die Sachdienlichkeit darstellt. Für die Beurteilung der Sachdienlichkeit wird vor allem
maßgeblich sein, ob aufgrund des bisherigen Sachvorbringens entschieden werden kann
oder die zeitliche Verzögerung des Verfahrens durch weitere Ermittlungen droht. Gerade
bei Wohngeldforderungen ist darauf hinzuweisen, dass die
Wohnungseigentümergemeinschaft zur Deckung der laufenden Bewirtschaftungskosten
auf rechtzeitige Zahlung angewiesen ist und durch gerichtliche Verfahren ohnehin
Verzögerungen um Monate oder oft sogar Jahre zu erwarten sind.
3. Verfahrensrechtlich einwandfrei hat das Landgericht die Zurückweisung der
Aufrechnung nicht allein aus § 533 Nr. 2 ZPO n. F. abgeleitet, sondern unabhängig davon
ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25. April 2003 aus den Erklärungen des
Antragstellers entnommen, dass dieser sich auf die Aufrechnung nicht einlasse, also
nicht einwillige, und ersatzweise auch nicht die Sachdienlichkeit anzunehmen sei.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die bloße Vorlage einer
Originalquittung über 2.500,00 Euro oder DM vom 4. November 2002 noch nicht die
Prüfung entbehrlich mache, ob und in welchem Umfang sie hier berücksichtigt werden
könnte und nicht gegebenenfalls ganz oder teilweise anderweitig verbraucht wurde. Da
im Zivilprozess in diesen Fällen auch auf das Verfahren nach § 283 ZPO mit der
nachgelassenen Erklärungsfrist verwiesen wird, hat der Senat dem Antragsteller mit
Verfügung vom 21. Juli 2003 vorsorglich zur Überprüfung der Sachdienlichkeit
aufgegeben, zu dem Zahlungsvorgang am 4. November 2002 im Einzelnen Stellung zu
nehmen. Mit Schriftsatz vom 5. August 2003 hat der Antragsteller die komplizierten
Vorgänge um die Titulierung des Anspruchs der BEWAG im Einzelnen dargestellt und
zumindest plausibel gemacht, dass es in hohem Maße unklar ist, weshalb angesichts der
Zahlungen anderer Wohnungseigentümer an die BEWAG am 4. November 2002 noch
weitere 2.500,00 Euro als runde Summe gezahlt worden sind. Hierauf ist umfangreicher
Gegenvortrag des Antragsgegners erfolgt, aus dem der eigentliche Zahlungszweck auch
nicht deutlicher wird. Mit Schriftsatz vom 11. April 2005 hat der für die Zahlung
eingeschaltete Mittelsmann (ein Rechtsanwalt) die Weiterleitung an die BEWAG bestätigt.
Mit Schriftsatz vom 27. April 2005 hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass nach
dem Zahlenmaterial immer noch nicht nachvollzogen werden könne, weshalb eine
Zahlung von glatten 2.500,00 Euro durch den Antragsgegner erfolgt sein soll und für
welche Wohnanlage und auf welche Forderung bzw. welchen Titel die quittierte Zahlung
geleistet worden ist. Die vorgelegte Quittung vom 4. November 2002 weist als
tatsächlichen Empfänger die BEWAG auf, die Zahlungsbestimmung lautet völlig
unspezifiziert: „Hauptforderung“, ohne hierzu weitere Erläuterungen zu machen. Da die
Prüfung der Berechtigung der Aufrechnung in dritter Instanz bei streitigem Vortrag
ohnehin nicht erfolgen kann, ergibt sich aus dem Schriftwechsel, dass die am Schluss
der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht geltend gemachte Aufrechnung noch
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der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht geltend gemachte Aufrechnung noch
erhebliche zusätzliche Ermittlungen erforderlich gemacht hätte. Auch unter dem
Gesichtspunkt einer nachgelassenen Erklärungsfrist entsprechend § 283 ZPO wäre aus
der Sicht des Landgerichts die Sachdienlichkeit zu verneinen gewesen.
4. Rechtlich unbedenklich hat das Landgericht die Zulassung des Gegenantrages auf
Abberufung des Antragstellers aus wichtigem Grund abgelehnt. Auch wenn die
Ablehnung nicht auf die entsprechende Anwendung des § 533 Nr. 2 ZPO n. F. zu stützen
ist, hat das Landgericht unabhängig davon auch hier die Sachdienlichkeit verneint, weil
die Behandlung dieses Gegenantrages das grundsätzlich eilbedürftige
Wohngeldverfahren verzögern würde.
5. Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsgegner die Gerichtskosten seines
erfolglosen Rechtsmittels trägt (§ 47 Satz 1 WEG). Angesichts des Zahlungsverzuges
besteht auch hinreichender Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten in dritter
Instanz anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der des
Landgerichts (unter Berücksichtigung der zweitinstanzlichen Teilerledigung).
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