Urteil des KG Berlin vom 02.03.2001
KG Berlin: fristlose kündigung, vermieter, steuerberater, vertragsklausel, mietvertrag, vertragsschluss, toilette, einzug, mietobjekt, brille
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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 275/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 564 BGB
Gewerberaummiete: Wahrung von Konditionen des vertraglichen
Sonderkündigungsrechts
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 17.
September 2001 verkündete Schlussurteil der Zivilkammer 34 des Landgerichts Berlin –
34 O 123/01 – teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.973,93 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 272,77 € seit dem 2. März 2001,
auf jeweils 545,55 € seit dem 3. April, 3. Mai, 3. Juli und 2. August 2001 sowie auf 518,96
€ seit dem 5. Juni 2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 60 % und der Beklagte zu 40 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zu 17 % und dem Beklagten zu
83 % zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die gemäß §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung wahrt die gesetzlichen Formen und
Fristen der §§ 516, 518 und 519 ZPO. Sie ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Beklagte schuldet der Klägerin über die ihr in dem
Anerkenntnisteilurteil zugesprochenen 6.283,30 DM hinaus die folgenden Beträge:
Es handelt sich um die Nettokaltmiete für die Zeit vom 16. März bis zum 31. August
2001 abzüglich eines Guthabens in Höhe von 52,01 DM aus der
Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2000. Der Beklagte schuldet diese Beträge als
Ersatz des Kündigungsfolgeschadens der Klägerin aus positiver Forderungsverletzung.
Das Mietverhältnis wurde durch die von der Klägerin mit Schreiben vom 9. Januar 2001
wegen Zahlungsverzugs ausgesprochene fristlose Kündigung beendet. Da die Parteien
einen befristeten Mietvertrag mit einer festen Laufzeit bis zum 14. Dezember 2005
geschlossen haben, haftet der Beklagte der Klägerin für den Mietausfall.
Der in den Monaten März bis August 2001 entstandene Schadensersatzanspruch ist
nicht durch die mit Schreiben vom 21. Dezember 2001 erklärte Aufrechnung mit der
vom Beklagten geleisteten Kaution in Höhe von 3.000 DM teilweise erloschen. Diese
Aufrechnungserklärung bezieht sich ausdrücklich auf die nicht rechtshängigen Mieten.
Da die Klägerin mit Schriftsatzes vom 10. Dezember 2001 die Mieten bis einschließlich
August 2001 zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht hat, bezieht sich
die Aufrechnungserklärung vom 21. Dezember 2001 auf die Mieten ab September 2001.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts endet die Zahlungspflicht des Beklagten nicht
am 16. März 2001. Die vom Beklagten am 13. Juni 2000 ausgesprochene Kündigung hat
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am 16. März 2001. Die vom Beklagten am 13. Juni 2000 ausgesprochene Kündigung hat
das Mietverhältnis nicht zum 14. März 2001 beendet. Diese Kündigung war unwirksam,
sie entsprach nicht den in § 2 Absatz 4 Satz 1 des Mietvertrages vereinbarten
Voraussetzungen des "Sonderkündigungsrechts". Diese Vertragsklausel hat folgenden
Wortlaut:
"Dem Mieter wird nach Ablauf des 1. Jahres einmalig ein Sonderkündigungsrecht
eingeräumt bei einer von einem niedergelassenen Steuerberater nachgewiesenen
Unwirtschaftlichkeit des Geschäfts."
a) Die Kündigung erfolgte verfrüht. Der Mietvertrag wurde am 29. November 1999
geschlossen. Entsprechend dem eindeutigen Wortlaut hätte der Beklagte mithin
frühestens am 29. November 2000 kündigen können, wobei seine Kündigungserklärung
spätestens am 15. Dezember 2000 bei der Klägerin hätte eingehenden müssen.
Entgegen den Ausführungen des Landgerichts kann die Klausel nicht so verstanden
werden, dass der Beklagte zu jedem beliebigen zwischen Vertragsschluss und 15.
Dezember 2000 liegenden Zeitpunkt kündigen durfte. Eine solche Auslegung wird nicht
den Interessen beider Parteien gerecht. Sie bevorzugt in unangemessener Weise den
Beklagten. Die Frage der Unwirtschaftlichkeit eines neu eröffneten Ladengeschäfts lässt
sich erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums sachgerecht beurteilen. Aufgrund der
erforderlichen Anfangsinvestitionen kann ein neu eröffnetes Ladengeschäft in den ersten
Monaten in aller Regel nur unwirtschaftlich betrieben werden. Die Zulassung einer
Sonderkündigung bereits in dieser Phase würde dem Beklagten die Möglichkeit geben,
den Mietvertrag in einem Zeitpunkt zu kündigen, in dem die Frage der Wirtschaftlichkeit
ernsthaft noch gar nicht beurteilt werden kann. Dies wollten die Parteien mit in § 2
Absatz 4 getroffenen der Regelung ("nach Ablauf des 1. Jahres") gerade ausschließen.
b) Die Unterlagen, die der Beklagte zur Begründung seiner Kündigung vorgelegt hat,
wurden nicht, wie vereinbart, von einem "niedergelassenen Steuerberater" erstellt.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Vertragsklausel auch insoweit eindeutig
und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Bei einem Rechtsanwalt handelt es
sich gerade nicht um einen niedergelassenen Steuerberater. Umstände, aus denen sich
ergeben könnte, dass beide Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend den Willen
hatten, dass entgegen dem klaren Wortlaut dieser Vertragsklausel auch der Nachweis
der Unwirtschaftlichkeit durch einen Rechtsanwalt ausreichen sollte, hat der Beklagte
nicht vorgetragen. Solche Gründe sind auch sonst nicht ersichtlich.
c) Die Unterlagen, die der Beklagte zur Begründung seiner Kündigung vorgelegt hat,
reichen auch inhaltlich nicht aus, um die Unwirtschaftlichkeit des Geschäfts
nachzuweisen. Zum einen widersprechen die in dem Schreiben vom 4. September
genannten monatlichen Verluste den Angaben in dem betriebswirtschaftlichen
Kurzbericht. Zum anderen reicht auch jede dieser beiden Unterlagen für sich gesehen
nicht aus, um den erforderlichen Nachweis zu führen. Wie sich aus § 2 Absatz 4 Satz 2
des Mietvertrages ergibt, hat sich die Klägerin die Prüfung der Unterlagen durch einen
Sachverständigen vorbehalten. Hieraus ergibt sich, dass die Unterlagen "prüffähig" sein
müssen. Ein von der Klägerin beauftragter Sachverständiger hätte aber weder anhand
des Schreibens vom 4. September 2000 noch anhand des betriebswirtschaftlichen
Kurzberichtes prüfen können, ob das vom Beklagten in den Mieträumen betriebene
Geschäfts tatsächlich unwirtschaftlich ist. Hierzu wäre eine Vielzahl von weiteren
Angaben und Erläuterungen erforderlich gewesen. Insbesondere hätte der vom
Beklagten beauftragte Steuerberater die in Ansatz gebrachten Zahlen näher
aufschlüsseln und erläutern müssen, ggf. unter Vorlage von Beleg(kopien).
Im übrigen sind diese Unterlagen für den Nachweis der Unwirtschaftlichkeit auch deshalb
ungeeignet, weil sie lediglich einen Zeitraum von 4 Monaten umfassen, in denen der
Beklagte wirtschaftlich tätig. Wie oben dargelegt, lässt sich bei einem neu eröffneten
Ladengeschäft die Frage der Unwirtschaftlichkeit nach einem solch kurzen Zeitraum
nicht beurteilen.
Wegen eines Teilbetrages von 1.738,50 DM (888,88 €) war die Berufung zurückzuweisen,
da das Landgericht die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Der Klägerin
steht der für die Schönheitsreparaturen geltend gemachte Schadensersatzanspruch
nicht zu. Es fehlt an der nach § 326 Absatz 1 BGB a. F. erforderlichen Fristsetzung mit
Ablehnungsandrohung. Zwar hat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 11. Mai
2001 unter Setzung einer Nachfrist bis zum 25. Mai 2001 aufgefordert, "die lt.
Abnahmeprotokoll vom 16.03.2001 bestehenden Mängel zu beseitigen", doch reicht dies
deshalb nicht aus, weil sich der Umfang der nach Ansicht der Klägerin vom Beklagten
noch auszuführenden Arbeiten weder aus diesem Schreiben selbst noch aus dem in
diesem Schreiben genannten Abnahmeprotokoll ergeben.
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Inhaltlich erfordert die Nachfristsetzung die Aufforderung an den Mieter, binnen
angemessener Frist die noch ausstehende Renovierungsleistung zu erbringen, sowie die
Erklärung, dass nach Ablauf dieser Frist die Leistung des Mieters nicht mehr
angenommen werde. Dabei ist es für die Aufforderung zu Bewirkung der Leistung
erforderlich, dass der Vermieter grundsätzlich die geforderten Schönheitsreparaturen im
Einzelnen genau bezeichnet, damit der Mieter erkennen kann, was von ihm gefordert
wird. Hat der Mieter vor dem Auszug Schönheitsreparaturen vorgenommenen und
erhebt der Vermieter Beanstandungen, so muss der Vermieter konkrete Mängel
darlegen und den beanstandeten Zustand beschreiben, damit der Mieter erkennen
kann, inwieweit der Vermieter den Vertrag als nicht erfüllt ansieht (vgl. Bub/Treier,
Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, V. A, Rdnr. 167). Hieran fehlt
es vorliegend. Das Schreiben vom 11. Mai 2001 enthält selbst keine Angaben
hinsichtlich der vom Beklagten geforderten Nacharbeiten. In dem Abnahmeprotokoll
vom 16. März 2001 werden als Mängel aufgeführt: "Decken und Wände fleckig; alles nur
weiß gestrichen, nicht tapeziert; Gasrohre voll Farbe; drei Jalousetten defekt; Toilette
ohne Brille". Aufgrund dieser Angaben konnte der Beklagte nicht erkennen, welche
Arbeiten von ihm konkrete gefordert werden. Da das Mietobjekt aus mehreren Räumen
bestand, wäre es erforderlich gewesen, genau anzugeben, in welchen Räumen wo
Flecken vorhanden waren. Im übrigen enthält das Schreiben vom 11. Mai 2001 i. V. m.
dem Abnahmeprotokoll die Forderung an den Beklagten, Wände und Decken zu
tapezieren. Hierauf hatte die Klägerin aber unstreitig keinen Anspruch, da Wände und
Decken bei Einzug des Beklagten in die Mieträume nicht tapeziert waren. Wenn die
Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 2001 von dem Beklagten aber zu Unrecht das
Tapezieren von Wände und Decken verlangt hat, so kann von dem Beklagten nicht
verlangt werden, dass er aufgrund dieses Schreibens an Decke und Wänden vorhandene
Flecken durch Überstreichen beseitigt. Fordert der Vermieter nämlich mehr als die
geschuldete Leistung, so ist die Fristsetzung nur dann wirksam, wenn der Mieter die
Erklärung des Vermieters als Aufforderung zur Erbringung der tatsächlich geschuldeten
Renovierungsleistung verstehen musste und der Vermieter zur Abnahme dieser
geringeren Leistung bereit ist (Bub/Treier, a. a. O. Rdnr. 168). Beide Voraussetzungen
waren im Mai 2001 nicht gegeben. Das Angebot vom 20. Juni 2001, aus dem sich der
später geforderte Umfang der auszuführenden Arbeiten ergibt, lag im Zeitpunkt der
Abmahnung noch nicht vor.
Der Zinsanspruch, den der Beklagte nach Grund und Höhe nicht bestritten hat, ergibt
sich aus Verzug.
Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat,
noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2 ZPO
n. F.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, ZPO i. V. m § 26 Nr. 8
EGZPO.
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