Urteil des KG Berlin vom 24.06.2010

KG Berlin: öffentliche urkunde, öffentliche beurkundung, vergleich, grundbuchamt, behörde, protokollierung, siegel, gewaltanwendung, zwangsvollstreckung, formerfordernis

1
3
4
5
6
7
8
9
2
Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 430/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 29 GBO, § 278 Abs 6 ZPO
Leitsatz
Wird in einem Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO als Inhalt des geschlossenen Vergleichs
festgestellt, dass eine der Parteien die Löschung einer bestimmten
Eigentumsverschaffungsvormerkung bewilligt, so kann diese Bewilligung dem Grundbuchamt
durch Vorlage einer Ausfertigung des Feststellungsbeschlusses formgerecht im Sinne des §
29 GBO nachgewiesen werden.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, dem Antrag der eingetragenen Eigentümerin vom
24. Juni 2010 auf Löschung des Rechts in Abt. II lfd. Nr. 1 zu entsprechen.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1. ist eingetragene Eigentümerin des im Beschlusseingang
bezeichneten Wohnungseigentums. Mit Schrift des Notars L. vom 24. Juni 2010
beantragte sie unter Bezugnahme auf die notarielle Urkunde vom 19. September 2008
(UR-NR. 1…/08 des Notars Dr. W. D.) die Löschung der in Abteilung II lfd. Nr. 1 zugunsten
des Beteiligten zu 2. eingetragenen Eigentumsübertragungsvormerkung. Sie legt die
Ausfertigung eines Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 10. Mai 2010 vor, in dem
gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird, dass in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht
Berlin – 84 O 160/09 – zwischen den Gesellschaftern der Beteiligten zu 1. als Klägern und
dem Beteiligten zu 2. als Beklagten ein Vergleich folgenden Inhalts zustande gekommen
ist:
Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der
Beschluss vom 10. Mai 2010 entspreche nicht den gesetzlichen Bestimmungen des §
127a BGB und damit nicht § 29 GBO. Abgesehen davon seien die beiden Seiten der
eingereichten Ausfertigung nicht durch Schnur und Siegel verbunden.
Dagegen richtet sich die durch den Notar eingelegte Beschwerde.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 71 ff GBO zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der beantragten Löschung des Rechts in Abteilung II lfd. Nr. 1 steht weder das von dem
Grundbuchamt angeführte noch ein sonstiges Hindernis entgegen.
Die Beteiligte zu 1. ist als eingetragene Eigentümerin antragsberechtigt (§ 13 GBO).
Die gemäß § 19 GBO erforderliche Bewilligung des Beteiligten zu 2. als dem von der
beantragten Löschung Betroffenen liegt vor und ist in der Form des § 29 GBO
nachgewiesen worden.
1. Der Beschluss eines Gerichts gemäß § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO ist eine öffentliche
Urkunde über die festgestellten Tatsachen, ohne dass hierfür auf § 127a BGB
zurückgegriffen werden müsste (Deimann, RpflStud 2003, 38, 39; Demharter, GBO, 27.
Aufl., § 29 Rdn. 29 und § 20 Rdn. 16, für eine im Vergleich erklärte Auflassung auch
Dümig, ZfIR 2007, 191). Öffentliche Urkunden sind solche, die eine öffentliche Behörde
oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person unter Einhaltung der Grenzen
ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form ausstellt. Die in § 415 ZPO
10
11
12
ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form ausstellt. Die in § 415 ZPO
enthaltene Begriffsbestimmung ist auch für den Grundbuchverkehr maßgebend (BGH,
NJW 1957, 1673; KGJ 40, 115). Gemäß § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO hat das Gericht als
zuständige Behörde in der Form des Beschlusses das Zustandekommen und den Inhalt
des nach § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO geschlossenen Vergleichs festzustellen. Sind Inhalt des
Vergleichs grundbuchrechtliche Erklärungen, so wird durch den Feststellungsbeschluss
auch die Abgabe der Erklärungen festgestellt. Diese „Feststellung“ hat, wie schon die
Verwendung desselben Begriffes wie in § 160 Abs. 3 ZPO verdeutlicht, keine geringere
Bedeutung als die Feststellung in einem gerichtlichen Protokoll über eine Verhandlung
oder eine Beweisaufnahme, nämlich, dass das Gericht als öffentliche Behörde schriftlich
die Wahrnehmung von Tatsachen bekundet. Der Gesetzgeber sah die mit § 278 Abs. 6
ZPO geschaffene Form der Beschlussfeststellung als erleichterte
Protokollierungsmöglichkeit an (BT-Drucks. 15/4382 S.16). Der Beschluss des Gerichts
hat damit bezeugenden Inhalt bezüglich der abgegebenen, den Inhalt des Vergleichs
darstellenden Erklärungen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, nach dem Beurkundungsgesetz (§§ 1, 56
Abs. 4) seien Behörden – und damit auch das Gericht - zur Errichtung von bezeugenden
Urkunden nur ausnahmsweise in Fällen ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung
zuständig. Zum einen wird eine solche Zuständigkeit in § 278 Abs. 6 ZPO gerade
ausgedrückt. Zum anderen hat das BeurkG zwar die allgemeine Möglichkeit der
öffentlichen Beurkundung von Rechtsgeschäften bei den Amtsgerichten im Verfahren
der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 167 Abs. 1 FGG a.F.) beseitigt; an der Zuständigkeit
des Gerichts für die Beurkundung von Vergleichen hat es hingegen nie etwas geändert.
Es hat insbesondere nicht geregelt, dass die gerichtliche Beurkundung eines Vergleichs
nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam sei. In der Begründung des
Regierungsentwurfs (BT-Drucks. V/3282 S.26, 27) ist vielmehr ausgeführt, dass der
Notar bestimmte Zeugnisurkunden nicht errichten könne, weil der
Beurkundungsvorgang in ein Verfahren eingebettet sei, bei dem Notare nicht mitwirken.
In solchen Fällen könnten die Zeugnisurkunden nur von dem in dem jeweiligen
Verfahrensgesetz vorgesehenen Urkundsorgan errichtet werden. Dies gelte zum Beispiel
für die Protokollierung der Verhandlung im Zivilprozess einschließlich der Protokollierung
eines Vergleichs durch den vorsitzenden Richter und den Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle. Auf die Stellungnahme des Bundesrats (BT-Drucks. V/3282 S. 51) ist im
weiteren Gesetzgebungsverfahren zwar § 127a BGB eingeführt worden. Mit diesem sollte
allerdings nicht klargestellt werden, dass nach Beseitigung der allgemeinen Möglichkeit
der öffentlichen Beurkundung im Verfahren nach § 167 Abs. 1 FGG a.F. weiterhin die
öffentliche Beurkundung durch die Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs im
Prozess erfolgen kann (a.A. Hertel in Meikel, GBO, 10. Aufl., § 29 Rdn. 265). Erst recht
begründet er damit nicht die formellen Anforderungen, die das Gericht bei der
Beurkundung eines Vergleichs einzuhalten habe, um diesem die Wirkung einer
öffentlichen Urkunde verleihen zu können. Bereits nach seinem Wortlaut regelt § 127a
BGB nur, unter welchen Voraussetzungen der gerichtliche Vergleich die Form der
notariellen Beurkundung ersetzt, nicht aber, in welchen Fällen die Form der notariellen
Beurkundung oder deren Ersetzung erforderlich ist. Eine andere Zielrichtung bei der
Schaffung von § 127a BGB ergibt sich auch nicht der Stellungnahme des Bundesrates
(a.a.O.), auf der sie beruht. Der Bundesrat wollte nur sicherstellen, dass die bereits zuvor
von der Rechtsprechung entwickelte Regel beibehalten werde, dass der gerichtliche
Vergleich jede andere – für das protokollierte Rechtsgeschäft gegebenenfalls
erforderliche - Form ersetzt. Ausdrücklich Bezug genommen wird in der Stellungnahme
auf die Entscheidungen RGZ 165, 161, 162 und BGHZ 14, 381, 391. Diese
Entscheidungen befassen sich mit der Frage, ob der in einem Erkenntnisverfahren in der
vorgeschriebenen Form abgeschlossene Vergleich zu überwinden vermag, dass die in
ihm jeweils abgeschlossenen Rechtsgeschäfte zu ihrer materiellrechtlichen Wirksamkeit
gemäß § 313 BGB a.F. bzw. gemäß § 2276 BGB der notariellen Beurkundung bedurft
hätten.
Im vorliegenden Fall kommt es auf die Frage, ob der Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO
in entsprechender Anwendung des § 127a BGB auch die notarielle Beurkundung ersetzt
(bejahend dazu BAG, NJW 2007, 1831, zweifelnd weiterhin Greger in Zöller, ZPO, 28.
Aufl., § 278 Rdn. 31), nicht an, weil weder § 29 GBO gerade eine notarielle Urkunde
erfordert noch das materielle Recht an die Wirksamkeit der Löschungsbewilligung für
eine Eigentumsverschaffungsvormerkung besondere Formanforderungen stellt (vgl. zu
dem Formerfordernis des § 925 Abs. 1 BGB für die Auflassung OLG Düsseldorf, NJW-RR
2006, 1609, dagegen Dümig a.a.O.; Demharter, FGPrax 2008, 1, 2).
2. Der vorgelegten öffentlichen Urkunde mangelt es auch im Übrigen nicht an formalen
Erfordernissen. Eine vollstreckbare Ausfertigung ist nicht erforderlich, weil es sich bei der
Verwendung einer in einem Vergleich abgegebenen Bewilligung nicht um einen Akt der
13
Verwendung einer in einem Vergleich abgegebenen Bewilligung nicht um einen Akt der
Zwangsvollstreckung handelt (OLG Frankfurt, Rpfleger 1980, 291). Auch die Verbindung
mit Schnur und Siegel ist nicht zu fordern. § 44 BeurkG findet keine Anwendung, weil der
gerichtliche Vergleich nicht dem Beurkundungsgesetz unterfällt (Keidel in Winkler,
BeurkG, 16. Aufl., § 57 Rdn. 4; Knauer/ Wolf, NJW 2004, 2857, 2859). Die zwingenden
Formvorschriften für Beschlüsse ergeben sich aus § 329 ZPO, für Ausfertigungen aus §
317 ZPO (Schreiber in MünchKomm ZPO, 3. Aufl., § 415 Rdn. 21). Diese sind
eingehalten. Dass sich der Ausfertigungsvermerk auf beide Seiten des Beschlusses
bezieht, ergibt sich unzweideutig daraus, dass er sich am Ende der zweiten Seite
befindet und beide Seiten mittels Heftklammer derart verbunden sind, dass die
körperliche Verbindung als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung
zu lösen ist (für den Beglaubigungsvermerk BGH, NJW 2004, 506; 1974, 1383).
3. Unschädlich ist auch, dass der Beteiligte zu 2. die Bewilligung in dem nicht mit der
Beteiligten zu 1., sondern mit deren Gesellschaftern geführten Rechtsstreit abgegeben
hat. Daran, dass der Beteiligte zu 2. berechtigt ist, die Bewilligung im
Grundbuchverfahren zu verwenden, bestehen keine Zweifel. Das Einverständnis des
Bewilligenden wird dadurch verkörpert, dass der Begünstigte im Besitz einer
Ausfertigung der Bewilligungserklärung ist und diese dem Grundbuchamt vorlegen kann
(Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdn. 171).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum