Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: kaufvertrag, treu und glauben, widersprüchliches verhalten, dingliches recht, eigentümer, fahrstuhl, duldungspflicht, aufzug, käufer, dachgeschoss

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Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 W 318/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 10 Abs 2 WoEigG, § 14 Nr 1
WoEigG, § 22 Abs 1 WoEigG
Wohnungseigentum: Rechtsfolgen der Gestattung der
Errichtung eines Aufzugs beim Dachgeschossausbau durch den
teilenden Eigentümer gegenüber zwei Erwerbern bei fehlender
Aufnahme in den Kaufvertrag eines Erwerbers
Leitsatz
Verspricht der teilende Eigentümer dem Erwerber einer Ausbauwohnung im Dachgeschoss
die Zustimmung zur Errichtung eines Aufzugs im Hofbereich im Kaufvertrag, nimmt die
Gestattung aber nicht in den Kaufvertrag mit dem zweiten Wohnungserwerber auf, so muss
zwar der teilende Eigentümer, nicht aber der Erwerber der zweiten Wohnung die Errichtung
des Aufzuges dulden.
Tenor
Die sofortigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu I. und II. werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten dritter Instanz werden der Antragstellerin zu 1) einerseits und den
Antragsgegnern als Gesamtschuldner andererseits je zur Hälfte auferlegt.
Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 15.338,76 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu I. (Antragstellerinnen zu 1) und 2)) sowie die Beteiligten zu II.
(Antragsgegner) bilden die Eigentümergemeinschaft der Wohnanlage. Teilende
Eigentümerin ist die Antragstellerin zu 1). Sie hat das Hausgrundstück in 17 Einheiten
unterteilt, wobei die Einheiten Nr. 16 und 17 mit dem Sondereigentum an Räumen im
Dachgeschoss verbunden worden sind, die nach der gleichzeitig im Grundbuch
eingetragenen Gemeinschaftsordnung mit einem Ausbaurecht auf Kosten der jeweiligen
Erwerber ausgestattet sind.
In dem notariellen Kaufvertrag vom 26. September 1997, mit welchem die beiden
Antragsgegner von der Antragstellerin zu 1) das Dachgeschoss erworben haben, wurde
in § 13 Abs. 6 geregelt:
„Die Käufer bekunden die Absicht, auf dem Hof die Installierung eines Fahrstuhls
auf eigene Kosten, soweit dies technisch möglich sein sollte.
Der Verkäufer duldet die Installierung dieses Fahrstuhls, soweit die technischen
Voraussetzungen gegeben sind, und wird die Duldungspflicht an weitere
Wohnungseigentümer weiterreichen. Sollten der Verkäufer bzw. weitere
Wohnungseigentümer ein Interesse an der Nutzung des Fahrstuhls haben und soll der
Fahrstuhl an weitere Stockwerke angeschlossen werden, ist dies dann nur bei anteiliger
Mitfinanzierung durch die jeweiligen Interessenten möglich. Weitere Einzelheiten werden
gesondert geregelt.“
Im Grundbuch wurde nicht eingetragen, dass die Antragsgegner berechtigt sein sollen,
einen Fahrstuhl zu errichten. In dem am 12. März 1998 geschlossenen Kaufvertrag, in
welchem die Antragstellerin zu 2) von der Antragstellerin zu 1) ihre Wohnung kaufte,
wurde nicht vereinbart, dass die Antragstellerin zu 2) verpflichtet sei, die Errichtung eines
Fahrstuhls durch die Antragsgegner zu dulden.
Als die Antragsgegner im Jahre 2001 mit der Errichtung eines Fahrstuhls begonnen
haben, hat die Antragstellerin unter Berufung auf die fehlende Zustimmung zu der
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haben, hat die Antragstellerin unter Berufung auf die fehlende Zustimmung zu der
baulichen Veränderung deren Unterlassung verlangt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss
vom 5. August 2001 den Unterlassungsantrag der Antragstellerin zu 1) zurückgewiesen,
während es auf den Antrag der Antragstellerin zu 2) hin den Antragsgegnern bei
Vermeidung eines Ordnungsgeldes untersagt hat, die von ihnen begonnenen
Bauarbeiten zur Errichtung einer Fahrstuhlanlage gegen den Willen der Antragstellerin zu
2) fortzusetzen, bzw. die Fortsetzung von der Zustimmung der Antragstellerin zu 2)
abhängig gemacht hat. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 25. September 2002
sowohl die Erstbeschwerde der Antragstellerin zu 1), die ihren Unterlassungsanspruch
weiterverfolgt, wie auch die Erstbeschwerde der Antragsgegner, die sich gegen die
Unterlassungsantrag der Antragstellerin zu 2) wenden, zurückgewiesen. Die sofortigen
weiteren Beschwerden der jeweils unterlegenen Beteiligten bleiben erfolglos.
II.
Die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragstellerin zu 1) und der Antragsgegner
sind gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig, jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt.
Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt
werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss des Landgerichts
nicht auf.
1. Ohne Rechtsirrtum führt das Landgericht aus, dass die Antragstellerin zu 1) keinen
Anspruch gegen die Antragsgegner auf einen Baustopp hat, was aus dem Grundsatz
von Treu und Glauben (§ 242 BGB i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG) folgt. Nach den
verfahrensfehlerfreien Feststellungen der Vorinstanzen handelt die Antragstellerin zu 1)
treuwidrig, wenn sie sich den Antragsgegnern gegenüber darauf beruft, dass keine
Verpflichtung sämtlicher Wohnungseigentümer vorliege, wonach diese die Errichtung
eines Aufzugs durch die Antragsgegner dulden werden. Es ist der Antragstellerin zu 1)
verwehrt, sich auf die fehlende Verpflichtung sämtlicher Eigentümer zur Duldung zu
berufen, da sie sich selbst zur Duldung und damit auch dazu verpflichtet hatte, die
Duldungspflicht an künftige Erwerber weiter zu reichen. Die Antragsgegner durften
darauf vertrauen, dass die Antragstellerin zu 1) ihren vertraglichen Pflichten
nachkommen würde. Im Hinblick auf dieses Vertrauen haben sie auch bereits
Dispositionen bezüglich des Aufzuges (Bauplanung und Baubeginn) getroffen.
Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen der Vorinstanzen ist es unerheblich, ob
die Antragstellerin zu 1) wusste, wo genau die Antragsgegner den Fahrstuhl errichten
wollten. Sie hat sich jedenfalls zur Zustimmung verpflichtet, ihre Unterlassungsanträge
stellen ein widersprüchliches Verhalten dar. Nach der rechtsfehlerfreien Auslegung des
Landgerichts, die der Senat im Übrigen ebenso vornehmen würde, hat die
Antragstellerin zu 1) ihre Zustimmung zur Errichtung des Fahrstuhls unbeschränkt
erteilt. Die einzige in dem Kaufvertrag mit den Antragsgegnern vereinbarte Bedingung
bestand darin, dass die technischen Voraussetzungen für die Errichtung des Fahrstuhls
gegeben sein müssen, die auch für den von den Antragsgegnern gewünschten
Fahrstuhltyp vorliegen. Vergeblich beruft sich die Antragstellerin zu 1) darauf, dass die
Antragsgegner in § 13 Abs. 6 des notariellen Kaufvertrages vom 26. September 1997
lediglich ihre Absicht bekundet hätten, für die von ihnen auf eigene Kosten ausgebauten
Dachgeschosswohnungen einen Aufzug im Hofbereich zu errichten. Soweit in § 13 Abs. 6
des Kaufvertrages davon gesprochen wird, dass die Antragsgegner die Absicht zur
Fahrstuhlerrichtung hätten, ist dies bei verständiger Auslegung dahin zu verstehen, dass
sie sich nicht etwa gegenüber der Antragstellerin dazu verpflichtet haben. In der
Absichtserklärung liegt aber sehr wohl der Wunsch und auch der geäußerte Wille, den
Fahrstuhl zu errichten. Wesentlich ist die als Annahme dieses Angebotes zu wertende
ausdrückliche Erklärung der Antragstellerin zu 1), dass sie nämlich die Installation dieses
Fahrstuhls dulde, soweit die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Darüber
hinaus hat sich die Antragstellerin zu 1) in dem Kaufvertrag mit den Antragsgegnern
dazu verpflichtet, die Duldungspflicht auch an weitere Käufer und Erwerber von
Wohnungen weiterzugeben. Soweit noch weitere Einzelheiten geregelt werden sollten,
bezog sich dies ersichtlich darauf, dass auch der Anschluss an weitere Stockwerke
möglich sein sollte, wenn andere Wohnungseigentümer dies wünschen. Somit kann auch
nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegner die Zustimmung für die Errichtung
eines gewöhnlichen Aufzugs an gewöhnlicher Stelle künftig seitens der Antragstellerin zu
1) benötigen würden.
2. Rechtlich einwandfrei hat das Landgericht auch die Erstbeschwerde der Antragsgegner
zurückgewiesen, soweit das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin zu 2) vom
Amtsgericht bejaht worden ist. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen der
Vorinstanzen liegt in der Beeinträchtigung des Ausblicks und in den schmaleren
Treppenhausfenstern ein Nachteil, der über das bei einem geordneten Zusammenleben
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Treppenhausfenstern ein Nachteil, der über das bei einem geordneten Zusammenleben
unvermeidliche Maß hinausgeht, da für solch ein geordnetes Zusammenleben der
Aufzug nicht erforderlich ist (§ 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Ein
Ausbaurecht, das auch die Errichtung eines Fahrstuhls erlauben würde, ergibt sich aus
der Teilungserklärung nicht. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der
Aufzug zum Ausbau des Dachgeschosses erforderlich ist. Entgegen ihrer
schuldrechtlichen Absprache in dem Kaufvertrag mit den Antragsgegnern hat die
Antragstellerin zu 1) die Errichtung eines Aufzuges im Hofbereich für die
Dachgeschosswohnungen nicht auch zum Gegenstand einer Verpflichtung und Duldung
der Antragstellerin zu 2) gemacht. Selbst wenn die Antragstellerin zu 2) bei Abschluss
ihres Kaufvertrages mit der Antragstellerin zu 1) von der Absicht der Antragsgegner zum
Bau eines Aufzuges Kenntnis hatte, folgt daraus keine Duldungs- oder
Zustimmungspflicht der Antragstellerin zu 2), jedenfalls wenn die Errichtung des Aufzugs
noch nicht ins Werk gesetzt war.
Mit der Errichtung einer Aufzugsanlage im Hofbereich ist ein wesentlicher Eingriff in das
Gemeinschaftseigentum verbunden, den die Antragsgegner nur vornehmen dürfen,
wenn die Zustimmung oder die Duldungspflicht anderer Wohnungseigentümer vorliegt,
was hier bei der Antragstellerin zu 1) der Fall ist. Das Wohnungseigentumsrecht ist ein
dingliches Recht, das gemäß § 1004 BGB auch Abwehrrechte verleiht, wenn unzulässige
Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum vorgenommen werden (vgl. auch § 15 Abs. 3
WEG). Zur Duldung eines Eingriffs in das Gemeinschaftseigentum ist ein
Wohnungseigentümer nur verpflichtet, wenn und soweit dies in der Teilungserklärung
einschließlich der Gemeinschaftsordnung vorgesehen und im Grundbuch eingetragen ist,
oder wenn er zustimmt. Eingetragen im Grundbuch ist hier das Ausbaurecht zugunsten
der Antragsgegner, nicht aber das Recht zur Errichtung einer Aufzugsanlage im
Hofbereich. Dies hat die Antragstellerin zu 1) zwar schuldrechtlich im Kaufvertrag mit
den Antragsgegnern zugestanden, aber entgegen ihrer schuldrechtlichen Verpflichtung
nicht in ihrem Kaufvertrag mit der Antragstellerin zu 2) weitergereicht.
Eine Vereinbarung im Sinne von § 10 Abs. 2 WEG, durch welche die
Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von
Vorschriften des WEG regeln, kann in der Regelung des § 13 Nr. 6 des notariellen
Kaufvertrages zwischen der Antragstellerin zu 1) und den Antragsgegnern nicht gesehen
werden. Bei Abschluss des ersten Kaufvertrages über eine zu veräußernde
Eigentumswohnung lag nicht einmal eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft
vor. Abgesehen davon spricht die bloße Regelung in dem Kaufvertrag dagegen, hierin
zugleich die Verwirklichung eines Instruments der Wohnungseigentümergemeinschaft zu
sehen, selbst wenn der teilende Eigentümer zu diesem Zeitpunkt noch sämtliche
Wohnungseigentumsrechte in seiner Hand hat und sogar die
Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung allein festlegen oder ändern könnte. Letztlich
können die Antragsgegner der Antragstellerin zu 2) eine derartige „Vereinbarung“ auch
aus dem Grunde nicht entgegenhalten, weil sie nicht im Grundbuch eingetragen ist. Wie
andere dingliche Rechte auch, bestimmt sich das Wohnungseigentumsrecht nach den
Eintragungen im Grundbuch. Dazu gehören allerdings auch die Eintragungen die
aufgrund von Antrag und Eintragungsbewilligung unter Bezugnahme auf andere
Urkunden erfolgt sind. Wie bereits ausgeführt ist aber hier in der
Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung lediglich ein Ausbaurecht hinsichtlich der
Dachgeschosswohnungen bestimmt worden, nicht aber zugleich auch zur Errichtung
eines Aufzugs im Hofbereich.
Die fehlende Grundbucheintragung hinsichtlich der Errichtung des Aufzugs würde auch
nicht durch eine Kenntnis der Antragstellerin zu 2) von den Ausbauabsichten der
Antragsgegner bezüglich des Aufzugs ersetzt. Der Erwerber eines im Grundbuch
eingetragenen dinglichen Rechts kann sich regelmäßig darauf verlassen, dass Umfang
und Grenzen seines Rechts aus dem Grundbuch ersichtlich sind. Die Berufung auf die
fehlende Eintragung des Ausbaurechtes ist deshalb regelmäßig auch nicht
rechtsmissbräuchlich. Die Kenntnisnahme ersetzt auch nicht die eigene Zustimmung
der Antragstellerin zu 2). Gerade wenn in ihrem Kaufvertrag keine Verweisung
vorgesehen ist, kann nicht auf eine Zustimmung der Antragstellerin zu 2) geschlossen
werden.
Die Antragstellerin zu 2) ist auch nicht an die von der Antragstellerin zu 1) in dem
Kaufvertrag mit den Antragsgegnern erteilte Zustimmung zur Errichtung des Aufzugs im
Hofbereich gebunden. Allerdings ist auch die Antragstellerin zu 2) ebenso wie die
Antragsgegner Sondernachfolgerin der Antragstellerin zu 1) bezüglich des erworbenen
Wohnungseigentumsrechts. Es kann dahinstehen, ob die Zustimmung zu einer
baulichen Veränderung bereits vor Invollzugsetzung der
Wohnungseigentümergemeinschaft oder auch vor Beginn einer werdenden
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Wohnungseigentümergemeinschaft oder auch vor Beginn einer werdenden
Wohnungseigentümergemeinschaft vom teilenden Eigentümer erteilt werden kann. Die
mit Einverständnis des teilenden Eigentümers vorgenommenen baulichen
Veränderungen werden nicht als solche im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG angesehen, weil
der teilungserklärungswidrige Bauzustand bereits bei Beginn der
Wohnungseigentümergemeinschaft bestand. Voraussetzung für die Zurechnung einer
Zustimmung des Rechtsvorgängers ist aber, dass der Umbau bereits ins Werk gesetzt
ist, wenn auch erst teilweise (OLG Düsseldorf NZM 1998, 79 = ZMR 1997, 657; OLG
Hamm NJW-RR 1991, 910; KG OLGZ 1989, 305). Grund hierfür ist, dass in diesen Fällen
der Käufer und Erwerber über den Umbau unterrichtet war und er letztlich nicht mehr
Rechte haben kann als der Veräußerer, der seine Zustimmung gegeben hat. Die
Gegenmeinung (Bärmann/Pick/Merle, WEG 9. Aufl., § 22 Rdnr. 117 mit Fußnote 1)
überzeugt nicht. Würde man die formlos erteilte Zustimmung auch ohne Bauausführung
(oder Baubeginn) als bindend für alle Rechtsnachfolger ansehen, entstünde ein nicht
hinzunehmender Wertungswiderspruch zu § 10 Abs. 2 WEG (Häublein, ZMR 2001, 734 in
Anm. zu OLG Zweibrücken vom 11. Juni 2001).
Angesichts des beiderseitigen Unterliegens der Antragstellerin zu 1 und der
Antragsgegner entspricht eine Teilung der Gerichtskosten dritter Instanz billigem
Ermessen (§ 47 Satz 1 WEG). Dagegen besteht kein hinreichender Anlass, die Erstattung
außergerichtlicher Kosten anzuordnen
(§ 47 Satz 2 WEG).
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
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