Urteil des KG Berlin vom 20.07.2006
KG Berlin: zulässigkeit der auslieferung, ersuchender staat, angemessene frist, auslieferungshaft, haftbefehl, nummer, geldinstitut, behörde, aufenthaltserlaubnis, hindernis
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Gericht:
KG Berlin 4.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
(4) Ausl A 378/06
(149/06)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 79 Abs 2 S 1 IRG, § 79 Abs 2 S
2 IRG, § 79 Abs 2 S 3 IRG, § 83b
IRG
Zweiteilung des Auslieferungsverfahrens: Vorabentscheidung
der Bewilligungsbehörde und deren Bekanntmachung;
Anforderungen an die Begründung der Vorabentscheidung
Leitsatz
1. Die Bewilligungsbehörde hat die gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 und 2 IRG in der Fassung des
EuHbG vom 20. Juli 2006 (IRG n.F.) erforderliche Vorabentscheidung gesondert von dem
Antrag auf Zulässigkeitserklärung der Auslieferung zu treffen und zu begründen.
2. Es ist sachgerecht, dass die Bewilligungsbehörde diese Vorabentscheidung selbst den
Beteiligten bekannt macht und damit das Anhörungsverfahren gemäß § 79 Abs. 2 Satz 3
zweiter Halbsatz IRG n.F. in Gang setzt.
3. Wegen der Ausgestaltung der Vorabentscheidung als Ermessensentscheidung muss aus
ihrer Begründung erkennbar sein, dass sich die Bewilligungsbehörde des ihr eingeräumten
Ermessens bewusst war und sie das Vorliegen von Bewilligungshindernissen anhand der
konkreten Umstände des Einzelfalles geprüft hat. Bei Vorliegen eines
Bewilligungshindernisses muss die Entscheidung ferner die Erwägungen nachvollziehbar
wiedergeben, aufgrund derer die Behörde beabsichtigt, das Hindernis nicht geltend zu
machen.
Tenor
1. Gegen die Verfolgte wird die Auslieferungshaft angeordnet.
2. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung der Verfolgten an die Republik
Polen zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der in dem Europäischen Haftbefehl des
Bezirksgerichts K. vom 31. Januar 2006 - (...) - bezeichneten strafbaren Handlungen wird
zurückgestellt.
Gründe
Die polnischen Behörden haben durch Übermittlung eines Europäischen Haftbefehls um
die Auslieferung der Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht. Die Verfolgte
ist am 2. August 2006 vorläufig festgenommen worden. Bei ihrer am darauf folgenden
Tag durchgeführten richterlichen Vernehmung gemäß § 28 IRG hat sie Einwendungen
gegen die Auslieferung erhoben, sich mit der vereinfachten Auslieferung (§ 41 IRG) nicht
einverstanden erklärt und keine Erklärung darüber abgegeben, ob sie auf Schutzrechte,
die zu ihren Gunsten bestehen, verzichtet. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
Berlin ordnet der Senat die Auslieferungshaft gegen die Verfolgte an (§ 15 Abs. 1 Nr. 1
IRG). Eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung kann gegenwärtig nicht
erfolgen, weil die insoweit bestehenden Voraussetzungen noch nicht vollständig erfüllt
sind.
I.
Die Anordnung der Auslieferungshaft ist zulässig und geboten.
1. Die Auslieferungsunterlagen entsprechen den Anforderungen des § 83 a Abs. 1 IRG in
der Fassung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes (EuHbG) vom 20. Juli 2006 (BGBl. I
S. 1721), das zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen
Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union (RbEuHb) vom 13. Juni 2002 am 2. August 2006 in Kraft getreten ist.
Der übermittelte Europäische Haftbefehl des Bezirksgerichts K. vom 31. Januar 2006 -
(...) -, dem der Beschluss des Amtsgerichts in S. vom 12. Dezember 2002 - (...) - über
die Anordnung der Untersuchungshaft der Verfolgten zugrunde liegt, enthält neben den
nach § 83 a Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 IRG erforderlichen Angaben auch solche zur Art und
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nach § 83 a Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 IRG erforderlichen Angaben auch solche zur Art und
rechtlichen Würdigung der der Verfolgten zur Last gelegten Straftaten, zu den verletzten
gesetzlichen Bestimmungen und der im ersuchenden Staat gesetzlich vorgesehenen
Höchststrafe sowie eine Beschreibung der näheren Tatumstände (§ 83 a Abs. 1 Nrn. 4
bis 6 IRG).
Danach wird der Verfolgten vorgeworfen, sich wie folgt strafbar gemacht zu haben:
a) In der Zeit vom 31. März bis zum 8. August 1999 soll sie als Vertreterin der
Unternehmung „Z.“ in drei Fällen in B. S. Unterschriften auf Verträgen gefälscht haben,
durch die mit den angeblichen Käufern von Waren der Unternehmung eine Vereinbarung
über einen Ratenkredit zur Zahlung des Kaufpreises eingeräumt wurde. Anschließend
soll sie die Verträge bei Geldinstituten vorgelegt und diese zu ihnen jeweils nachteiligen
Vermögensverfügungen zu ihren, der Verfolgten, Gunsten veranlasst haben. Im
Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
aa) Am 31. März 1999 soll sie auf den Namen von R. T. den Vertrag mit der Nummer
COS 56(...) über 798,84 Zloty ausgestellt und somit einen Geschäftsabschluss
vorgetäuscht haben. Diesen Vertrag soll sie mit der gefälschten Unterschrift des
angeblichen Käufers versehen und ihn anschließend bei der „GE Capital Bank S.A.“ in G.
vorgelegt haben, wodurch sie das Geldinstitut zu einer ihm nachteiligen
Vermögensverfügung veranlasst haben soll.
bb) Am 20. Juni 1999 soll sie auf den Namen von I. S. den Vertrag mit der Nummer COS
53(...) über 1.499,12 Zloty ausgestellt und somit einen Geschäftsabschluss
vorgetäuscht haben. Sie soll den Vertrag mit der gefälschten Unterschrift der
angeblichen Käuferin versehen, ihn anschließend bei der Niederlassung der „Wielkopolski
Bank Kredytowy S.A.“ in P. vorgelegt und das Geldinstitut so zu einer ihm nachteiligen
Vermögensverfügung veranlasst haben.
cc) Am 8. August 1999 soll sie auf den Namen von St. A. den Vertrag mit der Nummer
COS 05(...) über 3.015,59 Zloty ausgestellt und somit einen Geschäftsabschluss
vorgetäuscht haben. Sie soll den Vertrag mit der gefälschten Unterschrift der
angeblichen Käuferin versehen und ihn anschließend bei der Niederlassung der
„Wielkopolski Bank Kredytowy S.A.“ in P. vorgelegt haben, wodurch sie das Geldinstitut
zu einer ihm nachteiligen Vermögensverfügung veranlasst haben soll.
b) Darüber hinaus soll sie am 14. Februar 1999 in B. S. auf dem Vertrag mit der
Nummer COS 52(...) die Unterschrift des (angeblichen) Käufers Z. P. gefälscht haben.
2. Die Auslieferung der Verfolgten erscheint nicht von vornherein unzulässig (§ 15 Abs. 2
IRG). Die ihr zur Last gelegten Straftaten sind sowohl nach dem Recht des ersuchenden
Staates (Art. 286 § 1, 271 § 1 und 3, 270 § 1, Art. 91 § 1 und 11 § 2 des polnischen
Strafgesetzbuches) als auch nach deutschem Strafrecht (§§ 263 Abs. 1, 267 Abs. 1
StGB) strafbar und nach dem Recht des ersuchenden Staates mit einer Freiheitsstrafe
im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht (§ 81 Nr. 1 IRG).
Hindernisse, die die Auslieferung von vornherein als unzulässig erscheinen lassen (§ 15
Abs. 2 IRG), liegen gegenwärtig nicht vor. Die Verfolgte hat bei ihrer richterlichen
Vernehmung allerdings angegeben, wegen der dem Europäischen Haftbefehl zugrunde
liegenden Taten bereits durch ein Gericht in S. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr
und sechs Monaten unter Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung verurteilt
worden zu sein. Es ist deshalb erforderlich, insoweit eine Klärung herbeizuführen und den
polnischen Behörden Gelegenheit zu geben, hierzu ergänzende Angaben zu machen.
3. Die Anordnung der Auslieferungshaft ist erforderlich, weil die Gefahr besteht, dass sich
die Verfolgte, sollte sie auf freien Fuß gelangen, dem Auslieferungsverfahren oder der
Durchführung der Auslieferung entziehen wird (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG). Die Verfolgte hat
im Fall ihrer Verurteilung mit der Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu
rechnen. Ihre persönlichen Verhältnisse können die Fluchtgefahr nicht entscheidend
mindern. Die Verfolgte wohnt zwar nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2002 in Berlin,
hat einen im November desselben Jahres geborenen Sohn und verfügt über eine
Aufenthaltserlaubnis. Sie ist jedoch ohne Arbeit und bezieht öffentliche Mittel. Mit dem
Kindesvater, einem deutschen Staatsangehörigen, lebt sie nicht zusammen. Es ist nach
alldem zu befürchten, dass die Verfolgte in der Bundesrepublik Deutschland zumindest
untertaucht. Durch weniger einschneidende Maßnahmen nach § 25 IRG kann der Zweck
der Auslieferungshaft nicht erreicht werden.
II.
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Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung war zurückzustellen.
Ungeachtet der Frage, ob die Verfolgte wegen der Taten, zu deren Verfolgung die
polnischen Behörden ihre Auslieferung begehren, bereits verurteilt worden ist, fehlt es an
einer weiteren, wesentlichen Entscheidungsvoraussetzung. Denn die
Generalstaatsanwaltschaft Berlin als dafür zuständige Behörde hat bislang keine den
formellen und inhaltlichen Anforderungen des § 79 Abs. 2 Satz 1 und 2 IRG genügende
Entscheidung darüber getroffen, ob sie beabsichtigt, Bewilligungshindernisse nach § 83 b
IRG geltend zu machen oder nicht.
1. Mit der Regelung in § 79 Abs. 2 IRG soll für den Verfolgten ein umfassender, effektiver
Rechtsschutz gewährleistet werden, wie er vom Bundesverfassungsgericht in seinem
Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04 - für den Bereich des Europäischen Haftbefehls
gefordert wurde (vgl. BT-Drucks. 16/1024 S. 11, 12). Dazu gehört, dass die für die
Bewilligung zuständige Stelle eine Entscheidung gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 IRG trifft und
sie gemäß Satz 2 dieser Vorschrift begründet, wenn keine Bewilligungshindernisse
geltend gemacht werden sollen.
Diese Vorabentscheidung ist nicht nur vor dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft,
die Auslieferung für zulässig zu erklären, zu treffen, sondern auch in einer von diesem
Antrag gesonderten Form abzufassen. Dafür spricht bereits, dass die Regelungen des
EuHbG sich hinsichtlich der grundsätzlichen Zweiteilung des Verfahrens in eine
Zulässigkeitsentscheidung nach § 29 IRG und eine Bewilligungsentscheidung nach § 12
IRG an die bisherige Systematik des IRG anlehnen (vgl. BT-Drucks. aaO S. 12) und die
endgültige Bewilligung der Auslieferung in Form einer gesonderten Verfügung erteilt wird.
Das Formerfordernis ergibt sich zudem aus dem Wortlaut der Vorschrift, die in den
Sätzen 1 und 2 die Eigenständigkeit der Vorabentscheidung in einem formalisierten
Verfahren statuiert und sie neben der Zulässigkeit der Auslieferung der gerichtlichen
Prüfung im Verfahren nach § 29 IRG unterwirft. Es folgt ferner daraus, dass die
Entscheidung dem Verfolgten bekannt zu machen (vgl. dazu bereits BT-Drucks. aaO S.
13) und er zu ihr - nicht hingegen zu dem Antrag, die Auslieferung für zulässig zu
erklären - gemäß § 79 Abs. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz IRG zu hören ist.
Diesem Formerfordernis ist die Generalstaatsanwaltschaft vorliegend nicht gerecht
geworden. Denn sie hat lediglich in ihrem Antrag, die Auslieferung der Verfolgten für
zulässig zu erklären, ausgeführt, dass sie beabsichtige, „die Auslieferung zu bewilligen,
da der Europäische Haftbefehl den Anforderungen des § 83 a IRG genügt und
Auslieferungshindernisse nach § 83 b IRG nicht bestehen“.
2. Es ist ferner sachgerecht, dass die Generalstaatsanwaltschaft selbst als die
zuständige Bewilligungsbehörde ihre Vorabentscheidung - wie sonstige von ihr
getroffene Entscheidungen auch - dem Verfolgten bekannt macht und ihm zugleich eine
angemessene Frist setzt, um zu der Entscheidung Stellung zu nehmen. Damit wird am
ehesten dem strengen Fristenregime des RbEuHb, das Entscheidungen in kürzester Zeit
erfordert (vgl. BT-Drucks. aaO S. 13), Genüge getan. Denn auf diese Weise kommt es
nicht zu einer zeitlichen Verzögerung, die unvermeidbare wäre, wenn die
Vorabentscheidung zuerst dem zuständigen Gericht zusammen mit dem Antrag auf
Erklärung der Zulässigkeit der Auslieferung vorgelegt würde und das Gericht sodann die
Vorabentscheidung dem Verfolgten bekannt machen müsste. Die Regelung des § 79
Abs. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz IRG steht der Bekanntmachung der Vorabentscheidung
durch die Generalstaatsanwaltschaft nicht entgegen, da sie lediglich die Pflicht zur
Anhörung der Beteiligten, nicht aber das dabei einzuhaltende Verfahren normiert. Es ist
ferner nichts dafür ersichtlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers erst das
Oberlandesgericht dem Verfolgten die vorläufige Entscheidung bekannt machen sollte.
Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. aaO S. 13) ergibt sich lediglich, dass die
Bewilligungsbehörde ihre Entscheidung „gemeinsam“, also gleichzeitig, mit dem Antrag,
über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden, dem Oberlandesgericht zur
Prüfung im Verfahren nach § 29 IRG vorzulegen hat.
3. Die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in dem Antrag, die Auslieferung der
Verfolgten für zulässig zu erklären, genügen schließlich auch inhaltlich nicht den
Anforderungen an eine begründete Vorabentscheidung nach § 79 Abs. 2 Satz 1 und 2
IRG.
Die Begründung der Entscheidung soll die gerichtliche Überprüfung im Verfahren nach §
29 IRG ermöglichen, wobei das zuständige Gericht allerdings zu berücksichtigen hat,
dass ein sehr weites Ermessen der Bewilligungsbehörde besteht und die Entscheidung
inhaltlich nur sehr eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. BT-Drucks. aaO S. 13). Da die
Begründung der Entscheidung, wie ausgeführt, dem effektiven Rechtsschutz des
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Begründung der Entscheidung, wie ausgeführt, dem effektiven Rechtsschutz des
Verfolgten dient, muss sie bereits deshalb so abgefasst sein, dass sie auch für ihn
nachvollziehbar ist und er in die Lage versetzt wird, zu einzelnen Begründungselementen
gegebenenfalls sachlich zu erwidern. Das ist bei der vorstehend zitierten pauschalen
Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft nicht der Fall.
Der Umfang der Begründung der Vorabentscheidung ist gesetzlich nicht geregelt. Er
ergibt sich allerdings mittelbar daraus, dass es sich um eine im pflichtgemäßen
Ermessen der Bewilligungsbehörde stehende Entscheidung handelt und diese sich nur
auf die in § 83 b IRG normierten Bewilligungshindernisse erstreckt. Wegen der
Ausgestaltung als Ermessensentscheidung muss aus der Begründung erkennbar sein,
dass sich die Bewilligungsbehörde des ihr eingeräumten Ermessens bewusst war und sie
das Vorliegen von Bewilligungshindernissen anhand der konkreten Umstände des
Einzelfalles geprüft hat. Bei Vorliegen eines Bewilligungshindernisses muss die
Entscheidung ferner die Erwägungen nachvollziehbar wiedergeben, aufgrund derer die
Behörde beabsichtigt, das Hindernis nicht geltend zu machen. In der Begründung des
Entwurfes zum EuHbG ist hierzu u.a. ausgeführt (BT-Drucks. aaO S. 13), es folge aus der
Natur des jeweiligen Bewilligungshindernisses im Einzelfall, welche Erwägungen neben
dem wohlverstandenen Interesse des Verfolgten an möglichst wenig konkreten
Nachteilen einer Strafverfolgung oder Strafvollstreckung im ersuchenden Staat zu
berücksichtigen sind.
Die danach erforderlichen Erwägungen enthält die Stellungnahme der
Generalstaatsanwaltschaft nicht, obwohl hier Anlass zu einer Erörterung besteht. Denn
möglicherweise liegt ein Bewilligungshindernis gemäß § 83 b Abs. 2 Satz 1 Buchst. a IRG
in Verbindung mit § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IRG vor. Da die Verfolgte in ihrer richterlichen
Vernehmung u.a. angegeben hat, seit „ungefähr dem Jahr 2002“ in Deutschland zu
leben, eine Aufenthaltserlaubnis zu besitzen und ihren Lebensunterhalt (allein) aus
öffentlichen Mitteln zu bestreiten, ferner über eine feste Meldeadresse verfügt und dort
vor ihrer vorläufigen Festnahme offensichtlich mit ihrem drei Jahre alten Sohn wohnte,
während ihre drei älteren Kinder bei Pflegefamilien in Polen untergebracht sein sollen,
liegt die Annahme nicht fern, dass es sich bei ihr um eine Ausländerin handelt, die im
Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Auslieferung eines Deutschen wäre - bei
Umstellung des Sachverhaltes insoweit - gegenwärtig unzulässig. Die Straftaten, die
Gegenstand des Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts K. sind, weisen zwar
einen maßgeblichen Bezug zum ersuchenden Staat im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 und Satz 2 IRG auf. Es ist aber derzeit nicht gemäß Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 dieser
Vorschrift gesichert, dass die Republik Polen als ersuchender Staat nach Verhängung
einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe anbieten wird, die Verfolgte auf ihren Wunsch zur
Vollstreckung in den Geltungsbereich des IRG zurück zu überstellen.
Nach alldem bedarf es vor der Entscheidung des Senats über die Zulässigkeit der
Auslieferung der Verfolgten noch einer den Anforderungen des § 79 Abs. 2 Satz 1 und 2
IRG entsprechenden Vorabentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft.
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