Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: zitat, pressefreiheit, persönlichkeitsrecht, veröffentlichung, meinungsfreiheit, güterabwägung, presseunternehmen, selbstbestimmungsrecht, berufsausübung, hochzeit
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Gericht:
KG Berlin 9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 W 152/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 823 BGB, § 1004 BGB, Art 1
Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5
GG
Unterlassungsanspruch: Veröffentlichung eines Zitats aus einem
anwaltlichen Schriftsatz
Leitsatz
Die Veröffentlichung eines Zitates aus einem anwaltlichen Schriftsatz kann das in Art. 2 Abs.
1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Rechtsanwaltes in seiner Ausprägung als Selbstbestimmungsrecht,
in bestimmtem Umfang darüber zu entscheiden, ob und wie die Persönlichkeit für öffentlich
verbreitete Darstellungen benutzt wird, verletzen. Darüber hinaus kann das Recht auf freie
Berufsausübung gemäß Art. 12 Absatz 1 Satz 2 GG verletzt sein, weil der Ruf des
Rechtsanwalts beeinträchtigt sowie dessen Tätigkeit des Rechtsanwalts in ein schlechtes Licht
gerückt werden kann.
Die Veröffentlichung eines Zitates aus einem anwaltlichen Schriftsatz kann durch ein
sachliches und ernsthaftes, für die Allgemeinheit bedeutsames Informationsinteresse im
Ergebnis der Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite,
insbesondere mit der ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit (Art. 5
Abs. 1 S. 2 GG) sowie der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) gerechtfertigt sein.
(Abgrenzung zu Urteil des Senates vom 12. Januar 2007 - NJW-RR 2007, 842)
(Hier: Berichterstattung über das Spannungsverhältnis zwischen Pressefreiheit und
Persönlichkeitsrecht anhand konkreter juristischer Auseinandersetzungen zwischen
Presseunternehmen und von deren Berichterstattung Betroffenen).
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts vom
22. August 2006 (27.O.910/06) wird auf dessen Kosten bei einem Beschwerdewert von
10.000,00 Euro zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Dem Antragsteller steht ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB (analog),
Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu, weil die angegriffene Berichterstattung mit einem Zitat
des Antragstellers letzteren in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht
rechtswidrig verletzt.
1. Die Veröffentlichung eines Zitates aus einem anwaltlichen Schriftsatz kann das in Art.
2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Rechtsanwaltes in seiner Ausprägung als
Selbstbestimmungsrecht, in bestimmtem Umfang darüber zu entscheiden, ob und wie
die Persönlichkeit für öffentlich verbreitete Darstellungen benutzt wird, beeinträchtigen.
Jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts ist Ausfluss der
Persönlichkeit des Verfassers. Deshalb steht grundsätzlich allein dem Verfasser die
Befugnis zu, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form eine sprachliche
Gedankenfestlegung seiner Person der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll.
(vgl. BGH NJW 1954, 1404; BVerfG NJW 1980, 2070)
Auch dieses Recht ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Ob eine Verletzung
dieses Rechts vorliegt, ist jeweils anhand des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen;
denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine
Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine
Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite, hier
insbesondere mit der ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit (Art.
5 Abs. 1 S. 2 GG) sowie der Meinungsfreiheit des Antragsgegners (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG),
bestimmt werden (BGH NJW 1991, 1532). So hat der Senat schon in seinem Urteil vom
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bestimmt werden (BGH NJW 1991, 1532). So hat der Senat schon in seinem Urteil vom
03. März 2006 (9 U 117/05) darauf hingewiesen, dass es ein generelles Verbot, aus
Schriftsätzen von Rechtsanwälten zu zitieren, nicht gibt (vgl. auch BVerfG NJW 2000,
2416).
2. Diese Güterabwägung ergibt im vorliegenden Fall, dass das Informationsinteresse der
Öffentlichkeit gegenüber den schutzwürdigen Belangen des Antragstellers überwiegt.
a) Der Antragsgegner kann sich für seine Berichterstattung in der Ausgabe von „D. W.“
vom ... Juli 2… auf ein sachliches und ernsthaftes, für die Allgemeinheit bedeutsames
Informationsinteresse berufen. Thematisiert er in dem angegriffenen Artikel doch gerade
das Spannungsverhältnis zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht und berichtet
anhand konkreter juristischer Auseinandersetzungen zwischen Presseunternehmen und
von deren Berichterstattung Betroffenen über die Entwicklung des Presserechts. Im
Rahmen dieser Berichterstattung setzt er sich auch mit der Tätigkeit von
Rechtsanwälten bei der Durchsetzung eines – nach Auffassung der Autoren – immer
umfassenderen Persönlichkeitsschutzes ihrer Mandanten und den erheblichen
Auswirkungen dieser Tätigkeit auf das Pressewesen auseinander.
Gerade der Meinungsfreiheit, der das BVerfG wegen ihrer herausragenden Bedeutung
für die menschliche Persönlichkeit und die demokratische Staatsordnung seit jeher einen
besonders hohen Rang zuerkennt (BVerfG NJW 1991, 2339), muss hier bei der Abwägung
mit den anderen Rechtsgütern ein höheres Gewicht eingeräumt werden. Dies gilt
insbesondere bei Äußerungen, die nicht im privaten Interesse, sondern in öffentlichen
Angelegenheiten gemacht werden, wie im vorliegenden Fall. Hier spricht bereits eine
Vermutung zugunsten der Redefreiheit; an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik dürfen
keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BVerfG a.a.O.).
Im Rahmen einer solchen kritischen Auseinandersetzung um die Grenzen der
Pressefreiheit einerseits sowie des Persönlichkeitsrechts Betroffener andererseits, ist es
deshalb zulässig, das Wirken des Antragstellers und weiterer Medienanwälte für deren
Mandanten darzustellen und einer Wertung im Hinblick auf die Auswirkungen für die
Pressefreiheit zu unterziehen. Zu diesem Zwecke ist es gerechtfertigt, Äußerungen des
Antragstellers zu zitieren. Dies gilt auch für Zitate aus anwaltlichen Schriftsätzen.
b) Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers wiegt
demgegenüber weniger schwer.
Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, das zitierte Schreiben sei nicht für die
Öffentlichkeit bestimmt gewesen. Der Antragsteller ist durch das verwendete Zitat nicht
in seiner Geheimsphäre betroffen. Die Tätigkeit des Antragstellers für seine Mandanten
gegenüber Presseunternehmen spielt sich vielmehr in der Sozialsphäre ab.
Der Antragsteller wird mit der wiedergegebenen Äußerung weder falsch zitiert noch wird
dem Zitat auch nur eine andere Färbung oder Tendenz gegeben. Schließlich ist die
Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Zitat auch sonst nicht beeinträchtigend.
Der Antragsteller wird durch die Verwendung des Zitates weder verächtlich gemacht
noch herabgewürdigt.
Auch soweit der Antragsteller geltend macht, in seiner gleichermaßen
verfassungsrechtlich gewährleisteten Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) beeinträchtigt
zu sein, muss dies vorliegend im Kontext des gesamten vom Antragsgegner verfassten
Artikels hinter der Presse- und Meinungsfreiheit zurücktreten. Die Tätigkeit des
Antragstellers, auftragsgemäß die Rechte seiner Mandanten durchzusetzen, wird durch
die Berichterstattung des Antragsgegners nicht unmittelbar behindert oder erschwert.
Auch das Verhältnis des Antragstellers zu seinen Mandanten wird nur unerheblich
berührt. Dies mag anders sein, wenn ein an eine Redaktion gerichtetes Schreiben eines
Rechtsanwalts, welches zur Unterlassung der Verbreitung konkreter Tatsachen
auffordert, verkürzt und sinnentstellend veröffentlicht wird, weil auf diese Weise der Sinn
der anwaltlichen Tätigkeit, eine Berichterstattung gerade zu verhindern, in sein Gegenteil
verkehrt wird (Urteil des Senates vom 03. März 2006 – 9 U 117/05). Im vorliegenden Fall
hatte die Berichterstattung des Antragsgegners jedoch keinen (aktuellen) Bezug zu
einer konkreten Tätigkeit des Antragstellers oder eines der anderen namentlich
erwähnten Anwälte im Auftrage eines Mandanten; vielmehr ging es um die Darstellung
eines Beispielsfalles aus der Praxis zur für den Leser plastischen und nachvollziehbaren
Beschreibung eines gesellschaftspolitisch relevanten Phänomens, nämlich die - nach
Meinung des Antragsgegners - Zunahme juristischer Auseinandersetzungen zwischen
Prominenten mit Hilfe bestimmter spezialisierter Rechtsanwälte und der Presse sowie
deren Auswirkungen auf die Berichterstattungsfreiheit. Der Antragsteller läuft durch den
hier in Rede stehenden Bericht entgegen seiner Meinung nicht Gefahr, mit Blick auf
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hier in Rede stehenden Bericht entgegen seiner Meinung nicht Gefahr, mit Blick auf
bestehende oder mögliche zukünftige Mandate in den Ruf zu geraten, seine Art der
Wahrnehmung der Mandanteninteressen würden den Mandanten überhaupt erst in die
Zeitung bringen.
Das Zitat war im Kontext des Artikels auch inhaltlich nicht geeignet, die Tätigkeit des
Antragstellers für einen Mandanten oder auch einen potentiellen Mandanten, in ein
schlechtes Licht zu rücken. Der Inhalt des verwendeten Zitates, nämlich dass es der
erklärte Wunsch des vom Antragsteller vertretenen, bekannten Fernsehmoderators ist,
in seiner Privatsphäre in Ruhe gelassen zu werden, ist in der Öffentlichkeit hinlänglich
bekannt. Dass der Antragsgegner gerade aus diesem Grunde von dem Mandanten
beauftragt worden ist versteht sich von selbst. Weshalb der Mandant Anstoß daran
nehmen könnte, dass gerade dieser Umstand über die Tätigkeit des Antragstellers in
der Öffentlichkeit benannt wird, ist deshalb nicht nachvollziehbar. Erst recht konnte nicht
der Eindruck entstehen, der Antragsteller habe irgendwelche Informationen „an die
Presse lanciert“. Ebenso erweckt weder das Zitat selbst noch der Kontext der
Berichterstattung den Anschein, der Antragsteller gestalte seine Tätigkeit entgegen der
Interessen seiner Mandanten öffentlichkeitswirksam.
Schließlich war das Zitat äußerlich als solches aus einem konkreten Schriftsatz noch
nicht einmal erkennbar. Es handelte sich nicht um ein wörtliches Zitat, vielmehr wurden
in der angegriffenen Berichterstattung des Antragsgegners lediglich Formulierungen aus
dem anwaltlichen Schreiben des Antragstellers in indirekter Rede wiedergegeben. Soweit
der Antragsteller geltend macht, sein Mandant, welchem der Schriftsatz im Wortlaut
bekannt sei, könne das Zitat erkennen, spielt dies hier schon deshalb keine Rolle, weil
der Mandant selbst die Öffentlichkeit über das zitierte Schreiben des Antragstellers
informiert hat (vgl. Handelsblatt vom …: Hochzeit – J. geht gegen Medien vor).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO.
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