Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
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Gericht:
KG Berlin 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ws 463/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 4140 RVG,
§ 347 Abs 1 StPO
Strafverteidigerkosten im Revisionsverfahren: Verfahrensgebühr
durch Erwiderung auf die noch nicht begründete Revision der
Staatsanwaltschaft
Leitsatz
Die für das Revisionsverfahren vorgesehene Verfahrensgebühr wird nicht schon dadurch
ausgelöst, dass der Verteidiger der Revision – vor Abgabe der Revisionsbegründung – der
Staatsanwaltschaft mit einem Schriftsatz entgegentritt, in dem er allein darauf hinweist, die
Urteilsgründe hielten rechtlicher Nachprüfung stand und die Verwerfung des Rechtsmittels
beantragt.
Tenor
Die Beschwerde des Rechtsanwalts H., gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin
vom 9. August 2005 wird verworfen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Beschwerdeführer hat aufgrund gerichtlicher Bestellung den ehemaligen
Angeklagten verteidigt. Dessen Verurteilung durch das Landgericht Berlin zu einer
deutlich hinter dem Antrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft
zurückbleibenden Gesamtfreiheitsstrafe ist inzwischen dadurch rechtskräftig geworden,
dass die Staatsanwaltschaft ihre zunächst eingelegte Revision zurückgenommen hat,
ohne sie noch begründet zu haben. Der Revision, von der der Beschwerdeführer durch
einen auf der zugestellten Urteilsurkunde angebrachten Hinweis erfahren hat, ist der
Beschwerdeführer vor der Zurücknahme sogleich noch mit einem Schriftsatz
entgegengetreten, mit dem er mit der Begründung, die Urteilsgründe hielten rechtlicher
Nachprüfung stand, die Verwerfung des Rechtsmittels beantragt hat. Dieses Tätigwerden
im Revisionsverfahren will er vergütet sehen.
Seinen Antrag, die für den gerichtlich bestellten Verteidiger nach Nr. 4130 des
Vergütungsverzeichnisses Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG vorgesehene Verfahrensgebühr
für das Revisionsverfahren in Höhe von 412,00 Euro zuzüglich der gesetzlichen
Umsatzsteuer festzusetzen, insgesamt demnach 477,92 Euro, hat der Urkundsbeamte
der Geschäftsstelle des Landgerichts als des Gerichts des ersten Rechtszuges mit
Beschluss vom 11. Juli 2005 zurückgewiesen. Durch den angefochtenen Beschluss hat
das Landgericht durch den Vorsitzenden der verurteilenden Strafkammer die Erinnerung
des Verteidigers als unbegründet verworfen. Auch seine zulässige befristete Beschwerde
bleibt ohne Erfolg.
Dem Beschwerdeführer ist die beantragte Vergütung zu Recht versagt geblieben. Die
Einreichung des Schriftsatzes mit dem Antrag, die Revision der Staatsanwaltschaft zu
verwerfen, stellt keine den erhobenen Vergütungsanspruch auslösende Tätigkeit im
Revisionsverfahren außerhalb der Hauptverhandlung dar. Als solche ist nur sinnvolles
prozessuales Handeln anzuerkennen. Der Schritt des Beschwerdeführers war aber eine
vorauseilende Reaktion, die zu der Zeit offensichtlich überflüssig und nicht geeignet war,
das Revisionsverfahren zu fördern oder in irgendeiner Weise zu beeinflussen.
Gesetzlich ist die Anhörung des Gegners des Rechtsmittelführers erst später
vorgesehen, nämlich nach § 347 Abs. 1 StPO erst dann, wenn bei wie hier rechtzeitiger
Revision auch die Revisionsanträge rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form
angebracht sind, wozu es hier gar nicht mehr gekommen ist. Erst in diesem
Verfahrensstadium verfügt der Verteidiger über die Möglichkeit, sich sinnvoll auf das
weitere Verfahren und die relevanten Rechtsprobleme einzustellen, weil ihm erst die
Revisionsrechtfertigung Umfang und Zielrichtung des gegnerischen Rechtsmittels
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Revisionsrechtfertigung Umfang und Zielrichtung des gegnerischen Rechtsmittels
aufzeigt. Zudem lag hier nahe, dass es sich um ein nur vorsorglich eingelegtes
Rechtsmittel handelte, dessen weitere Durchführung davon abhing, ob das gegenüber
dem Antrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft deutlich mildere Strafmaß in
den Urteilsgründen tragfähig oder angreifbar begründet werden würde. Tatsächlich ist
denn auch, als die Urteilsgründe vorlagen, die Revision nicht begründet, sondern sie zwei
Wochen nach dem Tag der Urteilszustellung zurückgenommen worden, was erkennbar
auf eigene Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels durch die Revisionsführerin
zurückging, zumal der vorauseilende Erwiderungsschriftsatz insofern schon gar nicht
geeignet war, Einfluss auszuüben, als er sich nur auf die pauschale Angabe beschränkt
hatte, die Urteilsgründe hielten rechtlicher Nachprüfung stand. Die Akten lassen
überdies nicht einmal erkennen, dass der Schriftsatz des Verteidigers überhaupt der
Staatsanwaltschaft zur Kenntnis gelangt ist.
Der Senat knüpft mit dieser rechtlichen Bewertung des erhobenen Vergütungsanspruchs
an die Rechtsauffassung an, die das Oberlandesgericht Düsseldorf unter der Geltung des
früheren Vergütungsrechts nach der BRAGO für die vergleichbare prozessuale Situation
vertreten hat (JurBüro 1998, 424). Gleichermaßen sah der Senat sich außerstande, sich
der abweichenden Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart (DAR 1984, 86, 87)
anzuschließen.
Auch soweit der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel geltend macht, es sei
zumindest die Verfahrensgebühr für die Anfertigung oder Unterzeichnung einer Schrift
zur Erklärung auf die von dem Staatsanwalt eingelegte Revision entstanden, die unter 2.
der Nr. 4300 des Vergütungsverzeichnisses als Anwaltsgebühr aufgeführt sei, kann er
nicht durchdringen. Dem steht schon entgegen, dass die in Anspruch genommene
Regelung nach der Vorbemerkung des betreffenden Abschnitts unter die Gebühren fällt,
die für einzelne Tätigkeiten entstehen, ohne dass dem Rechtsanwalt sonst die
Verteidigung oder Vertretung übertragen ist. Eben dieses trifft hier gerade auf den
Beschwerdeführer als gerichtlich bestellten Verteidiger nicht zu.
Nach alldem muss dem Beschwerdeführer das Begehren, für Tätigwerden im
Revisionsverfahren vergütet zu werden, versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.
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