Urteil des KG Berlin vom 28.04.2008

KG Berlin: erstellung, auflage, gemeinschuldner, kommanditgesellschaft, rechnungslegung, verwalter, erfüllung, komplementär, bilanz, informationsrecht

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Gericht:
KG Berlin 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 U 206/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 82 KO, § 179 AO, § 264 HGB
Konkurs- bzw. Insolvenzverwaltung: Anspruch von
Gesellschaftern einer Gemeinschuldnerin gegen einen Konkurs-
bzw. Insolvenzverwalter auf Erstellung von Jahresabschlüssen
Leitsatz
Weder dem Komplementär noch dem Kommanditisten der Gemeinschuldnerin steht - zur
Durchführung der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung gemäß den §§ 179 ff. AO
- gegen den Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter eine Anspruch auf Erstellung und Vorlage von
Jahresabschlüssen zu.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. April 2008 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin - 5 O 483/06 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Beklagte ist der Konkursverwalter über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft
in Liquidation (im Folgenden: Gemeinschuldnerin), deren Komplementär die Klägerin zu
1. und deren Kommanditisten die Kläger zu 2. und 3. sind. Die Kläger begehren die
Erstellung und Vorlage von Jahresabschlüssen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie
Bilanzen für die Jahre 1997 bis 2005 betreffend die Gemeinschuldnerin.
Mit dem am 28. April 2008 verkündeten und dem Beklagten am 14. Juli 2008
zugestellten Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, die
Jahresabschlüsse, die Gewinn- und Verlustrechnungen sowie die Bilanzen für die Jahre
1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 betreffend die (Firma) W. &
Q. GmbH & Co. G. - und T. KG i.K. zu erstellen und den Klägern vorzulegen. Der Beklagte
sei dazu gemäß den §§ 264 f., insbesondere § 264a HGB verpflichtet. Soweit seine
Verwaltung reiche, habe er dieselben steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die der
Gemeinschuldnerin oblegen hätten, wenn über deren Vermögen nicht das
Konkursverfahren eröffnet worden wäre. Die Verpflichtung bestehe gegenüber den
Klägern, weil diese ihrerseits steuerliche Verpflichtungen zu erfüllen hätten. Wegen der
Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils verwiesen.
Der Beklagte wendet sich mit seiner am 29. Juli 2008 eingelegten und nach
Fristverlängerung um einen Monat - mittels eines am 14. Oktober 2008 bei dem
Kammergericht eingegangenen Schriftsatzes - begründeten Berufung gegen das
erstinstanzliche Urteil mit folgenden Einwänden: Das Urteil sei unklar tenoriert. Die
Kläger zu 2. und 3. seien nicht aktivlegitimiert. Aus § 82 KO ergebe sich kein Anspruch
auf Erstellung eines Jahresabschlusses. In der Liquidationsphase der
Kommanditgesellschaft sei lediglich zu Beginn und bei Beendigung eine Bilanz zu
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Kommanditgesellschaft sei lediglich zu Beginn und bei Beendigung eine Bilanz zu
erstellen; im vorliegenden Fall könne allein ein Zwischenbericht verlangt werden. Er habe
seine Mitwirkungspflicht zur Erstellung des Jahresabschlusses ordnungsgemäß erfüllt;
eine weitergehende Mitwirkungsverpflichtung sei ihm bislang tatsächlich unmöglich
gewesen. Er erhebt die Einrede der Verjährung. Wegen der Einzelheiten seines weiteren
Vorbringens wird auf die Berufungsbegründungsschrift (Blatt 19-36 Band II der Akten)
und den Schriftsatz vom 14. Januar 2009 (Blatt 82-92 Band II der Akten) verwiesen.
Er beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 28. April 2008 (5 O 483/06)
die Klage abzuweisen,
hilfsweise unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 28. April 2008 (5
O 483/06) den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Berlin
zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches
Vorbringen. Wegen der Einzelheiten ihres weiteren Vortrags wird auf die
Berufungserwiderungsschrift (Blatt 56-79 Band II der Akten) Bezug genommen.
II.
1.
unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften der §§ 517 ff. ZPO eingelegt.
2.
der Gemeinschuldnerin, der W. & Q. GmbH & Co. G. - und T. KG, keinen Anspruch auf
Erstellung und Vorlage der oben genannten Jahresabschlüsse gemäß § 82 KO haben. Auf
die Bestimmungen der §§ 264 f. HGB kann – entgegen der Auffassung des Landgerichts
– ein solcher Anspruch nicht gestützt werden; auch sonst besteht für einen solchen
Anspruch keine Grundlage.
a)
Bestimmungen der Konkursordnung Anwendung (Art. 103 EGInsO; vgl. Häsemeyer,
Insolvenzrecht, 4. Auflage 2007, Rdnr. 1.02).
b)
allen Beteiligten verantwortlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist
der Konkursverwalter dem Gemeinschuldner gegenüber gemäß § 82 KO verpflichtet,
während des Konkurses für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen
Buchführungspflichten zu sorgen (BGH, Urteil vom 29. Mai 1979 – VI ZR 104/78, BGHZ
74, 316-321). Die Verpflichtung des Konkursverwalters zur Erfüllung der steuerlichen
Buchführungspflichten findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Gemeinschuldner die
benötigten Unterlagen entbehren muss, sobald der Konkursverwalter sein Amt
übernimmt, und bei nicht ordnungsgemäßer Führung der Bücher nach steuerlichen
Gesichtspunkten durch den Konkursverwalter die steuerlichen Nachteile den
Gemeinschuldner treffen (BGH, Urteil vom 29. Mai 1979 – VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316-
321). Obwohl die Konkursordnung – anders als nunmehr § 155 InsO – keine Norm zur
externen handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung enthielt, hatte sich für den
gewerblichen Konkurs in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung durchgesetzt,
dass dem Verwalter neben der konkursrechtlichen Rechnungslegung auch die
allgemeinen handels- und steuerrechtlichen Pflichten obliegen (Breitenbücher, in: Graf-
Schlicker (Hrsg.), Kommentar zur Insolvenzordnung, 2007, § 155 Rdnr. 1 mit weiteren
Nachweisen). Der Insolvenzverwalter hat nach § 155 Abs. 1 InsO zwei verschiedene
Rechenwerke mit unterschiedlicher Zweckrichtung zu erstellen (Breitenbücher, a.a.O., §
155 Rdnr. 2); nichts anderes kann für den Konkursverwalter gelten, weil § 155 Abs. 1 InsO
lediglich eine bestätigende Klarstellung gegenüber der früheren Rechtslage enthält
(Begründung RegE, BT-Drucksache 12/2443, S. 172; Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rdnr. 1
f.). § 155 InsO hat bezogen auf die sich schon aus § 34 Abs. 3 AO ergebenden Pflichten
des Verwalters nur bekräftigenden Charakter (Breitenbücher, a.a.O., § 155 Rdnr. 3 mit
weiteren Nachweisen).
Allerdings hat der Konkurs-/Insolvenzverwalter nur diejenigen steuerlichen Pflichten zu
erfüllen, die ohne Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens dem Schuldner obliegen
würden. Die steuerlichen Pflichten reichen nur so weit, wie die Verwaltung des
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würden. Die steuerlichen Pflichten reichen nur so weit, wie die Verwaltung des
Vermögens reicht (Breitenbücher, a.a.O., Rdnr. 3; siehe auch KG, Beschluss vom 3. Juni
1997 – 1 W 8260/95, ZIP 1997, 1511-1512). So gehört insbesondere in der Insolvenz
über das Vermögen einer Personengesellschaft die Durchführung der einheitlichen
Gewinnfeststellung nach den §§ 179 ff. AO - um die es im vorliegenden Fall geht
ausweislich der Klageschrift (Blatt 3-4 Band I der Akten) - zu den insolvenzfreien
Angelegenheiten, da die Folgen der Gewinnfeststellung nicht den Vermögensbereich des
Gemeinschuldners, sondern die Gesellschafter persönlich berühren (BFH, Urteil vom 23.
August 1994 – VII R 143/92, ZIP 1994, 1969-1973; Breitenbücher, a.a.O., Rdnr. 3). Nicht
nachvollziehbar ist, dass die Kläger in ihrer Stellungnahme vom 7. April 2009 (Blatt 101-
103 Band II der Akten) zu dem Ladungshinweis lapidar vortragen, es gehe nicht um die
Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung nach den §§ 179f. AO, „sondern um
die Bilanz der Schuldnerin“.
Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach
auch die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der als GmbH & Co. KG
verfassten Gemeinschuldnerin am Konkursverfahren beteiligt ist (BGH, Urteil vom 22.
Januar 1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423-427); diese Entscheidung befasst sich mit der
Frage, wer Beteiligte im Sinne des § 82 KO sind, nicht aber mit dem Umfang der
Pflichten des Verwalters.
c)
stützen, weil die dort geregelte Rechnungslegungspflicht des Verwalters ausschließlich
den Zweck hat, die Geschäftsführung und Konkursabwicklung des Verwalters richtig
darzustellen und eine ordnungsgemäße Überprüfung durch das Gericht und die
Gläubiger zu ermöglichen (Uhlenbruck, Konkursordnung. Kommentar, 11. Auflage 1994,
§ 86 Rdnr. 1).
d)
bzw. Insolvenzeröffnung nicht erlöschendes – Informationsrecht gemäß § 166 HGB zu.
Dieses umfasst aber nur die Buchführung, so wie sie in der Kommanditgesellschaft
vorhanden ist (Grunewald, in: Münchener Kommentar zum HGB, 2. Auflage 2007, § 166
Rdnr. 8;OLG Zweibrücken, Urteil vom 7. September 2006 – 3 W 122/06, ZIP 2006, 2047-
2048). Es ist auf die Kontrolle des Rechnungsabschlusses beschränkt (Hopt, in:
Baumbach/Hopt, HGB, 33. Auflage 2007, § 166 Rdnr. 8). Die Kommanditisten haben
keinen eigenen Anspruch auf Rechnungslegung, weder gegenüber dem Komplementär
noch gegenüber der Kommanditgesellschaft (Grunewald, a.a.O.). Das außerordentliche
Informationsrecht nach § 166 Abs. 3 HGB - auf das die Kläger sich berufen - kann
ohnehin nicht vor dem Prozessgericht, sondern nur nach § 145 FGG geltend gemacht
werden.
e)
actio pro socio geltend machen. Denn wenn sich ein bestimmter Informationsanspruch
nicht aus dem Mitgliedschaftsrecht des Kommanditisten herleiten lässt, kann der
Kommanditist auch nicht auf dem Wege über die actio pro socio verlangen, dass die
Information der Gesellschaft erteilt wird (BGH, Urteil vom 23. März 1992 - II ZR 128/91,
NJW 1992, 1890-1892).
f)
regeln nicht das Verhältnis des Konkurs-/Insolvenzverwalters zu dem Gemeinschuldner
bzw. dessen Gesellschaftern. Die Pflichten des Konkursverwalters gegenüber den
Beteiligten sind in der Vorschrift des § 82 KO abschließend geregelt, die des
Gemeinschuldners gegenüber dem Verwalter in § 100 KO. Die §§ 238 ff. HGB - und damit
auch § 242 HGB, auf den die Kläger ihren Anspruch ausdrücklich stützen - sind
dogmatisch dem öffentlichen Recht zuzuordnen; sie verfolgen den (überindividuellen)
Zweck des institutionellen Gläubigerschutzes und der Unterrichtung der Allgemeinheit;
sie stellen keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar (Hüffer, in: HGB.
Großkommentar, 3. Band, 1. Teilband, 4. Auflage 2002, § 238 Rdrn. 2, 4).
3.
über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4.
dem Anspruch der Gesellschafter des Gemeinschuldners gegen den Konkurs- bzw.
Insolvenzverwalter auf Erstellung von Jahresabschlüssen von grundsätzlicher Bedeutung
und bislang nicht abschließend vom Bundesgerichtshof entschieden worden ist.
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