Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: grundstück, gericht erster instanz, treu und glauben, wild, eigentümer, einwirkung, anschlussberufung, unterlassen, graben, nachbarrecht

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Gericht:
KG Berlin 25.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
25 U 49/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 66 WasG BE, § 823 Abs 2 BGB,
§ 906 Abs 2 BGB, § 115 Abs 2
WasG NW
Nachbarrecht: Abwehr- oder Entschädigungsanspruch beim
Eintritt von Niederschlagswasser auf ein tiefer gelegenes
Grundstück
Leitsatz
1. Ein sog. nachbarrechtlicher Abwehranspruch kommt nicht in Betracht, wenn eine
abschließende Regelung existiert.
2. Zu Regelungsinhalt und Umfang von § 66 Berliner Wassergesetz beim Eintritt von
Niederschlagswasser auf ein tiefer gelegenes Nachbargrundstück.
Tenor
Auf die Berufungen der Streitverkündeten zu 1) - 3) wird das am April 2004 verkündete
Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin wie folgt geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ...-Weg 6. Die Beklagte ist Eigentümerin
der angrenzenden, höher liegenden Grundstücke ...-Weg 7-10. Die Streithelferin zu 3)
errichtete auf dem Grundstück eine Reihenhausanlage und verkaufte das unmittelbar an
der Grenze zum Grundstück der Klägerin liegende Teilgrundstück an die
Streitverkündeten zu 1) und 2).
Am 7. August 2002 regnete es sehr stark. Ein auf dem Grundstück der Beklagten
errichteter Graben lief binnen weniger Minuten voll. Das durch das abschüssige Gelände
hinablaufende Wasser spülte eine Erdaufschüttung an der Grenze zu dem Grundstück
der Klägerin im Bereich der Abgrabung fort.
Mit der Klage macht die Klägerin Schadensersatzansprüche im Wege einer Teilklage
geltend.
Die Klägerin hat behauptet, dass von den Dächern des Reihenhauses auf dem
Grundstück der Beklagten Niederschlagswasser auf ihr tiefer gelegenes Grundstück und
in den dortigen Keller geflossen sei.
Das Landgericht Berlin hat der Klage teilweise stattgegeben.
Dagegen richten sich die Berufungen der Streithelfer und die Anschlussberufung der
Klägerin.
Von der weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a
Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
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Die Berufungen der Streithelfer und die Anschlussberufung der Klägerin sind form- und
fristgerecht eingelegt worden (§§ 517, 519, 520, 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO); sie sind mithin
zulässig. In der Sache haben nur die Berufungen der Streithelfer Erfolg.
Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich nach Ansicht des Senats als rechtlich
unzutreffend (§§ 513, 546 ZPO). Entgegen der vom Gericht erster Instanz vertretenen
Ansicht steht der Klägerin gegenüber der Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu.
1. Ein Schadensersatzanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (in entsprechender
Anwendung) kommt - anders als vom Landgericht angenommen - bei der hier
vorliegenden Sachlage nicht in Betracht.
Nach § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung
von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und
ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht
verbieten, als die Einwirkung die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich
beeinträchtigt. Hat der Eigentümer eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem
Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen,
wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag
über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt, § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Außerhalb von § 906 Abs.2 Satz 2 BGB hat die Rechtsprechung einen sog.
nachbarrechtlichen Abwehranspruch anerkannt. Diesen bejaht sie, wenn von einem
Grundstück grundsätzlich abwehrbare Einwirkungen im Sinne von § 906 ausgehen, an
deren Abwehr der Betroffene aus besonderem Grund gehindert ist.
Der Anspruch wird aus den Rechtsgedanken der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2, § 14
Satz 2 BImSchG hergeleitet und ist verschuldensunabhängig (BGH NJW 2001, 1865).
Die Voraussetzungen eines solchen Ausgleichsanspruchs liegen hier nicht vor. Die
Klägerin war zwar angesichts des schadensstiftenden Ereignisses aus tatsächlichen
Gründen gehindert, einen Abwehranspruch (vgl. § 1004 BGB) geltend zu machen, was
als Hinderungsgrund ausreichend ist (BGH NJW 1999, 2896).
Hier handelt es sich aber ausschließlich um Schäden, die nach den Darlegungen der
Klägerin durch „übertretendes“ Niederschlagswasser entstanden sein sollen. Damit fehlt
es bereits an einer Einwirkung im Sinne des § 906 BGB. Ähnliche Einwirkungen
sind solche, die den in dieser Vorschrift genannten Beispielen vergleichbar sind, also
unwägbare, im allgemeinen sinnlich wahrnehmbare Immissionen, welche auf natürlichem
Wege zugeleitet werden (BGHZ 62, 361, 366). Das hat der Bundesgerichtshof in der vom
Landgericht zitierten Entscheidung (BGHZ 90, 258) für ein Unkrautbekämpfungsmittel,
welches durch Niederschlagswasser herangespült worden war, bejaht. Das Wasser war
dort also verseucht.
In jener Entscheidung heißt es: (...) Verschuldensunabhängig wäre ein
nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch der Klägerin gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Diese Regelung kommt in Betracht. Sie wäre unmittelbar anwendbar, wenn die
beeinträchtigende Einwirkung des verseuchten (Unterstr. d.d. Senat) Wassers durch
einen ortsüblichen Gebrauch des Unkrautvernichtungsmittels (...) verursacht worden
sein sollte und der Beklagte die Beeinträchtigung nicht in zumutbarer Weise hätte
verhindern können. (...). Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift ist hier geboten,
falls der Beklagte mögliche und zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen, also
rechtswidrig gehandelt haben sollte (...). Dieser allgemein für das Nachbarrecht
entwickelte Grundsatz ist nicht etwa nur auf andere als die von § 906 Abs. 1 BGB
erfassten Einwirkungen beschränkt, wie z.B. auf Grobimmissionen, Vertiefungsschäden
oder Behinderungen des Kontakts nach außen; er muss genauso für Einwirkungen im
Sinne dieser Vorschrift gelten, wenn der beeinträchtigte Eigentümer eine solche
Einwirkung trotz ihrer Rechtswidrigkeit nicht verhindern kann. Denn maßgeblicher
Gesichtspunkt ist in diesen Fällen nicht die Art der Einwirkung, sondern der Umstand,
dass eine zumutbare Beeinträchtigung des Eigentums oder Besitzes eintritt. (...)“ (S.
262, 263; vgl. insoweit auch BGH NJW 2003, 2377).
Eine entsprechende Anwendung der Regelung in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kommt auch
aus einem anderen Grunde nicht in Betracht. Im Verhältnis zweier
sind die nachbarrechtlichen Sonderbestimmungen in dem dann erfassten
Regelungsbereich maßgebend dafür, ob die von einem auf das andere Grundstück
ausgehenden Einwirkungen rechtswidrig sind. Diese entscheiden darüber, ob ein
Haftungstatbestand verwirklicht wird.
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Inhalt und Umfang eines Anspruchs im Einzelnen ergeben sich aus den Regelungen des
Nachbarrechts, das durch einen Ausgleich der einander widerstreitenden Interessen der
Nachbarn gekennzeichnet ist und sich nicht nur im Bundesrecht des BGB findet (§§ 906
ff BGB), sondern auch in den die allgemeinen nachbarrechtlichen Bestimmungen
ändernden und ergänzenden Rechtsvorschriften enthalten ist, die nach Art. 1 Abs. 2, Art.
65, 124 Satz 1 EGBGB dem Landesgesetzgeber vorbehalten sind. Die jeweilige
Eigentümerstellung wird durch die Zusammenschau aller sie regelnden gesetzlichen
Vorschriften bestimmt, die zugleich ihren Inhalt und ihre Schranken ausmachen. Nur in
dem hiernach gegebenen Rahmen kann der Eigentümer sich gegen Beeinträchtigungen
zur Wehr setzen (BGHZ 114, 183, 186; 90, 255, 258; NJW-RR 2000, 537, 538).
Ein Anspruch ist somit nicht gegeben, wenn eine abschließende Regelung existiert. Das
ist hier der Fall. Solche Regelungen beinhalten die Wassergesetze der Länder (- für
Berlin: § 66 Berliner Wassergesetz). Angesichts dieser nachbarrechtlichen
Sonderregelungen kann nicht auf den Rechtsgedanken von Treu und Glauben (BGHZ 75,
35, 43) und dementsprechend auch nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 906
Abs. 2 Satz 2 BGB zurückgegriffen werden (BGH NJW 1999, 3633; OLG Naumburg OLG-
NL 2002, 128). Es scheidet damit auch ein etwaiger auf §§ 1004, 906 BGB gestützter
Entschädigungs- bzw. Ausgleichsanspruch aus.
2. Ein Anspruch auf Schadensersatz steht der Klägerin auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB
i.V.m. § 66 Berliner Wassergesetz zu.
Es bestehen zwar keine Bedenken, dass die Beklagte im Hinblick darauf, dass sie zum
maßgeblichen Zeitpunkt als Eigentümerin des Grundstücks ...-Weg 7 eingetragen war,
grundsätzlich passivlegitimiert wäre.
Die Klägerin hat aber nicht darlegen können, dass die Beklagte schuldhaft gegen sie, die
Klägerin, schützende wasserrechtliche Bestimmungen (- hier § 66 Berliner Wassergesetz
-) durch ein Tun oder Unterlassen verstoßen hat.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 66 Abs. 1 Berliner Wassergesetz darf der Eigentümer eines Grundstücks den
Ablauf des wild abfließenden Wassers nicht künstlich so verändern, dass tieferliegende
Grundstücke beeinträchtigt werden.
Nach Abs. 2 der Regelung kann der Eigentümer eines Grundstücks von den
Eigentümern der tieferliegenden Grundstücke die Aufnahme des wild abfließenden
Wassers verlangen, wenn er es durch Anlagen auf seinem Grundstück nicht oder nur mit
unverhältnismäßig hohen Kosten abführen kann. Können die Eigentümer der
tiefergelegenen Grundstücke das Wasser nicht oder nur mit erheblichen kosten weiter
abführen, so sind sie zur Aufnahme nur gegen Entschädigung und nur dann verpflichtet,
wenn der Vorteil für den Eigentümer des höhergelegenen Grundstücks erheblich größer
ist als ihr Schaden.
Um den Regelungsinhalt und den Umfang der Vorschrift bestimmen zu können, ist auf
die Grundsätze zurückzugreifen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu
ähnlichen Normen bereits entwickelt worden sind. So hat der Bundesgerichtshof zu §
115 des Wassergesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (- der im wesentlichen
gleichlautend mit § 66 Abs. 1 BWG ist -) ausgeführt (NJW 1991, 2771/2772):
„(...) dass der Tatbestand des § 1004 BGB nicht erfüllt ist, wenn die abzuwendende
Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht. Der Abwehranspruch setzt
voraus, dass der Bekl. für die Beeinträchtigung als Störer verantwortlich ist. Dazu reicht
nach der Rechtsprechung des BGH der bloße Umstand des Eigentums an demjenigen
Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, nicht aus; die Beeinträchtigung muss
vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen (so auch
OLG Koblenz DWW 2001, 26). Daher sind dem Eigentümer des Grundstücks, von dem
durch Naturereignisse ausgelöste Störungen ausgehen, diese Beeinträchtigungen nur
zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht oder wenn die
Beeinträchtigung erst durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden ist (...).
Das Berufungsgericht hat die wassernachbarrechtliche Regelung der Vorflut wild
abfließenden Wassers, insbesondere Zweck und Bedeutung des § 115 NRW WassG,
verkannt. Schon das Gemeine Recht ging vom sog. besseren Recht des Oberliegers aus.
Nach den Grundsätzen der römisch-rechtlichen actio aquae pluviae arcendae musste
der Eigentümer eines Grundstücks den durch die natürlichen Geländeverhältnisse
bedingten Wasserzufluss unbedingt hinnehmen, er konnte nicht verlangen, dass der
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bedingten Wasserzufluss unbedingt hinnehmen, er konnte nicht verlangen, dass der
Oberlieger auf seinem Grundstück Vorkehrungen zur Zurückhaltung des Wassers traf,
und durfte es auch nicht abwehren. (...)
Das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 ging demgegenüber in der
Beschränkung des Unterliegers nicht so weit. Es gab diesem zwar auch keinen Anspruch
gegen den Oberlieger auf Maßnahmen gegen den Wasserablauf auf dem höherliegenden
Grundstück, aber doch grundsätzlich die Befugnis, sich durch Anlagen auf seinem
eigenen Grundstück gegen das ihm wild zufließende Wasser zu schützen. Nur unter
besonderen Voraussetzungen musste er es aufnehmen (... §§ 102-105 ALR I 8 ...).
Das preußische Wassergesetz vom 1.4.1913 (...) hat im wesentlichen die §§ 102-105
AR I 8 getroffene Regelung der Vorflut des wild abfließenden Wassers übernommen.(...)
Das Land Nordrhein-Westfalen hat in sein Wassergesetz wiederum das für wild
abfließendes Wasser geltende Recht des preußischen Wassergesetzes übernommen.
Die in § 115 NRW WassG (...) getroffene Regelung entspricht damit inhaltlich der bisher
schon überwiegend geltenden Rechtslage.
Auszugehen ist hiernach von der naturgesetzlichen Gegebenheit, dass das Wasser
bergab fließt und den natürlichen Geländeverhältnissen folgt. § 115 Abs. 1 Satz 1 NRW
WasserG verbietet dem Oberlieger ( ...), den Ablauf des wild abfließenden Wassers zum
Nachteil des Unterliegers künstlich zu verändern. Dieses Verbot gilt jedoch im Einklang
mit dem bisherigen Recht (§ 197 Abs. 2 PrwassG) nach § 115 Abs. 1 Satz 2 NRWwassG
nicht für eine Änderung der wirtschaftlichen Nutzung des Oberliegergrundstücks. Die
Rücksichtnahme auf den Unterlieger soll nicht dazu führen, den Oberlieger an der
Bewirtschaftung seines Grundstücks zu hindern. ...)
Die Befugnis des Unterliegers, das von einem anderen Grundstück wild abfließende
Wasser von seinem Grundstück abzuhalten, war früher in § 198 Abs. 1 WassG
ausdrücklich vorgesehen. Das nordrhein-westfälische Wassergesetz enthält insoweit
keine besondere Bestimmung mehr. Es geht stillschweigend davon aus, dass sich diese
Befugnis des Unterliegers ohne weiteres bereits aus seinem Eigentum am Grundstück (§
903 BGB) ergibt. Die Vorschrift des § 115 Abs. 2 NRW WasserG bestimmt in diesem
Zusammenhang lediglich die besonderen Voraussetzungen, unter denen der Unterlieger
ausnahmsweise zur Aufnahme des von dem höherliegenden Grundstücks wild
abfließenden Wassers verpflichtet ist..., wenn nämlich der Unterlieger den Ablauf des wild
abfließenden Wassers befugterweise abwehrt und nunmehr der Oberlieger das Wasser
durch Anlagen auf seinem Grundstück entweder überhaupt nicht oder nur mit
unverhältnismäßig hohem Aufwand abführen kann (...)“.
Diese Grundsätze, denen der Senat folgt, sind auch bei der Auslegung des § 66 Berliner
Wassergesetz maßgeblich. Allerdings weist die Regelung in Berlin nach ihrem Wortlaut
nicht aus, dass das Änderungsverbot nicht gilt, wenn eine andere wirtschaftliche
Nutzung des Grundstücks eintritt. Da das Land Berlin aber das System des preußischen
Rechts übernommen hat, ist es dem Oberlieger ebenso wie im preußischen Recht
verboten, den Ablauf des wild abfließenden Wassers zu verändern, sofern es sich nicht
um eine Änderung der wirtschaftlichen Nutzung seines Grundstücks handelt. Für die
Frage, wann eine Änderung der wirtschaftlichen Nutzung anzunehmen ist, behalten die
unter der Geltung des preußischen Wassergesetzes entwickelten Grundsätze weiterhin
Gültigkeit (Dehner, Nachbarrecht, B § 16, 4). In § 197 Abs. 2 des Preußischen
Wassergesetzes ist ausgeführt, dass unter das Kriterium der künstlichen Veränderung
nicht eine solche infolge veränderter wirtschaftlicher Benutzung des Grundstücks fällt.
Unter die wirtschaftliche Benutzung fiel die Errichtung von Gebäuden, Zäunen und
Wällen etc. (vgl. Holtz-Kreutz/Schlegelberger, Das Preußische Wassergesetz, 2. Band,
1931, Anm. 7 zu § 197).
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in Berlin bei der vorliegenden Sachlage
nachbarrechtlich nur auf die Regelung in § 66 Wassergesetz abzustellen ist. In anderen
Bundesländern ist teilweise eine Regelung vorhanden, wonach bauliche Anlagen so
einzurichten sind, dass Niederschlagswasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft, auf
dieses abgeleitet wird oder übertritt (vgl. dazu BGH MDR 1982, 827; vgl. auch OLG
Düsseldorf NJW-RR 2002, 306, OLG Frankfurt OLGR 1998, 338-340). Eine entsprechende
Regelung ist im Berliner Landesrecht nicht ersichtlich. Soweit sich die Klägerin im
Übrigen auf die Bauordnung des Landes Berlin stützt, kommt es darauf nicht an, da die
von ihr zitierte Vorschrift (insbesondere des § 40 Berliner Bau O) keinen
drittschützenden Charakter hat.
In concreto verstießen nach Vorstehendem weder die Bebauung auf dem Grundstück
der Beklagten noch die dazu erforderlichen Maßnahmen grundsätzlich gegen § 66 des
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der Beklagten noch die dazu erforderlichen Maßnahmen grundsätzlich gegen § 66 des
Berliner Wassergesetzes (vgl. für Baumaßnahmen: OLG Hamm, Urteil vom 24. Oktober
1977, 5 U 143/77). Es handelte sich um eine zulässige veränderte wirtschaftliche
Benutzung des Grundstücks.
Als Verstoß gegen die wasserrechtlichen Bestimmungen ist es in der Rechtsprechung
allerdings angesehen worden, wenn ein Oberlieger bei der Bebauung die anerkannten
Regeln der Straßenbautechnik und der Wasserwirtschaft nicht einhält (vgl. OLG
Düsseldorf, NVwZ-RR 1993, 178 LS) oder wenn der Zufluss von Wasser verstärkt wird
(OLG Naumburg, a.a.O.; s. aber zum fehlenden Abwehranspruch bei einer veränderten
wirtschaftlichen Nutzung, durch die der Abfluss von Wasser auf das Nachbargrundstück
verstärkt wird: OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 1115; vgl. auch OLG Köln NVwZ-RR 1989,
642; LG Freiburg NVwZ-RR 1993, 179).
Hier ist als gewichtiger Umstand zu berücksichtigen, dass nach dem unstreitigen
Sachverhalt die Fallrohre, die das Regenwasser auf dem Grundstück der Beklagten in
Auffangbecken leiten sollten, an diese noch nicht angeschlossen waren (vgl. OLG Hamm,
Der Betrieb, 1974, 2151 ff.; OLG Köln NJW-RR 1995, 156; LG Düsseldorf NVwZ-R 1993,
178 (LS), LG Paderborn ZMR 1991, 300).
Gleichwohl reichen die (weiteren) Darlegungen der Klägerin nicht aus, um hinreichende
Anhaltspunkte für einen schadensverursachenden Verstoß der Beklagten gegen die
wasserrechtliche Regelung im Sinne eines Tuns oder Unterlassens zu haben. Es hätte
eines Vortrages dazu bedurft, dass das Wasser bei einer - unterstellten -
Niederschlagsmenge von 50-60 Litern pro Quadratmetern (vgl. Seite 37 des Gutachtens
der ... GmbH Nr. .../02) bei einem Anschluss der Fallrohre an die Auffangbecken auf dem
Gelände der Beklagten insgesamt hätte versickern können. Dazu wäre es erforderlich
gewesen, zu den genauen örtlichen Gegebenheiten vorzutragen: zur Flächengröße der
Dächer, zur Aufnahmekapazität der Fallrohre, zum Fassungsvermögen der
Auffangbecken, zur Bodenbeschaffenheit etc.. An entsprechenden Darlegungen fehlt es.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass sich das Niederschlagswasser vor dem hier
maßgeblichen Ereignis seinen Weg bis zur endgültigen Versickerung auf dem Grundstück
der Beklagten gebahnt habe (Bd. I Bl. 5 d.A.). Nun sei es hangabwärts in Richtung des in
ihrem Eigentum stehenden Grundstücks geflossen. Das Wasser sei von den Dachflächen
in Fallrohre geleitet worden, um dann ohne Fortleitung direkt auf die Geländeoberkante
zu treffen (Bd. I Bl. 8 d.A.). Es liege auf der Hand, dass in den Graben
Niederschlagswasser einlaufen könne, sich dort sammle und sodann wiederum in dem
Stichkanal hangabwärts in Richtung auf ihr, der Klägerin Grundstück fließen müsse (Bd. I
Bl. 105 d.A.). U.a. die Ableitung des aus den Regenfallrohren des Gebäudes
austretenden Niederschlagswassers sei zumindest mitursächlich gewesen (Bd. I Bl. 105
d.A.). In dem Graben habe sich hauptsächlich dasjenige Wasser gesammelt, das sich
aus den Fallrohren gesammelt habe (Bd. I Bl. 122 d.A.). Aus dem von der Klägerin
vorgelegten Gutachten (s.o.), das zur weiteren Substantiierung ihres Vortrags dienen
soll, ergeben sich ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte zur
schadensverursachenden Handlung. Insbesondere kann nicht hinreichend nachvollzogen
werden, weshalb die Entwässerungssituation hauptverantwortlich gewesen sein soll
(Seite 40 des Gutachtens), wenn auch ausgeführt wird, dass sandiger Geschiebelehm
dazu geführt habe, dass das Wasser nicht vollständiger versickert sei. Der Vortrag der
Klägerin enthält keine hinreichenden Angaben, um festzustellen, in welchem Umfang der
Wasserfluss bei einem Anschluss der Regenrohre an die Auffangbecken vom Grundstück
der Beklagten hätte aufgenommen werden können. Im Hinblick darauf bedurfte es
keiner Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung oder Einholung eines
Sachverständigengutachtens. Eine Beweisaufnahme stellte einen unzulässigen
Ausforschungsbeweis dar.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat
beantragt hat, ihr eine Erklärungsfrist zu gewähren (§ 139 Abs. 5 ZPO) war dem nicht zu
entsprechen. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die vom Senat dargelegten
rechtlichen Gesichtspunkte zum Umfang der wasserrechtlichen Regelungen bereits
durch die Parteien kontrovers erörtert wurden. Es handelte sich damit nicht um einen
Gesichtspunkt, der seitens des Senats anders als von beiden Parteien beurteilt wurde
(vgl. § 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Eine Erklärungsfrist war auch nicht in Ansehung der
Regelung in § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu gewähren. Der Senat geht zunächst davon aus,
dass die Erklärungsfrist insbesondere im Hinblick auf die von ihm erteilten Hinweise zu
den fehlenden Darlegungen der Klägerin (s.o.) beantragt worden ist. Nach § 139 Abs. 2
Satz 1 ZPO besteht zwar die Verpflichtung, einer Partei die Gelegenheit zur Äußerung zu
gewähren, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt stützt, den
eine Partei erkennbar übersehen hat. Selbst wenn man dies hier unterstellte, ist zu
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eine Partei erkennbar übersehen hat. Selbst wenn man dies hier unterstellte, ist zu
berücksichtigen, dass dieser Gesichtspunkt im Schriftsatz des vormaligen
Prozessbevollmächtigten der Streitverkündeten zu 3) vom 8. April 2004 (Bd. I Bl. 138 -
Mitte) benannt worden ist. Er ist zwar erst nach dem Verkündungstermin der ersten
Instanz eingegangen, ist hier aber gleichwohl heranzuziehen. Die Streitverkündete zu 3)
hat sich nämlich auf ihr gesamtes Vorbringen in der ersten Instanz bezogen
(Berufungsbegründung S. 3 – vor III., Bl. 195 d.A.). Dafür, dass die Klägerin im
Berufungsrechtszug darauf wegen eines erkennbaren Missverständnisses oder
Rechtsirrtums nicht eingegangen ist (vgl. BGH NJW 2001, 2548), fehlen Anhaltspunkte.
Ergänzend ist zudem auszuführen, dass sich auch das Landgericht im angefochtenen
Urteil (S. 6 unten (Bd. I Bl. 129 = AH 6 d.A.) bereits auf die Ausführungen zur Bau- und
Geländesituation in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten bezogen hat.
Nach Vorstehendem kann dahinstehen, ob zudem Anhaltspunkte für einen
Verstoß hinreichend ersichtlich sind.
Auf die Frage eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin kommt es nicht an. Gleiches
gilt hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Schadens.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 Halbsatz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 ZPO. Die
Rechtssache hat angesichts des hier vorliegenden Einzelfalles keine grundsätzliche
Bedeutung, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Des weiteren erfordert sie keine Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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