Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: im bewusstsein, gefährdung, fahrspur, leichtsinn, nachlässigkeit, wiedergabe, link, sammlung, quelle, mangel

1
2
3
Gericht:
KG Berlin 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
(3) 1 Ss 318/05
(83/05)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 315c StGB
Gefährdung des Straßenverkehrs: Voraussetzungen des
subjektiven Tatbestandsmerkmals "rücksichtslos" bei
Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung
Leitsatz
Bei einer Verurteilung wegen § 315c StGB bedarf es eigener Feststellungen zum subjektiven
Tatbestandsmerkmal "rücksichtslos". Darauf kann in aller Regel nicht allein aus dem
objektiven Geschehensablauf gefolgert werden, sondern es bedarf zusätzlicher Umstände,
die eine innere Haltung des Verkehrsteilnehmers offenbaren, deren tragendes Moment in der
konkreten Verkehrssituation Leichtsinn, Eigennutz oder Gleichgültigkeit gegenüber anderen
gewesen ist.
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. April
2005 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger
Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten durch Urteil vom 14. Januar
2005 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und wegen Beleidigung zu
einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt. Dieses Urteil hat
das Landgericht auf seine Berufung hin aufgehoben und ihn unter Freisprechung im
Übrigen wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 30
Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die
Verletzung materiellen Rechts geltend macht, hat (vorläufigen) Erfolg.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils soll der Angeklagte mit seinem
Fahrzeug die rechte Fahrspur der dreispurigen Stadtautobahn A 100 befahren und
zunächst nicht bemerkt haben, dass der Zeuge P. im Begriffe gewesen sei, ihn auf der
mittleren Fahrspur mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h zu überholen. Als dieser
noch ca. 3 Meter von ihm entfernt gewesen sei, habe der Angeklagte ohne zu blinken die
Fahrspur gewechselt, so dass der Zeuge nach links habe ausweichen müssen und leicht
ins Schleudern geraten sei. Kurz darauf habe der Zeuge den Angeklagten wieder
eingeholt und neben ihm fahrend bemerkt, dass dieser gegrinst und eine nicht mehr
genau festzustellende Handbewegung gemacht habe.
Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des
Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 StGB nicht. Danach ist strafbar, wer
im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt oder sonst bei
einem Überholvorgang falsch fährt und dadurch zumindest eine konkrete
Gefährdungslage herbeiführt. Als grob verkehrswidrig gilt hierbei jedes Verhalten, das
einen besonders schweren und gefährlichen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften
beinhaltet [vgl. OLG Düsseldorf VM 2000, 53] und in aller Regel nicht nur die Sicherheit
des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigen, sondern auch schwerwiegende Folgen
zeitigen kann [vgl. OLG Köln VRS 84, 293-295]. Demgegenüber handelt rücksichtslos,
wer sich im Bewusstsein seiner Verkehrspflichten aus eigensüchtigen Gründen über
diese hinwegsetzt oder sich aus Gleichgültigkeit auf seine Pflichten als Fahrer nicht
besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise in sich nicht aufkommen lässt und
unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens drauflos fährt [vgl. OLG Oldenburg DAR
2002, 89], wobei die Beweggründe des Fahrers von entscheidender Bedeutung sind [vgl.
4
5
2002, 89], wobei die Beweggründe des Fahrers von entscheidender Bedeutung sind [vgl.
OLG Düsseldorf a.a.O.].
Ob das vorliegend festgestellte Fahrverhalten des Angeklagten als grob verkehrswidrig
anzusehen ist, kann offen bleiben, denn die Annahme der Rücksichtslosigkeit belegen
die Urteilsausführungen nicht. Auf dieses subjektive Merkmal kann in aller Regel nicht
allein aus dem objektiven Geschehensablauf gefolgert werden [vgl. Hentschel,
Straßenverkehrsrecht 38. Aufl., § 315 c StGB Rdn. 21 ff.], sondern es bedarf zusätzlicher
Umstände, die eine innere Haltung des Verkehrsteilnehmers offenbaren, deren
tragendes Moment in der konkreten Verkehrssituation Leichtsinn, Eigennutz oder
Gleichgültigkeit gegenüber anderen gewesen ist. Die Feststellungen müssen mithin
einen Mangel an Rücksicht erkennen lassen, der weit über das hinausgeht, was
normalerweise jedem - häufig aus Gedankenlosigkeit oder Nachlässigkeit - begangenen
Verkehrsverstoß innewohnt. Daran fehlt es hier. Die Urteilsausführungen beschränken
sich auf die Wiedergabe des objektiven Sachverhaltes, ohne sich mit etwaigen
Beweggründen des Angeklagten auseinanderzusetzen oder zu erörtern, weshalb dessen
Fahrverhalten nicht auf einer Fehleinschätzung der Verkehrssituation oder
Unaufmerksamkeit beruhte.
Da nicht auszuschließen ist, dass hierzu noch weitere Feststellungen getroffen werden
können, hebt der Senat das Urteil insoweit auf und verweist die Sache an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurück.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum