Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: wichtiger grund, freiwillige gerichtsbarkeit, abberufung, gesetzlicher vertreter, gesellschafter, anschlussbeschwerde, beschwerdebefugnis, abtretung, report, liquidator
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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 25/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 66 Abs 3 S 1 GmbHG, § 38 Abs
2 GmbHG, § 66 Abs 5 GmbHG, §
70 GmbHG, § 13 FGG
GmbH: Wichtiger Grund für die Abberufung eines
Nachtragsliquidators; Beschwerdebefugnis
Leitsatz
Ein wichtiger Grund zur Abberufung des nach § 66 Absatz 5 GmbHG vom Gericht bestellten
Liquidators besteht auch dann, wenn der Liquidator nicht hätte bestellt werden dürfen, weil
der Antragsteller lediglich eigennützige Zwecke verfolgt und die von dem Liquidator
durchzuführenden Maßnahmen nicht der Abwicklung dienen.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 3.000 EUR mit der
Klarstellung zurückgewiesen, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts Charlottenburg vom
22. Oktober 2002 und 28. April 2003 aufgehoben sind.
Gründe
A.
Das Amtsgericht Charlottenburg hat auf den Antrag des Beteiligten zu 2) den Beteiligten
zu 3) mit Beschluss vom 22. Oktober 2002 zum Nachtragsliquidator der am 31. Juli 2002
wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschten Gesellschaft mit einem
beschränkten Aufgabenkreis bestellt. Zuvor hatte der ebenfalls auf Antrag des
Beteiligten zu 2) mit Beschluss vom 17. September 2002 zum Nachtragsliquidator
bestellte Herr C... sein Amt niedergelegt und den Bestellungsbeschluss zurückgereicht.
Gegen den Beschluss vom 22. Oktober 2002 hat sich der Verfahrensbevollmächtigte der
Beteiligten zu 1), die zum Zeitpunkt der Löschung die alleinige Gesellschafterin der
Gesellschaft war, in ihrem Namen und unter - später nachgereichter - Vorlage einer
Originalvollmacht mit Schreiben vom 12. Dezember 2002 gewandt mit dem Ziel, den
Beteiligten zu 3) als Nachtragsliquidator abzuberufen und die Nachtragsliquidation für
beendet zu erklären, hilfsweise einen Herrn G... zum Nachtragsliquidator zu bestellen.
Diese Anträge hat das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 28. April 2003
zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten
zu 1) am 19. Mai 2003 zugestellt worden. Hiergegen hat er mit Schriftsatz vom 2. Juni
2003, der am gleichen Tag beim Landgericht eingegangen ist, Beschwerde eingelegt.
Nach der Übersendung dieses Schreibens hat der Beteiligte zu 3) mit Schriftsatz vom
28. Juli 2003 erklärt, dass er sich der bereits erhobenen Beschwerde aus eigenen
Gründen anschließe. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 hat das Landgericht den
Beschluss vom 28. April 2003 aufgehoben und den Rechtsbehelf des Beteiligten zu 3),
den es als Anschlussbeschwerde angesehen hat, als unzulässig verworfen. Hiergegen
wendet sich der Beteiligte zu 3) mit der am 21. Januar 2004 eingelegten sofortigen
weiteren Beschwerde.
B.
Die sofortige weitere Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt. Der Beteiligte zu
3) ist beschwerdebefugt. Nach dem Tenor der landgerichtlichen Entscheidung ist
allerdings lediglich der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28. April 2003
aufgehoben worden, mit dem die Anträge der Beteiligten zu 1) auf Aufhebung der
Nachtragsliquidation und hilfsweiser Bestellung eines anderen Nachtragsliquidators
zurückgewiesen worden sind. Unberührt geblieben ist der Bestellungsbeschluss vom 22.
Oktober 2002. Dass das Landgericht gleichwohl auch diesen Bestellungsbeschluss
aufheben wollte, ergibt sich aber aus den Gründen der Entscheidung. Denn danach ist
der Antrag der Beteiligten zu 1), der auf eine Abberufung des Beteiligten zu 3) als
Nachtragsliquidators zielte, begründet. Das Landgericht führt insoweit weiter aus, dass
die Bestellung einer anderen Person zum Nachtragsliquidator nicht tunlich sei. Enthält
aber der Beschluss des Landgerichts die Abberufung des Beteiligten zu 3) als
Nachtragsliquidators ist dieser auch im Sinne des § 20 Absatz 1 FGG, der nach § 29
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Nachtragsliquidators ist dieser auch im Sinne des § 20 Absatz 1 FGG, der nach § 29
Absatz 4 FGG auch im Rahmen der weiteren Beschwerde gilt, beschwerdebefugt (vgl.
Senat, OLG-Report 2005, 505; OLG Köln OLG-Report 2003, 121 = Rpfleger 2003, 301;
Keidel/Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 20 Rn. 92). Soweit das Landgericht
angenommen hat, der Beteiligte zu 3) habe eine Anschlussbeschwerde eingelegt, ergibt
sich die Beschwer schon aus dem Umstand, dass diese als unzulässig verworfen worden
ist.
I. Die sofortige weitere Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Rechtsverletzungen, auf die
die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden, § 27 Absatz 1 Satz 2 FGG in
Verbindung mit § 546f. ZPO weist die landgerichtliche Entscheidung nicht auf.
1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beteiligte zu 3) gegen den
Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28. April 2003 Anschlussbeschwerde
einlegen wollte. Dies ergibt sich aus dem Schreiben vom 28. Juli 2003. Dem steht nicht
entgegen, dass ihm zu diesem Zeitpunkt der Beschluss vom 28. April 2003 noch gar
nicht bekannt war. Denn er hat seine Erklärung auch nach dem Erhalt des Beschlusses
aufgrund des Schreibens des Landgerichts vom 30. Oktober 2003 nicht korrigiert. Dann
aber durfte das Landgericht bei dem als Rechtsanwalt zugelassenen Beteiligten zu 3)
von der Absicht ausgehen, dass dieser an seiner Erklärung festhalten will, zumal dieser
selbst mit Schreiben vom 12. November 2003 erklärt hat, dass er nunmehr endlich
verstehe, worum es eigentlich gehe. Einer weiteren Nachfrage entsprechend § 138
Absatz 1 ZPO, ob an der Erklärung festgehalten werde oder ob tatsächlich eine
Anschlussrechtsmittel eingelegt sein soll, bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Die von
dem Beteiligten zu 3) in dem Schriftsatz vom 25. Mai 2005 erklärte Anfechtung wegen
Irrtums geht ins Leere, weil Verfahrenshandlungen nicht rückwirkend durch
Anfechtungserklärung beseitigt werden können (vgl. BGH NJW 1963, 956, 957;
Keidel/Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 11 Rn. 34). Ist das Landgericht aber zu
Recht von der Einlegung einer Anschlussbeschwerde ausgegangen, war diese auch als
unzulässig zu verwerfen, weil die Voraussetzungen der Anschlussbeschwerde nicht
vorlagen, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Auf die entsprechenden
Ausführungen wird verwiesen.
2. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich
gegen seine dem Beschluss zu entnehmende Abberufung als Nachtragsliquidator der
Gesellschaft richtet.
a) Das Landgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde der
Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss vom 28. April 2003 ausgegangen.
aa) Es ist allerdings umstritten, ob ein Gesellschafter durch die Bestellung eines
Nachtragsliquidators in der Weise beschwert ist, dass er sich gegen die Bestellung
wenden kann (gegen ein Beschwerderecht: Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., Anh. §
60 Rn. 44; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 17. Aufl., § 60 Rn. 39; dafür:
Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 60 Rn. 55). Der Senat hat in einem
Beschluss vom 10. November 1981 (ZIP 1982, 59, 61) eine Beschwerdebefugnis
jedenfalls dann verneint, wenn der Gesellschafter sich gegen die Bestellung eines
Nachtragsliquidators mit dem Argument wendet, es sei kein Gesellschaftsvermögen
mehr vorhanden und deshalb keine Nachtragsliquidation erforderlich. Im dortigen Fall
war Anlass der Bestellung die Behauptung des Gläubigers, der Gesellschaft stünden
Schadensersatzansprüche gegen den Gesellschafter zu, der zuvor auch gesetzlicher
Vertreter der Gesellschaft gewesen war.
Der Senat ist der Auffassung, dass jedenfalls in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden
von der Beschwerdebefugnis auch eines Gesellschafters ausgegangen werden muss.
Der Nachtragsliquidator hat die noch notwendigen Abwicklungsmaßnahmen
durchzuführen, für ihn gilt die Vorschrift des § 70 GmbHG entsprechend. Soweit sich
demnach Vermögenswerte ergeben, hat er diese in Geld umzusetzen und dieses nach
der Befriedigung der noch vorhandenen Gläubiger an die Gesellschafter auszukehren. Im
Rahmen dieser Konstellation spielt es für den Gesellschafter jedenfalls hinsichtlich der
Person des Nachtragsliquidators eine erhebliche Rolle, wer das Amt ausübt. Denn dieser
nimmt zugleich seine eigenen Vermögensinteressen wahr. Ob hinsichtlich der Annahme
einer Beschwerdebefugnis etwas anderes gelten muss, wenn der Nachtragsliquidator
lediglich entsprechend § 273 Absatz 4 AktG Abwicklungsmaßnahmen ohne
Vermögensbezug vornehmen soll, kann hier offen bleiben. Denn der in dem Beschluss
vom 22. Oktober 2002 aufgeführte Wirkungskreis hat einen erheblichen
vermögensrechtlichen Bezug, weil es im Wesentlichen darum geht, nach dem Vortrag
des Beteiligten zu 2) zugunsten der Gesellschaft bestehende Pfandrechte aufzuheben.
Dies betrifft etwa die aufgrund des Arrestbefehls des Landgerichts Berlin vom 19. April
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Dies betrifft etwa die aufgrund des Arrestbefehls des Landgerichts Berlin vom 19. April
1995, Az.: 19 O 77/95, durchgeführten Pfändungen, aber auch die Vorgänge um die
Vermietung der Wohncontainer an den K... N... e.V. Denn hier sollen der Container und
Ansprüche auf Mietzins von der Gesellschaft gepfändet sein. Dass die den Sicherungen
zugrunde liegenden Forderungen abgetreten sein sollen, steht einer
Beschwerdebefugnis nicht entgegen, weil mit der Anordnung der Nachtragsliquidation
zugleich behauptet worden ist, dass die Abtretung unwirksam sei.
bb) Das Landgericht konnte auch von einer Vertretungsbefugnis des Rechtsanwalts P...
für die Beteiligte zu 1) ausgehen. Das Landgericht hat insoweit keine ausdrücklichen
Feststellungen getroffen. Dies schadet gleichwohl nicht, weil der Senat die
entsprechenden Feststellungen selbst treffen kann, weil es hier um verfahrensrechtliche
Voraussetzungen geht. Nach § 13 Satz 2 FGG kann sich jeder Beteiligte durch einen
Bevollmächtigten vertreten lassen. Die dem Verfahrensbevollmächtigten erteilte
Vollmacht ist im Original zu den Akten gereicht worden. Der von dem Beteiligten zu 3)
geltend gemachte Unterschied zu der Unterschrift auf der in Kopie eingereichten
notariell beurkundeten Vollmachtserteilung ist nicht erkennbar. Beide Unterschriften
weisen gleiche charakteristische Merkmale etwa bei dem Übergang des R zum kleinen O
oder bei der Schriftweise des EL auf.
b) Auch die Entscheidung des Landgerichts, es lägen die Voraussetzungen für eine
Abberufung des Beteiligten zu 3) als Nachtragsliquidator vor, ist im Ergebnis nicht zu
beanstanden.
Ein wichtiger Grund nach § 66 Absatz 3 Satz 1 GmbHG für die Abberufung eines
Liquidators - und zwar auch eines Nachtragsliquidators nach § 66 Absatz 5 GmbHG (vgl.
OLG Köln Rpfleger 2003, 301, 302) - ist entsprechend § 38 Absatz 2 GmbHG
insbesondere dann anzunehmen, wenn grobe Pflichtverletzungen oder eine Unfähigkeit
zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung vorliegen. Auf ein Verschulden des Liquidators
kommt es dabei nicht an BayObLG NJW-RR 1996, 1384; Scholz/K.Schmidt, GmbHG, 9.
Aufl., § 66 Rn. 45 mwN). Ein wichtiger Grund liegt aber auch dann vor, wenn der
Nachtragsliquidator nicht hätte bestellt werden dürfen, weil der Antragsteller lediglich
eigennützige Zwecke verfolgt und die von dem Nachtragsliquidator durchzuführenden
Maßnahmen nicht der Abwicklung dienen. Denn auch dann liegt eine die Abberufung
rechtfertigende Gefährdung des Abwicklungszweckes vor (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR
1999, 37; BayObLG NJW-RR 1996, 1384; Scholz/K.Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 66 Rn. 45).
So liegt der Fall hier, was der Senat selbst beurteilen kann, weil der Sachverhalt insoweit
geklärt ist. Die von dem Nachtragsliquidator nach dem Beschluss vom 22. Oktober 2002
durchzuführenden Maßnahmen dienen nicht der Vollbeendigung der Gesellschaft. Denn
nach dem eigenen Vortrag des Beteiligten zu 2), der den Antrag auf Bestellung des
Beteiligten zu 3) zum Nachtragsliquidator gestellt hat, ist die durch den Arrestbefehl des
Landgerichts Berlin vom 19. April 1995, Az.: 19 O 77/95, gesicherte Forderung, für die die
Pfändungsmaßnahmen angeordnet worden sind, am 9. Juni 2000 an einen Herrn W... B...
abgetreten worden. Die Sicherungsrechte sind nach § 401 BGB insoweit auf den
Abtretungsempfänger übergegangen. Denn die Vorschrift gilt auch für
Pfändungspfandrechte (vgl. RGZ 67, 214, 221; 135, 272, 273; Roth in Münchener
Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 401 Rn. 4; Staudinger/Busche, BGB, 13. Bearbeitung, §
401 Rn. 17). Soweit der Beteiligte zu 2) weiter geltend macht, aus dieser Abtretung
stünden der Gesellschaft Schadensersatzansprüche zu, steht die Durchsetzung dieser
Ansprüche jedenfalls nicht in seinem berechtigten Interesse, worauf die Beteiligten zu 2)
und 3) in diesem Verfahren mit Schreiben vom 24. Juni 2005 auch hingewiesen worden
sind. Denn der Beteiligte zu 2) ist nicht Gesellschafter der Gesellschaft zum Zeitpunkt
der Löschung gewesen und wendet sich gegen die Abtretung nur deshalb, weil ihm diese
in einem von ihm gegen den Herrn B... geführten Rechtsstreit im Wege der Aufrechnung
entgegen gehalten worden ist. Ihm fehlte damit nach Lage der Akten insgesamt die
Befugnis, die Bestellung eines Nachtragsliquidators zu beantragen. Auf die weiter von
ihm in dem Schreiben vom 10. Juli 2005 geltend gemachten Gründe für die
Durchführung einer Nachtragsliquidation kommt es nicht an. Denn für diese Maßnahmen
ist der Beteiligte zu 3) nicht zum Nachtragsliquidator bestellt. Die Frage, ob die
Abberufung - wie das Landgericht meint - auch darauf gestützt werden kann, dass der
Beteiligte zu 3) nicht in der erforderlichen Weise für Dritte erreichbar ist, kann insoweit
dahin stehen.
II. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die in das Verfahren der weiteren
Beschwerde einbezogenen Beteiligten haben keine gegensätzlichen Anträge gestellt.
Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus den §§ 131 Absatz 2, 30 Absatz 2 KostO.
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