Urteil des KG Berlin vom 30.03.2004
KG Berlin: einstweilige verfügung, öffentliche versteigerung, eigentum, auflage, dringlichkeit, erlass, rücknahme, protest, videothek, verzicht
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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 88/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 42 ZPO, § 47 ZPO, § 538 Abs 2
S 1 Nr 1 ZPO, § 935 ZPO, § 940
ZPO
Berufung gegen ein Urteil im einstweiligen
Verfügungsverfahren: Fehlende Dringlichkeit für eine
einstweilige Verfügung wegen Untätigkeit des Antragstellers;
Folgen fehlender Entscheidung über eine Richterablehnung
erster Instanz
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 30. März 2004 verkündete Urteil der
Zivilkammer 13 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung der Verfügungsklägerin ist unbegründet.
Die Erledigung der Hauptsache ist nicht festzustellen, weil das Landgericht den Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen hat.
1.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Verfügungsklägerin ein
Verfügungsanspruch auf Unterlassung nicht zusteht, weil die Verfügungsklägerin nicht
dargetan hat, dass sie Eigentümerin der Gegenstände ist (§ 985 BGB). Insoweit hat das
Landgericht darauf abgestellt, dass eine Zuordnung der im schriftlichen
Überlassungsvertrag vom Dezember 1993 genannten Gegenstände zu den Positionen
des von der Verfügungsklägerin in ihrem Sachantrag aufgenommenen
Versteigerungskatalog nicht möglich ist. Insoweit schließt sich der Senat den
Ausführungen des Landgerichts auf Seite 10 bis 12 des Urteils an, mit denen sich die die
Verfügungsklägerin auch in der Berufungsbegründung nicht in einzelnen
auseinandergesetzt hat. Allerdings hat die Verfügungsklägerin im Schriftsatz vom 06.
April 2004 eingeräumt, dass die Gegenstände mit Nr.
1,58,59,68,88,93,100,118,119,144,150,189 und 600 nicht in ihrem Eigentum stehen und
daher insoweit die Rücknahme des Verfügungsantrages erklärt. Die Rücknahme ist indes
mangels Zustimmung des Verfügungsbeklagten unwirksam (§ 269 Abs. 2 ZPO).
Ohne Erfolg macht die Verfügungsklägerin mit der Berufung geltend, dass sich auch aus
der vom Insolvenzverwalter erstellten Inventarliste (Anlage Ast. 13) ergebe, dass und
welche Gegenstände in ihrem Eigentum stünden. Zwar sind in dieser Liste einzelne
Gegenstände als solche im Eigentum der Verfügungsklägerin stehend gekennzeichnet.
Allerdings lässt sich auch hier wiederum eine Zuordnung zu den im Auktionskatalog
aufgeführten Gegenständen nicht vornehmen. Denn die Inventarliste folgt einer anderen
Nummerierung als der Auktionskatalog. Soweit die Verfügungsklägerin sich darauf
beruft, dass in dem Auktionskatalog die betreffenden Gegenstände mit der Farbe grün
unterlegt sind und der Auktionskatalog den Hinweis enthalte, dass die
Eigentumsverhältnisse der gekennzeichneten Objekte noch geklärt werden müssten und
diese daher entfallen könnten, reicht auch dies nicht aus. Auch hier ist eine Zuordnung
nicht möglich, da die Angaben in der Inventarliste nur sehr allgemein gehalten und die
Gegenstände nicht ausreichend spezifiziert sind. Insoweit hätte es konkreten Vortrags
der Verfügungsklägerin bedurft, welche Gegenstände der Inventarliste genau der im
Auktionskatalog aufgeführten Gegenstände entsprechen sollen. Daher hilft der
Verfügungsklägerin auch die Bezugnahme auf das Schreiben der Verfügungsbeklagten
vom 17. November 2003 nicht weiter, in dem darauf hingewiesen wird, dass
nachgewiesenes Fremdeigentum in der Inventarliste mit einem „Kreuz“ gekennzeichnet
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nachgewiesenes Fremdeigentum in der Inventarliste mit einem „Kreuz“ gekennzeichnet
ist. Soweit die Verfügungsklägerin sich auf die eidesstattliche Versicherung des
Kommanditisten der in Insolvenz befindlichen Videothek ... beruft, ergibt sich auch aus
dieser nicht genau, welche Gegenstände von dem Überlassungsvertrag erfasst gewesen
sein sollen. Im Übrigen steht der Behauptung der Verfügungsklägerin, der
Insolvenzverwalter habe ihr Eigentum an den Gegenständen anerkannt, dessen
Schreiben vom 25. März 2004 entgegen. Hierin hat der Insolvenzverwalter eindeutig
erklärt, dass Aussonderungsrechte der Verfügungsklägerin zu keiner Zeit anerkannt
worden seien. Soweit die Verfügungsklägerin sich auf das Schreiben des
Verfügungsbeklagten vom 06. Juli 2001 beruft, in dem der Verfügungsbeklagte unter
Bezugnahme auf die Erklärung von G. mitteilte, dass er „die Angelegenheit in Sachen
Fa. ... als verifiziert betrachte“, stützt auch dies den Anspruch nicht ausreichend. Zum
einen ist die Formulierung unklar. Zum anderen sind auch in dem in Bezug
genommenen Schreiben von G. vom 02. Juli 2001 nur einzelne Gegenstände aufgeführt,
die aber auch zu unbestimmt bezeichnet worden sind.
Da die Verfügungsklägerin Tatsachen, die ihr behauptetes Eigentum an den
Gegenständen stützen, nicht ausreichend dargelegt hat, hat das Landgericht zu Recht
von einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen ... abgesehen. Denn dies
wäre auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen (Zöller/Greger, ZPO,
24. Auflage, vor § 284 ZPO, Rdnr. 5).
2.
Zutreffend hat das Landgericht auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint.
Die Verfügungsklägerin hat die Annahme einer Dringlichkeit durch ihr eigenes
vorprozessuales Verhalten ausgeschlossen. Die für das einstweilige
Verfügungsverfahren vorausgesetzte Dringlichkeit fehlt, wenn der Antragsteller trotz
eines ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses in Kenntnis der maßgeblichen
Umstände untätig bleibt und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung erst
nach längerer Zeit stellt (Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 25. Auflage, § 940 ZPO, Rdnr. 5;
Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 940 ZPO, Rdnr. 4; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Auflage, §
940 ZPO, Rdnr. 8; KG NJW-RR 2001,1202; München FamRZ 96,1411). Der
Verfügungsbeklagte teilte dem Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin mit
Schreiben vom 09. Januar 2004 mit, dass die öffentliche Versteigerung durchgeführt
werde. Damit hatte die Verfügungsklägerin seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von der
beabsichtigten Versteigerung. Wenn dann aber die Verfügungsklägerin über zwei Monate
untätig bleibt, ohne dass ersichtlich ist, dass sie davon ausgehen konnte, dass der
Verfügungsbeklagte von seinem Vorhaben abrücke, so bestand zum Zeitpunkt der
Antragstellung am 17. März jedenfalls ein Verfügungsgrund aufgrund des Zuwartens der
Klägerin nicht mehr. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts
verwiesen. Soweit die Verfügungsklägerin mit der Berufung geltend macht, dass der
Verfügungsbeklagte ihr bewusst nicht mitgeteilt habe, dass der Versteigerungstermin
am 18. März 2004 stattfinden solle, um sie im Ungewissen zu halten und an der
Geltendmachung ihrer Rechte zu hindern, ist dieser Schluss nicht nachvollziehbar. Denn
gerade weil der Versteigerungstermin der Verfügungsklägerin nicht bekannt war, hätte
sie umso mehr Veranlassung gehabt, sogleich nach Zugang des Schreibens vom 09.
Januar 2004 tätig zu werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den
eidesstattlichen Versicherungen von ... und ... Hieraus lässt sich – entgegen der Ansicht
der Verfügungsklägerin – nicht entnehmen, dass die Parteien sich einig gewesen seien,
dass vor Abschluss der Fernsehserienproduktion „Bewegte Männer“ Ende Februar 2004
keinerlei Maßnahmen getroffen würden. Aus den Erklärungen ergibt sich nur, dass
Verhandlungen zwischen der Verfügungsklägerin und dem Insolvenzverwalter der
Videothek ... geführt worden sind, hingegen nichts über eine Zusage des
Verfügungsbeklagten, bis Ende Februar 2004 von der beabsichtigten Versteigerung
Abstand zu nehmen.
3.
Soweit die Verfügungsklägerin mit der Berufung geltend macht, dass das Verfahren im
ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leide, kommt eine Aufhebung des
Urteils und des Verfahrens des Landgerichts und Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2
Nr. 1 ZPO nicht in Betracht. Zwar liegt ein Verfahrensmangel vor, wenn die
Verfahrensvorschriften bei Ablehnung des Richters gem. den §§ 46 ff. ZPO nicht
eingehalten werden. Auch ist eine (bindende zurückweisende) Entscheidung über das
Ablehnungsgesuch bisher nicht getroffen worden. Da aber eine die erste Instanz
beendende Entscheidung durch den Richter, gegen den das Ablehnungsgesuch
angebracht worden ist, vorliegt, kann das Berufungsgericht im Rahmen des
Berufungsverfahrens hierüber entscheiden. Das Berufungsgericht prüft dann inzident, ob
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Berufungsverfahrens hierüber entscheiden. Das Berufungsgericht prüft dann inzident, ob
der geltend gemachte Ablehnungsgrund bei Erlass der angefochtenen Entscheidung
vorlag (BGH NJW 2001,1503; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 46 ZPO, Rdnr. 18 a;
Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 46 ZPO, Rdnr. 14 ff).
Vorliegend kann aber dahingestellt bleiben, ob das Ablehnungsgesuch vom 29. März
2004 begründet war und ob sich aus den Urteilsgründen eine Voreingenommenheit des
Richters gegen die Verfügungsklägerin ergibt. Soweit die Verfügungsklägerin in diesem
Zusammenhang allerdings die Ausführungen im Urteil zur Auslegung des § 156 BGB
angreift und eine unzutreffende Rechtsanwendung rügt, stellt dies einen
Ablehnungsgrund nicht dar. Fehlerhafte Entscheidungen in der Sache rechtfertigen
grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 ZPO, Rdnr. 28).
Es kann auch offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 47 ZPO, wonach der
abgelehnte Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen
vorzunehmen hat, die keinen Aufschub gestatten, vorlagen.
Denn selbst wenn ein Verfahrensverstoß im vorgenannten Sinne vorläge, so wäre eine
Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht nur zulässig, wenn aufgrund dieses
Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig wäre (§ 538
Abs. 2 Ziff. 1 ZPO; vgl. auch Baumbach/Albers, a.a.O., § 538 ZPO, Rdnr. 9;
Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 ZPO, Rdnr. 31). Diese zweite Voraussetzung des §
538 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO liegt jedenfalls nicht vor. Vielmehr ist die Sache ohne
Beweisaufnahme entscheidungsreif, der Senat kann in der Sache selbst entscheiden.
Soweit die Verfügungsklägerin weiter rügt, dass der vom Verfügungsbeklagten ohne
Rechtsanwalt eingelegte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung wirkungslos sei
und daher mündliche Verhandlung nicht hätte anberaumt werden dürfen, ist dies im
Ergebnis unerheblich. Zwar trifft es zu, dass der Widerspruch gegen eine vom
Landgericht erlassene einstweilige Verfügung dem Anwaltszwang gemäß § 78 ZPO
unterliegt (Thomas/Putz/Reichold, a.a.O., § 924 ZPO, Rdnr. 1; Zöller/Vollkommer, a.a.O.,
§ 924 ZPO, Rdnr. 7). Sofern im Anwaltsprozeß eine nicht postulationsfähige Partei selbst
handelt, sind ihre Prozesshandlungen unwirksam (BGHZ 111,342; NJW 1992, 1700).
Jedoch können die Prozesshandlungen des nichtpostulationsfähigen durch einen
postulationsfähigen Bevollmächtigten heilend genehmigt werden (Karlsruhe NJW-RR
2000, 1520; OLGR Frankfurt 1998,125; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 78 ZPO; Rdnr. 3).
Dies ist hier durch den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der
Verfügungsbeklagten vom 26. März 2004 sowie die Antragstellung im Termin der
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht geschehen.
Zwar war auch die Ladungsfrist gemäß § 217 ZPO nicht eingehalten, wie die
Verfügungsklägerin mit der Berufung geltend macht, da dem Prozessbevollmächtigte
der Verfügungsklägerin die Ladung am 23. März 2004 zugegangen und Termin auf den
30. März anberaumt war. Jedoch ist dieser Mangel dadurch geheilt, dass der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen
ist und den Mangel nicht ausdrücklich gerügt hat (§295 ZPO). Daran ändert auch nichts,
dass der Prozessbevollmächtigte sich wegen des zuvor angebrachten
Ablehnungsgesuches gegen den Richter „nur unter Protest auf die Verhandlung
eingelassen hat“. Denn der Protest bezog sich offenbar auf die Verhandlungsleitung
durch den Richter und wurde jedenfalls nicht ausdrücklich wegen Nichteinhaltung der
Ladungsfrist erhoben. Sofern die Verfügungsklägerin darauf verweist, dass sie
schriftsätzlich die Aufhebung des Termins beantragt habe, geschah auch dies ersichtlich
nicht wegen der Nichteinhaltung der Ladungsfrist. Eine wirksame Rüge muss aber in der
nächsten mündlichen Verhandlung erhoben werden; rügelose Verhandlung hat die
gleiche Wirkung wie ein Verzicht (Zöller/Greger, a.a.O., § 295 ZPO, Rdnr. 7, 8).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1
und 2 ZPO).
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