Urteil des KG Berlin vom 28.03.2006

KG Berlin: arglistige täuschung, versicherungsnehmer, einfluss, anfechtung, gesundheitsschaden, absicht, versicherer, bandscheibenschaden, anfang, arbeitslosigkeit

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Gericht:
KG Berlin 6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 37/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 18 VVG, § 22 VVG, § 123 BGB
Berufsunfähigkeitsversicherung: Arglistige Täuschung bei
Verschweigen von Vorerkrankungen, Arbeitsunfähigkeit und
Arbeitslosigkeit
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Zivilkammer 7
des Landgerichts Berlin vom 28. März 2006 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gemäß den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1 und 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige
Beschwerde, der die Vorinstanz nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet. Das
Landgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers zu Recht
zurückgewiesen. Insoweit wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die durch
das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, Bezug genommen.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Versicherungsvertrag
aufgrund der wirksamen Anfechtung der Antragsgegnerin wegen einer arglistigen
Täuschung durch den Antragsteller als von Anfang an nichtig anzusehen ist.
Auch das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, mit dem er die falschen Angaben,
eine Verpflichtung zur (ungefragten) Offenbarung seiner Rückenbeschwerden und den
Täuschungsvorsatz in Abrede stellt, rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Ein Anfechtungsgrund wegen arglistiger Täuschung besteht, wenn der
Versicherungsnehmer durch wissentliche falsche Angaben oder Verschweigen
offenbarungspflichtiger Tatsachen auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss
nehmen will und sich daher bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise den
Vertrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn wahre
Angaben gemacht würden (Senat, Urteil vom 17. November 2000 - 6 U 2958/99 - unter
Hinweis auf BGH, VersR 1957, 351; OLG Köln, VersR 1996, 831).
Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin durch arglistige Täuschung zur Abgabe einer
Willenserklärung bestimmt (§§ 123 Abs. 1 BGB, 22 VVG), indem er in dem Bewusstsein,
dass die Antragsgegnerin im Falle wahrheitsgemäßer Angaben die Anträge
möglicherweise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, und
mit der Absicht, durch seine unrichtigen und unvollständigen Erklärungen auf die
Willensentschließung der Antragsgegnerin Einfluss zu nehmen, wissentlich
gefahrerhebliche Umstände verschwiegen hat. Obwohl sich dem Antragsteller
aufdrängen musste, dass für die Antragsgegnerin bei der Prüfung, ob sie das Risiko,
dass der Antragsteller den Beruf des Bauschlossers oder Krankenpflegers nicht mehr
ausüben kann, versichert oder nicht, die Kenntnis des Umstandes, dass der
Antragsteller innerhalb von rund 2 ½ Jahren zum dritten Mal wegen
Bandscheibenbeschwerden arbeitsunfähig krank geschrieben und zum Zeitpunkt der
Antragstellung darüber hinaus bereits gekündigt und arbeitslos war, von
ausschlaggebender Bedeutung war, hat er diese Tatsachen verschwiegen. Bereits durch
dieses Verschweigen hat er die Antragsgegnerin arglistig getäuscht. Eine arglistige
Täuschung im Sinne des § 123 BGB liegt zwar nur vor, wenn der Versicherungsnehmer -
zumindest mit bedingtem Vorsatz - beabsichtigt, durch das Verschweigen der zu
offenbarenden Tatsachen auf die Willensentschließung des Versicherers Einfluss zu
nehmen (OLG Hamburg, VersR 1971, 902). Diese subjektive Komponente setzt bei dem
Versicherungsnehmer das Bewusstsein voraus, dass der Versicherer seinen Antrag bei
wahrheitsgemäßer Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen und Offenlegung aller
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wahrheitsgemäßer Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen und Offenlegung aller
gefahrerheblichen Umstände nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen
werde (OLG Köln, VersR 1996, 831). Für die Feststellung der Täuschungsabsicht sind
daher weitere Umstände erforderlich, aus denen diese Absicht gefolgert werden kann.
Derartige Umstände sind vorliegend aber gegeben. Da es sich insoweit um eine innere
Tatsache handelt, kann der Beweis regelmäßig nur anhand von Indizien geführt werden,
wobei der Richter sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische
Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen kann, der den Zweifeln Schweigen
gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen (BGH Z 51, 245, 255 f.). Wesentliche
Indizien können sich ergeben aus Art, Umfang und Bedeutung der unrichtigen und
unvollständigen Angaben, aus dem Persönlichkeitsbild des Antragstellers, des
Bildungsstands, den besonderen Umständen bei der Ausfüllung des Antrags und der Art
der Versicherung (vgl. Benkel/Hirschberg, § 6 ALB, Rdnr. 86). Dabei ist eine
Gesamtschau der Indizien vorzunehmen, wobei der Versicherungsnehmer die Gründe für
die falsche Beantwortung bzw. das Verschweigen offenbarungspflichtiger
gefahrerheblicher Umstände darzutun und einer Nachprüfung zugänglich zu machen hat
(BGH, VersR 1971, 142, 144). Der Antragsteller hat aber keine überzeugenden Gründe
dafür dargetan, wieso er in dem Antrag vom 19. Juni 2003 angegeben hat, seit 2003 bei
dem Arbeitgeber "Pflege zu Hause" als Krankenpfleger beschäftigt zu sein, obwohl er
bereits seit dem 22. Mai 2003 arbeitsunfähig krank geschrieben und seit Anfang Juni
2003 gekündigt war. Dass er sich - nach seinem Vorbringen in dem Schriftsatz vom 27.
Februar 2006 - für seine Arbeitslosigkeit schämte, stellt keine ausreichende Erklärung für
eine objektive Falschangabe in einem Antrag auf Abschluss einer Versicherung dar.
Letzteres gilt umso mehr, als nach der Anlage zu Lebensversicherungsanträgen auf das
Leben von ausländischen Mitbürgern (Anlage B 2) Anträge auf das Leben von
ausländischen Mitbürgern, die arbeitslos sind, grundsätzlich nicht angenommen werden.
Des weiteren fehlt eine nachvollziehbare Erklärung dazu, wieso der Antragsteller die
Frage c) auf Seite 7 des Antragsformulars nach Krankheiten, Beschwerden oder
Störungen, die ihn bei der Ausübung seines Berufes beeinträchtigen, verneint hat,
obwohl ein Bandscheibenschaden die Ausübung des Berufes eines Krankenpflegers wie
auch eines Bauschlossers nicht unerheblich beeinträchtigen dürfte. Schließlich vermag
auch die Erklärung des Klägers, dass er den Bandscheibenschaden deshalb nicht
angegeben habe, weil er sich diesen nicht bei der Arbeit, sondern in der Freizeit beim
Möbeltragen auf einem Umzug zugezogen habe, nicht zu überzeugen. Auch dem
Antragsteller muss einleuchten, dass im Rahmen der Risikoprüfung seitens der
Antragsgegnerin ohne Belang ist, wo und bei welcher Gelegenheit sich der Antragsteller
einen Gesundheitsschaden zugezogen hat, hingegen ist von ausschlaggebender
Bedeutung für die Entscheidung der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller einen
Gesundheitsschaden erlitten hat, der ihn in der Ausübung seines Berufes - und sei es
auch nur möglicherweise - beeinträchtigt.
Danach muss davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller falsche Angaben
gemacht hat, um Einfluss auf die Entschließung der Antragsgegnerin zu nehmen (vgl.
OLG Hamburg, a.a.O.; VersR 1975, 561, 562; OLG Köln, a.a.O.). Durch die unrichtige
Beantwortung der Fragen und das Verschweigen offenbarungspflichtiger Umstände hat
der Antragsteller von seiner Person und seinem Gesundheitszustand ein falsches Bild
gezeichnet, wobei er damit rechnete, dass die Beklagte seinen Antrag nicht oder nur zu
anderen Bedingungen annehmen werde, wenn er die Fragen wahrheitsgemäß
beantwortet hätte.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat das Landgericht auch eine
Nachfrageobliegenheit der Antragsgegnerin im vorliegenden Fall zutreffend verneint. Es
mag sein, dass die Angabe "Normale Untersuchungen O. B." unvollständig und ungenau
ist. Dennoch folgt daraus keine Nachfragepflicht der Antragsgegnerin, da durch den
Zusatz "O. B." (ohne Befund) suggeriert wird, dass die durchgeführten "normalen"
Untersuchungen keinerlei Beschwerden, Störungen, Krankheiten oder sonstige
gesundheitliche Beeinträchtigungen zutage gebracht haben, so dass sich weitere
Nachfragen hierzu erübrigen.
Damit liegen die Voraussetzungen für eine wirksame Anfechtung gemäß § 123 BGB vor.
Die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Anfechtung ist wirksam.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die mangelnde Erstattungsfähigkeit
außergerichtlicher Kosten folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 574 ZPO n.
F. nicht zuzulassen.
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