Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: gebäude, ddr, phg, magistrat, umwandlung, widerklage, präsidium, wettbewerbsfähigkeit, effektivität, stillschweigend

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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 303/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 2 TreuhG, § 2 Abs 3
VZOG
Vermögenszuordnung: Zuordnung des Grundstückseigentums
bei Auseinanderfallen von Fondsinhaberschaft und
Rechtsträgereigenschaft an einem auf zwei Grundstücken
stehenden Gebäude
Leitsatz
Steht ein Gebäude auf zwei Grundstücken und ist ein Rechtssubjekt Fondinhaber hinsichtlich
des Gebäudes und Rechtsträger hinsichtlich nur eines der Grundstücke geworden, so
gebieten Sinn und Zweck des Treuhandgesetzes eine entsprechende Anwendung des § 11
Abs. 2 TreuhG mit der Folge, diesem Rechtssubjekt auch das Eigentum an dem anderen
Grundstück zuzusprechen.
Ein Vermögenszuordnungsbescheid entfaltet nur Wirkungen im Verhältnis zwischen den
Beteiligten des Vermögenszuordnungsverfahrens.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Oktober 2003 verkündete Urteil der
Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin - 12 O 286/03 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10
% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Gründe
I.
Die am 5. Dezember 2003 eingelegte und nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist um einen Monat mit einem am 5. Februar 2004 bei Gericht
eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am
23. Oktober 2003 verkündete und am 6. November 2003 zugestellte Urteil der
Zivilkammer 12 des Landgerichts, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe
Bezug genommen wird.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin u. a. vor:
Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Beklagte aufgrund
Fondsinhaberschaft ihrer Rechtsvorgängerin Eigentümerin des Grundstücks V...straße 51
in Berlin geworden sei. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten sei weder Rechtsträgerin
noch Fondsinhaberin des streitgegenständlichen Grundstücks gewesen.
1. Zwar habe das Landgericht die Frage der Rechtsträgerschaft nicht entschieden, es
handele sich aber gleichwohl um eine erhebliche Rechtsfrage, denn das TreuhG sehe
keine Regelung zum Eigentumserwerb für den Fall vor, dass Rechtsträgerschaft und
Fondsinhaberschaft auseinander fallen.
a) Der von der Beklagten als Anlage B 6 vorgelegte Rechtsträgernachweis bescheinige
lediglich die Rechtsträgerschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten hinsichtlich des
Grundstückes V...straße 50. Unstreitig sei die Beklagte Eigentümerin dieses
Grundstücks. Entgegen den Darlegungen der Beklagten sei dem vorgelegten
Rechtsträgernachweis keineswegs zu entnehmen, dass die Rechtsvorgängerin der
Beklagten auch hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstückes V...straße 51 zum
Rechtsträger bestellt worden sei. Vielmehr führe der Rechtsträgernachweis als
betroffenes Grundstück lediglich das Grundstück V...straße 50 auf. Dies ergäbe sich
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betroffenes Grundstück lediglich das Grundstück V...straße 50 auf. Dies ergäbe sich
insbesondere auch aus der Größenangabe des Grundstückes, welches dort mit 816 m2
angegeben werde. Dies entspräche exakt der Grundstücksfläche des Grundstückes
V...straße 50.
Es werde bestritten, dass die Aufführung des hier streitgegenständlichen Grundstückes
im Rechtsträgernachweis aufgrund eines Irrtums bei der Abfassung des Dokumentes
unterlassen worden sei. Es handele sich bei der alleinigen Bezugnahme auf das
Grundstück V...straße 50 im Rechtsträgernachweis nicht um eine unbeachtliche
Falschbezeichnung.
Für eine derartige Unbeachtlichkeit sei zumindest erforderlich, dass eine Auslegung des
Dokuments im Sinne der Rechtsauffassung der Beklagten möglich wäre bzw. sonstige
Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen der ausstellenden staatlichen Stelle
existiere. Dies sei indes nicht der Fall, da das vom Rechtsträgernachweis umfasste
Grundstück darin eindeutig und abschließend benannt sei.
b.) Es werde auch bestritten, dass der Magistrat von Berlin das streitgegenständliche
Grundstück an die Rechtsvorgängerin der Beklagten stillschweigend zur Nutzung
übertragen habe. Die Tatsache, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der PGH
„Hans Sachs“ und der Volkspolizei Nutzungsverträge offenbar auch über
Räumlichkeiten, die sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück befanden,
geschlossen habe, belege keineswegs eine entsprechende Berechtigung der Beklagten.
Es werde bestritten, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten das
streitgegenständliche Grundstück seit dem Jahr 1985 bewirtschaftet habe, nutzte und in
sämtlichen Gebäudeteilen eine Reparatur- und Servicestelle betrieben habe.
2. Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin sei entgegen der Auffassung des
erstinstanzlichen Gerichts auch nicht Fondsinhaberin des sich auf dem
streitgegenständlichen Grundstück befindlichen Gebäudes geworden. Jedenfalls sei der
Erwerbstatbestand des § 11 Abs. 2 TreuhG nicht erfüllt.
a.) Voraussetzung für eine Fondsinhaberschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten sei
zum einen, dass das streitgegenständliche Grundstück bzw. die sich darauf befindlichen
Aufbauten vom Rechtsträger des Grundstückes der Rechtsvorgängerin der Beklagten
überlassen worden seien.
Die Beklagte habe insoweit lediglich vorgetragen dass sie auch das
streitgegenständliche Grundstück mitsamt dem aufstehenden Gebäude vom Magistrat
von Berlin übernommen habe. Es werde bestritten, dass das streitgegenständliche
Grundstück der Beklagten vom Magistrat von Berlin stillschweigend überlassen worden
sei. Es werde weiter bestritten, dass die Beklagte auch denjenigen Teil des Gebäudes in
Besitz genommen habe, der sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindet.
Die Beklagte habe ihre Behauptungen in keiner Weise belegen können. Sowohl das von
der Klägerin als Anlage B 5 vorgelegte Schreiben des Justitiars der Rechtsvorgängerin
der Beklagten vom 08. August 1985 als auch der Rechtsträgernachweis (Anlage B 6)
sowie das Übernahmeprotokoll vom 06. August 1985 (Anlage B 7) würden sich lediglich
auf das unstreitig im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück V...straße 50 in Berlin
beziehen.
Im Übergabeprotokoll vom 06. August 1985 sei ausdrücklich die konkrete Bezeichnung
der übernommenen Liegenschaft angegeben. Aufgeführt sei dort das auf dem
Liegenschaftsblatt Nr. 72038, Kartenblatt 42618 mit einer Größe von 816 m2
verzeichnete Grundstück V...straße 50 in Berlin.
Die Auffassung des Landgerichts, das Übernahmeprotokoll vom 06. August 1985 sei
dahingehend auszulegen, dass nicht nur das Grundstück V...straße 50, sondern auch
das streitgegenständliche Grundstück an die Rechtsvorgängerin der Beklagten
übergeben worden sei, könne nicht nachvollzogen werden. Das Landgericht habe
keineswegs das Übernahmeprotokoll vom 06. August 1985 ausgelegt und darin
enthaltene Hinweise auf eine etwaige gewollte Übergabe beider Grundstücke (V...straße
50 und 51) der Entscheidung zugrunde gelegt. Vielmehr habe das erstinstanzliche
Gericht fehlende konkrete Anhaltspunkte im Übergabeprotokoll auf eine Übergabe des
streitgegenständlichen Grundstücks an die Rechtsvorgängerin der Beklagten durch
eigene Überlegungen einer fiktiven Motivationslage der damaligen staatlichen Behörden
ersetzt. Diese Überlegungen ließen sich nicht auf die Verhältnisse in der DDR
übertragen. Das Übergabeprotokoll vom 06. August 1985 gebe für die Annahmen des
Landgerichts nichts her.
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b.) Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte Räumlichkeiten, die sich auf dem
streitgegenständlichen Grundstück befanden, an Dritte vermietet habe.
Zum einen sei bereits die Annahme der Beklagten, dass derjenige, der Räumlichkeiten
an einen Dritten überlasse, ursprünglich der Inhaber der übertragenen Rechtsposition
sein müsse, nicht nachvollziehbar. Auch Unberechtigte könnten in die
Verfügungsbefugnis des Eigentümers bzw. sonstigen Verfügungsberechtigten eingreifen
und Dritten die Nutzung von Räumlichkeiten einräumen. Darüber hinaus habe die
Beklagte keineswegs dargelegt, dass sie selbst bzw. sonstige Dritte Räumlichkeiten auf
dem Grundstück V...straße 51 genutzt hätten.
c.) Es werde bestritten, dass die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin das
streitgegenständliche Grundstück als notwendiges Betriebsvermögen genutzt habe. Eine
Fondsinhaberschaft und eine daraus möglicherweise folgende Eigentümerstellung der
Beklagten wären nur dann zu bejahen, wenn das Gebäude ausschließlich vom
Fondsinhaber genutzt worden sei. Dies sei hier aber gerade nicht der Fall.
Zu Unrecht meine das erstinstanzliche Gericht, dass es auf eine eigene Nutzung des
Gebäudes durch den Fondsinhaber nicht ankäme. Im Rahmen des Erwerbstatbestandes
des § 11 Abs. 2 TreuhG werde bei Auseinanderfallen von Rechtsträgerschaft und
Fondsinhaberschaft an einem Grundstück nebst aufstehendem Gebäude der
Fondsinhaber nur dann Eigentümer des Grundstückes, wenn er das Gebäude selbst
nutze.
Die Beklagte habe aber die im Gebäude vorhandenen Räumlichkeiten weitestgehend an
Dritte vermietet und nach ihren eigenen Angaben dort selbst nur eine örtliche Verkaufs-
und Reparaturstelle betrieben. Hierfür sei eine Nutzung des gesamten
Gebäudekomplexes, der sich auf den Grundstücken V...straße 50 und 51 befindet, nicht
erforderlich gewesen. Die Beklagte habe eine derartige Nutzung auch nicht in Anspruch
genommen.
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts führe die Nutzung des
Gebäudes in Form der Vermietung und Verpachtung nicht zu einem Grundstückserwerb
der Rechtsvorgängerin der Beklagten nach § 11 Abs. 2 TreuhG, da die Rechtsvorgängerin
der Beklagten die Räumlichkeiten in diesem Falle nicht zu betrieblichen Zwecken genutzt
habe.
3. Der Vermögenszuordnungsbescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 28. August
1998 (VZOG 113/19-2159) sei auch gegenüber der Beklagten bestandskräftig geworden.
4. Die Klägerin bestreitet, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten etwaige Rechte
bezüglich des streitgegenständlichen Grundstückes innerhalb der Frist des § 3 der 5.
DVO zum TreuhG, also bis zum 31. Dezember 1990 gegenüber dem Rechtsträger des
Grundstückes geltend gemacht habe. Für den Fall, dass eine Geltendmachung
tatsächlich unterblieben sei, komme eine Gleichstellung der Rechtsvorgängerin der
Beklagten auch bei der von ihr behaupteten Fondsinhaberschaft nicht in Betracht.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
die Beklagte zu verurteilen, das Grundstück V...straße 51 in 13189 Berlin,
eingetragen im Grundbuch von Pankow des Amtsgerichts Pankow/Weißensee, Band 741,
Blatt 18506, Flur 1568, Flurstück 46 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben;
Die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet.
Das umfangreiche Bestreiten der Klägerin mit neuem Sachvortrag sei gemäß §§ 529,
531 ZPO zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf
die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen
Verhandlungen verwiesen.
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II.
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache aus den im Wesentlichen zutreffenden
Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht
die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Im Hinblick auf die Ausführungen im zweiten Rechtszug ist ergänzend auf das Folgende
hinzuweisen:
Nach § 513 Absatz 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die
angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die
nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung
rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
A. Mit zutreffender Begründung geht das Landgericht davon aus, dass der
Vermögenszuordnungsbescheid vom 28. August 1998 das Eigentum der Klägerin im
Verhältnis zur an dem Vermögenszuordnungsverfahren nicht beteiligten Beklagten nicht
verbindlich feststellt (vgl. § 2 Abs. 3 VZOG; BGH WM 2001, 1002). Entgegen der Ansicht
der Klägerin wäre die Beklagte selbst dann nicht Verfahrensbeteiligte geworden, wenn
das Schreiben der Rechtsanwälte Weiß & Partner vom 10. September 2002 (Anlage BK
2) als ein im Namen der Beklagten gegen den Vermögenszuordnungsbescheid vom 23.
August 1998 eingelegter Widerspruch zu werten wäre, der mit Schreiben vom 16. Juli
2004 (Anlage BK 1) zurückgenommen worden ist. Ein Vermögenszuordnungsbescheid
kann nämlich durch einen Widerspruch nicht angefochten werden (§ 2 Abs. 6 VZOG).
Durch ihren damit unzulässigen Widerspruch konnte die Beklagte aber in Ermangelung
der Erforderlichkeit einer Sachprüfung nicht Verfahrensbeteiligte werden (vgl. OLG
Naumburg, OLG-NL 2001, 179).
Der in dem Schreiben vom 10. September 2002 (Anlage BK 2) enthaltene neue Antrag
hat allenfalls ein von dem früheren Verfahren unabhängiges neues
Vermögenszuordnungsverfahren in Gang gesetzt. Die Beklagte ist deshalb auch durch
diesen Antrag nicht zur Verfahrensbeteiligten des mit Bescheid vom 28. August 1998
bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens (AZ VZOG 113/19-2159) geworden.
B. Zu Recht geht das Landgericht auf Seite 8 seines Urteils auch davon aus, dass die
Rechtsvorgängerin der Beklagten entsprechend §§ 11 Abs. 2 S. 2, 23 TreuhG
Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks V...straße 51 geworden ist.
1. Es spricht schon vieles dafür, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten Rechtsträger
des Grundstückes V...straße 51 war. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass der
Rechtsträgernachweis (Anlage B 6) sich seinem Wortlaut nach nur auf das benachbarte
Grundstück V...straße 50 bezieht. Die Bebauung der beiden Grundstücke V...straße
50/51 mit einem Gebäude, die Nennung dieses Gebäudes in dem Rechtsträgernachweis
und die Ausgestaltung der Nutzung des auf beiden Grundstücken stehenden Gebäudes
zeigt aber, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten Rechtsträgerin auch des
Grundstückes V...straße 51 geworden ist bzw. hätte werden sollen. Auch die Klägerin
kann keinen vernünftigen, nachvollziehbaren Grund dafür angeben, warum die seinerzeit
beteiligten Stellen den Willen gehabt haben sollten, die Rechtsträgerschaft an den
beiden einheitlich bebauten Grundstücken V...straße 50/51 unterschiedlich zu regeln.
Doch kann die Frage der Rechtsträgerschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten an
dem streitgegenständlichen Grundstück - wie die folgenden Ausführungen zeigen -
letztlich dahinstehen.
2. Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten
im Zeitpunkt ihrer Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft jedenfalls Fondsinhaber des
auch auf dem Grundstück V...straße 51 befindlichen Dienstleistungsgebäudes war.
Entgegen der Ansicht der Klägerin besteht kein Zweifel daran, dass dieses Gebäude -
auch soweit es auf dem Grundstück V...straße 51 steht - der Rechtsvorgängerin der
Beklagten vom damaligen Rechtsträger zur Bewirtschaftung übertragen, wirtschaftlich
zugeordnet und hierdurch in dessen Fond überführt worden ist.
a) Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats schon aus den von den Parteien
eingereichten Urkunden.
Bereits in dem Rechtsträgernachweis (Anlage B 6) betreffend das Grundstück V...straße
50 wird unter Ziffer 4 das auf den beiden Grundstücken stehende Gebäude als ganzes
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50 wird unter Ziffer 4 das auf den beiden Grundstücken stehende Gebäude als ganzes
und nicht nur der auf dem Grundstück V...straße 50 stehenden Gebäudeteil genannt,
wenn es dort wörtlich lautet: „Das Grundstück ist unbebaut/bebaut mit
Dienstleistungsgebäude“.
Auch das Übergabe - Übernahmeprotokoll vom 6. August 1985 (Anlage B 7) bezieht sich
nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht nur auf den auf dem Grundstück V...straße 50
stehenden Gebäudeteil sondern auf das gesamte Gebäude. Mit diesem Protokoll wurde
der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom Rat des Stadtbezirks Berlin-Pankow das
Grundstück V...straße 50 „einschließlich des im komplexen Wohnungsbau errichteten
Dienstleistungsgebäudes“ übergeben und festgelegt, dass die „mit dem
Festlegungsprotokoll vom 15. August 1983 getroffene Raumaufteilung zur Nutzung
durch das Präsidium der VP Berlin und der PGH „Hans Sachs“ erhalten bleibt.“ Die
Übergabe an die Rechtsvorgängerin der Beklagten gewährleiste, so wird in der Urkunde
weiter ausgeführt, dass das Gebäude (nicht der Gebäudeteil) „mit höherer Effektivität
zur Verbesserung der Dienstleistungen und Reparaturen für die Bevölkerung genutzt
und verwaltet werden“ könne. Schon das Ziel einer effektiven Nutzung und Verwaltung
des Gebäudes setzt die Übertragung des ganzen Gebäudes voraus. Eine Übertragung
des auf dem Grundstück 50 stehenden Gebäudeteils würde dieser Zielsetzung schon
deshalb nicht gerecht werden, weil die getrennte Verwaltung und Nutzung von zwei
unselbständigen Teilen eines einheitlichen Gebäudes nicht effektiv sein kann. Hinsichtlich
der Nutzung des auf dem Grundstück V...straße 50 liegenden Gebäudeteils ergibt sich
die fehlende Effektivität bereits aus dem Umstand, dass der einzige Gebäudeeingang
auf dem streitgegenständlichen Grundstück V...straße 51 liegt.
b) Auch aus dem späteren Verhalten der Beteiligten ergibt sich, dass das gesamte
Gebäude der Rechtsvorgängerin der Beklagten übertragen worden ist. Bereits in einem
Vermerk vom 8. August 1985 (Anlage B 5) teilte der Justiziar der Rechtsvorgängerin der
Beklagten dem „Direktor Technik“ mit, dass das Grundstück V...straße 50 nebst
Gebäude (nicht Gebäudeteil) übernommen worden sei. Gleichzeitig bat er ihn, die
notwendigen Instandhaltungsarbeiten sowie Wartungs- und Pflegearbeiten, insbesondere
für die Heizungsanlage, planmäßig einzuordnen und durchführen zu lassen. Da von einer
einzigen Beheizungsanlage für das ganze Gebäude auszugehen ist (vgl. hierzu die
Anlage B 25) bezieht sich dieser Vermerk entsprechend seinem Wortlaut auf das
Gebäude im Ganzen. Wäre seinerzeit nur ein Gebäudeteil übertragen worden, so wäre zu
erwarten gewesen, dass der Justiziar der Rechtsvorgängerin der Beklagten in seinem an
den „Direktor Technik“ gerichteten Vermerk wegen der sich daraus ergebenden weit
reichenden Probleme für Instandhaltung, Wartung, Pflege und Heizung mit Sicherheit
deutlich zum Ausdruck gebracht hätte.
c) Mit zwei zum 1. Januar 1985 rückwirkend in Kraft tretenden Nutzungsverträgen
(Anlagen B 8 und B 9) überließ die Rechtsvorgängerin der Beklagten - entsprechend der
von ihr in dem Übergabe/Übernahmeprotokoll vom 6. August 1985 gegenüber dem Rat
des Stadtbezirkes eingegangenen Verpflichtung - bestimmte, in den jeweiligen Anlagen
zu diesen beiden Nutzungsverträgen näher bezeichneten Räume dem Präsidium der
Volkspolizei und der PGH „Hans Sachs“ zur Nutzung. Zwar werden unter Ziffer 1 dieser
Verträge als Nutzungsgegenstand jeweils nur Räume in der V...straße 50 genannt, wie
sich aus den beiden Anlagen zu diesen Verträgen in Verbindung mit den in der
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht überreichten drei Grundrissplänen ergibt,
verteilten sich die zur Nutzung überlassenen Räume aber wie folgt auf die beiden
Gebäudeteile:
In Ermangelung abweichenden Vortrags ist davon auszugehen, dass diese Verteilung
der Räume derjenigen Raumaufteilung entspricht, wie sie in dem im
Übergabe/Übernahmeprotokoll vom 6. August 1985 genannten Festlegungsprotokoll
vom 15. August 1983 vereinbart wurde; andernfalls ergäbe der Nutzungsvertrag im
Verhältnis zur Volkspolizei keinen Sinn, da sich alle der Volkspolizei überlassenen Räume
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Verhältnis zur Volkspolizei keinen Sinn, da sich alle der Volkspolizei überlassenen Räume
auf dem streitgegenständlichen Grundstück Nr. 51 befinden.
Hieraus folgt aber, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Wissen und Wollen des
Rates des Stadtbezirkes Berlin-Pankow der Volkspolizei und der PHG „Hans Sachs“
Räume zur Nutzung überlassen hat, ganz überwiegend in dem auf dem Grundstück
V...straße 51 stehenden Gebäudeteil lagen. Auch dies lässt nur den Schluss zu, dass der
Beklagten nicht nur ein Gebäudeteil sondern das ganze Gebäude übertragen worden ist.
Die „Annahme“ der Klägerin (Seiten 8/9 der Berufungsbegründung), diese beiden
Verträge bezögen sich „auf eine anderweitige Baulichkeit, die sich im Jahre 1986 auf
dem Grundstück V...straße befand“, lässt sich mit den vorliegenden Urkunden und mit
der tatsächlich bestehenden Bebauung nicht in Einklang bringen. Die Übernahme der
Räume bereits im Jahre 1983 lässt sich vielmehr zwanglos damit erklären, dass die
Nutzung durch Volkspolizei und PHG „Hans Sachs“ wegen der besonders großen
Raumnot im Jahre 1983 bereits vor der bautechnischen Übergabe begann.
Ganz offensichtlich wurde im Laufe der Bebauung „vergessen“, dass nicht ein
einheitliches sondern zwei Grundstücke bebaut wurden. Ganz offensichtlich gingen die
Beteiligten seinerzeit übereinstimmend davon aus, dass das Gebäude vollständig auf
dem Grundstück V...straße 50 errichtet worden sei. Dementsprechend wurden in der
Folgezeit nur die Angaben zu diesem Grundstück in die Verträge aufgenommen. Dieser
Fehler wurde nicht einmal von dem Sachverständigen Dipl.-Kaufmann P.. Z... im Rahmen
der Erstellung seines Wertermittlungsgutachtens vom 7. Dezember 1990 bemerkt. In
diesem Gutachten geht auch der Sachverständige davon aus, dass sich das gesamte
Gebäude auf dem Grundstück V...straße 50 mit einer Grundstücksgröße von 816 m²
befindet.
3. Zutreffend geht das Landgericht auf Seite 8 der angefochtenen Entscheidung auch
davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten infolge der Umwandlung des VEB
in eine GmbH in entsprechender Anwendung der §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 23 TreuhG
Eigentümerin des gesamten Gebäudes und des Grundstücks V...straße 51 geworden ist.
a) Die Frage, wem das Eigentum an Grund und Boden zusteht, wenn die
Wirtschaftseinheit, die Fondsinhaber des auf dem volkseigenen Grundstück
aufstehenden Gebäudes war, nicht zugleich die Rechtsträgerschaft an dem Grundstück
inne hatte, hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt. Sie ist nach dem Sinn und
Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang des Treuhandgesetzes zu
beantworten, wobei die Regelungen, die in anderen Gesetzen bezüglich der Zuordnung
des früheren volkseigenen Vermögens getroffen wurden, nicht unberücksichtigt bleiben
dürfen, soweit ihr Geltungsbereich betroffen ist.
Im Hinblick auf den Umstand, dass die tatsächliche Zuordnung und Nutzung des
Volkseigentums in der DDR in vielen Fällen nicht entsprechend den gesetzlich
vorgesehenen Bestimmungen auch formal umgesetzt wurde und daher eine Vielzahl
denkbarer Fallvarianten der tatsächlichen Nutzung des Volkseigentums durch andere als
den eigentlichen Rechtsträger in Betracht kommt, verbietet sich dabei jedoch jede
schematische Lösung (OLG Naumburg, OLGR 2000, 337). Vielmehr ist unter
Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles ein nach den Maßstäben der
jeweils sachnahen gesetzlichen Regelungen zur Vermögenszuordnung
interessengerechter Ausgleich zwischen denjenigen herzustellen, die Anspruch auf das
Eigentum an früher volkseigenen Grund und Boden erheben.
Eine interessengerechte Lösung kann deshalb nur durch eine Rückschau auf die
Fallgestaltungen gefunden werden, die zu einem Auseinanderfallen von
Rechtsträgerschaft und Fondsinhaberschaft geführt haben (vgl. OLG Jena, OLGR Jena
1998, 406). Busche (Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen
DDR, TreuhandG, § 11 Rn. 12 f, vgl. auch Teige, VIZ 1994, 61) hat darauf hingewiesen,
dass in den entschiedenen Fällen das Auseinanderfallen dadurch bedingt ist, dass ein
Rechtsträgerwechsel „hängen geblieben” ist. Es war für die Handhabung in der DDR
nichts ungewöhnliches, dass die Belange der Praxis umgesetzt wurden, ohne dass dem
rechtlichen Vollzug im Einzelnen große Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Die
„Nachzeichnungslösungen” des Sachenrechtsänderungsgesetzes haben u.a. hierin ihre
Ursache. Für die Praxis genügte die Begründung und Übertragung der
Fondsinhaberschaft an den aufstehenden Betriebsgebäuden, ein mit Kautelen
verbundener Rechtsträgerwechsel war in vielen Fällen möglich, aber entbehrlich.
Grundsätzlich ist deshalb der Fondsinhaber bei „hängen gebliebener” Übertragung
zugleich als der „eigentliche”, „wirkliche” Rechtsträger anzusehen (OLG Jena, a.a.O.).
b) Von diesem Grundsatz ist auch vorliegend auszugehen. Tatsachen, die eine
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b) Von diesem Grundsatz ist auch vorliegend auszugehen. Tatsachen, die eine
Ausnahme rechtfertigen würden, hat die Klägerin nicht dargelegt. Insbesondere gebieten
Sinn und Zweck des Treuhandgesetzes (vgl. hierzu BGH WM 2001, 1002 m.w.N.) auch
vorliegend eine entsprechende Anwendung von § 11 Abs. 2 TreuhG.
Die beiden Grundstücke V...straße 50/51 bilden sowohl tatsächlich als auch wirtschaftlich
eine Einheit. Die Grundstücke sind mit einem Gebäude bebaut und werden seit 1985
unter der postalischen Anschrift „V...straße 50“ wie ein Grundstück genutzt. Der auf
dem Grundstück V...straße 50 stehende Gebäudeteil lässt sich ohne den auf dem
streitgegenständlichen Grundstück stehenden Gebäudeteil - in dem sich der einzige
Eingang des Gebäudes befindet - sinnvoll nicht nutzen. Die von den seinerzeitigen
Nutzungsberechtigten genutzten Räume waren jeweils auf beide Gebäudeteile verteilt.
Da die Rechtsvorgängerin der Beklagten Fondsinhaberin bezüglich des gesamten
Gebäudes war und sie gemäß § 11 Abs. 2 TreuhG Eigentümerin des Grundstücks
V...straße 50 geworden ist, gebietet es das Ziel von § 11 Abs. 2 TreuhG, die Trennung
von Grund- und Gebäudeeigentum aufzuheben, der Rechtsvorgängerin der Beklagten in
entsprechende Anwendung von § 11 Abs. 2 TreuhG auch das Eigentum an dem
streitgegenständlichen Grundstück V...straße 51 zuzusprechen. Dies dient zugleich dem
Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des früher volkseigenen Unternehmens herzustellen, den
schon vor der Umwandlung genutzten Grund und Boden sowie das Betriebsvermögen
für wirtschaftliche Zwecke bereitzustellen und so der Rechtsvorgängerin der Beklagten
die Grundlage für die unternehmerische Tätigkeit und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu
sichern.
Zu berücksichtigen ist auch, dass das Grundstück nur formal in Rechtsträgerschaft des
Rats des Stadtbezirks Berlin-Pankow stand. Die Klägerin hat jedenfalls nicht dargelegt,
dass und in welchem Umfang das Grundstück zu kommunalen Zwecken genutzt worden
ist. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem vom OLG Naumburg (OLGR
a.a.O.) und vom BGH (BGH WM 2001, 1002) zu beurteilenden Sachverhalt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es, wie das Landgericht auf Seite 8 seines
Urteils zutreffend ausführt, im Rahmen des § 11 Abs. 2 Satz 2 TreuhG auf die Frage der
Nutzung zu Betriebszwecken nicht an. Im Übrigen hat die Rechtsvorgängerin der
Beklagten das gesamte Gebäude von Anfang an für ihre wirtschaftliche Betätigung
genutzt. Hinsichtlich der nicht der Volkspolizei bzw. dem PHG „Hans Sachs“
überlassenen Räume versteht sich dies von selbst. Aber auch die insoweit überlassenen
Räume dienten der eigenen wirtschaftlichen Betätigung der Rechtsvorgängerin der
Beklagten. Die Nutzungsüberlassung im Rahmen eines entgeltlichen Nutzungsvertrages
stellen eine eigene wirtschaftliche Betätigung dar und dienten, wie sich aus den oben
genannten Unterlagen ergibt, auch der Erfüllung einer der Rechtsvorgängerin der
Beklagten übertragenen staatlichen Aufgabe (vgl. OLG Naumburg, OLG-NL 2001, 179).
Damit liegen zugunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten sogar die Voraussetzung
des - entgegen der Ansicht der Klägerin - vorliegend nicht einschlägigen § 2 Abs. 1 der 5.
DVO z. TreuhG vor. Anderen Wirtschaftseinheiten stehen Ansprüche aus § 11 Abs. 2
TreuhG bzw. aus § 2 Abs. 1 der 5. DVO z. TreuhG nicht zu. Bei der Volkspolizei handelt es
sich nicht um eine Wirtschaftseinheit im Sinne dieser Vorschriften, bezüglich der PHG
„Hans Sachs“ fehlt es an jeglicher Darlegung einer Grundstücksnutzung (vgl. zur
Unterscheidung von Gebäude- und Grundstücksnutzung: BVerwG, VIZ 1997, 694).
4. Auf eine fehlende Anzeige innerhalb der Frist des § 3 der 5. DVO z. TreuhG, also bis
zum 31. Dezember 1990, kann die Klägerin sich schon deshalb nicht berufen, weil der
Eigentumserwerb der Rechtsvorgängerin der Beklagten sich nicht aus § 2 der 5. DVO z.
TreuhG ergibt. Es kann deshalb dahinstehen, ob diese Norm wegen ihrer Funktion,
entstandenes Eigentum wieder zu entziehen, mit dem Bundesrecht nicht vereinbar ist
und deshalb nicht fortgilt (Art. 9 Abs. 1 EVertr).
Im Übrigen stellt § 3 der 5. DVO lediglich eine Anzeigepflicht auf. Der Sinn und Zweck
dieser Pflicht besteht darin, dass der bisherige Rechtsträger bis zu dem genannten
Zeitpunkt Klarheit darüber erhalten soll, ob das bislang zu seinem Vermögen zu
zählende Grundeigentum ihm verbleibt oder nach §§ 2 Abs. 1 der 5. DVO, 11 Abs. 2
TreuhG einer anderen Wirtschaftseinheit zufällt. Hierfür besteht ein Bedürfnis in den
Fällen, in denen der bisherige Rechtsträger ebenfalls eine Eigentumszuordnung
beanspruchen könnte und ein Interesse daran hat, für seine unternehmerischen
Überlegungen eine Planungsgrundlage zu erhalten. Das ist der Fall, wenn er als
werbende Wirtschaftseinheit fortbestehen könnte, kommt hier aber nicht in Betracht. Für
diesen Fall kommt § 3 der 5. DVO keine inhaltlich beachtliche Bedeutung zu; sie ist auf
eine bloße Förmlichkeit reduziert. Ihre Geltendmachung widerspricht § 242 BGB (vgl.
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eine bloße Förmlichkeit reduziert. Ihre Geltendmachung widerspricht § 242 BGB (vgl.
BGH, WM 1998, 987).
B Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat,
noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2 ZPO
n. F.).
C Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711.
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