Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: privatrechtlicher anspruch, verjährungsfrist, verwaltungsakt, öffentlich, behörde, hauptsache, verzicht, verweigerung, offenkundig, quelle
1
2
3
4
5
Gericht:
KG Berlin 22.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 W 8/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 197 Abs 1 Nr 3 BGB, § 114
ZPO, § 53 VwVfG, § 6 Abs 6a S 4
VermG
Rückübertragung von Unternehmen: Verjährung eines Anspruchs
auf Zahlung des Verkehrswerts
Leitsatz
1. Durch Verwaltungsakt begründete Ansprüche stehen rechtskräftig festgestellten
Ansprüchen nicht gleich, sodass die Verjährungsfrist nicht analog § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu
bestimmen ist.
2. § 53 VwVfG ist nicht gegen seinen Wortlaut auf privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche
Ansprüche von Bürgern entsprechend anwendbar.
Zur Verjährung von durch Verwaltungsakt begründeten privatrechtlichen Ansprüchen.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 9
des Landgerichts Berlin vom 30. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes für die außergerichtlichen Gebühren beträgt
64.453,21 €.
Gründe
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2 u. S. 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist
unbegründet, weil die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet
(§ 114 ZPO).
1. Es ist bereits nicht vorgetragen, weshalb die Antragstellerin den von ihr berechneten
Teilanspruch aufgrund des Bescheides vom 7. September 1993 allein und ohne
Mitwirkung der weiteren Antragsteller geltend machen können sollte. Zumindest fehlt
Vortrag zu einer etwaigen Erbauseinandersetzung mit der Antragstellerin zu 2.a) des
Bescheides als Miterbin des Gesellschaftsanteils.
2. Der Anspruch auf Zahlung des Verkehrswertes (§ 6 Abs. 6a S. 4 VermG) ist – wie das
Landgericht zu Recht ausgeführt hat – jedenfalls zum 31. Dezember 2004 verjährt (§§
195, 199 Abs. 1 BGB), sodass die (zukünftige) Beklagte aufgrund der von ihr erhobenen
Einrede die Leistung verweigern kann (§ 214 Abs. 1 BGB).
a) Der Anspruch unterliegt als privatrechtlicher Anspruch der regelmäßigen
Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB).
aa) Abgesehen von dem Umstand, dass bereits der klare Wortlaut Derartiges
ausschließt, kommt eine analoge Anwendung des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf einen
durch Verwaltungsakt festgestellten Anspruch schon deshalb nicht in Betracht, weil § 53
Abs. 2 VwVfG (ebenso wie § 52 Abs. 2 SGB-X) eine abweichende Regelung enthält und
nur die durch unanfechtbaren Verwaltungsakt zu Gunsten eines öffentlich-rechtlichen
Rechtsträgers festgestellten Ansprüche (§ 53 Abs. 1 VwVfG) der dreißigjährigen
Verjährung unterliegen. Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Ansprüche der Bürger
gelten dagegen – wie auch für ihre privatrechtlichen Ansprüche - die Verjährungsregeln
des BGB. Diese gesetzgeberische Wertung lässt sich weder zu § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB
noch zu § 53 VwVfG durch eine abweichende, mit dem Wortlaut nicht mehr vereinbare
Interpretation unterlaufen, zumal der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 53 Abs. 2
VwVfG a.F. gerade auf einen Verweis (damals § 218 BGB a.F.) verzichtet hat (vgl. auch
Grothe in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 197 Rn. 12). Da der Anspruch
eingeklagt werden kann bzw. bei Unterbleiben der Zahlung eingeklagt werden muss und
durch die ordentlichen Gerichte dann eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt, sodass §
197 Abs. 1 Nr. 3 BGB anwendbar wäre, besteht für eine analoge Anwendung auf einen
6
7
8
9
10
11
12
13
197 Abs. 1 Nr. 3 BGB anwendbar wäre, besteht für eine analoge Anwendung auf einen
unanfechtbaren, den Grund des Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt vorliegend
auch keinerlei Bedarf und wird – soweit ersichtlich – im Zivilrecht bislang nicht vertreten.
bb) Soweit gegen die herrschende Meinung (vgl. u.a. Henneke in: Knack, VwVfG, 8.
Aufl., § 53 Rn. 3; Sachs in: Stelken/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., 53 Rn. 1a und Rn. 10)
unter Hinweis auf eine (vermeintlich) „anderenfalls bestehende ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung zwischen Bürgern und staatlichen Stellen“ Bedenken gegen § 53
Abs. 2 VwVfG geltend gemacht werden und eine analoge Anwendung befürwortet wird
(so Ramsauer in: Kopp, VwVfG, 10. Aufl., § 53 VwVfG, Rn. 23), wäre die Vorschrift
unwirksam und es gälte für die Verjährung insgesamt das BGB. Die Ausdehnung des
Anwendungsbereichs würde dagegen die Grenze zwischen Rechtsanwendung und
Rechtssetzung überschreiten. Letzteres ist dem Gesetzgeber vorbehalten. Im Übrigen
lässt sich die Differenzierung in § 53 Abs. 2 VwVfG (und § 52 Abs. 2 SGB-X) ohne
Weiteres rechtfertigen, denn der Verwaltung steht für ihre durch Bescheid
festzusetzenden Ansprüche – anders als dem Bürger mit der Leistungsklage auf
Zahlung bei Nichtbeachtung des Verwaltungsakts durch die Behörde – wegen der
Verwaltungsvollstreckung nicht die Möglichkeit zur Verfügung, diese zusätzlich durch
gerichtliche Geltendmachung durchzusetzen und die Verjährungsfrist auf 30 Jahre zu
verlängern. Es soll vermieden werden, dass eine Vollstreckung nur wegen der Hemmung
der Verjährung eingeleitet werden muss (vgl. Jan Ziekow, VwVfG, § 53 Rn. 11) Die lange
Verjährungsfrist ist gegenüber der Behörde auch schon deshalb nicht geboten, weil
insoweit bei der Durchsetzbarkeit keine tatsächlichen Schwierigkeiten (unbekannter
Aufenthaltsort, Vermögenslosigkeit o.ä.) denkbar sind.
cc) Jedenfalls kommt es vorliegend nicht darauf an, ob § 53 VwVfG gegen seinen
Wortlaut und den Gesetzgeberwillen zu korrigieren wäre, weil der hier zu entscheidende
Anspruch nicht öffentlich-rechtlicher, sondern privatrechtlicher Natur ist (weshalb zur
gerichtlichen Zuständigkeit klarstellend der ordentliche Rechtsweg bestimmt ist; § 6 Abs.
6a S. 5 VermG) und § 53 VwVfG schon nicht anwendbar ist.
b) Der (zukünftigen) Beklagten ist es auch nicht verwehrt, sich auf den Eintritt der
Verjährung zu berufen.
aa) Allein durch die Zurückweisung des Anspruchs durch den Schuldner – auch wenn
dies eine Behörde ist - wird ein Gläubiger nicht arglistig von der Geltendmachung des
Anspruchs abgehalten, sodass der Ausnahmetatbestand einer unzulässigen
Rechtsausübung (§ 242 BGB) offenkundig nicht ersichtlich ist. Es bleibt Sache des
Gläubigers zu beurteilen, ob die Ablehnung des Anspruchs akzeptiert wird. Er kann die
Verjährung nicht willkürlich durch Verzögerung dieser Prüfung hinausschieben.
Abgesehen davon, ist es nicht plausibel, wenn die Antragstellerin die Sachlage anlässlich
der abschlägigen Antwort mit Schreiben vom 15. April 1999 nicht überblickt haben will,
obwohl sie den Bescheid, mit dem der ihr den Anspruch zuerkennende Bescheid
zunächst aufgehoben worden war, im Ergebnis erfolgreich angefochten hatte.
bb) Schließlich bleibt es auch Sache des Schuldners, ob und wann er die Einrede der
Verjährung erhebt. Ein Verzicht muss ausdrücklich erklärt werden und kann nicht aus
den Umständen entnommen werden.
c) Zwar wären grundsätzliche Rechtsfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren vorab
zu entscheiden, sodass hinreichende Erfolgsaussicht auch dann anzunehmen wäre,
wenn das Gericht in der Hauptsache nicht anders entscheiden würde. Die Verweigerung
von Prozesskostenhilfe beruht jedoch zum Einen nicht allein auf den Erwägungen zur
Verjährungsfrist. Zum Anderen vermag nicht jeder Einwand eine Rechtsfrage als
grundsätzlich erscheinen zu lassen. Angesichts des klaren Wortlautes des Gesetzes
wäre vorliegend zu 2. a) eine Klärung der Einwände erst im Prozess nicht geboten; die
Ausführungen zu § 53 VwVfG sind jedenfalls nicht tragend (siehe 2. a) cc)). Die
Ausführungen zu 2. b) sind ersichtlich nicht rechtsgrundsätzlicher Natur.
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Der Wert des Beschwerdeverfahrens war für die außergerichtlichen Gebühren
entsprechend dem verfolgten Interesse der Antragstellerin mit dem Wert der
Hauptsache festzusetzen (vgl. Philippi in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 127 Rn. 55;
Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar, 12. Aufl., Rn. 4402 ff.).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum