Urteil des KG Berlin vom 08.11.2002
KG Berlin: ungerechtfertigte bereicherung, steuerberater, vergütung, verfügung, software, nichtigkeit, teilleistung, einzelrichter, unabhängigkeit, beruf
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Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 373/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 612 BGB, § 33 StBGebV, § 34
StBGebV
Vergütungsanspruch bei Überlassung von
Buchführungssoftware durch Steuerberater
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8.
November 2002 – 35 O 103/02 – in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.
November 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beigetriebenen Betrages abzuwenden, wenn nicht zu vor
die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Gegenstand des Rechtsstreits in erster Instanz waren die Vergütungsforderungen der
Klägerin aufgrund erbrachter Steuerberatungsleistungen und für die
Zurverfügungstellung von DATEV-Buchführungssoftware. Steuerberatungsleistungen im
Sinne des §§ 33 und 34 StBGebV erbrachte die Klägerin neben der Bereitstellung der
DATEV-Buchführungssoftware nicht. Zwischen den Parteien war bereits in erster Instanz
unstreitig, dass diese Software auf vertraglicher Grundlage zur Verfügung gestellt wurde.
Streitig ist, ob die Bereitstellung der Software vergütungspflichtig ist. Das Landgericht
Berlin hat die Beklagte u. a. verurteilt, an die Klägerin hinsichtlich der zur Verfügung
gestellten Software einen Betrag von 6.719,58 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Es hat
offengelassen, ob ein Anspruch aus Vertrag gegeben ist, da zumindest insoweit
Wertersatz nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zu leisten sei.
Im Übrigen wird hinsichtlich des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe auf das
Urteil des Landgerichts Berlin gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Begründung, dass ein Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung nicht gegeben sei, da diese Leistungen auf vertraglicher
Grundlage erbracht worden seien. Die der Klägerin entstandenen DATEV-Kosten können
nur dann weitergereicht werden, wenn eine gesonderte schriftliche Vereinbarung zuvor
geschlossen worden ist.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. November 2002 aufzuheben bzw.
abzuändern, soweit sie zu mehr als 26.112,91 Euro (32.832,49 Euro abzüglich 6.719,58
Euro) nebst anteiliger Zinsen verurteilt wurde.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, dass es sich bei der Bereitstellung der
Buchführungssoftware nicht um eine gewerbliche Tätigkeit handelt und deshalb § 57 Abs.
3 StBG einschlägig sei.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
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Entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts ergibt sich jedoch der geltend gemachte
Anspruch der Klägerin nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß §§ 812 Abs. 1
Satz 1 1. Alt. i. V. m. 818 Abs. 2 BGB. Unstreitig hat die Klägerin die
Buchführungssoftware der Beklagten auf vertraglicher Grundlage zur Verfügung gestellt,
sodass ein Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB gegeben ist. Für eine Anwendung der
Bereicherungsvorschriften ist demnach kein Raum mehr.
Ein Anspruch auf Vergütung folgt jedoch aus § 612 BGB. Die Klägerin stellte der
Beklagten die DATEV-Buchführungssoftware zur Verfügung, für die sie ihrerseits an die
DATEV eG eine entsprechende Vergütung in Höhe des hier geltend gemachten Betrages
zu entrichten hatte. Diese Dienstleistung war daher für die Beklagte erkennbar nur
gegen eine Vergütung zu erwarten, so dass sie gemäß § 612 Abs. 1 BGB als
stillschweigend vereinbart gilt.
Die Vergütungspflicht ist nicht dadurch entfallen, dass die Klägerin zugleich
Steuerberatungsleistungen für die Beklagte erbracht hat. Die
Steuerberatergebührenverordnung enthält insoweit keine abschließende Regelung. Die
Erstattungsfähigkeit von DATEV-Kosten ist in §§ 33 und 34 StBGebV geregelt. In diesen
beiden Vorschriften hat der Gesetzgeber detailliert geregelt, für welche
Buchführungsarbeiten welche Gebühren in Ansatz gebracht werden können. Eine
Ersatzfähigkeit der Vergütung für den Einsatz der Datenverarbeitungsprogramme ist nur
in § 33 Abs. 4 und § 34 Abs. 4 StBGebV vorgesehen. In beiden Vorschriften ist geregelt,
dass der Steuerberater eine Vergütung für die Datenverarbeitung und für den Einsatz
der Datenverarbeitungsprogramme nur dann erhält, wenn er zugleich
Steuerberaterleistungen in Form von Buchführungsarbeiten erbringt. Diese Regelungen
sind hier nicht einschlägig, da die Klägerin zwar Steuerberaterleistungen für die Beklagte
erbracht hat, jedoch nicht Buchführungsarbeiten im Sinne des § 33 und 34 StBGebV.
Eine abschließende Regelung der Vergütungspflicht für Buchführungssoftware ist daher
nur in den Fällen gegeben, in denen auch Buchführungsarbeiten als
Steuerberaterleistungen mit übertragen worden sind. Für die Fälle, in denen lediglich die
Buchführungssoftware zur Verfügung gestellt wird, ohne dass zugleich
Buchführungsarbeiten geleistet werden, ist der Anwendungsbereich der
Steuerberatergebührenverordnung, insbesondere der §§ 33 Abs. 4 und 34 Abs. 4
StBGebV nicht eröffnet (Meyer-Goez, Steuerberatergebührenverordnung, 3. Aufl., § 33,
Rdnr. 14 letzter Absatz; Eggesiecker, Honorar für Steuerberatung, 2. Aufl., STEUGO § 33,
Rdnr. 33.296). Die Vergütungspflicht für die Überlassung von Buchführungssoftware
ohne gleichzeitige Beauftragung und Durchführung von Buchführungsarbeiten richtet
sich daher nicht nach der Steuerberatergebührenverordnung, sondern nach allgemeinen
Vorschriften.
Die vertragliche Vereinbarung der Überlassung der Buchführungssoftware ist auch nicht
wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB nichtig.
Gemäß § 57 Abs. 4 StBerG ist dem Steuerberater jede gewerbliche Tätigkeit untersagt.
Hierbei handelt es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB (BGH in NJW
1981, 399 f. = DB 1981, 419 f., Kuhls-Maxl, Steuerberatungsgesetz, § 57 Rdnr. 27).
Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin handelt es sich bei der reinen
Zurverfügungstellung von Buchführungssoftware grundsätzlich um eine – berufsrechtlich
unzulässige – gewerbliche Ausübung, da der Steuerberater keine selbstständige
Berufsleistung erbringt, sondern nur Rechenzentrumsleistungen gegen Auslagenersatz
seinem Mandanten zugänglich macht (Eckert, Steuerberatergebührenverordnung, 3.
Aufl., §§ 32 bis 33, Rdnr. 3 Abs. 4 letzter Absatz). Dem steht nicht entgegen, dass hier
die Klägerin lediglich die ihr entstandenen Kosten geltend macht. In Anlehnung an die
steuerrechtliche und gewerberechtliche Definition hat die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes die nichtvereinbare gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 57 Abs. 4
StBGebV als selbstständiges, gleichmäßig fortgesetztes und maßgebend von
erwerbswirtschaftlichem Streben nach Gewinn bestimmtes Handeln gekennzeichnet
(BGH in NJW 1996, 1833, 1835 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen hier unabhängig
davon vor, dass die Klägerin insoweit nur ihre Kosten geltend macht. Die Bereitstellung
der Software erfolgte im Rahmen anderer, hier nicht streitgegenständlicher
Steuerberaterleistungen. Die Frage, ob ein erwerbswirtschaftliches Streben nach Gewinn
vorliegt, ist im Rahmen einer Gesamtschau vorzunehmen und kann nicht für jede
einzelne Teilleistung isoliert unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob für jede
einzelne Teilleistung ein eigener Gewinn erwirtschaftet werden soll.
Dieser Verstoß der Klägerin gegen § 57 Abs. 4 StBerG führt jedoch nicht gemäß § 134
BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes, da sich aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
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BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes, da sich aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Das Verbot der gewerblichen Tätigkeit richtet sich nur gegen den Steuerberater. Die
Nichtigkeit tritt hier nur ausnahmsweise ein, nämlich dann, wenn es mit dem Sinn und
Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene
rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (BGH in NJW 1981, 399 f.).
Der Schutzzweck des Verbots gewerblicher Tätigkeit ist das Bestreben, den Beruf der
Steuerberatung zu heben und zu verhindern, dass der Steuerberater nicht mehr mit der
erforderlichen Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit den Mandanten sachgerecht
berät (BGH a. a. O.). Diese Gefahr besteht bei der bloßen Bereitstellung von
Buchführungssoftware nicht. Es ist daher nicht erforderlich, den geschlossenen Vertrag
über die Überlassung von Buchführungssoftware die zivilrechtliche Wirksamkeit zu
versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlagen in §§
708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ZPO findet keine Anwendung, da die Revision zugelassen
wurde.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts
eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordert. Noch nicht entschieden ist, ob die am
28. August 1998 in Kraft getretenen Regelungen über die Vergütungspflicht von
überlassener Buchführungssoftware gemäß den §§ 33 Abs. 4 und 34 Abs. 4 auch die
Fälle abschließend regeln, in denen der Steuerberater zwar Steuerberaterleistungen
erbringt, jedoch keine Buchführungsarbeiten im Sinne der §§ 33 und 34 StBGebV leistet.
Trotz Zulassung der Revision wegen Grundsätzlichkeit war hier der Einzelrichter im
Berufungsverfahren der zur Entscheidung gesetzlich zuständige Richter, da nach
Übertragung des Rechtsstreits auf den Berichterstatter als Einzelrichter durch den Senat
eine wesentliche Änderung der Prozesslage nicht eingetreten ist (vgl. Urteil des
Bundesgerichtshof vom 23. Oktober 2003 – III ZR 41/03 – unter Verweis auf BGH in WuM
2003, 501).
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