Urteil des KG Berlin vom 08.05.2007

KG Berlin: irreführende werbung, verbraucher, schutzschrift, irreführung, zukunft, vollstreckung, form, zweigniederlassung, vollstreckbarkeit, link

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Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 68/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 5 UWG
Wettbewerbsverstoß: Irreführende Werbung mit
durchgestrichenen höheren Preisen bei der Eröffnung der Filiale
eines Bekleidungshauses
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des
Landgerichts Berlin vom 8. Mai 2007 - 102 O 27/07 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil mit den folgenden Ergänzungen Bezug genommen:
Wegen des genauen Erscheinungsbildes der angegriffenen Werbebeilage wird auf die
Anlage A2 der - beigezogenen - Akten des Landgerichts Berlin zu 102 O 108/06 (Hülle Bl.
7 d.A./AH) verwiesen. Die im September 2006 in Berlin eröffnete Filiale der Beklagten
(und damit die Zweigniederlassung) ist mittlerweile wieder geschlossen worden.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die
form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung, mit der die Beklagte ihr
Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt.
Die Beklagte setzt sich im Einzelnen mit dem angefochtenen Urteil auseinander,
wiederholt, präzisiert und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt u.a. vor:
Die Werbung mit durchgestrichenen Preisen lasse einen weniger weiten
Interpretationsspielraum zu als die Werbung mit "Statt-Preisen" und die zu letzterer
ergangene Rechtsprechung könne nicht ohne weiteres auf die Werbung mit
durchgestrichenen Preisen übertragen werden. Dass die angesprochenen
Verkehrskreise die im Streitfall durchgestrichenen Preise als Marktpreise bzw.
durchschnittliche Preise der Konkurrenz oder aber als Preisempfehlung des Herstellers
ansehen könnten, sei fernliegend. Der Verkehr könne naheliegenderweise nur davon
ausgehen, dass sich ein im Rahmen der Eröffnungswerbung verwendeter Preisvergleich
auf die Normalpreise des Werbenden, die nach der Eröffnungsphase gelten sollen,
beziehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichtes Berlin vom 8. Mai 2007, Az.: 102 0 27/07, abzuändern
und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft sein
erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des Landgerichts Berlin zu 102 O 108/06 (vorangegangenes Eilverfahren)
einschließlich 102 AR 75/06 (Schutzschrift der Beklagten) haben zu Informationszwecken
vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
B.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, mithin zulässige
Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht ist die Beklagte
erstinstanzlich zur Unterlassung verurteilt worden. Der Senat verweist auf die
Entscheidungsgründe des Landgerichts, stimmt diesen zu und ergänzt sie im Hinblick
auf das Berufungsvorbringen lediglich wie folgt:
I.
Zutreffend - und von der Berufung auch nicht angegriffen - hat das Landgericht es nicht
für rechtsmissbräuchlich i.S. von § 8 Abs. 4 UWG gehalten, dass der Kläger nach
erstinstanzlichem Abschluss des Eilverfahrens und Verweigerung einer
Abschlusserklärung Hauptsachenklage eingereicht hat, ohne den rechtskräftigen
Ausgang des Eilverfahrens abzuwarten (vgl. auch OLGR München 2008, 457; OLG Köln
GRUR-RR 2009, 183).
II.
Zutreffend hat das Landgericht einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die
Beklagte aus §§ 8, 3, 5 UWG angenommen.
Im vorangegangenen Eilverfahren - 5 U 193/06 - hat der Senat mit Hinweis vom 20. April
2007 ausgeführt:
"1.
Ein dahin gehendes Verständnis der Werbung, es handle sich bei den
durchgestrichenen höheren Preisen um solche, die in sonstigen Filialen gefordert
werden, scheidet für solche Verbraucher aus, die nicht wissen, dass es solche Filialen
gibt. Dies ist - wie das Landgericht aus eigener Anschauung mit Recht festgestellt hat,
und was auch der Senat aus eigener Anschauung nicht anders beurteilt - ein
maßgeblicher und erheblicher Anteil solcher Berliner Verbraucher, die von der Existenz
solcher Kaufhäuser an weiter entfernt liegenden Orten nichts wissen, entsprechende
Hinweise vor Ort an der T nicht mitbekommen haben und die letzte Seite der
Zeitungsbeilage nicht genau studiert haben. All diese Verbraucher können
schlechterdings nicht meinen, dass es sich um in anderen Filialen geforderte Eigenpreise
handelt.
2.
Die vorstehend erwähnten Verbraucher könnten zwar in der Tat meinen, es
handle sich bei den durchgestrichenen Preisen um diejenigen, die erst in Zukunft
gefordert werden.
Das ändert aber nichts daran, dass für denjenigen, der von weiteren Filialen
nichts weiß und auf die Idee, der durchgestrichene Preis könnte ein erst in Zukunft
(voraussichtlich) zu fordernder Preis sein, nicht kommt (wie auch selbst die
Antragsgegnerin nicht in ihrer Schutzschrift), nur noch der Schluss [bleibt], es handle
sich um unverbindliche Preisempfehlungen des Herstellers (oder - was offen bleiben
kann, weil es ebenfalls nicht zuträfe - um "marktübliche" Preise). Da es sich um solche in
Wirklichkeit nicht handelt, liegt nach allem eine Irreführung eines erheblichen Teils der
Verbraucher vor, zumal noch diejenigen - für sich genommen vielleicht zahlenmäßig
nicht erheblich ins Gewicht fallenden - Verbraucher als in die Irre geführt hinzukommen,
die zwar von den anderen Filialen wissen, gleichwohl aber irrig nicht auf einen
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die zwar von den anderen Filialen wissen, gleichwohl aber irrig nicht auf einen
Eigenpreisvergleich schließen, sondern auf den Vergleich mit der
Herstellerpreisempfehlung.
3.
Dass eine Werbung mit unverbindlichen Preisempfehlungen in der Textilbranche
nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin unüblich sein mag, ändert nichts an dem
nahe liegenden Fehlschluss für den vorstehend angeführten Teil der angesprochenen
Verbraucher, dem kein anderer Schluss bleibt als der hier als unzutreffend dargestellte.
Der Verbraucher ist auch daran gewöhnt, mit neuen, bislang "unüblichen"
Werbemethoden angesprochen zu werden.
4.
Zu allem tritt hinzu, dass es auch nach aktueller höchstrichterlicher
Rechtsprechung dabei bleibt, dass die Bezugnahme auf einen "statt"-Preis irreführend
ist, wenn in der Werbeanzeige - wie auch hier - nicht klargestellt wird, um was für einen
Preis es sich bei dem "statt"-Preis handelt (BGH GRUR 2005, 692, 694 - "statt"-Preis,
unter [uneingeschränkter] Inbezugnahme von BGH GRUR 1980, 306, 307 -
Preisgegenüberstellung III)."
III.
An Vorstehendem hält der Senat (in veränderter Besetzung) auch in Ansehung des
Berufungsvorbringens fest.
1.
Die Annahme, dass im Streitfall die (ohne Erläuterung) durchgestrichenen Preise solche
seien, die der Eröffnungsphase gelten sollen, widerstreitet dem optischen
Aussagegehalt und liegt daher in einer Weise fern, dass sie nach der Einschätzung der
erkennenden Senatsmitglieder vernachlässigt werden kann. (Sogar die Beklagte selbst
hat dieser Annahme in ihrer Schutzschrift vom 11. September 2006 auf Seite 4 Mitte
[Beiakten LG Berlin zu 102 AR 75/06] noch dezidiert widersprochen.) Der optische
Aussagegehalt ist nämlich gegenteilig derjenige, dass ein bestimmter
(höherer) Preis galt, dieser später (im übertragenen Sinne) "durchgestrichen"
wurde und zugleich ein neuer (niedrigerer) Preis (im übertragenen Sinne)
"danebengesetzt" wurde. Einen erst zukünftigen Preis zunächst "hinzuschreiben", nur um
ihn sogleich wieder "durchzustreichen", und durch den zunächst einmal geforderten
Preis zu ersetzen, ergibt dagegen keinen logischen Sinn, also keinen vernünftigen
optischen Aussagegehalt.
2.
Vorstehenden Beurteilungen steht - anders als die Berufung meint - BGH GRUR 2007,
603 - UVP - (mit einer maßgeblich anderen Fallgestaltung) nicht entgegen, insbesondere
wird dort auch nicht etwa von besagter Vorgabe in BGH GRUR 2005, 692, 694 [sub 2 b
aa] - "statt"-Preis - abgerückt (nunmehr kritisch zu letzterem freilich Bornkamm in:
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 5 Rdn. 1.131 f.). Dass die zuletzt
genannte Entscheidung hier - wie die Berufung meint - nicht einschlägig soll, weil hier ein
durchgestrichener und kein "statt"-Preis in Rede steht, leuchtet dem Senat nicht ein, weil
beide Aussageformen den identischen Inhalt aufweisen. Sonach liegt eine Irreführung
durch mehrdeutige Preisgegenüberstellung vor, wenn - wie im Streitfall - nicht deutlich
wird, um was für einen Preis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt (so auch
noch Bornkamm a.a.O., Rdn. 7.87, m.w.N.).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgen aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
D.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil entgegen der Annahme der Berufung die
Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Übertragung der zu "Statt-
Preisen" ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auf durchgestrichene Preise
beruht nicht auf rechtsgrundsätzlichen Erwägungen, sondern auf der tatrichterlichen
Feststellung des Senats, dass beide Aussageformen inhaltlich identisch sind und
demzufolge vom Publikum in identischer Weise verstanden werden. Eine
streitentscheidende Divergenz zu BGH WRP 2000, 1266, 1269 - Neu in Bielefeld II
streitentscheidende Divergenz zu BGH WRP 2000, 1266, 1269 - Neu in Bielefeld II
[insoweit nicht abgedruckt in GRUR 2001, 84] - besteht nicht. Dort wurden zwar
Deutungen i.S. eines "allgemein gültigen Marktpreises" als fernliegend bezeichnet, was
aber damit begründet wurde, dass es dort - anders als hier - um die durch starken
Preiswettbewerb gekennzeichnete Computerbranche ging. Überdies war eine - im
Streitfall nach Auffassung des Senats durchaus heranzuziehende - Deutung als
"unverbindliche Preisempfehlung" des Herstellers nicht Gegenstand der Erörterungen in
jener Entscheidung. Schließlich waren dort die durchgestrichenen Preise noch mit dem
Wort "Normalpreis" bezeichnet, sodass auch insoweit ein maßgeblicher Unterschied zum
Streitfall besteht, wo die durchgestrichenen Preise weitgehend unerläutert geblieben
sind.
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