Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 56/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 StVG, § 823 Abs 1 BGB
Schadensersatz wegen Verkehrsunfall: Darlegungslast des
Klägers; Klageabweisung bei einem "So-Nicht-Unfall"
Leitsatz
Dem Kläger obliegt die Darlegung der Verursachung des geltend gemachten Schadens durch
das gegnerische Fahrzeug sowie des Umfangs des dadurch eingetretenen Schadens.
Die Klage ist abzuweisen, wenn der gerichtliche Sachverständige feststellt, dass der Unfall
sich nicht so, wie der Kläger dies behauptet, zugetragen haben kann; denn dann ist der
Beweis einer Fahrzeugbeschädigung durch den Beklagten nicht geführt.
Rücknahme der Berufung
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch
einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Berufungskläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach
Zugang.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten in Anspruch aus einem Vorfall vom 31. Dezember 2006
um 01.40 Uhr in der Oranienburger Straße in Berlin; er hat geltend gemacht, sein Taxi
Mercedes- Benz E 220 CDI (B-….; EZ 29. 01. 2002, Laufleistung 294.377 km) sei gegen
0.30 Uhr am rechten Fahrbahnrand von seinem Fahrer M. Y. geparkt worden; gegen
01.40 Uhr stand ein weiteres Taxi Mercedes Benz ( B-…) der A. Taxi GmbH vor dem
Klägerfahrzeug. Der Kläger macht geltend, sein Taxi sei an der Front dadurch beschädigt
worden, dass der vom Zweitbeklagten geführte und gehaltene sowie bei der
Erstbeklagten gegen Haftpflicht versicherte Pkw BMW 318 Coupe (Kurzzeitkennzeichen
B-…) aus der Gegenrichtung frontal gegen das Taxi der A. GmbH gefahren sei und
dieses Fahrzeug gegen die Front seines dahinter stehenden Taxi geschoben habe.
Der Kläger hat der A. GmbH den Streit verkündet; diese hatte die Beklagten erfolglos in
Anspruch genommen auf Ersatz des an ihrem Taxi B-… vorhandenen Schadens; die
entsprechende Klage ist vom Landgericht Berlin durch Urteil vom 14. Februar 2008 - 59
O 152/07 - abgewiesen worden mit der Begründung, es liege ein manipuliertes
Schadenereignis vor; die dagegen eingelegte Berufung hat der Senat mit Beschluss vom
24. April 2009 - 12 U 96/08 -zurückgewiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen nach Beweisaufnahme zum Unfallhergang
durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing.
M. H..
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme stehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein manipuliertes
Geschehen fest. Denn nach dem überzeugenden Ergebnis des
Sachverständigengutachtens sei der vom Kläger behauptete Unfallhergang
(Beklagtenfahrzeug sei frontal auf das Taxi der A. GmbH gefahren und habe dieses
Fahrzeug gegen die Front des klägerischen Taxi geschoben) technisch nicht
nachvollziehbar.
Denn die Kollisionsstellungen der Fahrzeuge sowie Ausmaß und Höhenlage der Schäden
würden damit nicht in Einklang zu bringen sein.; dies sei ein überaus gewichtiges Indiz für
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würden damit nicht in Einklang zu bringen sein.; dies sei ein überaus gewichtiges Indiz für
eine Unfallmanipulation, so dass andere möglicherweise relevante Umstände
dahinstehen könnten.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er dieselbe Verurteilung
der Beklagten wie in erster Instanz erstrebt.
Er macht geltend: Das Landgericht habe unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ohne
jede Zeugenvernehmung und Vernehmung des Zweitbeklagten entschieden; derartiges
sei auch nicht entbehrlich gewesen vor dem Hintergrund der Möglichkeit, dass diese
nicht wahrheitsgemäß aussagen würden.
Auch sei zu beanstanden, dass das Gutachten nur aufgrund von Aktenmaterial erstellt
worden sei, obwohl es geboten gewesen sei, die Parteien im Rahmen der
Gutachtenerstellung anzuhören bzw. einen Ortstermin unter Hinzuziehung der
Fahrzeuge durchzuführen. Das Landgericht habe ferner nicht berücksichtigt, dass der
Kläger keinerlei Interesse an einem gestellten Unfall gehabt habe.
II.
1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz
1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die
angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die
nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung
rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
a) Es kann letztlich dahinstehen, ob - wie das Landgericht gemeint hat - die erhebliche
Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger an einem abgesprochenen
Unfallgeschehen in der Weise beteiligt war, dass er in die Beschädigung seines
Fahrzeugs eingewilligt hat.
Entscheidend für die Aussichtslosigkeit der Berufung ist vielmehr der vom Landgericht
zutreffend festgestellte Umstand, dass der Kläger Schäden an seinem Fahrzeug geltend
macht, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme technisch nicht durch den von ihm
behaupteten Unfallhergang verursacht worden sein können. Dies hat auch schon das
Landgericht auf S. 6 des angefochtenen Urteils betont.
Die vom Kläger nach § 7 StVG, § 823 BGB geltend gemachten
Schadensersatzansprüche setzen voraus dass der Kläger die den geltend gemachten
Anspruch rechtfertigenden Umstände darzulegen hat. Diese ihm obliegende
Darlegungslast umfasst die Verursachung des Schadens durch das gegnerische
Fahrzeug und das Ausmaß dieses Schadens (Senat, Urteil vom 14. Januar 1994 - 12 U
3157/93 -). Der Beweis der Fahrzeugbeschädigung durch den Beklagten ist nicht geführt,
wenn der gerichtliche Sachverständige feststellt, dass die Schäden nicht zu dem von
den Beteiligten behaupteten Geschehen passen (sog. So-nicht-Unfall, OLG Hamm, Urteil
vom 18. November 1998 - 13 U 101/98 - r + s 1999, 322; vgl. auch OLG Hamm, Urteil
vom 21. Januar 2005 - 20 U 228/03 -). Die Klage ist daher abzuweisen, wenn der Unfall
sich nicht so, wie behauptet, ereignet haben kann.
b) So liegt der Fall hier.
In den vom Landgericht eingeholten Unfallrekonstruktionsgutachten vom 3. Oktober
2008 hat der gerichtlich beauftragte Sachverständige H. auf S. 21 u. a. ausgeführt, dass
aus dem Schadensbilder am klägerischen Taxi und dem Taxi der Streitverkündeten folgt,
dass beide Taxis beim Kontakt nicht in ihren statischen Ruhelagen befunden haben, also
nicht - wie vom Kläger behauptet - beim Kontakt gestanden haben.
Wenn aber vom Klägervortrag ausgegangen wird, dass das Taxi der Streitverkündeten
durch den Frontanstoß des BMW nach hinten hin verschoben worden ist, wäre ein Anstoß
der beiden Taxis in ihren statischen Höhenlagen zu erwarten gewesen; jedenfalls wäre
der festzustellende deutliche Höhenunterschied der Kontaktstellen an den Fahrzeugen
nicht erklärbar.
Auf S. 24 des Gutachten heißt es als Zusammenfassung u. a.:
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„Die Auswertung der Unterlagen und der Schadensfotos hat ergeben, dass die vom
Kläger behauptete Hergangsschilderung, wonach zunächst der beklagte BMW auf das
vor dem Klägerfahrzeug abgestellte Taxi der Streitverkündeten aufgefahren sei und
dieses aufgeschoben habe, nicht nachvollziehbar ist.
Ein Kollisionsablauf, wie er vom Kläger behauptet wird, lässt sich mit den aus den
Schäden hervorgehenden Kollisionsstellungen der Fahrzeuge nicht in Einklang bringen
und steht zudem im Widerspruch zu den Schadensausmaßen und den Höhenlagen der
Schäden an den Fahrzeugen.“
c) Die hiergegen vom Kläger auf S. 3 der Berufungsbegründung vorgebrachten Angriffe
haben keine Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger greift die Richtigkeit der technischen Ausführungen des Gutachters selbst
nicht an; er wiederholt vielmehr im wesentlichen die Argumente seines erstinstanzlichen
Schriftsatzes vom 22. Dezember 2008, mit denen er zum Sachverständigengutachten
Stellung genommen hat und die das Landgericht bereits auf S. 6 des angefochtenen
Urteils zutreffend für nicht durchgreifend erachtet hat.
Die vom Kläger geforderte Vernehmung seines Fahrers und des Zweitbeklagten waren
und sind nicht geeignet, die schlüssigen technischen Ausführungen des
Sachverständigen zu widerlegen.
Entgegen der Auffassung des Kläger war es nicht Pflicht des Landgerichts, dem
Sachverständigen aufzugeben, „die Parteien im Rahmen der Gutachtenerstellung
anzuhören bzw. einen Ortstermin unter Hinzuziehung der Fahrzeuge durchzuführen“.
Der Sachverständige hatte den aktenkundigen Vortrag der Parteien zu berücksichtigen
und entsprechend dem Inhalt des Beweisbeschlusses vom 13. Februar 2008 die
Beweisfragen zu beurteilen. Dies hat er sachgerecht getan.
Die vom Kläger geforderte Durchführung eines Ortstermins unter Hinzuziehung der
Fahrzeuge war und ist im Übrigen schon deshalb nicht möglich, weil der Beklagte zu 2
den BMW nach dem Unfall an einen Freund verkauft hat, der ihn sofort weiter nach Polen
verkauft habe (vgl. S: 12 des Gutachtens Hahn).
Darüber hinaus ist die Entscheidung über die Erforderlichkeit eines Ortstermins Teil des
Beurteilungsspielraums des Sachverständigen. Insoweit hat der Sachverständige nicht
ausgeführt, ohne eine solche Maßnahme nicht zu einer zuverlässigen Einschätzung
gelangen zu können.
III.
Es wird angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.
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