Urteil des KG Berlin vom 25.03.2010

KG Berlin: einstweilige verfügung, erlass, zwangsvollstreckung, auskunft, rechtfertigungsgrund, herausgabe, link, sammlung, quelle, verzicht

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Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsname:
Vollstreckungsverzicht
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 64/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 12 Abs 2 UWG, § 935 ZPO, §
940 ZPO
Dringlichkeitsschädlicher vorübergehender
Vollstreckungsverzicht im markenrechtlichen Eilverfahren
Leitsatz
Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt, wer nach erstinstanzlich
erfolgreichem Eilverfahren zu Beginn des Berufungsrechtszugs ohne besonderen Grund
erklärt, dass er bis zum Verfahrensabschluss aus der einstweiligen Verfügung nicht
vollstrecken werde (Fortführung von OLG Frankfurt, Urt. v. 25.03.2010 - 6 U 219/09 - Whiskey-
Cola; OLG Köln Magazindienst 2010, 532).
Tenor
1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil der Kammer für Handelssachen
101 des Landgerichts Berlin vom 27. April 2009 - 101 O 36/09 - abgeändert:
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 27. März 2009 wird aufgehoben
und der auf ihren Erlass bzw. auf Feststellung der Erledigung des Eilverfahrens gerichtete
Antrag zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
A.
Von der Wiedergabe eines Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V. mit § 313a Abs. 1
Satz 1 ZPO abgesehen.
B.
Die Berufung der Antragsgegnerin ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und
auch sonst zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, und zwar unbeschadet der von der
Antragstellerin wegen zwischenzeitlich unmittelbar bevorstehender Löschung der
Streitmarke nunmehr begehrten Feststellung der Erledigung des Verfahrens. Denn auch
unabhängig davon wäre das angefochtene Urteil schon von Verfahrensrechts wegen
abzuändern, die einstweilige Verfügung aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete
Antrag wegen zuvor fortgefallenen Verfügungsgrunds i.S. der §§ 935, 940 ZPO
zurückzuweisen gewesen, was der Feststellung einer Erledigung entgegensteht. Dies
ergibt sich aus Folgendem:
I.
Die Antragstellerin hat die (nach der Senatsrechtsprechung analog § 12 Abs. 2 UWG zu
ihren Gunsten streitende) Dringlichkeitsvermutung durch zögerliche
Verfahrensbetreibung selbst widerlegt.
1.
Nach obergerichtlicher Rechtsprechung ist die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2
UWG widerlegt, wenn der Antragsteller nach Erlass der Beschlussverfügung und deren
Vollziehung in Kenntnis der Fortsetzung des untersagten Verhaltens keinen
Vollstreckungsantrag stellt, um das sich aus § 945 ZPO ergebende Kostenrisiko zu
vermeiden (OLG Frankfurt, Urt. v. 25.03.2010 - 6 U 219/09 - Whiskey-Cola). Ebenso
beseitigt ein bald nach Erlass einer einstweiligen Verfügung von dem Gläubiger im
Hinblick auf Vergleichsverhandlungen erklärtes Einverständnis, “bis zu einer
Entscheidung des Verfügungsverfahrens“ auf die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zu
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Entscheidung des Verfügungsverfahrens“ auf die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zu
verzichten, die Dringlichkeitsvermutung jedenfalls dann, wenn in den nachfolgenden
Monaten konkrete und mit zeitlichen Limits zur Beantwortung versehene Vorschläge zur
Beilegung des Rechtsstreits nicht unterbreitet werden (OLG Köln Magazindienst 2010,
532; siehe auch Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl. [Online-Ausgabe 2010], § 12
Rdn. 101.2).
2.
Vorstehendem vergleichbar verhält es sich im Streitfall: Nachdem die Antragstellerin
einen Antrag nach § 888 ZPO wegen bislang nicht erteilter Auskunft gemäß Ziffer 3 der
einstweiligen Verfügung gestellt hatte, hat die Antragsgegnerin nach Verkündung des
angefochtenen (die einstweilige Verfügung bestätigenden) Urteils u.a. die Einstellung der
Zwangsvollstreckung beantragt und im Folgenden Berufung eingelegt. In ihrer
Stellungnahme zu diesem Antrag der Gegenseite auf Einstellung der
Zwangsvollstreckung hat die Antragstellerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten
erklären lassen,
“dass wir aus der angegriffenen einstweiligen Verfügung bis zum Abschluss des
Berufungsverfahrens nicht vollstrecken werden. Unseren Antrag auf Festsetzung des
Zwangsgelds nach § 888 ZPO vom 22.04.2009 nehmen wir zurück.“
3.
Mit diesem - generellen und einschränkungslosen - Verzicht auf jegliche Vollstreckung
aus der erstrittenen einstweiligen Verfügung (in allen Punkten) bis zum Abschluss des -
seinerzeit gerade erst eingeleiteten – Berufungsverfahrens (noch nicht einmal die
Berufungsbegründung lag damals vor) hat die Antragstellerin - jedenfalls bei objektiver
Lesart - gezeigt, dass es ihr mit der Durchsetzung der geltend gemachten Rechte
(Unterlassung, Auskunft, Herausgabe) überhaupt nicht (mehr) eilig war. Irgendein
besonderer Rechtfertigungsgrund für dieses damalige “Rückzugsverhalten“ der
Antragstellerin ist nicht erkennbar (eine etwaige - sich aus dem drohenden
Markenverlust möglicherweise bereits abzeichnende - allgemeine Befürchtung der
Antragstellerin, im Unterliegensfalle gemäß § 945 ZPO auf Schadensersatz zu haften,
stellt eine solche Rechtfertigung jedenfalls nicht dar).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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