Urteil des KG Berlin vom 27.10.2005

KG Berlin: gesellschafter, treu und glauben, innenverhältnis, wichtiger grund, gesellschaftszweck, kausalität, unterzeichnung, ermessen, ausschreibung, bekanntmachung

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Gericht:
KG Berlin 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 U 31/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 705 BGB, § 744 BGB
Pflicht zur Zustimmung des Gesellschafters einer
Bietergemeinschaft zur Angebotsabgabe - hier abgelehnt
Leitsatz
Auch die gesellschaftliche Treuepflicht führt nicht dazu, dass ein Mitglied einer
Bietergemeinschaft zur Zustimmung zu einem Angebot verpflichtet ist, wenn die Parteien
Einstimmigkeit vereinbart haben.
Tenor
Die Berufung der Klägerin vom 13. Februar 2006 gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 27. Oktober 2005 - 95 O 25/04 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin hatte sich im Rahmen eines Vergabeverfahrens für einen Großauftrag der
D. B. erfolgreich für das Teilnahmeverfahren an dieser Ausschreibung beworben und
begehrt mit ihrer Klage Schadensersatz aufgrund der Weigerung der Beklagten, der
Abgabe des Angebotes zuzustimmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der Beklagten weder eine
Treuepflichtverletzung aus dem Bietergemeinschaftsvertrag vorzuwerfen noch ein
kausaler Schaden eingetreten sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird
auf die Urteilsgründe verwiesen.
Mit ihrer Berufung rügt die Klägerin, dass das Landgericht das Recht unzutreffend
angewendet habe. So habe kein wichtiger Grund zugunsten der Beklagten vorgelegen,
der eine Treuepflichtverletzung rechtfertigen könne, zumal es sich bei ihren
Ausführungen um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen gehandelt habe.
Ferner habe das Landgericht § 139 ZPO verletzt. Ein richterlicher Hinweis darauf, dass
die Urkalkulation vorgelegt werden müsse, sei nicht erteilt worden. Im Übrigen handele
es sich um ein Überraschungsurteil, da das Gericht in der mündlichen Verhandlung noch
zumindest den Ersatz des negativen Schadens für möglich gehalten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der umfangreichen Berufungsbegründung wird auf die
Schriftsätze der Klägerin vom 13.04.2006 (Band II Blatt 15-74) und 12.10.2006 (Band II
Blatt 150-223) jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an
die Klägerin 3.025.148,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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hilfsweise
an die Klägerin 344.267,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und an das Landgericht Berlin
zur weiteren Verhandlung zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihrer erstinstanzlich
vorgetragenen Argumente. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der
Beklagten vom 28.06.2006 (Band II Blatt 78-147) und 16.04.2007 (Band III Blatt 27 ff.)
jeweils nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden, §§ 519 Absatz 1 und 2, 520 Absatz 2 und 3 ZPO.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das Landgericht zu Recht die Klage abgewiesen
hat. Ein Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin gegen die Beklagten wegen
Verletzung ihrer Treuepflichten bei der Versagung ihrer Zustimmung zur
Angebotsabgabe besteht gemäß §§ 280 Absatz 1 in Verbindung mit 705, 708 BGB
bereits dem Grunde nach nicht, da die Beklagte zwar Gesellschafterin der Klägerin
geworden ist, sich jedoch nicht wegen der versagten Zustimmung zur Angebotsabgabe
schadensersatzpflichtig gemacht hat. Darüber hinaus fehlt es an der Kausalität zwischen
einer (angeblichen) Treuepflichtverletzung und dem Eintritt des Schadens, da das
Angebot der Klägerin nicht hätte zugelassen werden dürfen.
1. Beklagte als (früheres) Mitglied der Bietergemeinschaft
Bei einer Bietergemeinschaft handelt es sich grundsätzlich um eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts gemäß §§ 705 ff. BGB, durch die sich mehrere Unternehmen
zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsames Angebot abzugeben und im
Auftragsfall den Vertrag gemeinsam als ARGE auszuführen.
In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichts geht der Senat davon aus,
dass die Beklagte Gesellschafterin der Klägerin geworden ist. Dabei kann dahin stehen,
ob der Mitarbeiter L. der Beklagten bevollmächtigt war, den Bietergemeinschaftsvertrag
gemäß Anlage K 9 abzuschließen. Denn jedenfalls sind die Grundsätze der Anscheins-
oder Duldungsvollmacht anzuwenden, da die Beklagte ihren Mitarbeiter mit einer
Stellung betraut hat (nämlich dem Verhandeln über den Abschluss des Vertrages, deren
Anbahnung ihr unzweifelhaft in groben Zügen bekannt war), die typischerweise mit einer
Vollmacht verbunden ist. Ferner hatte sich der Mitarbeiter L. durch Vorlage seiner
Visitenkarte (Anlage K 32) als stellvertretender Niederlassungsleiter ausgewiesen, so
dass auch insoweit seine Stellung auf eine Bevollmächtigung schließen lassen musste,
ohne dass es auf Absprachen im Innenverhältnis zur Beklagten ankommt.
Selbst wenn man nicht von der Anwendbarkeit der Grundsätze der Anscheins- oder
Duldungsvollmacht ausgehen würde, hat die Beklagte den Vertragsschluss zumindest
nachträglich gemäß § 177 Absatz 1 BGB durch schlüssiges Handeln genehmigt.
Insbesondere als Kaufmann wäre sie zum unverzüglichen Widerspruch verpflichtet
gewesen (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 178 Rz. 6). Die Beklagte bestreitet nicht,
den Bietergemeinschaftsvertrag nach Unterzeichnung erhalten zu haben. Ihr
nachfolgendes Verhalten lässt jedoch nicht erkennen, dass sie die Erklärung des
Mitarbeiters nicht habe gelten lassen wollen, sondern sie hat vielmehr in Umsetzung des
Vertrages nachfolgend ihren Leistungsanteil technisch bearbeitet und kalkuliert und ihr
Teilangebot abgegeben.
2. Treuepflichtverletzung durch die Beklagten
Der Beklagten ist nicht vorzuwerfen, den Gesellschaftszweck in treuwidriger Weise
vereitelt zu haben, da sie nach Gründung der Bietergemeinschaft ihre Beteiligung an
dem gemeinsamen Angebot weder von unannehmbaren oder gesellschaftswidrigen
Bedingungen abhängig gemacht hat noch den Rahmen ihres unternehmerischen
Ermessens, sich an dem gemeinsamen Angebot zu beteiligen oder von einer
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Ermessens, sich an dem gemeinsamen Angebot zu beteiligen oder von einer
Zustimmung abzusehen, überschritten hat.
Wesentlich ist, dass sowohl nach dem Muster eines Bietergemeinschaftsvertrages als
auch gemäß Ziffer 4.5 des streitgegenständlichen Vertrages alle Entscheidungen
während der Angebotsvorbereitung bis zur Abgabe einschließlich der Verhandlung und
alle Entscheidungen in Bezug auf das Angebot einstimmig von den Parteien zu treffen
sind. Damit soll sichergestellt werden, dass kein Gesellschafter im Rahmen seiner
gesamtschuldnerischen Haftung in eine Angebotsbindung hinein gerät, mit welcher er
sich nicht identifizieren kann. Die Notwendigkeit der Zustimmung aller Gesellschafter
zum Angebot bezieht sich nicht nur auf die Angebotssumme, sondern auch auf
sämtliche Bestandteile und Inhalte des Angebots wie z.B. Preisvorstellungen und
Aufgabenverteilung (vgl. Beschluss der Vergabekammer des Landes Hessen vom
26.01.2005 – 69d VK -96/2004, zitiert nach juris Rz. 39). Der streitgegenständliche
Gesellschaftsvertrag enthält auch keine Einschränkungen hinsichtlich des
Einstimmigkeitserfordernisses.
Ein Anspruch eines Gesellschafters auf Zustimmung gegen andere Gesellschafter wird in
Rechtsprechung und Schrifttum nur ausnahmsweise angenommen, wenn es sich um
eine notwendige Geschäftsführungsmaßnahme im Sinne des § 744 Abs. 2 BGB handelt
oder sich der betroffene Gesellschafter ohne vertretbaren Grund weigert zuzustimmen,
obgleich der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft es erfordern (OLG
Stuttgart Urteil vom 08.02.2006 - 14 U 62/04, zitiert nach juris; OLG München NJW 2001,
Seite 613; BGH NJW 1972, 862/863 unter Bezugnahme auf RGZ 87, 329 ff., 331 und 162,
78 ff., 83; enger: Erman/Westermann, BGB 10. Aufl., § 709 Rn. 9 f. und Münchener
Kommentar/Ulmer, BGB 3. Aufl., § 709 Rn. 40 ff.).
Der erste Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. § 744 BGB regelt notwendige
Erhaltungsmaßnahmen für den gemeinschaftlichen Gegenstand. Auch die
Voraussetzungen des zweiten Falles sind vorliegend nicht gegeben. Unter
Berücksichtigung aller Aspekte, insbesondere des Gesellschaftszwecks, der Belastungen
der einzelnen Gesellschafter und der Folgen bei gemeinsamer Angebotsabgabe ist es
geboten, jedem Gesellschafter und damit auch der Beklagten ein weites Ermessen
einzuräumen, ob sie der Angebotsabgabe zustimmt, sofern zumindest vertretbare
Gründe für diese Entscheidung vorgebracht wurden.
Denn bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Frage, ob bestimmte
Geschäftsführungsmaßnahmen getroffen werden sollen, so verdient grundsätzlich keine
den Vorzug (BGH NJW 1986, 844). Die Maßnahme hat dann zu unterbleiben. Es ist
danach nicht entscheidend, ob der von der Beklagten vorgebrachte Grund ein
berechtigter Grund ist. Die Gerichte sind nicht befugt, die Entscheidung über die
Zweckmäßigkeit einer Maßnahme anstelle der Gesellschafter zu treffen. Ein Grund ist
deshalb schon als vertretbar zu akzeptieren, wenn er nachvollziehbar ist und nicht
ausnahmsweise die Voraussetzungen einer Schikane gegeben sind (OLG Stuttgart
a.a.O.; OLG München a.a.O.; BGH a.aO.). Anderenfalls würde der unternehmerische
Spielraum des Gesellschafters erheblich eingeschränkt werden, obwohl aufgrund einer
einstimmigen Angebotsabgabe weit reichende finanzielle und haftungsrechtliche Folgen
im Fall der Auftragserteilung für die Gesellschafter eintreten würden. Denn in diesem
Falle sind die Gesellschafter verpflichtet, eine ARGE zu gründen und in
gesamtschuldnerischer Haftung nach außen gegenüber dem Auftraggeber die
Bauleistungen auszuführen. Selbst bei geringer Beteiligung des Einzelnen im
Innenverhältnis an der Angebotssumme würde mithin jeder Gesellschafter für das
gesamte Volumen haften.
Darüber hinaus soll der Bietergemeinschaftsvertrag für die Angebotsphase dazu dienen,
eine gewissermaßen automatische Überleitung von der Bietergemeinschaft in die
spätere ARGE stattfinden zu lassen, ohne dass aufgrund von Differenzen über den Inhalt
des ARGE-Vertrages die Ausführung des Bauvertrages in Gefahr gerät (vergleiche dazu
Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl., Exkurs Bietergemeinschaft Rz. 8 und 5). Der
Gesellschaftszweck wird demnach wesentlich von dem Gedanken getragen, die durch die
Angebotsabgabe entstehenden weit reichenden Verpflichtungen im Außenverhältnis im
Innenverhältnis durch die Regelung von wesentlichen Teilen der weiteren
Zusammenarbeit abzusichern, wie sich auch aus Ziffer 1.2. und 1.3 und dem Verweis
auf den Mustervertrag des Hauptverbandes der Deutschen Industrie ergibt.
Dementsprechend muss dem einzelnen Gesellschafter im Vorfeld der Angebotsabgabe
das Recht verbleiben, seine Entscheidung über die Zustimmung zum Angebot in
vertretbarer Weise zu treffen, ohne dass seine Beweggründe bereits die Qualität eines
„wichtigen Grundes“ im Sinne der Voraussetzung eines außerordentlichen
Kündigungsrechts erreichen müssen.
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Dagegen spricht auch nicht das Argument der Klägerin, die Beklagte habe Überlegungen
zur Bonität bzw. Verlässlichkeit der weiteren Mitgesellschafter und zur Höhe des
Auftragsvolumens bzw. dem Umfang der jeweiligen Beteiligung an der Angebotssumme
im Innenverhältnis schon vor Gründung anstellen können und sei dieser Gründe nach
Unterzeichnung des Vertrages verlustig gegangen, sofern sich nicht nachträglich
Änderungen ergeben. Denn die Gründung einer Bietergemeinschaft erfolgt regelmäßig
in einem engen zeitlichen Rahmen – vorliegend betrug der Bewerbungszeitraum zwei
Wochen ab Bekanntmachung (14.03.-01.04.2003), und die Klägerin erhielt mit Schreiben
der DB ProjektBau GmbH vom 07.04.2003 (Anlage K 4) die Mitteilung, die aus 82
Leitzordnern bestehenden Ausschreibungsunterlagen abholen zu können. Bereits am
17.04.2003 wurde dann der schriftliche Bietergemeinschaftsvertrag geschlossen, ohne
dass bis dahin alle Gesellschafter die Unterlagen selbst eingesehen hatten. Vielmehr
erfolgte ausweislich TOP 3 des Protokolls vom 17.04.2003 nur eine Vorstellung der
Baumaßnahmen durch einen Mitarbeiter der Fa. O. KG (Anlage K 8), wobei es auf den
zwischen den Parteien streitigen Umfang dieser Präsentation nicht ankommt. Denn es
dürfte für einen Unternehmer kaum ausreichen, nur aufgrund mündlicher Darlegungen
bereits zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen, ob er ein Bauvorhaben dieser
Größenordnung mitträgt oder nicht. Auch aus den groben Mengenangaben in der
Bekanntmachung der Ausschreibung (Anlage K 1) lässt sich keinesfalls bereits sicher
beurteilen, ob die Durchführung des Bauvorhabens sinnvoll ist oder nicht.
Weiterhin spricht auch die Ansicht, bei Fehlen eines ausdrücklichen (schriftlichen)
Vereinbarung über die Gründung einer Bietergemeinschaft komme eine solche
zustande, „sofern nach gemeinsamer Entscheidung eine gemeinschaftliche
Angebotsabgabe mit der Zweckrichtung stattfindet, gemeinsam den Auftrag erteilt zu“
bekommen (Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl., Exkurs Bietergemeinschaft
Rz.4), für ein weit auszulegendes Ermessen bei der Entscheidung über die Zustimmung
zur Angebotsabgabe. Denn anderenfalls müsste der Entstehungszeitpunkt der
Gesellschaft bereits auf den Zeitpunkt des Entschlusses, gemeinsam ein Angebot zu
erstellen, vorverlegt werden, ohne dass zu diesem Zeitpunkt verlässliche Angaben für
das unterschiedliche Risiko vorlägen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin erfordert auch nicht die Treuepflicht gegenüber
der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern ein reduziertes Ermessen des
abweichenden Unternehmers. Es besteht zwar eine gesellschaftsrechtliche
Förderungspflicht, ein gemeinsames Angebot abzugeben, um die Auftragserteilung für
die gemeinsame Durchführung als spätere Arbeitsgemeinschaft zu erhalten (vgl.
Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl., Exkurs Bietergemeinschaft Rz. 24 Seite
1032). Diese Förderungspflicht ist jedoch nicht stärker zu bewerten als das
Einstimmigkeitsgebot, wie sich aus den vorgenannten Entscheidungen des OLG
Stuttgart, OLG München und BGH ergibt. Denn eine Pflicht zur Zustimmung erfordert
eben nicht nur, dass diese dem Gesellschaftsinteresse dient, sondern dass zusätzlich
der Verweigernde keine vertretbaren Gründe für seine Haltung hat.
Soweit die Beteiligung an einem Teilnahmewettbewerb solcher Größenordnung für jedes
Mitglied der Bietergemeinschaft erhebliche Kosten verursacht und Kapazitäten an
Personal etc. gebunden werden, die nicht für die Akquisition von anderen Aufträgen zur
Verfügung stehen, ist dies ein allgemeines Risiko, das sich auch verwirklichen würde,
wenn Konkurrenten ein günstigeres Angebot abgeben würden, das dann den Zuschlag
erhält.
Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich nicht daraus, dass die übrigen
Gesellschafter jedenfalls bei einem Vergabeverfahren wie dem vorliegenden, in dem in
einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb die Eignung potentieller Auftragnehmer
vorab auf der Grundlage der Teilnahmeanträge geprüft wird, grundsätzlich aus
vergaberechtlichen Gründen damit rechnen müssen, bei Veränderung der
Bietergemeinschaft nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs und in der Phase der
Angebotsabgabe bereits deshalb mit ihrem Angebot ausgeschlossen zu werden (vgl.
dazu näher noch unter 3. ), so dass nicht einfach der Leistungsteil des Verweigernden
von den übrigen Gesellschaftern übernommen werden kann. Denn auch dieses Risiko
hätte nur durch die Vereinbarung eines Mehrheitsbeschlusses für die Angebotsabgabe
verringert werden können. Dies haben die Parteien aber offensichtlich gerade nicht
gewollt.
Vorliegend hatte die Beklagte auch zumindest vertretbare Gründe dafür, ihre
Zustimmung zur Angebotsabgabe zu verweigern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie
trotz ihrer eigenen geringen prozentualen Beteiligung an der Angebotssumme im
Innenverhältnis bei Zuschlagserteilung im Außenverhältnis voll für die Erbringung von
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Innenverhältnis bei Zuschlagserteilung im Außenverhältnis voll für die Erbringung von
Bauleistungen im Wert von über 60 Mio. € haften würde. Selbst wenn man davon
ausginge, dass dies noch kein vertretbarer Grund für die verweigerte Zustimmung sei,
da die ungefähre prozentuale Beteiligung im Innenverhältnis aufgrund der groben
Mengenangaben in der Bekanntmachung der Beklagten schon bekannt gewesen sein
dürfte, ergibt sich keine andere Beurteilung:
Denn die Beklagte hat durch die Vorlage des Berichts der C. vom 28.04.2003 (Anlage B
16) dargetan, dass sich hinsichtlich der Gesellschafterin O. GmbH & Co. KG seit 2001
eine Verschlechterung in deren wirtschaftlicher Situation abzeichnete. Die Einzelheiten
dazu im Schriftsatz der Beklagten vom 04.10.2005 auf Seite 8 ff. (I/247 ff.) hat die
Klägerin nicht bestritten, sondern im Wesentlichen geltend gemacht, die Bonitätsstufe
„mittel“ sowie die sonstige Entwicklung der Gesellschaft hätten kein besonderes Risiko
für die Beklagte dargestellt. Dies ist jedoch eine wertende unternehmerische Auffassung,
die nicht unbedingt geteilt werden muss. Vielmehr ergibt sich aus der Anlage K 45
(Creditreform-Informationssystem, dort auf Seite 22), dass die Note „285“ eher schon
zum Bereich der Note „schwach“ mit 301- 350 Bonitätsindex tendiert. Aufgrund des
Datums der Creditreform-Auskunft ergibt sich ferner, dass die Beklagte zu einem
früheren Zeitpunkt keine detaillierte Kenntnis von der finanziellen Lage gehabt haben
muss.
Ebenso nachvollziehbar hat die Beklagte dargelegt, dass sie erst nach Unterzeichnung
des Vertrages am 17.04.2003 erfahren hat, dass die finanzielle Situation der weiteren
Gesellschafterin ABB entgegen früherer Einschätzung weiterhin unsicher war. Der
Handelsblattartikel vom 28.02.2003 (Anlage B 10c) suggerierte tatsächlich, dass die
milliardenschweren Klageverfahren in den USA wegen Asbestverseuchung durch einen
Vergleich beigelegt seien, die eine positive Entwicklung der ABB nach Krisenjahren
erwarten lasse. Erst dem weiteren Bericht vom 24.04.2003 (Anlage B 10a) konnte die
Beklagte entnehmen, dass der Vergleich noch nicht wirksam sei und das Risiko der
Verurteilung von Schadensersatz in Milliardenhöhe weiterhin drohte. Die Klägerin hat
nicht konkret dargelegt, aus welchen anderen Presseartikeln die Beklagte bereits zu
einem früheren Zeitpunkt Kenntnisse über die tatsächliche, wirtschaftliche Situation der
anderen Gesellschafter hätte erlangen können.
Die Beklagte hat insoweit auch nachvollziehbar dargelegt, dass es ihr im Wesentlichen
auf die Bonität dieser beiden Gesellschafter ankam, da die Fa. D. lediglich ein Haftkapital
von 50.000,00 € aufwies. Es ist deshalb zumindest vertretbar, wenn die Beklagte sich
nicht dem Risiko aussetzen wollte, bei einem Ausfall der beiden finanzstärkeren Partner
im Wesentlichen allein der Haftung ausgesetzt zu sein.
Dabei spielt keine Rolle, dass die Beklagte nicht konkret auf ihre Bedenken hingewiesen
hat. Die Forderung nach Bürgschaften im Innenverhältnis, die dieses Risiko abdecken
sollten, war ausreichend, um das Sicherungsinteresse der Beklagten erkennen zu
lassen. Die Klägerin hat auch durch die Angebote gemäß Schreiben Anlage K 17 und 20
der Beklagten keine Alternative aufgezeigt. Denn die Freistellung im Innenverhältnis
würde die Beklagte nicht von dem Haftungsrisiko bei Ausfall der O. KG und der ABB
befreien und entsprach im Wesentlich der gesetzlichen Regelung in § 426 Absatz 1 Satz
1 BGB.
Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte bereits vor Angebotsabgabeschluss
sämtliche Gründe für ihre Zustimmungsverweigerung offen gelegt hat. Denn wenn schon
bei einer Kündigung das Nachschieben von Gründen zulässig ist (BGH NJW 2000, 3491
ff.; OLG Köln NZG 2001, 1082 ff.), gilt dies erst recht für die Zustimmungsverweigerung.
Im Übrigen ist z.B. die Mutmaßung der Klägerin, das Druckdatum der Anlagen B 10a-c
aus 2004 (nach Zustellung der Klage) beweise, dass es sich um vorgeschobene Gründe
handele, nicht nahe liegend. Denn es war nicht zu erwarten, dass die Beklagte bereits im
Juni 2003 Belege für die Gründe ihrer Entscheidung gesammelt hätte, sondern die Artikel
aus der Fachpresse gelesen hat, ohne sie sofort zu archivieren.
Ebenso wenig ist maßgeblich, ob die Beklagte ihre Forderung nach Bürgschaften im
Innenverhältnis verspätet geltend gemacht hat, da die Klägerin selbst vorgetragen hat,
wegen der notwendigen Stellung entsprechender Sicherheiten gegenüber den Banken
seien solche Bürgschaften nicht realisierbar gewesen.
Die Entscheidung der Beklagten ist schließlich insbesondere vor dem Hintergrund
vertretbar, dass das letzte Angebot, das gegenüber der DBB abgegeben werden sollte,
zumindest äußerst knapp kalkuliert war. Auch hier war nicht erforderlich, die Bedenken
vor Abgabeschluss den übrigen Gesellschaftern mitzuteilen. Denn die einzige
Möglichkeit, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, nämlich das Angebot zu erhöhen,
hätte unweigerlich dazu geführt, dass die Klägerin keinesfalls mehr das günstigste
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hätte unweigerlich dazu geführt, dass die Klägerin keinesfalls mehr das günstigste
Angebot abgegeben hätte. Es kommt auch nicht darauf an, ob die von der Beklagten
substanziiert vorgetragenen Bedenken gegen die Auskömmlichkeit des letzten
Angebotes tatsächlich zutreffend gewesen waren oder nicht. Wegen der Einzelheiten der
Bedenken wird auf die Ausführungen insbesondere auf Seite 23 ff. der
Berufungserwiderung Bezug genommen. Entscheidend ist, dass es sich – entsprechend
den obigen Ausführungen – um eine Zustimmungsverweigerung aus
Gründen gehandelt haben muss. Es geht also nicht um die Einschätzung eines
unparteiischen Sachverständigen, ob die Kalkulation der Klägerin auskömmlich war,
sondern allein um die unternehmerische Freiheit der Beklagten, das Angebot als nicht
ausreichend zu werten, zumal sie bereits selbst nur einen Gewinn für ihren
Leistungsanteil von gerade einmal 287,04 € kalkuliert hatte. Dass die Beklagte unter
diesen Umständen dem Angebot nicht zustimmen wollte, da dem Haftungsrisiko kein
wesentlicher Vorteil für sie selbst gegenüber gestanden hatte, dürfte mehr als
nachvollziehbar sein.
Dementsprechend besteht mangels Verpflichtung der Beklagten, der Angebotsabgabe
zuzustimmen, bereits aus diesem Grund kein Schadensersatzanspruch der Klägerin.
3. Kausalität
Jedenfalls scheitert ein Schadensersatzanspruch auch deshalb, weil die Klägerin den
Zuschlag auch dann nicht erhalten hätte, wenn die von der Klägerin geltend gemachte
Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorgelegen und die Beklagte ihre Zustimmung zur
Angebotsabgabe erteilt hätte. Denn Schadensersatzansprüche kommen dann nicht in
Betracht, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters nicht nur wegen
der Pflichtverletzung des Schädigers, sondern (auch) aus anderen Gründen hätte
zwingend von der Wertung der Angebote ausgeschlossen werden müssen (vgl. BGH
Urteil vom v. 07.06.2005, X ZR 19/02 = BauR 2005, 1618 ff.). Das Landgericht ist auf
Seite 13 der Entscheidungsgründe davon ausgegangen, dass die Klägerin die Beweislast
für die Kausalität des Verhaltens der Beklagten in Bezug auf den behaupteten Schaden
trage. Dieser Ansicht folgt der Senat allerdings nicht. Denn der behauptete Schaden ist
bereits dadurch eingetreten, dass die Klägerin mit ihrem Angebot von dem
Vergabeverfahren durch die DB ProjektBau GmbH ausgeschlossen worden ist. Ob dies
zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist, bedarf an dieser Stelle keiner Würdigung, da es das
Mitverschulden der Klägerin betreffen würde, ob sie verpflichtet gewesen wäre, gegen
diese Entscheidung juristisch vorzugehen.
Es handelt sich bei dem Punkt, ob das Angebot (auch) aus anderen Gründen hätte
ausgeschlossen werden müssen, vielmehr um die Frage fehlender Kausalität nach den
Grundsätzen des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Nach den allgemeinen
Beweislastregeln im Schadensersatzrecht liegt die Beweislast dafür bei der Beklagten,
da der Schädiger beweisen muss, dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen
Handeln eingetreten wäre (BGH NJW-RR 1995,937; speziell für das Vergabeverfahren
BGH NJW 2000, 661 ff.). Insoweit ist nicht ausreichend, dass der Schaden bei einem
rechtmäßigen Vorgehen möglicherweise gleichfalls entstanden wäre; dies muss vielmehr
feststehen (BGHNJW-RR 1995, 937).So liegt der Fall hier:
a) Ausschluss des Angebotes wegen fehlender Nennung von
Nachunternehmern
Das Angebot der Klägerin hätte bereits gemäß § 25 Nr. 1 Absatz 1 lit.b) VOB/A
ausgeschlossen werden müssen, da ihr Angebot die gemäß § 21 Nr. 1 Absatz 1 Satz 1
VOB/A erforderlichen Erklärungen nicht vollständig enthalten hat.
Die Klägerin hat unstreitig Nachunternehmer namentlich nicht benannt. Gemäß Ziffer
3.3 der Bewerbungsbedingungen Bauleistungen (Anlage B 2) in Verbindung mit Ziffer
13.7 der Besonderen Vertragsbedingungen in Verbindung mit Anlage 3 der DBB
(Anlagen B 3 und 4) war dies jedoch nicht nur erforderlich, sondern nach der
Ausschreibung (Anlage K 1) zwingend („alle geforderten Erklärungen sind zwingend
vorzulegen“). Die Ansicht der Klägerin, die Anlage B 3 und B 4 beträfen nur die
Verpflichtung nach Auftragserteilung, ist nicht haltbar, wie sich aus dem Wortlaut der
Anlage B 4 ergibt, der die Unterschrift des Bieters und nicht des Auftragnehmers
erfordert. Auch zitiert die Klägerin auf Seite 55 der Replik (II/205) unvollständig aus Ziffer
13.7, da „die beabsichtigten NU-Leistungen … gem. Anlage 3 … zu erfassen sind“
(selbst im Original Fettdruck), die aber gerade auch die Namen erfordert. Die
Entscheidung des OLG Schleswig (Beschluss vom 10.03.2006m 1 (6) Verg 13/05) steht
also der Notwendigkeit, das Angebot deshalb auszuschließen, nicht entgegen, da
vorliegend gerade die geforderte Erklärung für alle Bieter eindeutig war.
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Damit hätte das Angebot aus diesem Grund ausgeschlossen werden müssen. Denn
werden in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Erklärungen nicht abgegeben, führt
dies zwingend dazu, dass ein solches Angebot von der Wertung auszuschließen ist (BGH
v. 07.06.005, X ZR 19/02, OLG Brandenburg Urteil vom 10.01.2007, 4 U 81/06, zitiert
nach juris; VK Schleswig-Holstein v. 27.07.2006, VK-SH 17/06 zitiert nach juris; OLG
Düsseldorf v. 13.04.2006 VII-Verg 10/06, zitiert nach juris).
b) Ausschluss des Angebotes wegen Doppelbeteiligung von A. bzw. H.
Die Doppelbeteiligung der Fa. H. entgegen den Vergaberichtlinien wurde durch die
lediglich stille Beteiligung der H. an der Klägerin möglich. Die D. P. GmbH hätte davon
zwar wohl zumindest bis zur Entscheidung über die Auftragsvergabe, wahrscheinlich
sogar bis zum Beginn der Bauausführung nichts erfahren. Jedoch ist nicht der subjektive
Kenntnisstand des Auftraggebers maßgebend, sondern nach den Grundgedanken von
Treu und Glauben, die auch im Schadensersatzrecht ausnahmsweise Korrekturen der
Ersatzpflicht rechtfertigen, darf allein der objektive Maßstab gelten, um dem
Geschädigten trotz seines Verstoßes gegen geltende Vorschriften nicht
ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen. Die Doppelbeteiligung wäre jedoch nicht
zulässig gewesen, da die Fa. H. nach den eigenen Ausführungen der Klägerin (vgl. auf
Seite 30 im Schriftsatz vom 27.09.2004) „das Angebot mittragen sollte“. Darunter ist
aber nichts Anderes zu verstehen als dass zumindest Gespräche über den Inhalt des
Angebots stattfanden und damit durch die Doppelbeteiligung aus
wettbewerbsrechtlicher Sicht unzulässigerweise Kenntnisse aus der anderen
Angebotserstellung verwertet werden konnten.
Auf die Frage, ob das Angebot der Klägerin nicht das annehmbarste, wirtschaftlich
günstigste gewesen war und sie deshalb nicht den Zuschlag erhalten hätte, kommt es
ebenso wenig mehr an wie auf die zwischen den Parteien umstrittene Höhe des geltend
gemachten Schadens.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung
hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 ZPO.
Gerade da bisher offensichtlich noch keine Entscheidung im Zusammenhang mit den
Pflichten der Gesellschafter einer Bietergemeinschaft ergangen ist, handelt es sich um
einen Einzelfall, für den die allgemeinen Grundsätze des Gesellschaftsrechts unter
Berücksichtigung der Besonderheiten heranzuziehen waren.
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