Urteil des KG Berlin vom 03.07.2004

KG Berlin: einstweilige verfügung, vollziehung, preisliste, werbung, hersteller, kopie, zustellung, veröffentlichung, quelle, sammlung

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Gericht:
KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 160/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 189 ZPO, § 929 Abs 2 ZPO, §
242 BGB, § 3 UWG vom
03.07.2004, § 5 Abs 1 UWG vom
03.07.2004
Wettbewerbsrechtliches einstweiliges Verfügungsverfahren:
Rechtsmissbräuchliche Berufung auf fehlerhafte Vollziehung
einer der Partei zugestellten Beschlussverfügung;
Wirksamwerden einer geänderten unverbindlichen
Preisempfehlung des Herstellers
Leitsatz
1. Ist eine Beschlussverfügung fehlerhaft an die Partei (statt an ihren
Verfahrensbevollmächtigten) zugestellt worden, ist ihre Berufung auf eine fehlerhafte
Vollziehung rechtsmissbräuchlich, wenn ihr Verfahrensbevollmächtigter bewusst eine
Übermittlung der Beschlussverfügung an sich innerhalb der Vollziehungsfrist unterbunden
hat.
2. Eine geänderte unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers wird - ohne Übergangsfrist
- grundsätzlich mit ihrer Veröffentlichung bzw. Mitteilung gegenüber den Abnehmern wirksam.
Tenor
1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 29. Juni 2004 verkündete Urteil der
Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin - 15 O 154/04 - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens nach einem Wert von
50.000,00 EUR zu tragen.
Gründe
A.
Die Parteien sind Wettbewerber u.a. auf dem Gebiet der Haushaltselektroartikel und
Unterhaltungselektronik.
Die Antragsgegnerin nannte in einer Werbebeilage zur „Berliner Zeitung“ vom 4. März
2004 für einen Backherd „KG MP 9842 Solar“ und ein Handy „LG G512“ eine
unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers von 699,00 EUR bzw. 399,00 EUR,
obwohl seinerzeit die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers 629,00 EUR (seit 1.
März 2004) bzw. 229,00 EUR (seit Februar 2004) betrug.
Das Landgericht hat mit Beschlussverfügung vom 6. April 2004 die Werbung der
Antragsgegnerin mit nicht oder nicht mehr in der angegebenen Höhe bestehenden
unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers als irreführend untersagt. Die
Bevollmächtigten der Antragsgegnerin hatten sich mit Telefaxschreiben vom 15. März
2004 gegenüber der Antragstellerin als Verfahrensbevollmächtigte bestellt. Im
Parteiwege ist die Beschlussverfügung des Landgerichts Berlin vom 6. April 2004 der
Antragsgegnerin unmittelbar am 15. April 2004 zugestellt worden. Mit Telefax vom 15.
April 2004 zeigten die Bevollmächtigten gegenüber dem Landgericht Berlin die
Vertretung der Antragsgegnerin an und baten um Übersendung der Antragsschrift.
Mit der auf den Widerspruch vom 12. Mai 2004 ergangenen angefochtenen Entscheidung
hat das Landgericht die Beschlussverfügung bestätigt.
B.
Die Berufung der Antragsgegnerin ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO aus den weiterhin
zutreffenden Gründen der Verfügung des Senats vom 19. November 2004
zurückzuweisen.
I.
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Im Ergebnis rechtsfehlerfrei ist das Landgericht von einer wirksamen Vollziehung der
Beschlussverfügung vom 06.04.2004 ausgegangen, § 929 Abs. 2 ZPO.
Auch wenn die an sich gebotene förmliche Parteizustellung an den
Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin (der sich schon mit Schriftsatz vom
15.03.2004 bei der Antragstellerin als solcher gemeldet hatte) nicht erfolgt ist, ist eine
Berufung der Antragsgegnerin auf diesen Zustellungsmangel vorliegend jedenfalls
rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB.
1.
Eine Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 189 ZPO kommt nach der Neufassung
dieser Vorschrift grundsätzlich in Betracht, weil die Rechtsfolge eine Heilung nicht mehr
in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (wie vormals bei § 187 ZPO a.F.; so auch OLG
Hamm, Urteil vom 03.06.2003, 4 U 48/03, Bl. 90 R d.A.; Zöller/Vollkommer, ZPO f, 24.
Aufl., § 929 Rdn. 14 m.w.N.).
Voraussetzung des § 189 ZPO n.F. ist, dass das Zustellungsobjekt mit einem
Zustellungswillen in den Rechtsverkehr gelangt und (schließlich) dem Empfänger
tatsächlich zugeht (BGH, NJW 2001, 1946, 1947). Auch wenn die bloße Unterrichtung
über den Inhalt nicht genügt (BGH, NJW 1978, 1325; NJW 1992, 2099, 2100), so kommt §
189 ZPO in Betracht, wenn das Zustellungsobjekt zwar fehlerhaft an die Partei statt an
ihren Prozessbevollmächtigten geht, die Partei aber eine Kopie an den
Prozessbevollmächtigten weiterleitet (OLG Braunschweig, NJW-RR 1996, 380;
Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 187 Rdn. 9 „Prozessbevollmächtigter“).
2.
Wenn der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin sich mit Schriftsatz vom
15.04.2004 bei Gericht unter Angabe des Aktenzeichens der Beschlussverfügung
gemeldet und (lediglich) um Übersendung der Antragsschrift gebeten hat, dann spricht
eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ihm die Beschlussverfügung - jedenfalls in
Kopie - vorgelegen hat.
3.
Selbst wenn - wie nunmehr anwaltlich versichert - die Antragsgegnerin ihrem
Verfahrensbevollmächtigten nur per e-mail mitgeteilt haben sollte, dass ihr unter dem
Aktenzeichen 15 O ... eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin von der
Antragstellerin zugestellt worden sei, ihr Verfahrensbevollmächtigter daraufhin die
Antragsschrift beim Landgericht angefordert habe und diesem innerhalb der
Vollziehungsfrist die Beschlussverfügung weder in Kopie noch sonstwie übermittelt
worden sei, wäre vorliegend die Berufung auf den Zustellungsmangel
rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB.
a)
Im Rahmen der Prüfung der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO kann auch der von
Amts wegen zu beachtende, das gesamte Privatrecht einschließlich des
Verfahrensrechts beeinflussende Grundsatz von Bedeutung sein, dass sich niemand
missbräuchlich auf Rechte berufen darf (Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 929 Rdnr. 14
„Fristberechnung“).
b)
Hat sich ein Verfahrensbevollmächtigter auf eine Abmahnung hin gemeldet und wird ihm
von seinem Mandanten mitgeteilt, dass die Zustellung der Beschlussverfügung an ihn -
die Partei - ergangen ist, dann liegt es in einem normalen Verfahrensgang, dass sich der
Verfahrensbevollmächtigte die an seine Partei zugestellte Beschlussverfügung von
seiner Partei übersenden lässt, um etwaige Rechtsbehelfe (oder auch ein
Abschlussschreiben) zu prüfen. Unterbindet der Verfahrensbevollmächtigte aber
bewusst eine solche Übermittlung an sich, um den Einwand der fehlerhaften Zustellung
und der fehlenden Vollziehung nicht zu gefährden und den Antragsteller mit den Kosten
des Verfahrens belasten zu können, dann handelt er arglistig und rechtsmissbräuchlich.
Eine Partei verdient nicht den Schutz der fehlenden Vollziehung, wenn ihr
Prozessbevollmächtigter sich bei einem erkannten Zustellungsfehler bewusst in
Unkenntnis halten will.
c)
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Davon ist nach den vorliegenden Umständen auszugehen. Denn wenn sich der
Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin am 15.04.2004 zwar um den Erhalt der
Antragsschrift bemüht hat, nicht aber sich von seiner Mandantin die Beschlussverfügung
übermitteln ließ, dann wollte er sich insoweit bewusst in Unkenntnis halten. Es ist auch
nicht ersichtlich, dass dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin die
Beschlussverfügung nicht innerhalb der (ab dem 08.04.2004 laufenden) Vollziehungsfrist
problemlos auf Anforderung am 15.04.2004 hätte übermittelt werden können.
Handelte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin rechtsmissbräuchlich,
dann kann er sich auch insoweit nicht auf die ihm gebotene Wahrnehmung der
Interessen seiner Mandantschaft berufen.
II.
Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht die streitgegenständliche Werbung vom
04.03.2004 als irreführend angesehen (§ 3 UWG a.F., §§ 3,5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG
n.F.).
1.
Hinsichtlich der Unterhaltungselektronik (Handy „LG G512“, unverbindliche
Preisempfehlung des Herstellers seit Februar 2004 229,00 EUR statt beworbener 399,00
EUR) hat die Antragsgegnerin konkrete Einwendungen nicht erhoben.
Soweit sie meinen sollte, der Entscheidung des BGH „Fortfall einer
Herstellerpreisempfehlung“ (GRUR 2004, 437, 438) sei zu entnehmen, dass allgemein
ein „Übergangszeitraum“ von einem Monat zu berücksichtigen sei, so überzeugt dies
nicht.
a)
Enthält die aktuelle Preisliste des Herstellers seine vormalige unverbindliche
Preisempfehlung nicht mehr, dann kann von einer Fortgeltung der Preisempfehlung -
jedenfalls nach einer kurzen Übergangsfrist von einem Monat - nicht mehr ausgegangen
werden, auch wenn der Hersteller das Gerät weiter lieferbar hält (BGH, a.a.O.).
Enthält die aktuelle Preisliste des Herstellers seine vormalige unverbindliche
Preisempfehlung nicht mehr, wohl aber den Hinweis, dass frühere Preislisten nicht mehr
gelten würden, dann ergibt sich schon allein darauf, dass der Hersteller die
unverbindliche Preisempfehlung aufgehoben hat (BGH, a.a.O.). Eine Übergangsfrist
kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. BGH: Preisliste vom 01.04.2000, Werbung vom
27.04.2000 als Verstoß bejaht).
b)
Vorliegend hat die Preisliste vom Februar 2004 die unverbindliche Preisempfehlung
geändert. Damit verlor die ehemalige unverbindliche Preisempfehlung mit sofortiger
Wirkung ihre Gültigkeit. Denn wenn schon ein bloßes Entfallen der weiteren
Preisempfehlung mit einem allgemeinen Ungültigkeitshinweis des Herstellers genügt
(vgl. BGH, a.a.O.), dann muss dies erst recht gelten, wenn eine neue, andere
unverbindliche Preisempfehlung vom Hersteller genannt wird.
2.
Im Ergebnis nichts Anderes gilt für die unverbindliche Preisempfehlung betreffend
elektronischer Haushaltsgeräte (Backherd „KG NP 9842 Solar“, unverbindliche
Preisempfehlung des Herstellers ab der seit 01.03.2004 gültigen Preisliste 629,00 EUR
statt beworbener 699,00 EUR).
a)
Die unverbindliche Preisempfehlung wird grundsätzlich wirksam mit ihrer
Veröffentlichung bzw. Mitteilung gegenüber den Abnehmern.
b)
Damit hatte die Herstellerin vorliegend auch nach Einlassung der Antragsgegnerin schon
ab der ersten Märzwoche 2004 (somit ab 01.03.2004) begonnen (Anlage JS1). Die
Mitteilung hat zudem die Antragsgegnerin am 02.03.2004 erreicht. Dann war die Angabe
zur Preisempfehlung in der Werbung vom 04.03.2004 objektiv irreführend. Auf ein
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zur Preisempfehlung in der Werbung vom 04.03.2004 objektiv irreführend. Auf ein
Verschulden der Antragsgegnerin käme es im Übrigen auch nicht an.
Darüber hinaus hätte sie vorliegend rechtzeitig über den Irrtum aufklären können.
Konkrete Einwendungen hierzu hat die Antragsgegnerin auch nicht mehr erhoben.
III.
Die Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalles,
§ 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO.
c)
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung ergehen gemäß §§
97 Abs. 1, 3 ZPO.
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