Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: verwirkung, portier, eng, stillen, vollstreckung, geschäftsführer, russisch, schriftzeichen, beendigung, gespräch

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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 25/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 133 BGB, § 157 BGB, § 535
BGB
Mietvertrag über eine Arztpraxis: Auslegung des vereinbarten
Konkurrenzschutzes für die Tätigkeit "Praktischer Arzt speziell
hausärztlicher Internist"
Leitsatz
Vereinbaren die Parteien eines Mietvertrages über Gewerberäume Konkurrenzschutz für die
Tätigkeit "Praktischer Arzt speziell hausärztlicher Internist" erstreckt sich der
Konkurrenzschutz sowohl auf die Tätigkeit als "praktischer Arzt" als auch auf die Tätigkeit als
"hausärztlicher Internist", denn bei dem praktischen Arzt und dem hausärztlichen Internisten
handelt es sich
um verschiedene Fachärzte mit identischem Tätigkeitsbereich und identischer Klientel
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 16. Dezember 2004 verkündete Urteil der
Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, das Mietvertragsverhältnis mit Frau Dr. Y. über die
Praxisräume in der S. Straße ... in ... B. zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Kläger zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten und zweiten Instanz tragen die Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu
1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe 35.000,00 € abwenden, wenn nicht die
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe
I.
Die Berufung der Kläger richtet sich gegen das am 16. Dezember 2004 verkündete Urteil
des Landgerichts, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen
wird.
Die Kläger tragen zur Begründung der Berufung vor:
Sie hätten ihr Recht auf Konkurrenzschutz, soweit es die Tätigkeit der Frau Dr. Y. betrifft,
nicht verwirkt. Weder sei das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment, noch das für
eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment gegeben. Entgegen den Ausführungen
im angefochtenen Urteil habe sich Frau Dr. Y. nicht von Beginn Ihres Mietverhältnisses
an auf dem stillen Portier als praktische Ärztin ausgewiesen. Zunächst habe Frau Dr. Y.
auf dem stillen Portier nur darauf hingewiesen, dass sie chinesische Heilkunst
praktiziere. Das streitgegenständliche Praxisschild sei erst später angebracht worden
(Bl. 74).
Bezüglich des Herrn Dr. ... sei das Landgericht von dem bestrittenen Sachvortrag der
Gegenseite ausgegangen. Sie, die Kläger, hätten unter Beweisantritt vorgetragen, dass
Herr Dr. ... auch auf dem Bereich der Allgemeinmedizin bzw. der inneren Medizin tätig
sei (Bl. 73).
Die Kläger beantragen,
das am 16. Dezember 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des
Landgerichts Berlin abzuändern und
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1. die Beklagte zu verurteilen, das Mietvertragsverhältnis mit Frau Dr. Y. über die
Praxisräume in der ... in ... Berlin zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden;
2. die Beklagte zu verurteilen, das Mietvertragsverhältnis mit Herrn Dr. ... über
die Praxisräume in der ... in ... Berlin zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. eine
Schadensersatzleistung in einer vom Gericht nach billigem Ermessen festzusetzenden
Höhe jedoch mindestens in Höhe von 30.000,00 € für das Jahr 2002 und 2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:
Der vereinbarte Konkurrenzschutz beschränke sich auf die Tätigkeit als praktischer Arzt
speziell hausärztlicher Internist. Daraus folge zwingend, dass ein Konkurrenzschutz für
praktischer Arzt nicht gewährt worden sei, sondern nur dann wenn dieser praktische Arzt
speziell als hausärztlicher Internist tätig sei, also auf der hausärztlichen
Internistentätigkeit der Schwerpunkt liege. Diese Tätigkeit werde aber weder für Frau Dr.
Y., noch für Herrn Dr. ... vorgetragen. Eine Konkurrenzsituation sei nicht gegeben (Bl.
87).
Aus allgemein entwickelten Konkurrenzschutzregeln sei bereits einhellige Meinung, dass
der Mieter von Praxisräumen in einem ersichtlich für mehrere Arztpraxen vorgesehenen
Gebäude keinen Konkurrenzschutz beanspruchen könne (Bl. 88). Dieser Sachverhalt
liege hier zweifelsfrei vor. Der Kläger zu 1) habe vor Mietvertragsabschluss gegenüber
den von der Gegenseite genannten Zeugen ... und Dr. ... auch unmissverständlich
klargestellt, dass man mit der Ansiedlung eines weiteren Allgemeinmediziners keine
Probleme hätte (Bl. 88). Der vertraglich gewährte Konkurrenzschutz sei daher auch
bewusst eng gefasst worden (Bl. 88).
Zudem habe der Kläger zu 1) vor Abschluss des Mietvertrages mit Frau Dr. Y. sowohl im
September 1999 gegenüber dem Geschäftsführer als auch gegenüber Herrn Dr. ...
geäußert, dass er mit dem Betrieb der Praxis von Frau Dr. Y. überhaupt keine Probleme
habe.
Frau Dr. Y. und die Kläger betreuten jeweils ihre eigene Klientel.
Frau Dr. Y. sei nicht praktische Ärztin, die speziell als hausärztliche Internistin tätig sei.
Sie betreibe eine Praxis für chinesische Heilkunde, firmiere entsprechend mit
chinesischen Schriftzeichen und sei gebürtige Chinesin. Das Praxisschild der Frau Dr. Y.
habe sich von Anbeginn an nicht verändert.
Dementsprechend seien ihr die Räumlichkeiten als Praxis für chinesische Heilkunde
vermietet worden.
Die Kläger, die mit ihren Praxisschildern auf deutsch und russisch mit entsprechenden
Wegweisern auf sich aufmerksam machten, betreuten nahezu ausschließlich eine
russische Klientel. Der Kläger zu 1) sei gebürtiger Russe.
Im Übrigen fehle es an einer relevanten Konkurrenzverschärfung zweifelsfrei auch
dadurch, dass ohnehin in der Umgebung der Praxis Konkurrenten niedergelassen seien
(Bl. 89).
Die pauschale Behauptung der Kläger, sie hätten erstinstanzlich den Tätigkeitsbereich
des Herrn Dr. ... substantiiert dargestellt, treffe nicht zu (Bl. 90).
II.
Die Berufung der Kläger hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die Kläger haben gegen die Beklagte aufgrund der in § 19 des Mietvertrages vom 27.
November 1998 getroffenen Konkurrenzschutzvereinbarung einen Anspruch auf
Beendigung des zwischen der Beklagten und Frau Dr. Y. über die Praxisräume in der ... in
... Berlin bestehenden Mietvertragsverhältnisses zum nächst möglichen Zeitpunkt.
Das Landgericht geht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon aus, dass die
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Das Landgericht geht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon aus, dass die
Tätigkeit der Ärztin Dr. Y. den vertraglich gewährten Konkurrenzschutz verletzt. Laut
Mietvertrag wird Konkurrenzschutz für folgenden Umfang vereinbart:
„Praktischer Arzt speziell hausärztlicher Internist“.
Diese Vereinbarung kann nur dahingehend ausgelegt werden, dass sich der
Konkurrenzschutz sowohl auf die Tätigkeit „praktischer Arzt“ als auch “hausärztlicher
Internist“ beziehen soll. Es handelt sich bei dem praktischen Arzt und dem
hausärztlichen Internisten um verschiedene Fachärzte mit identischem
Tätigkeitsbereich. Beide betreiben eine so genannte Hausarztpraxis, haben also eine
identische Klientel.
Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz vorträgt, der Konkurrenzschutz sei
bewusst eng gefasst worden, weil der Kläger zu 1) bereits vor Abschluss des
Mietvertrages bei einem Gespräch im November 1998 geäußert habe, dass er mit der
Ansiedlung eines weiteren Allgemeinmediziners keine Probleme hätte, ist sie mit diesem
Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Ziffer 3 ZPO ausgeschlossen. Im Übrigen ist nicht
nachvollziehbar, weshalb die Parteien überhaupt eine Konkurrenzschutzvereinbarung
getroffen haben, wenn doch der Kläger zu 1) angeblich mit der Ansiedlung eines
weiteren Allgemeinmediziners keine Probleme gehabt haben soll.
Die Konkurrenzschutzklausel ist auch nicht etwa deshalb eng auszulegen, weil sich die
Mieträumlichkeiten in einem so genannten „Gesundheitszentrum“ befinden. Zwar mag
bei der Festlegung des „vertragsimmanenten“ Konkurrenzschutzes eine engere
Grenzziehung geboten sein. Vorliegend geht es jedoch nicht um einen
vertragsimmanenten, sondern um einen ausdrücklich vertraglich festgelegten
Konkurrenzschutz, dessen Umfang die Parteien selbst bestimmt haben (vgl. OLG
Hamm, ZMR 1991, 295).
Die Ärztin Dr. Y. ist unstreitig als praktische Ärztin tätig, wenn auch mit der speziellen
Ausrichtung Chinesische Heilkunde. Gleichwohl ist sie als praktische Ärztin aufgrund des
identischen Tätigkeitsbereiches Konkurrentin der Kläger. Völlig unerheblich für die
Konkurrenzsituation ist der Umstand, dass es sich bei Frau Dr. Y. um eine gebürtige
Chinesin und bei dem Kläger zu 1) um einen gebürtigen Russen handelt. Entscheidend
ist die von den beiden Ärzten ausgeübt Tätigkeit als praktischer Arzt.
Dem Landgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es annimmt, ein
Konkurrenzschutzanspruch der Kläger sei gemäß § 242 BGB verwirkt. Wenn überhaupt
das Zeitmoment als Voraussetzung für eine etwaige Verwirkung erfüllt sein sollte, so
fehlt es jedenfalls an dem für eine Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment. Es ist
nicht ersichtlich, inwieweit sich die Beklagte darauf eingerichtet haben sollte, dass die
Kläger keine Konkurrenzschutzansprüche mehr geltend machen. (Anders verhält es sich
in dem vom OLG Frankfurt, OLGR 2004, 337 entschiedenen Fall, wo die Parteien nach
mehreren Jahren einen Vertrag geschlossen haben, der die Konkurrenzsituation
berücksichtigte).
Unerheblich ist, dass der Kläger zu 1) gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten
und Herrn Dr. ... vor Abschluss des Mietvertrages mit Frau Dr. Y. erklärt haben soll, dass
eine Praxis der Frau Dr. Y. mangels Konkurrenzsituation kein Problem wäre (Bl. 18), denn
die Kläger zu 1) und 2) konnten nur gemeinsam auf den vertraglich vereinbarten
Konkurrenzschutz verzichten.
Unbegründet ist die Klage soweit die Kläger gegenüber der Beklagten
Konkurrenzschutzansprüche wegen des Herrn Dr. ... geltend machen. Insoweit kann den
Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung gefolgt werden. Die Kläger verkennen,
dass sie sich nicht darauf beschränken können, mit Nichtwissen zu bestreiten, dass Herr
Dr. ... als Gastroenterologe tätig ist. Sie haben vielmehr substantiiert und unter
Beweisantritt vorzutragen, dass Herr Dr. ... als praktischer Arzt und/oder hausärztlicher
Internist tätig ist. Hierfür fehlt es an einem substantiierten Vortrag. Es wird noch nicht
einmal vorgetragen, welche Fachrichtung auf dem so genannten „Stillen Portier“
ausgewiesen ist. Dass ein Gastroenterologe nicht unter die
Konkurrenzschutzvereinbarung fällt, ist unstreitig (Bl. 30).
Dem Antrag gemäß § 142 ZPO vom 7. Juni 2004 (Bl. 41) war nicht stattzugeben, da
dieser Antrag auf eine reine Ausforschung ausgerichtet ist.
Unbegründet ist die Klage auch soweit die Kläger von der Beklagten Schadensersatz von
mindesten 30.000,00 € pro Person und Jahr verlangen. Es fehlt an einem schlüssigen
Vortrag, dass der behauptete Schaden auf die Konkurrenzsituation mit Frau Dr. Y.
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Vortrag, dass der behauptete Schaden auf die Konkurrenzsituation mit Frau Dr. Y.
zurückzuführen ist. Frau ... ist spätestens seit 2000 aufgrund des mit der Beklagten
geschlossenen Mietvertrages vom 22. Juni 1999 in dem Ärztehaus tätig. Nach dem
Vortrag der Kläger sind die von ihnen erzielten Einnahmen noch im Jahr 2001 gegenüber
dem Jahr 2000 von 308.787,86 DM auf 426.973,82 DM gestiegen, obwohl Frau Dr. Y.
Ende 2001 bereits 2 Jahre in dem Ärztehaus tätig war. Gegen die Schadensursächlichkeit
der geltend gemachten Konkurrenzsituation spricht zum einen, dass eine zuvor bei den
Klägerin tätige Assistenzärztin zu der Praxis der Frau Dr. Y. gewechselt hat (Bl. 18), und
dass ein Praxismitinhaber der Kläger im Jahr 2002 sich mit den Klägern überworfen und
eine eigene Praxis in der Nachbarschaft eröffnet hat (Bl. 46).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat,
noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2 ZPO
n. F.).
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