Urteil des KG Berlin vom 05.06.2000
KG Berlin: pastor, belastung, eigenleistung, sammlung, berechtigung, bauvertrag, erfahrung, zink, quelle, waffengleichheit
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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 7886/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 91 Abs 1 ZPO
Kostenerstattung: Erstattungsfähigkeit von Architektenkosten
für die Mitwirkung an einem Bauprozess
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert. Der Kostenfestsetzungsantrag der
Beklagten vom 5. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem
Wert von 21.751,10 DM zu tragen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 11 Abs.1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs.3 S.1, 577 ZPO
a.F., § 26 Nr.10 EGZPO. Sie ist auch begründet. Das der Beklagten unter dem 23.
November 1999 in Rechnung gestellte Architektenhonorar ist durch die Klägerin nicht zu
erstatten. Die Rechnung der Architekten-Gemeinschaft ... GbR bezieht sich auf die
"Mitwirkung an der Klageerwiderung" gemäß Auftrag vom 9./16. September 1999 zur
"rechnerischen und technischen Zuarbeit für die Anwälte". Die hierfür aufgewandten
Kosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beklagten nicht
notwendig i.S.v. § 91 Abs.1 ZPO.
Nach der in den Schriftsätzen vom 10. Juli und 7. Dezember 2000 enthaltenen näheren
Begründung des Kostenfestsetzungsantrags bestand die Mitwirkung der Architekten in
der Überprüfung der Schlussrechnungen und der Unterrichtung der
Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Allerdings ist mit der angeführten Prüftätigkeit
nicht die eigentliche Rechnungsprüfung i.S.v. § 15 HOAI Leistungsphase 8 gemeint, zu
der die Architekten nach dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag ohnehin
verpflichtet waren. Diese Prüfung wurde durch die Architekten mit der Kürzung der
Rechnungen vom 31. Dezember 1996 / 24. Januar 1997 und der Überprüfung der
Nachforderungen vom November 1998 bereits vorprozessual vorgenommen, wie u.a.
den durch die Beklagte eingereichten Schreiben vom 25. August 1997 (Anlage B 15) und
14. Dezember 1998 nebst Berechnung (Anlage B 22 und 21) zu entnehmen ist. Den
erneuten Rechnungen der Klägerin vom Juli 1999 kam demgegenüber keine gesonderte
Bedeutung zu; diese wiederholen nur die schon im November 1998 geltend gemachten
Nachforderungen. Unter "Überprüfung" ist vielmehr entsprechend dem
Stundennachweis zu der Rechnung vom 23. November 1999 die Sammlung von
Tatsachen und Beweismaterial, die Begründung und rechnerische Darstellung der
Kürzungen sowie eine detaillierte Kommentierung der Nachforderungen zu verstehen.
Solche allgemeinen Aufwendungen zur Bearbeitung des Prozesses sind jedoch ebenfalls
nicht erstattungsfähig, und zwar grundsätzlich auch dann nicht, wenn die Partei – wie
hier die Beklagte – diese für sie mit der Führung des Rechtsstreits verbundene Tätigkeit
auf Dritte überträgt (Senat, JurBüro 1985, 1409; OLG Nürnberg MDR 2001, 1439, 1440;
Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rn. 12 "Allgemeiner Prozessaufwand";
Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 91 Rn. 81 jew. m.w.N.). Dem liegt eine wertende
Abgrenzung zu Grunde, die durch den Umkehrschluss aus der Aufzählung einzelner Fälle
einer Entschädigung für Zeitversäumnis in § 91 Abs.1 S.2 ZPO gerechtfertigt ist; die
sonstige zeitliche Mühewaltung bei der Rechtswahrung gehört zum eigenen
Pflichtenkreis der Partei (vgl. BGHZ 66, 112, 115; 75, 230, 231 f.). Das gilt auch, wenn
ein Rechtsstreit ein sehr hohes Maß an Zeitaufwand und Mühewaltung erfordert, wie es
gerade bei Bauprozessen häufig vorkommt. Ob in Ausnahmefällen eine materielle
Kostenhaftung gerechtfertigt sein kann (vgl. BGHZ 66, a.a.O., S. 115), ist für das
vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, weil ein allein nach materiellem Recht in
Betracht kommender Kostenhaftungsanspruch nicht im Verfahren nach §§ 103 ff. ZPO
festgesetzt werden kann.
Aufwendungen für eine Bearbeitung durch Dritte sind nur dann zu erstatten, wenn die
Ermittlungen besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordern, über die die Partei nicht
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Ermittlungen besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordern, über die die Partei nicht
selbst verfügt und die nach der Eigenart ihrer geschäftlichen Tätigkeit auch nicht bei ihr
vorausgesetzt werden müssen (Senat, a.a.O.). Es kann offen bleiben, ob ein Gleiches
auch gilt, wenn der Partei eine Eigenleistung aus besonderen Gründen unzumutbar ist
(so OVG Hamburg, Rpfleger 1984, 329; Zöller/Herget, a.a.O.). Beide Fälle liegen hier
nicht vor.
Eine Eigenleistung war der Beklagten nicht unzumutbar. Allein der große Umfang und die
Unübersichtlichkeit des Prozessstoffs begründen eine Unzumutbarkeit nicht (vgl. OVG
Hamburg, a.a.O.). Eine solche ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Natur des
Streitgegenstands oder der Stellung der Beklagten. Der geltend gemachte Aufwand von
ca. 170 Stunden stand nicht außer Verhältnis zu dem Geschäftsbetrieb der Beklagten,
die zur Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft ihrer Mitglieder u.a. die
streitgegenständliche Sanierung im Wert von über 8.000.000 DM durchgeführt hat. Der
Einwand, nicht über ausreichendes Personal zu verfügen, ist unerheblich. Es mag
wirtschaftlich sinnvoll sein, die personelle Ausstattung eines Betriebs an der
normalerweise anfallenden Arbeit auszurichten und besondere Tätigkeiten gegen Entgelt
auf Dritte zu übertragen. Die Wahl der betrieblichen Organisation ändert aber nichts an
dem Grundsatz, dass der Mehraufwand für die Aufbereitung des Prozessstoffs von jeder
Partei selbst zu tragen ist. Danach kommt es nicht darauf an, ob zu den in Rechnung
gestellten Tätigkeiten auch solche gehören, die dem Prozessbevollmächtigten der
Beklagten oblagen und gemäß § 25 Abs.1 BRAGO bereits mit den gesetzlichen
Gebühren abgegolten sind.
Die Einschaltung der Architekten war auch nicht wegen fehlender Sachkenntnis der
Beklagten notwendig. Ebenso wie bei der Einholung eines Privatgutachtens kann eine
prozessbegleitende Sachverständigenberatung erstattungsfähig sein, wenn die Partei
mangels eigener Sachkunde zu Fachfragen nicht selbst in der Lage ist, sich die
tatsächlichen Grundlagen für einen von ihr geltend gemachten Anspruch bzw. zur
Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruchs zu verschaffen, und auch ihr
Prozessbevollmächtigter nicht über ausreichende Sachkunde verfügt (vgl. BGH, MDR
2003, 413; Senat, JurBüro 1989, 813, 815; OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Hamm NJW-RR
1996, 830, 831; Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rn. 12 "Privatgutachten";
Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 91 Rn. 102; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rn.
172). Es ist nicht hinreichend glaubhaft (§ 104 Abs.2 S.1 ZPO), dass diese
Voraussetzungen für die Beklagte vorlagen. Nach Aktenlage verfügte die Beklagte
grundsätzlich über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, um die Rechnungen
der Klägerin zu überprüfen und – für den Fall der Schlüssigkeit des Klagevorbringens –
substantiiert zu den streitigen Positionen Stellung zu nehmen. Soweit die Beklagte keine
"eigene Rechnungsprüfungsabteilung" hatte und Sanierungen durch beauftragte
Bauleitbüros – hier die Architekten-Gemeinschaft ... GbR – planen und überwachen ließ,
war sie auf Grund der vertraglich geschuldeten Vorarbeit der Architekten, die ihre
Massenermittlungen und Rechnungskürzungen (§ 15 HOAI Leistungsphasen 6 und 8)
nachvollziehbar darzustellen und ggf. zu erklären hatten, zu einer eigenen Überprüfung
und detaillierten Stellungnahme fachlich gleichwohl in der Lage. Denn sie verfügte
ausweislich ihres Schreibens vom 6. November 2000 über eine technische Abteilung, die
abgesehen von den dort genannten Sanierungsmaßnahmen die Modernisierung und
Instandsetzung der genossenschaftlichen Häuser eigenständig durchführte.
Insbesondere das an den Vertragsverhandlungen mit der Klägerin beteiligte
Vorstandsmitglied Dipl.-Ing. O und die mehrfach als Zeugen benannten Mitarbeiter ...
(technischer Prokurist) und Dipl.-Ing. B (Bauleiter) dürften auf Grund ihrer fachlichen
Qualifikation und Erfahrung hinreichend sachkundig gewesen sein, um
Schlussrechnungen aus einem Bauvertrag selbst zu überprüfen und vorliegend den
Prozessbevollmächtigten über die Berechtigung der streitigen Rechnungskürzungen bzw.
Nachforderungen zu unterrichten.
Zudem ergibt sich aus dem vorprozessualen Verhalten der Beklagten, dass sie auch
ohne nochmalige Einschaltung eines spezialisierten Dritten zu einem sachgerechten
Vortrag in der Lage war. Wie auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf Seite 2
und 115 der Klageerwiderung betont hat, ist der Streit zwischen den Parteien zur
Rechnungshöhe auf Kernpunkte beschränkt, die sich in jeder Schlussrechnung
wiederholen, nämlich Kürzungen für Reinigungsarbeiten am Putz, Einordnung von
Schadensgraden am Putz, Kürzungen für Zink- und Biberschwanzabdeckungen,
Mengenkürzungen bei der Position Schornsteinabriss und weitere Massekürzungen
wegen fehlender Aufmaßnachweise. Zu einem Großteil dieser Streitfragen hatte sich die
Beklagte bereits vorprozessual mit Schreiben vom 26. August 1997 (Anlage B 14)
sachkundig geäußert. Die entsprechende mühevolle Kommentierung jeder einzelnen
Schlussrechnung stellt eine rein zeitliche Belastung dar, die – wie bereits ausgeführt –
erstattungsrechtlich nicht zu berücksichtigen ist. Diese Belastung aber dürfte
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erstattungsrechtlich nicht zu berücksichtigen ist. Diese Belastung aber dürfte
ausschlaggebend für die Delegation auf die Architekten gewesen sein. Das räumt die
Beklagte selbst ein, wenn sie angibt, eine Aufarbeitung sei ihr wegen "der Komplexität
und Größe des Bauvorhabens" neben ihrer sonstigen Tätigkeit nicht möglich gewesen.
Die für die Mitwirkung der Architekten-Gemeinschaft ... GbR geltend gemachten Kosten
waren auch nicht deshalb notwendig i.S.v. § 91 Abs.1 ZPO, weil die Rechnungskürzungen
auf tatsächlichen Gegebenheiten oder nachträglichen Absprachen beruhten, die allein
den Architekten bekannt waren. Zum einen ist nicht ersichtlich, welche maßgebenden
Tatsachen die Architekten erst im September 1999 und nicht schon mit den Schreiben
vom 25. August 1997, 14. Dezember 1998, 15. Januar 1999 (Anlage B 23) und dem
Besprechungsprotokoll vom 11. September 1997 (Anlage B 16) mitgeteilt haben sollen.
Zum anderen stand den Architekten für eine solche Information eine gesonderte
Vergütung nicht zu. Den mit der Rechnungsprüfung beauftragten Architekten trifft – wie
erwähnt – eine Mitteilungs- und Erläuterungspflicht. Er muss seinen Bauherrn über die
maßgebenden Umstände so aufklären, dass dieser im Rechtsstreit in der Lage ist, die
Prüfergebnisse im Einzelnen darzulegen (vgl. OLG Koblenz, JurBüro 1980, 448;
Hesse/Korbion, HOAI, 5. Aufl., § 15 Rn. 176; Pott/Dahlhoff/Kniffka, HOAI, 7. Aufl., § 15 Rn.
32a; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 4. Aufl., Rn. 479).
Das Vorbringen der Beklagten, die umfangreiche Tätigkeit der Architekten sei wegen des
ungenügenden Vortrags der Klägerin erforderlich gewesen, ist unerheblich. Lässt der
klägerische Vortrag nicht hinreichend erkennen, welche Einzelbeträge geltend gemacht
werden, führt dies nicht zu gesteigerten Anforderungen an den Tatsachenvortrag der
Beklagten. Im Übrigen bleibt es dabei, dass der Zeitaufwand für die Verteidigung gegen
unbegründete Klagen nicht zu erstatten ist.
Schließlich war die Tätigkeit der Architekten auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
Waffengleichheit (vgl. dazu Zöller/Herget, a.a.O.; Werner/Pastor, a.a.O. jew. m.w.N.) für
eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendig, weil die Beklagte – wie bereits
ausgeführt – ausreichend sachkundig war, um sich angemessen zu verteidigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO. Die Wertfestsetzung erfolgt in DM,
weil die Gebühren noch nach der bis 31. Dezember 2001 geltenden DM-Tabelle zu
berechnen sein werden.
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